Archiv 2002 - 2003

   
 

Und hier können Sie nun lesen,
ob es uns gefallen hat !

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Inhaltsverzeichnis


Auf unseren Deutschen Bühnen probiert jeder, was er mag
Italienische Oper im süddeutschen Regen
Maria Stuart - Posse ohne Gesang
José Cura in concert
Die Bernauerin
Die Nacht kurz vor den Wäldern
Die drei Musketiere
Wie kann dem Mann geholfen werden ?

Die Räuber, treu nach Schiller
La Bohème - Puccinis Rührstück in Regensburg
Obersalzberg von Rudolf Zollner, Uraufführung
Der Weimarer Klassiker - leicht gekürzt
Volksstückl'n
Ambitionierter Spielplan
Weder Brechtig, noch prächtig
Nonnen-Musical im Velodrom
Rossinis köstliche Messe
No amol, no amol, no amol
Wolfgang Rihm:  JACOB LENZ

Alfredo Catalani: LORELEY
Ist es Liebe ?
Lohengrin oder die Plauener Lichtspiele
Lewinsky: FREUNDE, DAS LEBEN IST LEBENSWERT
Verführer verführt
Übertitelungsanlage im Theater Regensburg
"... die guten ins Töpfchen ..."
Heiner Müller: 'PHILOKTET'
Zwei Männer - zwei Diven
... weiß man, was das bedeuten soll ?
Der Schall und sein Hall

Stadttheater Kyritz an der Knatter ?
DIE HUGENOTTEN - in Regensburg, hörenswert !
... und es geht doch !
Der 'Ochs' von Regensburg
Abge-Kupfer-t: Wagners Urenkelin inszeniert
Piehlmayers Debut als GMD in Augsburg
Königlich-Bairisches Scherbengericht

 
     
    07.08.03
Mephisto
im Weimarer Kubus

 

Auf unseren Deutschen Bühnen probiert jeder, was er mag.

     

Recht hätte er, der Herr von Goethe, dem dieses hier in den Mund gelegt wird. Probiert und gespielt wird en suite im Weimarer-Kubus mitten im Park, gleich um die Ecke neben Goethes Gartenhaus. „Ein Genie kann nur von einem Genie entzündet werden.“ Dies kann auch auf das Theater an der Ilm bezogen werden. Ein schwarzes Gehäuse, holzver- kleidete Stahlkonstruktion, steil ansteigende Zuschauerränge, Bühne, das ist alles.
Gespielt wird 'Mephisto' mit einem Text von Jürgen Lorenzen und fetzigen musikali- schen Ohrwürmern von Walter Bialek. Die Story ist neu gefasst, die Hölle steht vor der Pleite, da niemand mehr glaubt, somit auch niemand mehr den Teufel fürchtet. Autor Lorenzen meint, die Problematik erklären zu müssen mit dem Weg zum Ziel, seine Wortkaskaden – angefüllt mit einigen Plattitüden (Ich wäre gern ein Teppich, da könnte ich morgens liegen bleiben .... oder keiner ist unnütz, er kann immer noch als schlechtes Beispiel dazu dienen, um in Teufels Küche zu kommen ...) in Breite dem Publikum darzubieten.
Die Mehrfachbesetzung der Rollen, so dass die gleichen Typen – leider nur wenig im Äußeren verändert - dem Publikum dargeboten werden, führt beim Zuschauer zu der unvermeidlichen Frage: „who is who?“ Der Erfolg: man kann dieser Neufassung des Grund-themas nur mit Mühe folgen, ob des Schwalls der Worte, damit der Länge des Werkes und weil dieser Text  meist voll aus dem Halse gebrüllt wird. Von Artikulation kaum eine Spur. Hier hätte der Autor/Re-gisseur ansetzen müssen, denn was hat der Zuhörer davon, wenn die schönsten Worte in kehligem Gegurgel z.B. des Alexander Herzog untergehen. Phonetisch gesehen geht somit der Regisseur mit seinem eigenen Text gewalttätig um.
Er selber versucht als Mephisto in Gebärden und Sprache ’GG’ nachzueifern, was allerdings bezüglich seines Textvortrags teilweise zu einem tuntigen Getue verkommt. Ausgesucht hat sich der Oberkrampus ein paar hübsche Jungs – Dietmar Durand, Frederik Beyer, Tor- sten Ankert  - weniger smart schon genannter Alexander Herzog - als Mitteufel. Sind die wirklich alle in der Hölle? Das kann dann ja heiter werden.

 

Peter Frank als Dr. Johannes Faustus – wie der Composer ein Absolvent der Hochschule für Musik und Theater Hannover – schafft den Gegenpol zum Verführer, der Story folgend fällt er natürlich auf den rein, aber spielerisch drückt er durch seine offenkundige Intelligenz in der Darstellung den Brutalo an die Wand. Ein lässiger Luftikus mit wohltuend schöner Sängerstim- me, dem das Abschütteln der Qual: „Habe nun, ach !“ leicht fällt und der „ ... heute hier morgen dort, was macht es ...“, sein Leben annimmt. Stimmlich liegt ihm die Partie, so dass Mühen erspart bleiben.
Jördis Urban ist die einzige Frau im höllischen Ensemble und hat es schwer gegen die damenhaf-ten Herrenteufel anzukommen. Aber sie weiß Akzente zu setzen. Drei weitere Damen tra-gen zur Verwirrung bei. Bei einer ist klar, was sie soll, nämlich das Gretchen darstellen. Kristin Kunert ist kein Gretchen, auch wenn sie die Sprache zurück-nimmt, es fehlt ihr die Ausstrah-lung und so fragt sich, warum Dr. Faust ausgerechnet auf die hereinfällt.
Gloria Marks als Marthe und Heike Meyer als Engel sind so auswechselbar, dass ein bleiben-der Eindruck unterbleibt.
Die Bühne ein spitz – gebäude-bedingt - nach hinten zulaufen-der Raum wird voll ins Spiel einbezogen und das zeigt diese Inszenierung deutlich: einfalls-reich kann  auch ohne großes Brimborium an Bühnenbildern und sonstiger Ausstattung – Kostü-me Etta Wemken - eine Produk-tion 'rüberkommen.'
Andreas Wisbauer ist ein kraftvoller musikalischer Leiter der aus 16 verschiedenen Instrumenten bestehenden 'Höllencombo’. Warum in dem akustisch schon problematischen Raum die Komposition so dröh-nen muss, Hörgeräte-Akustikern zur Freude, bleibt unerfindlich. Leider eine Unart, die bei Musicals zu beobachten ist. Die Mikroportverstärkung führt zu Übertreibungen. Bleibt zu hoffen, dass dieses textlich wie musika-lisch und in seiner Dramaturgie schmissige Stück ohne akusti-sche Verstärkung von Sänger-darstellern und nicht  mit den Gesangsparts sich quälenden Schauspielern in einem 'norma-len' Theater gespielt wird.
Verdient hat es das. Allerdings sind Kürzungen unbedingt not-wendig, womit dieser 'Mephisto' noch mehr Biss bekäme und wofür Toi, Toi, Toi gewünscht wird.
(Dieter Hansing)

     
   
     
     
    27.7.03
Lucia Aliberti im Schlosshof
der Fürstin Thurn und Taxis

 

Italienische Oper im süddeutschen Regen

     

Regenstimmung beim Aliberti-Konzert


Callas für Arme, so kann man es freilich nicht nennen, wenn Lucia Aliberti vorgestern auf der Plassenburg bei Kulmbach und heute in Regensburg singt, ist sie dann doch wieder im Herkulessaal in MUC oder an der Deutschen Oper in BER.
Sie wird geliebt, wo auch immer sie auftritt. Und in Regensburg war der Applaus wärmer und spontaner als bei José Cura. Sie ist auf eine bestimmte Art herzlicher als der doch etwas schnoddrige Weltstar. Auch die bewunderswürdige Art 'einer Angebeteten' kommt bei ihr stärker 'rüber' als bei dem Sänger aus dem fernen Argentinien.
Immer wieder erstaunt, wie sehr Lucia Aliberti nicht nur in der Physiognomie der Callas ähnelt. Auch die Körperbewegungen beim Singen zeigen sehr das, was man von der Callas in Erinnerung hat. Der hohe Gaumen lässt bei bestimmten Passagen auch den Sound des großen Vorbilds hören.
Das Programm mit Rossini, Bellini, Donizetti entsprach auch dem der damaligen Primadonna assoluta. Die Zugabe mit 'Väterchen, teures höre' erinnerte allerdings auch daran, wie alles zu Ende geht, denn das Konzert der Callas in Hamburg, bei dem sie mit den Resten ihrer Stimme das 'O mio bambino caro' sang, gemahnt daran.
Die flapsige Art von Johannes Wildner, der meinte, nicht nur die Hofer Symphoniker leiten,

 

sondern auch verbindende Worte finden zu müssen, führte dazu, dass Sängerin und Dirigent sich unmittelbar vor dem Auftakt mehr durch Zufall verständigten, dass nicht Tosca - wie er meinte - sondern Sonnambula - wie sie wollte – im Programmablauf an der Reihe sei. Man stelle sich vor, das Orchester hätte eingesetzt und Frau Aliberti hätte abgewunken.
Dann auch so Albernheiten des Dirigenten Wildner, die Fürstin habe sich zur Geisterstunde zurückgezogen.



Regenhäute waren angesagt

Trotz alledem und auch wenn  es in Strömen regnete, hielt das Publikum, fast das ganze Auditorium füllend, aus und war happy wieder mit seiner Lucia Aliberti - wie jedes Jahr - zusammensein zu können.
Und gerade, weil etwas angeschlagen, sie hustete wie die Mimi in der Bohème und die Stimme rau und angestrengt klang, wurde sie gefeiert. Allerdings gelangen ihr trotz dieser hörbaren Indisposition wunderbare Passagen und sie zeigte ihr großes technisches Können, was ihr ungeachtet vernehmbaren Kratzens im Hals über den Abend half.
'Trotzdem' ist wohl ihre Maxime, aber auch das vor ihrem geistigen Auge immer wieder  aufscheinende Hinweisschild 'Zur Honorar-Kassa' hilft, manche Unbill zu ertragen.
(Dieter Hansing)

  

   
     
     
     
    24.7.03
Theater in der Uni RBG

 

Friedrich von Schiller
Maria Stuart - Posse ohne Gesang

     

Wenn der Regisseur den Besuchern der Veranstaltung 'Maria Stuart' am Eingang 'Viel Spaß' wünscht, ist Alarm angesagt. Das Drama als Spaßfaktor anzupreisen - da "ist was faul im Staate Dänemark." Der Truppe 'Die Theatiner' gelang eine Überraschung, als das Stück in einer Weise dargeboten wurde, die dem Stil vergangener Tage und der Mannheimer Uraufführung der 'Räuber' wohl nahe kam, als die Darstellung mit rollenden Augen und Pathos unterstützt wurde.
Hier herrschte der Eindruck vor, Moissi spiele den Mortimer, Kainz den Leicester und es hätte gut Adele Sandrock als Amme Hanna Kennedy hinzu gepasst.
Unfreiwillige
Komik war die Regel. Oder war sie freiwillig und bewusst eingesetzt?
Allein die Szene Leicester - Mortimer strotzte vor Übertrei-bungen. Einem Jahrmarktsrum-mel wäre Gerechtigkeit wider- fahren. Völlig unverständlich, warum sich Mortimer zeitweilig wie Rumpelstilzchen aufführt.
Was wollte uns der Regisseur damit sagen?



Foto: Sven Schmalfuß als Mortimer
        Katharina Köhler als Maria


Alles ist Spaß auf Erden?
Das Programmheft spricht eine andere Sprache. Da wird das Stück ernst genommen.
Auf der Bühne ist es für den Zuschauer mehr oder weniger Jokus, auch wenn sich um den Text von einigen bemüht wird.
Allein schon die Elisabeth, ihre Kostümierung ist ein anderes

 

Thema - die Sprache, der Text vernuschelt, kaum zu verstehen, voller Zickigkeit und Albernheiten die Darstellung, nie war Elisabeth Eins so und die Schiller'sche verdient auch nicht, so auf die Bühne gestellt zu werden.



Foto:   Verena Rieser als
Elisabeth I

Die Maria bleibt - einigermaßen seriös - in dem Rahmen, bei einem Studententheater zu erwarten. Astrid Schärtl als Burleigh jedoch lässt die Figur erkennen, da mit Ernst und auch Überzeugung vorgetragen.
Warum z.B. nutzt der Regisseur  nicht deutlicher die Möglichkei- ten des Raums, statt ein Podium hin und her zu schieben, gäbe es doch hier die  besondere Möglichkeit der Simultanbühne durch wechselnde Spielflächen. Vor der Pause jedenfalls läuft das Stück in einer Szenerie ab, als lebten alle in einer Einzimmer-WG.
Wie hätte die Problematik der beiden Frauen unter dem Druck der jeweiligen Glaubensrichtun- gen vom Regisseur herausgear- beitet werden können.
Scheint aber so, dass er sich nicht getraut hat.
Sieht er als katholischer Religionslehrer an der Wand drohend den Schatten des Dr. Müller? Schlimm, machte der Einfluss des Dogmatikers auch vor den Theatern nicht halt.

(Dieter Hansing)
 

   
     
     
 
     
    23.7.03 Regensburg
Schlosshof Thurn und Taxis
 

José Cura in concert

   
 

Soll der Besucher in Schlips und Kragen zum Konzert daherkommen, wenn der Star des Abends 'molto leggero' im kleinen, seidenen Schwarzen auftritt, sprich dunkler Hose und in einem pludrigen Hemd aus schwarzer Seide mit Puffärmeln, das die Körperkonturen der 100 kg - wie er selber sagt -  verdeckt? Schon, und so ist vom langen Abendkleid bis zur niederbayerischen Krachledernen und dem Galadirndl alles zu sehen.
José Cura gestaltet so den Abend optisch auf die besondere Art, werden Brendel, Fischer-Dieskau oder die anderen großen Sänger im Frack als Vergleich herangezogen. Völlig unprätentiös der Auftritt, sicherlich ganz im Sinne der Südländer. Aber will der Deutsche den Helden am Podium nicht mit einer gewissen Distanz, auf dass er ihm ehrfurchtsvoll zujubele, ohne dass der Bejubelte auf der Bühne vor Übermut gleich  Spompanadeln macht?
Während des 'Keiner schlafe' nestelt er das Handmikrophon aus der Stativhalterung. Dann kaut er ein Bonbon, mit dem Hinweis, sein Blutdruck sei so niedrig oder er bringt eine Flasche Wasser mit aufs Podium. Den Schluck aus der Pulle verkneift er sich aber.
Und "warum soll ich stehen, wenn ich sitzen kann ?" Also nimmt er auf dem Podestchen Platz, auf dem der Dirigent schon steht. Bei Fischer-Dieskau undenkbar.


Die fürstliche Familie als Zaungäste

José Cura, ein 'tenore robusto' oder ist er doch ein 'tenore di forza', schwer zu sagen, zumal die Grenzen, bezogen auf das typische Repertoire hier fließend sind. Für ihn ist gleich neben dem Alfredo der Othello singbar, also für deutsche Vorstellungen fachübergreifend, daher ein Phänomen.

Gleich zu Beginn seiner Karriere standen nicht Nemorino oder Almaviva, es begann gleich mit Turridu, eine Rolle, die nach unserem Rollenverständnis beim jugendlichen Heldentenor liegt.
Und so ging die Entwicklung gleich zum José, Alvaro, Alfredo, Don Carlo und - immer wieder Verdi. Nun ist Puccini's Kalaf in Verona hinzugekommen.

 

 

Leicht spricht die Stimme an, piani, diminuendi, crescendi bis  zum kraftvoll präsentierten Spitzenton. Das samtene, baritonal gefärbte Timbre, bewusst abgedeckte Töne, wird gekonnt durch alle Lagen geführt. Der Mann kann richtig singen, interessant wie absolut bewusst er geradezu 'in die Töne beisst.'
Ob nun der Pinkerton wie der Cavaradossi in einem einheitlichen 'Sound' einherkommt, lässt sich verständlicherweise nach einem solchen Abend, bei dem nur Stücke verschiedener Torten präsentiert werden, nicht sagen. Sicherlich wird die stimmliche Rollengestaltung von der Technik überlagert, jedoch lässt sich nicht behaupten, dass Einförmigkeit oder reine Kraftmeierei vorherrschten. Curas dunkle, kompakte, schwerere Stimme als die eines Alva, nicht zu vergleichen mit Flórez oder Álvarez, bedarf verständlicherweise einer anderen 'power'. Die Belastung des Stimmapparates ist somit eine größere und entsprechend die Frage nach dem nur-noch-Stemmen oder der sich einstellenden Quintenschaukel in Sorge berechtigt.
Begleitet wird José Cura von einem ungarischen Orchester, das der Star zeitweilig selbst dirigiert - ansonsten leitet der Landsmann Curas, Tulio Gagliardo das Orchester - und durch kräftigen, mitreißenden Schlag zu einem temperamentvollen Klangkörper macht. Auffallend die Besetzung der hohen Streicher, dass man den Eindruck hatte, ein Damenorchester spiele auf.
Berechtigter Jubel für alle. Die Orchestermitglieder freut der Zuspruch der aus (phonetisch  ausgedrückt) Hotmehevasakutaschipusta oder Varadin oder Pest angereisten  Landsleute.


Die begeisterte Hausherrin

Geradezu jammervoll wieder der Einheitsklang - wie von Betroffenen berichtet - in den hinteren Reihen, hervorgerufen durch eine nicht differenzierte Beschallung des Schlosshofes.
(Dieter Hansing)


 

 
 
     
 
     
    19.7.03 Regensburg
Schlosshof Thurn und Taxis
 

Carl Orff
'Die Bernauerin'

     

"Nieder mit der Bernauerin" - ruft das Volk, von einem Mönch aufgestachelt. Deutlich wird, wie es einem Dogmatiker gelingt, Unruhe zu stiften. Die Kirche reißt die Regie an sich und bestimmt plötzlich den Gang der Handlung. Wohl dem, der nicht aus lauter Langeweile in der Pause das Weite gesucht hatte, dann wäre  ihm diese aufschlussreiche Szene nicht vergönnt gewesen. Peter Weiß war als Mönch der Einzige, der durch sein schau- spielerisches Können und die Behandlung der Sprache dem Stück eine dramatische Ent- wicklung ermöglichte. Alle an-deren mehr oder weniger Pro- minenten auf der Bühne sagten ihren Text auf, so gut sie ihn halt auswendig gelernt hatten und konnten. Da die Souffleuse immer dabei war und auch si- cherheitshalber immer mit ab- ging, konnte nicht viel passie-ren. Es geschah auch grund-sätzlich nichts, denn Ernö Weil gelang es - auch auf dem brei-ten Proszenium - jede große Geste, jeden dramatischen Aufschwung zu vermeiden, wodurch zum Beispiel gewähr- leistet ist, dass Abstürze über das Balkongeländer von der 50 qm großen Nudelbrettbühne nicht vorkamen. Die Bewe- gungsabläufe beschränkten sich bei Ernö Weil daher auf den Auftritt und von der Szene, den Abgang  'durch die Mitte.'
Atemlose Spannung machte sich breit und erwartet wurde der jederzeit mögliche Auftritt von Erich H. als der Chor in weißen Hemden rote Fähnchen im Takt schwenkend, so die Verbindung zu einem SED Parteitag herstellte.



Großartig auch wie doch dieser so gänzlich neue Einfall des Auftritts einer Gruppe von Mi- nidarstellern -  durch das Pub- likum hindurch - einer Produkti- on das Tüpfelchen auf das 'I' setzt.
Dass nach diesem Abend an- sonsten der Konsum von 'Pha- nodorm' oder anderer Barbitu- rate gering sein würde, mag die ortsansässigen Pharmazeuten betrüblich gestimmt haben, lag aber entscheidend an der Beschallung, die eine direkte Zuordnung der vernommenen Sprache zu dem jeweiligen Darsteller verhinderte. Dadurch entstand ein Textbrei - ein in einschlägigen Kreisen als sogenanntes 'Volksgemurmel' bezeichnetes Phänomen.
Dass die Tonanlage ausge- rechnet bei dem den Abend alles entscheidenden Auftritt Ihrer Durchlaucht, der Fürstin von Thurn und Taxis ihr Tun unterbrach und Mariae Gloria so die Red' verschlug, führte dazu, dass sich Ihre Durchlaucht beim zweiten Auftritt als Ansagerin 

 

nicht auf die Beschallungsanlage verließ, sondern heftig und regelrecht gekonnt auf der Stütze sprach, dass man Ihre Durchlaucht auch ohne Verstärker sehr deutlich in der vorletzten Reihe hatte vernehmen können.
Auch verzichtete der Einrichter der Szene - Ernö Weil - darauf hinzuweisen, dass auch die Bayerische Sprache über Konsonanten verfügt, die tun- lichst präzise zu benutzen sind, um dem Text den nötigen Biss und damit Verständlichkeit zu geben. Die Artikulation und der noch eingeschaltete Microport reichten aber aus, um dem Publikum sehr deutlich die Meinung von Christine Neubauer als Bernauerin über die Bühnenstufen mit so was wie "... diese Scheißtreppe..." darzulegen, was das Publikum, plötzlich aus der Lethargie gerissen, mit heftigem Applaus quittierte. Ansonsten buhten oder pfiffen die Völkerscharen auch schon mal, als die Honoratioren - wir hier oben, ihr da unten - nach der endlosen Pause sorgsam gemächlich herbeigeschlendert kamen, betont lässig die vorderen Sitze einnahmen, so den Fortgang des Textvortrages hinauszögerten, allerdings hierdurch zur Erhöhung der Spannung und zu einem "... macht hin, dass's gar wird ..." beitrugen.
Eindrucksvoll die musikalische Leitung durch Christian Kroll. Der erfahrene Kirchenmusiker führte den großen Chor aus Regensburger Kantorei und den der Universität Regensburg sowie das Philharmonische Orchester Regensburg mit Bedacht durch die Orff'sche Komposition.
Ilona Vöckel und Michael Sutt- ner, zwei der aus dem Ensemble des Theater Regensburg vorzeigbaren SängerInnen entledigten sich ihrer solistischen Aufgaben mit Verve, wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass Frau Vöckel - auch ohne den Besuch - will sagen sehr wohl trotz des Meisterkurses bei Charlotte Lehmann - richtig singen kann. Sie trug intelligent mit und ohne Vibrato vor und gab der Partie so Farbe. Georg Schießl gelang wieder das bei ihm so bewunderte Falsettieren.
Trotz Schloss, Illumination des- selben, sonst nicht zugänglichem Park kam die freudevolle Erinnerung an die Jahre zurückliegende Inszenierung von Horst Alexander Stelter auf, dass die Orff'sche Bernauerin ihren Rahmen wie den intimen Thon- Dittmer-Hof braucht.
Aber egal, endlich war man mal hinter dem Zaun, der sonst das Schloss abschirmt und das wa- ren einem doch die hohen Ein- trittspreise - selbst auf den rückwärtigsten Sitzen - wert.
Nun noch José Cura und Lucia Aliberti.
Lass seh'n, und vor allem:
lass hören.

(Dieter Hansing)
 

 
 
     

 
Bernard-Marie Koltès    

'Die Nacht kurz vor den Wäldern'

     

"SCHNARRE" SOLO  
12.07.03
 

"Du bogst grade um die Ecke, da hab' ich dich geseh'n.
Es regnet. Da sieht man nicht besonders gut aus, wenn es regnet, auf die Haare und die Klamotten ... aber trotzdem hab' ich mich getraut und jetzt steh'n wir da."
In Koltes's 'Die Nacht kurz vor den  Wäldern' monologisiert Jens Schnarre, taucht ein in Vorstellungen, Erlebtes, Wünsche und eigentlich sucht er ein Zimmer, für einen Teil der Nacht, mit jemandem, mit dem er auch reden kann, über sein Syndikat. Und da rennt er dem schon nach, den er eben um die Ecke biegen sah.
"Kam'rad!"
Es muss  schon jemand sein, zu dem er Vertrauen hat, dem er sagen kann, dass er seinen Schwanz nach dem Pinkeln wäscht, als ließe er ihn
trinken
.
"Kam'rad"!
Er traut sich, ihn anzusprechen und seinen Arm zu nehmen. Und Angst, jede nur denkbare Krankheit aufzuschnappen. ... "Komm, lass  uns nicht krank werden, wenn wir hier bleiben, werden wir krank".

--- "Mama!"
Jens Schnarre ist der Kraft-volle mit dem rechten Spiel-arm, dem Kern in der Stimme, dem Biss in der Sprache, der wie in 'Marleni' sich nicht traut, sich zurückzunehmen, auszubremsen.

 


(Foto Zitzelsperger)

Wo ist der, der ihm sagt - lass das  Publikum Atem holen, dass es dir folgen kann? Nutze den Raum zwischen den Zeilen! Zurücknehmen, damit die Spannung aus dem Text wirken kann!
Als erste versäumt dies Ulrike Hübner als Regisseurin.
Handeln wird er in dem Syndikat der Muttersöhnchen. Die sich rumtreiben, ganz allein, mitten in der Nacht, mit dem Risiko, jede nur denkbare Krankheit zu kriegen.

 --- "Mama!" ---
Die Mutter ließ ihn steh'n - mitten im Sauwetter.
Und er haut wieder einen an, " ... hast du kein Feuer?"
Schnarre hat es, er glüht, seine Sprache gleißt.
Und nur keinen ausruhen lassen, in dem lodernden Brand seiner Worte. Wo doch der Text ruhige Passagen hätte, im Gespräch mit dem Imaginären, mit dem er das Zimmer will, für einen Teil der Nacht, mit dem er auch reden kann.
Jens Schnarre, der Kämpfer, streckt ihn und das Publikum mit seinem Trommelfeuer nieder.
(Dieter Hansing)

 

   
     

Die drei Musketiere
Theater Regensburg open air am 06.07.03


(Foto: Zitzelsperger)

Ich wusste nicht, dass es derarti-ges Ostblock-Theater überhaupt noch gibt. Seit mindestens 20 Jahren wähnte ich solch desillu- sionierende „Seht-her-alles-nur-Theater-Inszenierungen“ passee. Aber nein, in Regensburg macht man die „Drei Musketiere“ so. Als Sommer-Theater-Spektakel open-air, als epische Klamotte, als zer- dehnter Klaumauk von Axel Plog- stedt für die Bühne eingerichtet und von Nikolaus Wolcz inszeniert, offensichtlich ungekürzt. Dumas geteilt durch Brecht plus Nüesch mal Lido-Revue hoch Dialektik minus Ästhetik.
D'Artagnan (Peter Papakostidis) und seine Spaßgesellen finden den Weg von der Bühne des Thon-Dittmer-Palais nicht hinunter ins Herz des anspruchsvolleren Publikums. Schlichtere Gemüter kommen wohl auf ihre Kosten, können mit den albernen Schwimmreifen-Pferdchen eher was anfangen, finden den Chic der 20er Jahre (!) 'genial’ in einem hochbarocken Mantel- und Degen-Plot. Zwo, drei, vier. Beim Cancan der vier Musketiere klatscht ein Großteil des Publikums wie auf Kommando und bei Karl Moik auch treudeutsch mit!
Unerträglich, diese Posse, mit dem ach so französischen Akkor- deon-Getue und den anderen Al- bernheiten. Warum dieser unsäg- liche Kostüm-Mischmasch? Enttäuschend Simone Haering, sie gibt nur den mordenden Vamp, weitere Facetten zeigt sie nicht, darf sie nicht ausspielen, wo ist nur ihr Charme geblieben? Warum sie in unvorteilhafte Kostüme des 19. Jahrhunderts gesteckt wurde? Fragen über Fragen. Akzeptabel die vier Protagonisten in Blau. Wortver
ständlich - auch in den letzten Rei-hen - nur Armin Koestler. Ansonsten knattern sich die Mimen und Miminen halt so durch. Ja, wir haben verstanden! Theater auf dem Theater auf dem Theater!  Das macht aber somit auch so manchen aufwändigen und zeitraubenden Umbau überflüssig! Vorhang auf, Vorhang zu. Textdopplungen, Fingerzeig-Theater,  Kindergarten!!! Eine Spur zu dick trägt Michael Heuberger als König Ludwig XIII. auf, oder muss er auf Geheiß des Regis-seurs so outrieren? Noch eins drauf setzt Martin Hofer als Buckingham. 

 

Zum Davonlaufen sein ‚Catweazle’ in der Badewanne. In Reihe 11 ist von seinem mit vermeintlich britischem Akzent angereichertem Sermon nichts zu verstehen.
Bewundernswert allein Brigitte Umlauf als Dompteuse, Nummerngirl, Ansagerin, Zirkusdirektorin und was noch alles: mit welcher Frische und welchem Einsatz sie dieses Nichts an Text verkauft!
Entzückend Silvia Schuh.
Der Inszenator lässt sein Ensemble Text aufsagen, Desillusionierung ist auch auf dieser Ebene sein Pro- gramm. Das Bühnenbild (Herbert Buckmiller)  ist eine Zusammen-schau aus diversen Versatzstücken, die sich im Fundus so finden, die Kostüme (Bianca Schmid-Hedwig) stimmig, opulent sofern barock, armselig, karg und trist wenn aus der Moderne. Überflüssig wie der Dreck zu Pfingsten ist die Szene des Knaben (nein, wie originell! Cyrano!) mit der langen Nase. Das La-Rochelle-Bild bitte streichen! Nicht auszuhalten!
Ansonsten? Die Fechtszenen (Robert Schnöll) gab’s andernorts schon spektakulärer, die Lichtgestaltung  (Klaus Herbert Welz) hätte die Arka- den stimmungsvoller einbeziehen können und dass Bettina Schönen- berg bereits eine Dame von mindes- tens 70 Jahren sein muss, Donner- wetter, wer hätte das gedacht. „Hinter den Kulissen von Paris..“, in früher Jugend schon hat sie zusammen mit Patrick Ehrich diesen Titel für Mireille Matthieu geschrieben, der in Wolcz’ Posse fröhliche Urständ feiern darf. Über weite Strecken Leerlauf und Pausen, dann wieder Aktionismus. Die Akteure sind mehr bemüht, Auf- und Abgänge auf die Reihe zu krie- gen, als Sinn- und Textzusammen- hänge. Auch ein Sommer-Theater-Spaß darf einen Hauch von Niveau haben, das in der Tanzszene für ei-nen Moment auch aufblitzt. Da stimmt's auf einmal. Und einen Lid-schlag später kippt der Regisseur wieder den ach so modernen Sound-track über das Stück, wie Vanille-soße über coq au vin. Es ist wichtig und gut, Seh- und Theatergewohnhei-ten zu durchbrechen, die Erwartungs-haltung des Publikums anders zu erfüllen, als der Zuschauer erhofft  oder wünscht. Das Sommertheater der Regensburger Bühne aber: einen Jux wollten sie sich offenbar machen.
(Peter Lang)

  

 
 
     

 

  'Die Räuber' am Volkstheater München
 



 

 
  Wie kann dem Mann geholfen werden ?
 

Wenn der Jugendclub eines Provinztheaters nicht alle Rollen eines anspruchsvollen Werkes besetzen kann, ist das zur Not hinnehmbar. Bei einem Theater der Metropole München stimmt es bedenklich, wenn der Karl Mohr einem Buffo - wohl auch noch einem Schauspielschüler - anvertraut wird, der neben dem schöneren, präsenteren, charakteristischeren Darsteller des Franz - der ja eigentlich auch im Aussehen eine Kanaille sein sollte - völlig abstinkt. Da nutzt auch der heftige Aktionismus, ein hochgereckter Arm, der oben drauf drohende Zeigefinger, die erhobene Stimme nichts. Es ist und bleibt eine halbe Sache.
Auch dass der alte Mohr, dessen Ableben von Franz so sehnlichst erwartet wird und das dieser ja auch noch heftig betreibt, ein äußerst vitaler Patriarch ist, lässt die Besetzungsfrage in einem noch bedenklicheren Licht erscheinen. Da der Darsteller des alten Mohr auch noch den Pfarrer spielen darf,  verdeutlicht: der Mann kann auch anders, ließe man ihn.
Völlig unglaubwürdig ist die Darstellung der Amalia. Hier ist es eine Salondame - eine rasante noch dazu - die in bis zum Tanga hochgeschlitzten Kleidern dem Vetter Franz mit gezücktem Dolch an die Eier geht.

Niemals würde realiter diese Dame sich von diesem Typ wie eine Sentimentale üblicherweise reinreden lassen.
Die Räuber, eine kraftvolle Truppe mit Bin-Laden-Umhängebärten bzw. Bader-Meinhoff-Bande-Attitüde
wird von der Regie animiert, sich auf offener Szene sexuell zu amüsieren. Klar, wenn man so abgeschieden in der alten Kneipe leben muss, nutzt man jedes Loch.
Positiv auffallend die Darstellerin des Spiegelberg. Sie findet Möglichkei- ten, das glatte, subversive der Rolle auszuspielen. Hier wird das Teufli- sche einer bar aller Hemmungen ausgelebten Intelligenz offenkundig. Brigitte Hobmeier fesselt nicht nur die Räuber, sondern vermag auch den Zuschauer, in ihre Verführungs-bemühungen einzubeziehen.
Das Konzept der Produktion des hochgelobten Christian Stückl reißt das Stück durch die Aktualisierung aus seiner Welt, zumal der Text nur halbherzig angepasst wurde. Selbst wenn alles nur als Folie angesehen wird, a bissel stimmen sollt's schon. Die FAZ als Lektüre des alten Mohr und Louisd'ore als Zahlungsmittel, ausgesetzt für die Ergreifung des Karl Mohr passen auch bei großzügigster  Auslegung nicht zusammen.
Der Zuschauer schüttelt sich, glaubt er doch, hier eher einer Folge von 'Verbotene Liebe' beigewohnt zu haben. (
Dieter Hansing)

 


 
     
 
 
 
Die Räuber, treu nach Schiller - Jugendclub Theater Regensburg

Die Räuberinnen oder "Wir haben alle mal alt angefangen"
 

Auch unter Weil sollte das Projekt "Jugendclub" weiterbestehen. Spät, sehr spät, startete diese Form der Jugendarbeit für und mit dem Theater, herausgekommen ist als Zwischenbilanz sozusagen, eine Version von Schillers Räubern, die im heißen Juni im Haidplatz Theater eine kleine Serie von Aufführungen erlebte. Die schlechte Kritik zuerst: Warum dieses Stück? Drei Knaben und eine Schar von jungen Frauen, da hätte man ein adäquateres Spiel finden können! Mutter Moor und Schweizerin, Miss Kosinsky - o no! Vaterland, Vatererde und dann Mutterhaus, unfreiwillig komisch, das Ganze. Nun ja, wenn man die letzte der Vorstellungen besucht, muss der Zuschauer damit rechnen, dass bereits viel an Spannung und Dichte, dass bereits viel Luft aus der Inszenierung raus ist. Das ungleiche Brüderpaar sollte schon von etwas arrivierteren Burschen verkörpert werden, wenngleich sich Johannes Clauss als Karl und Christian Grauvogel als Kanaille Franz mit Verve und Engagement in die Charaktere schmeißen. Marianne Thomm gibt eine plausible Ahnfrau, dass wir alle mal alt angefangen haben, passt hier besonders gut. Dass so mancher Satz mit Lachen quittiert wird, liegt am unglücklichen Geschlechter-tausch, den die unproportionierte Verteilung von Jungs und Mädels zu verantworten hat. So, das war's mit Kritik. Nun nur noch Positives! Evelyn Plank hat mit ihrer Truppe eine hervorragende Strichfassung erstellt.
 

Ensemble und Regie kommen ohne Meublement und ohne ein Mammutaufgebot an Requisiten und Kostümen aus. Wohltuend, denn eine Konzentration auf  Thema und  Akteure ist Ergebnis dieser Sparmaßnahme. Geschickt: Öffnen und Schließen der beiden Feuertüren als Szenenwechsel, unaufdringlich die Lichtakzente, für die Carsten Grunnert mit seinem Namen steht. Herausgehoben werden muss: Kathrin Panzer als Spiegelberg, klar in der Diktion, präzise auch körpersprachlich, ein Talent! Schön die Präsenz der Amalia (Leila Berchtein), prima die Schweizer(-in) von Carolin Seidl. Etwas bescheiden gibt Jona Bartfeldt den Roller, kess Carolin Seidl die Razmann. In der Räuberinnen-Bande sind weiter aktiv: Nadine Diezel, Alexandra Becker, Anna Blomeier, Leonie Marzecki und Insa Bartfeldt. Vorzüglich gelungen ist den jungen Menschen (und Evelyn Plank) die Herminen-Szene. Anna Rempel, die als Front-Krankenschwester aus dem Slavischen und dann als gewissensgeplagter Domestik überzeugt, nicht minder tut dies Veronika Enders als Daniela. Es ist ein Neustart gemacht mit dem Jugendclub. Fehlende Finanzmittel können nicht als Ausrede herangezogen werden, sollte diese Form der Jugendarbeit künftig nicht mit Nachdruck von der Theaterleitung weiterverfolgt werden, denn gekostet haben die Räuber(innen) dem Theater Regensburg kaum etwas, aber viel gebracht.  Peter Lang
 

 
 
     
     

 

La Bohème - Puccinis Rührstück in Regensburg
 


(Foto: Zitzelsperger)
 

Wird der Einführungsvortrag nicht besucht, bleibt unklar, welche Neurosen Regisseur Joachim Rathke bei seiner Inszenierung der Boheme auszuleben gedenkt. Was soll das Bett allerweil auf der Bühne? Kommt er jetzt statt der üblichen Koffer für das Unbehaustsein - hätte hier auch gut gepasst - mit dem Bett als Liebe- und Tod-Platz? Hatten wir doch schon alles. Aber immerhin bleibt das Stück noch erkennbar. Die Bühne von Dorin Kroll im ersten Akt mit einem großen offenen Kamin, einem gläsernen Portal und einem Panorama-Bild der Pariser Skyline ausgestattet, wandelt sich - mitsamt dem Bett sehr geschickt zum Café Momus, zur Grenzstation im 3. Akt und in eine Dachwohnung ähnlich der im 1. Akt – für das Schlussbild. Dies ermöglicht sehr schnelle Umbauten auf offener Szene, so dass die Akte ineinander übergehen, das Stück dadurch Tempo bekommt und das typische opernhafte Ausbremsen durch Pausen vermieden wird. Die Reste der Sylvesterfeier mit Luftschlangen und Luftballons aus dem 3. Akt werden mit einem Gewitter und Wintersturm für den 4. Akt beiseite geblasen. Da das alles so gut funktioniert, sinnvoll ist und gut aussieht, stellt sich die Frage, warum muss in dem Riesenkamin beim Verheizen von Rudolfs Stück so dilettantisch das Nebelgebläse mit Rotlicht als Glimmerschein eingesetzt werden. Wie sich Klein-Fritzchen die Geisterbahn vorstellt? Leider gibt es sonst auch noch auch unlogische Nutzung des Bühnenbildes und eine Menge von Unstimmigkeiten zwischen der Übertitelungsanlage und der Inszenierung. Rudolf sitzt mit Flasche und Pistole im Bett. Soll er sich nun erschießen oder wegen der Kälte einen heben. Die WG-Mitbewohner frieren, vor allem Marcel reibt sich die kalten Hände, sie duellieren sich mit den eingekauften Trockenfischen, statt sie zuzubereiten - auf was, Herd ist keiner zu sehen - und auf dem mit einer Zeitung bedeckten Tischplatte zu verspeisen, eine Kerze wurde schon entzündet. Dann gehen sie, nachdem sie Benoit, Frau Beisert durch einem grauen Bart entstellt, rausgeworfen haben, ab. Damit sind die angenehmen Männerstimmen von Johan Smari Saervarsson als Colline, der bewährte Adam Kruzel als Schaunard und der später mit Recht vom Publikum gefeierte Jin-Ho Yoo als Marcel nicht mehr präsent. Grundsätzlich muss hier gefragt werden, warum für Tenor und Sopran komponiert wird, fängt doch der Mann erst beim Bariton und die Frau erst beim Mezzo an. Die hohen Stimmen sind doch immer wieder eine Quälerei. Mimi erscheint in einem weißen dünnen Nachthemd, kein Wunder, dass sie sich erkältet und sich so für den 4. Akt den Tod holt. Rudolf sitzt mit Schal und Mantel da und denkt nicht dran, sie irgendwie, außer, dass er ihr Wein einschenkt, zu wärmen. Er entzündet ihre Kerze an der seinen, Mimis Kerze geht wieder aus und die Übertitelungsanlage behauptet für Rudolf "Nun ist meine auch aus", obwohl seine noch brennt. Oder "Dein Antlitz vom Mondlicht umflossen" - auf strahlend heller Bühne. Dererlei gibt es häufiger, aber was stört den Regisseur der Text auf der Übertitelungsanlage. "Wie eiskalt ist dies Händchen",  klar bei dem dünnen Fummel, den Mimi anhat. Außerdem ist die Wohnungstür seit ihrem Auftritt offen geblieben und da ist es kein Wunder, dass es mit dem gegenüberliegenden offenen Kamin zieht.
Es ist wieder die Frage welche Technik Juuso Heminki als Rudolf nun zu benutzen gedenkt. Es kommen so schöne Töne in der Mittellage und wenn drucklos gesungen wird, dann aber stemmt er wieder und die Töne hören sich dazu noch rau und heiser an. Mi Soon Jang stellt sich als Mimi vor, singt, wie schon bekannt, nicht knödelfrei, zu offen, forciert und so klingt es dann auch. Sie ist ein entzückendes Persönchen, sicherlich eine sehr hübsche Butterfly. Wäre aber auch da stimmlich überfordert.
Im 2. Akt gibt es, wie schon im 1., strichweise Schneefall. Dieser 'Strich' beschränkt sich auf die Hinterbühne. Choristen, Statisten, Orchestermitglieder, Kinder und   Solisten -

Mimi wieder im leichten Flüppchen - wimmeln im Vordergrund im schneefreien Raum. Der ganze Pulk wird eingefroren, singen die Solisten. Musette tritt mit so einer Art Geschwitz am Hundehalsband auf. Das ist ja noch irgendwie nachvollziehbar, dass Alcindoro zum kessen Vater mutiert. Dann steigt Musette auf einen Tisch und singt ihren Walzer. Gerade bei Katharina Leitgeb geht alles robust zu, von kultiviertem Schöngesang nicht unbedingt die Rede, es würde auch zu Figur und Kostüm und wie sie Rolle anlegt, kaum passen. Victor Schiering mit seinem hohen Tenor als Parpingnol in einem seltsamen Kostüm, als nicht Definierbares. An der Stelle schleppt der Kinderchor vernehmbar. Da das Liebe-/Tod-Bett auch wieder auf der Szene ist, bietet es eine elegante Möglichkeit für Choristen, wie aus 'Erwartung' bekannt: "Eine Bank, ich muss ausruh'n." Der dritte Akt enthält die meisten poetischen Momente, die sonst häufig vermisst werden. Sehr schön der Auftritt mit den Schattengestalten der Passanten wie aus 'Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten'. Mimi sitzt hinterm Bett, hört, dass sie bald sterben muss. Bisher war sie so keck, dass sie selber jetzt über diese ihr unbekannte Botschaft erschrocken ist. Rudolf gesteht gemäß Übertitelungsanlage Marcel: "Ich bin schuld an ihrer Krankheit." Also sieht er ein, dass er sich im ersten Akt nicht genug um Mimi gekümmert hat, als er sie da frierend in dem Negligé stehen ließ. Die Auflösungserscheinungen sind eindeutig. Ein Gebläse im Blitz-und-Donner-Winter-Gewitter fegt die Reste der Sylvesterpartie, den Müll zusammen und macht die Bühne frei für den 4. Akt. Schnell ist der Kamin wieder da, die verglaste Wohnungstür, das Bett per se. Wieder toben die Bewohner der WG ausgelassen herum, es gibt wieder den Trockenfisch aus dem ersten Akt. Überraschenderweise kommt Mimi staksig eine Revuetreppe herunter, während Musette aus der Versenke erscheit und gemäß Übertitelungsanlage behauptet: "Auf der Treppe ging's nicht mehr". Was hat die Gute? Angeblich ist es doch TB oder wenigstens eine Lungenentzündung, die sie sich durch die Unachtsamkeit von Rudolf mit den offenen Türen oder spätestens im 2. Akt auf der Terrasse des Café Momus geholt hat. Laut Übertitelungsanlage: "Ich huste nur ein wenig." Von Husten keine Spur. Mimi geht, als habe sie einen Schlaganfall oder sei sonst irgendwie geschwächt, dass sie keinen Schritt mehr vor den anderen machen kann, setzt sich dann aber keck mit überschlagenen Beinen auf einen Stuhl, um mit Rudolf zu plaudern. "Was soll dieses Kommen und Gehen" fragt die Übertitelungsanlage, nur keiner geht und keiner kommt, alles steht herum. Wirklich sehr hilfreich diese Investition für die Zuschauer, da Text und Aktion nicht übereinstimmen. Das Stück nimmt seinen bekannten Lauf. In RBG erscheint aber der Arzt, wieder Frau Beisert, macht sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, da er/sie erst Geld will. Hat sie Musette die Kette abgeluchst, stellt sie nur noch durch Hochheben des Arms von Mimi fest, dass diese bereits tot ist. Und trotz der Fehler, eine sehenswerte Produktion des Theater Regensburg. Dass Rosemarie Beisert als Benoit, als Alcindoro, als Sergeant, als Arzt auftritt, lässt Striese grüßen. Musikalisch klang vieles laut – wie mögen das die Zuhörer im zweiten Rang empfunden haben. Sängerisch kamen nur die tiefen Männerstimmen von Saevarsson / Kruzel und Jin-Ho Yoo gut weg und beim Publikum entsprechend an. Und jetzt nochmals zurück zum Verständnis für die Inszenierung: die Mai-, Juni-, Juliausgabe der Theaterzeitung spricht bei der Inhaltsangabe der Boheme von der Standardfassung. Warum hat die Dramaturgie des Theaters Regensburg nicht hier die Intentionen des Regisseurs veröffentlicht. Es hätte das Publikum an die Inszenierung von Herrn Rathke herangeführt und Unverständnis vermieden.
Dieter Hansing

 

 
 
 
     

 

'Obersalzberg'
von Rudolf Zollner
Uraufführung

"Hermann kommt!" Diesmal wirklich. Aber der Göring.
 
Gestern hab ich geweint!
Du hast geweint?
Ich hab geweint!
Gretel, Eva hat geweint!
Du hast geweint?
Ich hab geweint!
...
Gestern hab ich geweint!
Ach so, gestern hast du geweint!
Gestern hab ich geweint!
Wir haben geweint!
...
Natürlich, wir haben geweint.
Sie haben beide geweint?
Wir haben zu Dritt geweint!
Sie haben zu Dritt geweint?
...
Wir haben zu Dritt geweint, mit unserer Schwester Ilse.
Du hast geweint mit deiner Schwester?
Mit meinen beiden Schwestern hab ich geweint!
Wir haben alle gestern geweint!
In Berchtesgaden!
In Berchtesgaden habt ihr geweint?
In Berchtesgaden haben wir geweint!

So beginnt das Schauspiel 'Obersalzberg', wobei mit den Eingangssätzen ein Thomas-Bernhardscher Duktus anklingt, ohne freilich an den Atem und das dramatische Können des "genialischen Nestbeschmutzers" auch nur entfernt heranzureichen. 'Obersalzberg' ist Rudolf Zollners zweites Theaterstück, das ihm der Intendant der Landesbühne Esslingen zur Ur-Aufführung abgenommen hat, sein Bühnenerstling 'Hermann kommt', 1995 in Regensburg gegeben, wird im Programmheft unterschlagen. Steht Zollner nicht zu seinem Erstling? Hatte doch auch dieser die Nazizeit, das unsagbare Elend der KZs zum Thema. Warum beschäftigt Zollner diese Zeit so sehr? Meint er, an der Bewältigung des Vergangenheit mittels der Dramatik mitwirken zu müssen? Vieles zu diesem grauenvollen Kapitel Deutschlands ist auf dem Theater längst viel treffender gesagt worden. Wieder durchziehen komödiantische Züge das Stück. Das Ghetto in Warschau, Zwangsarbeiter-Elend, die allen menschlichen Intellekt übersteigende Konzentrationslager-Errichtung wird nun verquickt mit dem Schicksal von entflohenen Häftlingen. Ein Denker-Dichter, ein Formulier-Dramatiker ist bei 'Obersalzberg' nicht am Werk gewesen. Es fehlt dem Stück an innerer Logik und bei der Bühnen-Umsetzung klaffen denn die Lücken des brüchigen Textes noch weiter auseinander. Wie können ausgemergelte KZ-Häftlinge über die Mauer der Berghof-Terrasse klettern, und warum springen sie nach Ihrer Entdeckung, ohne zu überlegen, von selbiger in den Tod, ohne auch nur einen Moment einen Abstieg zu riskieren? Auch das Verhalten der Ausbrecher dem Hitler-Clan gegenüber ist nicht gänzlich durchformt, sehr gründlich haben sich da die armen Kreaturen verirrt, die sichere Schweiz um unwahrscheinliche Kilometer verfehlt, vieles bleibt offen, es fehlt die Tiefe. Der alte Fehler, der bereits 'Hermann kommt' nicht zum Wurf werden ließ.
Das Esslinger Ensemble folgt Zollner, der zugleich auch die Regie übernahm, willig und engagiert, williger und engagierter als noch sein "Hermann-Ensemble" in Regensburg. Allein die Produktion von 'Hermann kommt' wäre ein Stück in sich und gehörte "so auf die Bühne" gebracht. Zu den Darstellern aus dem Schwabenland: Susanne Weckerle als Eva Braun

ist nicht die schüchterne Sentimentale, als die Eva Braun immer gezeichnet wird, sie ist die muntere Naive und liegt damit wohl näher an den Typ, der Hitlers, ja was denn nun?, Geliebte? Frau? Vertraute? in Wirklichkeit gewesen sein dürfte. Unweigerlich muss man an die gefälschten Hitler-Tagebücher denken, "...muss Eva sagen, sie soll sich die amerikanischen Filme nicht vor den Bediensteten ansehen".
Nina Ahlers als Evas Schwester Gretel kann durch Schönheit überzeugen, weniger durch schauspielerische Präsenz. Irmtraud Hetz konsequent und stimmig in der betulichen Mutterrolle der Gerda Bormann. Sie strickt Socken mit vier Nadeln für ihren Mann Martin, Hermann Göring hilft ihr freundlich beim Aufwickeln der Wolle. Dieser, Martin Theuer, und Mathias Herrmann als Joseph Goebbels, füllen ihre Rollen nach Gutdünken, ohne Anspruch auf nuancengetreue Authentizität. Das Changieren zwischen Klamotte und grausamer Realität verunsichert das Publikum zusehends, verleiht dem Plot nicht unbedingt Glaubwürdigkeit, auch eine Farce muss in sich 'stimmig' sein. Reinhard Peer als Hitler ist mal der Charlie-Chaplin-Diktator, dann wieder der Anstreicher aus Braunau und insgesamt weder eine Karikatur, noch eine realer Charakter. 'Sein oder Nichtsein', 'Das Leben ist schön', das Kino hat es besser als das Theater. 1000-jähriges Reich und zugehöriges Grauen, versetzt mit Klamotte und dadurch Desavouierung des Unrechts-Systems, da müssen schon ganz Große ran! Das kann nicht eben mal so aus dem Ärmel geschüttelt werden. Einigermaßen durchsetzen kann sich Glenn Giera-Bay als Albert Speer, glatt, wohlgescheitelter Hochwuchs, Eindruck heischend. Gelungen die Szene mit dem Germania-Hallen-Modell und der drehbaren Hitler-Statue. Antonio Paradiso und Matthias Hermann, die entflohenen KZ-Häftlinge, mühen sich, dem Stück eine andere Farbe zu geben, das Entsetzliche, das Auflehnen, die Hoffnung, die Resignation plausibel darzustellen. Adäquat (weil ohne Zollner-Text?) Ralph Paas als Diener und Wolfgang Raab als Erzbischof von Freiburg.
Wenn Zollner nur bei der "Farce und weiter nichts" bliebe. Es muss durch die Verquickung mit ernsthaft Tragischem und tragischem Ernst zu Unglaubwürdigkeiten kommen, was von Beleuchtungseffekten, Kostümen und dem Bühnenbild (Amelia Franken-Wassilewa) nicht abgefangen werden kann. Bleibt die Frage: Was will uns Zollner mit 'Obersalzberg' sagen? Was will er uns zeigen? Den Spießer, den Kleinbürger und sein Idyll, der 'nebenbei' ein Schlächter ist. Einen Mann und sein wohlanständiges Heim, der halt zufällig von 9 in der Früh bis 5 am Nachmittag mit dem Genozid beschäftigt ist, dem aber sein gutbürgerliches Ambiente heilig ist? Zum Heulen oder zum Totlachen? Warum bleibt Zollner in den 40er Jahren stecken? Vergangenheitsbewältigung tut Not. Immer. Immer noch! Wie wär's mal mit einem Stück über Jürgen W. Möllemann? Über Möllemanns Helfer und Helfershelfer? Damit muss sich Deutschland auseinandersetzen, nicht mit trockenem Gesundheitskuchen von 1942 oder scheißenden Hirschen, die ein Göring nicht abschießen konnte. Das Publikum wusste am 14. Mai 2003 nicht so recht, was es mit 'Obersalzberg' anfangen sollte, zollte dem Ensemble aber dennoch herzlich Beifall.
(Dieter Hansing)
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Der Weimarer Klassiker - leicht gekürzt

FAUST II bravourös "gestemmt"
 


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Michael Bleiziffer, dem alten Profi, gelingt, was in der Republik ohne Beispiel ist, ein regionales Stadttheater 'stemmt' mit einer außergewöhnlichen Leistung das sperrige, kaum verständliche Stück.
Atemlos lauscht das Publikum den Wortkaskaden, staunt über die Bühne mit all ihrer Technik von Konrad Kulke, über die Kostüme in Fülle von Uschi Haug - wobei allerdings Bühne und Kostüme ein starkes Eigenleben führen und nicht unbedingt zur Erhellung des Werkes für den Zuschauer beitragen. Licht, Projektionen von Hubert Goertz, Musik von Heinz Grobmeier - das Ensemble in ausgefeilten Gängen, in überzeugender Choreographie wieder bis in die Applausordnung, aufgeboten in doppelter, dreifacher, mehrfacher Belegung der Rollen, kein Engpass, kein Stillstand - eine weitere Verdichtung wäre durch weitere Striche sicher sinnvoll gewesen z.B. in der 3. Szene des 1. Aktes oder in der 3. Szene des 4. Aktes. Gerade die Mehrfachauftritte geben Ensemblemitgliedern die Möglichkeit, aus 'dem Schatten' einer einzelnen Rolle herauszutreten und sich selbst und dem Publikum innerhalb eines Stücks verschiedene Facetten, Charakterisierungen aufzuzeigen. Hier seien beispielhaft Silvia van Spronsen und Brigitte Umlauf oder Peter Papakostidis genannt. Nicht zu vergessen auch Armin Köstler oder Hubert Schedlbauer. Natürlich braucht das Publikum Zeit, bis es 'warm' wird und den Zugang zum Stück findet. Und sicher hat mancher gemeint, 'ich finde ihn nimmer und nimmermehr'. Aber spätestens mit der Helena-Szene müsste es geglückt sein, wenn Gesine Berkholz Königin ist und Ruhe in das Stück und den Abend kommt. Renate Hünlich als Panthalis oder als Baucis, ganz ihr Metier - "Euer Gnaden sind die Güte selbst" - Amme, Vertraute, Freundin, Alte

Hexe - aber kein Großinquisitor und auch seinerzeit keine Claire Zachanassian, da sei dem Herrn Oberspielleiter noch nachträglich und nachdrücklich widersprochen. Im 2. Akt des Faust II ein Kabinettstück von Jens Schnarre als Chiron und später als Raufebold - schade, dass er geht, hoffentlich bekommt er dort Rollen, die ihm auch leise Töne abverlangen. Auffallend knallig neben ihm Christian Hettkamp als Haltefest. Martin Hofer ist durchgängig Faust I und II, mit viel Haut, gerade im 5. Akt überzeugend. Undankbar im höchsten Grade, den Mephisto der Adele Neuhauser nachspielen zu müssen. Deren Callas allerdings zu gesund, zu wenig Schattenseiten, das Gebrochensein, physisch wie psychisch, kennt man die echte Callas bei den Lehrgängen an der Juilliard-School. Und bei Faust II? Hier fehlt dieser, der Neuhauser, großer Atem, die Farben in der Sprache, die Dramatik im Auftritt denkt man an Elisabeth I, Lady, Medea. Und so steht Titus Horst auf verlorenem Posten. Außerdem nutzt er seine Möglichkeiten kaum, selbst wenn der Mephisto im Faust I eine andere Dynamik hat, dürften die Schlüsselworte im 5. Akt nicht so untergehen. Ist doch hier und jetzt endlich für ihn der Zugriff möglich. Er steht da und schaut, aber nicht einmal verdutzt. Dann bewegt er sich gemächlich auf den Leichnam Faustens zu. Warum nicht Christian Hettkamp als Mephisto, den Versuch wäre es wert und so auch besser gewesen, den roten Faden weiterzuspinnen und Simone Haering den Geist, "der stets verneint" zur Gestaltung gegeben zu haben. Und doch, Dank Michael Bleiziffer, ein großer Abend für Regensburg, gute Gelegenheit, sich zu bilden und Faust II zu sehen.
(Dieter Hansing)

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(Foto: Zitzelsperger)


 
 
 
     

Volksstückl'n

Sketche und drei Lausbuam
 


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Beim 'Karl Wirt' in Sarching spielten sie wieder, die Brett'l-Fans, die sonst hinterm Schreibtisch hocken oder hinterm Tresen oder Ladentisch stehen. Die erstmal Stücke heraussuchen, die auf den Typ im Ensemble zugeschnitten, gespielt werden können. Und mit Begeisterung auf der Bühne stehen und das Publikum mitreißen. Ein bayerischer Abend mit Szenen aus dem Leben - wie's Leben halt mal war. Im Rahmen der Globalisierung gehen diese heimatlichen Kläge auch von der Sprache mehr und mehr verloren. Ob nun beim 'Redezvous' auf eine zwoa Mähdrescher-Kontaktanzeige oder der 'Spekulant' beim Erwerb von einer AOL-Aktie oder der 'Einkauf' für die Bewirtung von Gästen, wo es nur

auf einen Ring Fleischwurst rauslaufen könnte, der Bericht von einem Besuch in 'Minga' oder die Gratulationsfeier zur 'Goldenen Hochzeit', den Leuten wird aufs Maul geschaut und "wia im richtign Lebn" nachempfunden.  Wer sich aber mit den 'Schwarzbuam' auf die Bühne stellt, hat es als noch so begnadeter Schauspieler schwer. Drei Jungs, noch Kinder, singen und spielen Mundart mit einem Selbstverständnis - dass einem Hören und Sehen vergeht. Wie man es von den Biermösl Blosn kennt. Und natürlich bleibt es nicht bei einer Zugabe, das Publikum begeisternd. "Statt, des mir a Zugabn gebn, da woars besser, ihr täts unserne CD kafa." Super Abend. Nochmal am 16.5.03 in Regensburg beim Unteren Götzfried. (Dieter Hansing)

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Ambitionierter Spielplan


"Macht fort, das Spiel kann beginnen"
 

Ernö Weil präsentiert für seine zweite Spielzeit in Regensburg einen sehr ambitionierten Spielplan, der größeren Häusern zur Ehre gereichte. Nur wer inszeniert, wer macht die Bühne, die Kostüme --- so oft 'nomen nescio', so viel 'in der Planung', so viel 'wird noch bekannt gegeben' in der Vorausgabe des Spielplans, am 17.04.03 vorgestellt. Und wer spielt den Hamlet, wer singt die Eboli, die Königin der Nacht? Werden bei der finanziellen Lage der Anstalt des öffentlichen Rechts, Vorsingen abgehalten, um die Billigsten zu finden?
Bei den Inszenierungen ist tunlichst das Engagement von Regisseuren zu vermeiden, die - wie schon gehabt - Stücke wie seinerzeit 'Cosi' oder 'Oberon' in den Sand setzen.
Vielleicht gelingt es ja noch bis zur endgültigen Drucklegung des Spielplanheftes die jetzigen Lücken für die Öffentlichkeit zu füllen.
Aber immerhin wird in einem auch äußerlich sehr ansprechenden booklet schon Mitte April bekannt gegeben, was alles ab September gespielt werden soll. Ob das dann alles so kommt? Hier läuft doch vieles noch unter dem Aspekt: "Bedenken will ich's, wer weiß was ich tu".

Wieder Schlag auf Schlag gleich zu Beginn der Spielzeit. Arme Werkstätten, die schieben doch eh schon so viele Überstunden aus Altväterzeiten vor sich her!
Eröffnung am 26.09.03 mit Verdis 'Don Carlos' in der vier-aktigen Fassung, 2. Oktober 'Die Präsidentinnen' im Theater am Haidplatz, 'Hamlet' am 10. Oktober im Theater am Bismarckplatz, 'Gretchen 89ff' im Turmtheater am 16.10. Ende August wird das Velodrom nach Umbau von Nebenräumen wieder in Besitz genommen und ab 17.10. wird Kaiser Franz Joseph hier wieder 'Im weißen Rössl' von sich geben: "Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut."
Als zweite Operette stehen Offenbachs 'Banditen' auf dem Spielplan. So wie Wolfang Quetes seinerzeit in Nürnberg für 'Ritter Blaubart' von Offenbach der Text nicht reichte, den immerhin Felsenstein seiner berühmten und jahrzehntelang auf dem Spielplan der Komischen Oper stehenden Inszenierung zugrunde legte, meinte er nun, selber Hand an dieses Werk durch eine Bearbeitung legen zu müssen. Immerhin klingelt es zweimal durch Inszenierung und Bearbeitung in der Kasse von Herrn Quetes.

Da ein reines Kinder- und Jugendtheater aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden kann, ist wenigstens die Kinder und Jugendarbeit, dann unter der Leitung von Horst Kiss, vom Theater in Würzburg kommend, weitergeführt, in der Hoffnung, hier einen großen Schritt weiterkommen zu können.
Die Glanert-Oper 'Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung', die vor zwei Jahren aus Geldgründen - u.a. weil kein Counter engagiert werden konnte - nicht aufgeführt, ist nun - vor zwei Jahren mit dem bayerischen Theaterpreis ausgezeichnet - auf dem Spielplan mit dem Regieteam Godefroid / Terrone, die schon für die 'Ariadne' verwantwortlich zeichneten.
Die Schubert'sche Winterreise - szenisch im Ballsaal des Auktionshauses Keup am Haidplatz - nimmt die Atmosphäre auf, die Einrichtungsgegenstände als Antiquitäten dort zufällig gruppiert - quasi auf der Reise - verbreiten.
Ein lang gehegter Wunsch geht für viele Zuschauer in Erfüllung, päsentiert sich doch das Ballett mit Life-Orchester beim 'Nussknacker'. Neoklassik und Moderne sollen die Stilrichtung für die Inszenesetzung der 15 Tänzer/Innen im Velodrom sein.

Komposition von Bach bis Waits tragen den zweiten Ballettabend - diesmal im Theater am Bismarckplatz. Mit einer AIDS-Ballett-Gala am 6.12.03 sammeln prominente Choreographen und Tänzer von Berlin bis München in Regensburg Geld für die Unicef Children Foundation.
Im Schauspiel bleibt die Spielplangestaltung "ein reizvolles Abenteuer", da man "nicht auf Nummer Sicher setzen" könne. Der vorgelegte Entwurf stelle einen schauspielerfreundlichen Spielplan dar, der die Darsteller "zum Zuge" kommen lassen werde. Er beinhalte auch Aufführungen, die neu für Regensburg sind, wie 'Quartett' von Heiner Müller auf einer "literarischen Etage", die es im Turmtheater noch nicht gegeben habe.

 

Bei den Konzerten wird der Beethoven-Zyklus mit 6./7./8./9. Symphonie zu Ende geführt. Herausgehoben die 100jährige Tradition der Konzerte des Theaterorchesters. Am 5. April 2004 erklingen so die Stücke, seinerzeit dem Publikum vorgestellt: Beethoven - Overtüre zu Egmont / Haydn - Symphonie 'Militaire' und Mozarts 'Kleine Nachtmusik'. Die Regensburger Erstaufführung von Mahlers 'Achter' am 23.7.04 als Sonderkonzert. In Zusammenarbeit mit den Europäischen Wochen in Passau "können wir das wohl stemmen" meint der Herr Generalmusikdirektor. Die 'Achte' dann wohl der 'Ritterschlag', den er sich selber verleiht.
Das Neujahrskonzert ist der schmissigen Musik des in Deutschland wenig bekannten Gilbert Sullivan gewidmet.
Die Solinger Generalmusikdirektorin, Frau Romely Pfund, übernimmt die Leitung des zweiten Sinfoniekonzertes, während beim sechsten Konzert hingegen die Leitung des Hauses noch nicht weiß, auf wen die Wahl fallen wird.
Beibehalten werden die Zyklen 'Kammermusik um sieben', nun als Themenkonzerte gegliedert und auch die 'Lieder um fünf' finden Fortführung. Delikatessen der musikalischen Literatur werden, über die normalen Dienste hinaus, geboten, was nicht deutlich genug gewürdigt werden kann. Ein Gewinn für das Publikum, ein Gewinn für die Ausführenden. Kammermusik kultiviert den Orchesterklang und bei Liedern geht es für den Sänger um Phrasierung und ausgefeilte Technik und um intelligente Ausformung des Ganzen.
Die Dramaturgen bieten weiterhin Matineen und Einführungsvorträge und auch die literarische Auslese hat ihren Platz im Programm.

Ein Theaterfest am 21.09.03 mit ganztägigen Darbietungen des Ensembles findet mit einem Konzert am Abend seinen Abschluss. Für das Konzert am Vormittag des 24.12.03, zugunsten einer sozialen Einrichtung, hat Ihre Durchlaucht, die Fürstin von Thurn und Taxis, die ja in diesem Sommer in ihrem Schlosshof bei den 'Söll-Festspielen' in der 'Bernauerin' als Ansagerin mitwirkt, die Schirmherrschaft übernommen.
Der für den 17. Januar 2004 vorgesehene Theaterball könnte unter der Schirmherrschaft des Herrn Oberbürgermeisters an den Erfolg des diesjährigen Ball-Ereignisses anschließen.

Über den Service z.B.  Führungen öffnet sich das Haus bewusst der Öffentlichkeit, beschränkt sich also nicht auf die angestammten Aufgaben. Darüber hinaus steht die Leitung zur Beantwortung von Fragen des Publikums und der Medien zur Verfügung.
Veränderungen wird es im Ensemble insoweit geben, als die Mezzosopranistin Ingrid Dominique in der nächsten Spielzeit am Theater Regensburg nicht mehr auftreten wird. Brigitte Umlauf geht - angeblich  überraschenderweise - in Rente und die überaus talentierten Jens Schnarre und Christian Hettkamp wechseln nach ihren Anfängerjahren in Regensburg an andere Häuser. Die Herren Hofer und Heeg baten um eine befristete Auszeit, womit im Falles des Herrn Heeg ein Verbleiben im Ensemble 'erkauft' wurde. Ist es sehr viel einfacher, anfangende Darsteller nach Regensburg zu verpflichten, verbindet sich die Besetzung des Faches 'Väterspieler' mit einigen Schwierigkeiten. Dies obwohl der Oberspielleiter Schauspiel auf ein früheres Befragen  hin mitteilte, er besetze fachübergreifend. Dies ist ja im Musiktheater zum Schaden der Sänger usus geworden.
Und wenn z.B. der Musiktheaterdramaturg am Ulmer Theater meint, der Sänger, bisher nur mit lyrischen Partien bedacht, wäre für den Erik die richtige Besetzung, denn "der ist Tenor, der muss das können", ist damit alles gesagt.
Ein großes Programm hat sich das Theater Regensburg für die nächste Spielzeit vorgenommen. Es wäre jedenfalls schade, wenn die Durchführung der Pläne dann auf der Bühne scheitert, weil die richtigen Leute nicht zur rechten Zeit am rechten Ort sind.

Es bleibt auch zu hoffen, dass der Freistaat bei den aus der letzten Spielzeit durch Missmanagement und Ausgabenüberschreitungen verbliebenen Schulden in die Bresche springt. Ein gewisser Ausgleich könnte hier ja gefunden werden, indem beim Budgetverwalter des Residenztheaters, dem Bayerischen Staatsschauspiel, Holger von Berg, als dem damals verantwortlichem kaufmännischen Leiter der Theater Regensburg GmbH, in entsprechendem Rahmen Regress angemeldet würde. (Dieter Hansing)
                         
          

 

 
 
     
 
     
Bertolt Brecht
Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
     
  Weder Brechtig, noch prächtig
     
In diesem Mahagonny ist der Hund verreckt
     



Juuso Hemminki und Ilonka Vöckel umringt vom Chor. (Foto: Zitzelsperger)


Prima la musica dopo le parole? Diese Frage machte Clemens Krauß durch die Figur des La Roche Anfang der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts in von Richard Strauss vertontem 'Capriccio' zum Thema. In den 30ern führte sie langsam zum Bruch zwischen Brecht und Weill. Während Kurt Weil schon 1927 als 'Mahagonny' entstandenes Werk mit Texten von Brecht als Oper verstanden wissen wollte und auch entsprechende Regieanweisungen gab, dass es sich bei diesem Werk um abgeschlossene musikalische Formen handele, fühlte sich Bertolt Brecht zum Textdichter degradiert. Große Ensembles, getragen von einem großen Orchester unterstreichen den Charakter des Werkes als Oper. Weill findet Anlehnungen an verschiedene Stilrichtungen der Musik und doch herrscht letztlich der 'Song' vor wie schon aus der Dreigroschenoper bekannt. Bereits 1929 stellte Weill 'Mahagonny' dem Leiter der Kroll-Oper, Otto Klemperer, vor - man war sich über die Uraufführung in Berlin einig, doch bald darauf war Klemperer nicht mehr so begeistert und so fand die Uraufführung am 9. März 1930 in Leipzig mit eingedeutschten Rollennamen statt. Man wollte versuchen, die Nazis nicht noch mehr als es sich dann doch ergab, auf den Plan zu rufen. Die Vorstellung endete eben in Leipzig mit einem Skandal. Nach dem 2. Weltkrieg hatte Mahagonny trotz langer Absenz auf den Spielplänen Erfolg, auch wenn die Kritik an Zügellosigkeit, Gewalt und Grausamkeit nicht mehr so in Mode war und das Publikum sich mehr an alles gewöhnte, was nicht einmal so im wirklichen Leben vorkam. Siehe 'Don Giovanni' und 'Troubadour' kürzlich in Hannover. Letztere Inszenierung dürfen Jugendliche nur mit schriftlicher Erlaubnis der Eltern besuchen.
Und in Regensburg ? Nahm man sich der Maxime an: "Nicht das Dargestellte, sondern die Darstellung entscheiden letzten Endes über Wert und Unwert von Kunst?" Die Besetzung mit dem Opernensemble gibt dem Regensburger Publikum die Möglichkeit, bedingt durch die mittlere Tessitura der Partien, ohne Angst um hohe Töne haben zu müssen, dem Ablauf des Brecht'schen Lehrstücks zu folgen. Da der Regisseur meist große Aktionen für die Darsteller vermeidet, Solisten wie Chor häufig zu Stehkonvents versammelt, wird auch unterbunden, das Werk auf den Zuschauer übertrieben effektvoll wirken zu lassen, zumal auch Textverständlichkeit der Darsteller weitgehend vermieden wird.

Endlich gibt der Regisseur den

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Juuso Hämminik und Ilonka Vöckel


Technikern viel Zeit, umzubauen, was das Publikum dankbar honoriert, denn es folgt aufmerksam den Aktionen im Dämmerschein und zeigt ihm, wie sicher man ein Stück durch diese Löcher in die Länge ziehen kann, einen gemächlichen Ablauf sicherstellt sowie Tempo und Biss vermeidet. Diesen Eindruck unterstreicht auch der Sprecher, der eben nicht hurtigen Schenkels über die Bühne hastet, sondern gemütlich - 'nur net hudeln' oder quasi 'andante moderato' seine Kommentare gibt. Dass die Ansagen so menschlicher rüberkommen als wenn sie über den Hurrikan-Lautsprecher verkündet werden, dokumentiert die Rücksicht der Leitung des Hauses, das Publikum nicht unnötig anzustrengen oder gar zu erschrecken. Das allerdings gelingt durch das Abfeuern von mehreren Pistolenschüssen durch Jim Ahoney dann doch, die ein gerade begonnenes sanftes Entschlummern, bedingt durch die Gemütlichkeit der Inszenierung, abrupt beenden. Interessant nur drei Details: die neue Holzfälleraxt, eben aus dem Baumarkt geholt und noch nie mit einem Baum in Berührung gekommen und der nicht vernehmbare aber doch wahrscheinliche Schrei von Requisite und Abendspielleitung: "[...] ich habe ihm das Beil nicht geben können [...]" oder das wie Zinnsoldaten aufrechte, voll sich dem Hurrikan hingebende, Stehen des Chores, dass Hängen von Jim Mahoney auf die bewährte, so überaus anschauliche Weise mit Puppe in Zollners 'Räuber'-inszenierung'. Ob die Brauerei 'Eichenhofener' als Sponsor gewonnen werden konnte, hatte man schwer angenommen, aber im Programmheft kein Hinweis darauf. Vielleicht wird dieses Bier ja im Theater gerne getrunken! Dies Wenige dokumentiert wie sehr der Regisseur seit seiner letzten Inszenierung mit dem Stück vertraut wurde und wie sehr die Anschauung der Aufführung der Hamburgischen Staatsoper nachwirkt, in der die Prinzipalin unter Konwitschny und Metzmacher die Witwe Begbick war. Das Orchester ist oben, hinter der Bühne, hinter Gaze und auch Vorhang versteckt, somit sicher abgedeckt, dass Glanz des Klangs tunlichst verhindert wird. Das Dirigat hob sich von den schmissigen, knackigen Tempi in der Aufnahme unter 'Onkel Wilhelm' Brückner-Rüggeberg erheblich ab, so dass eine gewisse Atemlosigkeit des Publikums ob der Rasanz der musikalischen Leitung der Regensburger Aufführung, nicht zu befürchten war und eben eine solche auch durch die Szene tunlichst vermieden wurde. Dass in der Loge 7 im ersten Rang die letzte Reihe frei blieb, gab dem Oberspielleiter Schauspiel frei nach Wilhelm Busch die Möglichkeit "[...] traulich im Familienkreise sitzt man da und flüstert leise [...]" die Inszenierung mit seiner Frau zu kommentieren und kräftig abzuhusten. Einem normalen Zuschauer würde empfohlen, "Zu Hause zu bleiben"! Disziplin wo kämen wir da hin. Aber hier gilt K.D. Köhlers ehemalige und alles entschuldigende Mahnung: "S'ist doch Schauspiel !!!"
'O Moon of Ratisbona ......'. 
(Dieter Hansing)
                                  

 

 
 
     
 

Nonn(n)sense

 

Nonnen-Musical im Velodrom
Dem Affen Zucker geben
 



Nonnen in action: R. Beisert, E. Soukop, I. Dominique

(Foto: Zitzelsperger)


Einen Jux woll'n sie sich machen und es gelingt den fünf Damen, das Publikum mitzureißen, so dass Tumult im Velodrom entsteht- Welcher hehren Opernsängerin macht es aber nicht auch Spaß, mal die Wutz rauszulassen. Und "bei dem Talent, bei dem Talent" wär's a Schand, wenn die nicht beim Theater wär'n. Ob nun Rosemarie Beisert als Oberin - man darf gespannt sein wie sie die drei Männerrollen in der kommenden Boheme füllt - oder die herbe Schöne Ingrid Dominique als Maria Hubert, die unglaublich intensive Ruth Müller als Robert Anna, die 'Balletteuse' Katharina Leitgeb als Maria Leo und die bin in den Applaus in der rolle der Maria Amnesia bleibende Elvira Soukop.
Die Story der zu beerdigenden Betschwestern - doch nur Rahmen für die Damen - verschwindet, wird zur Nebensächlichkeit. Bühnenbild, Licht alles unwichtig bei dieser Präsenz und außerdem "wehe, wenn sie losgelassen.
Wie weit der Regisseur Reinhardt Friese - nomen es omen, der Herr kommt aus Wilhelmshaven - hier nur arrangiert oder wirklich inszeniert hat, lässt sich nicht feststellen.
 


Die Damen sind so gut, dass auch ein schlechter Regisseur nichts verderben könnte. Dass nicht alles perfekt war, macht den Charme der Inszenierung aus, denn so wirkt es tatsächlich als mit klösterlichen 'Bordmitteln' improvisiert und ganz von den Damen ausgehend.
Die Piu Piu Band hat die Lautstärkemöglichkeiten der Beschallungsanlage auch schon mal nicht so extrem ausgenutzt. Die Textverständlichkeit leidet so erheblich. Das haben die Damen nun nicht verdient. Hat das bei den Endproben niemand gemerkt wie sehr die Band dröhnt?
Und müssen die Techniker im Finale die Brücke verlassen? Es stört.
Es war ein vergnüglicher Abend, an dem gezeigt wurde, dass Opernleute sehr wohl spielen können. es müssen nicht unbedingt Schauspieler im Musical sein - und ob die dann so musikalisch sind, steht noch dahin. Bestes Beispiel 'Anatevka' in Regensburg.
Stürmischer Beifall bei der Premiere.
Hingehen, es macht richtig Spaß und selbst wenn es hier despektierlich klingt, diese 'Nönnekens' sind einfach Klasse.  (Dieter Hansing)
                                    



 

Kirchenkonzert in Niedermünster

Rossinis köstliche Messe
 

Wie störend Frauen sein können, zeigt sich, wenn diese - möglichst mit Kinderwagen und Einkaufstaschen beladen, am Ende einer Rolltreppe plaschtig stehen bleiben und die ihnen Folgenden über sie fallen oder - wie jetzt - während eines Konzertes auf der Kanzel stehend nun möglichst jedes Chormitglied 'abblitzen' müssen und dann nach jedem geschossenen Bild irritiert auf die Rückseite der Kamera schauen, obwohl dort gar kein Display vorhanden ist - wohl um erstaunt festzustellen - der Film wurde transportiert. Genauso 'dämlich' ist das Geraschel mit Programmzetteln, wenn Männer nach 70 Minuten Konzert den Inhalt immer noch nicht auswendig kennen und penetrant nachsehen müssen, wer da was singt. Wie würde Reich-Ranicki lispeln: "Grässlich!" Edda Sevenich (der Vorname eine Huldigung an die Lehrerin 'Eddchen' Moser?) mit Kunstgesang dem Sopranpart verpflichtet, mit großen Bögen, wobei die Fortestellen der höheren Lage nicht aus dem Gesamtklanbild ausbrachen. Eine schöne Leistung. Hätte sie nicht z.B. eine Amelia werden könnnen? Heidi Maegerlein - bei dieser Messe beschränkt sich die Altpartie auf ein ziemliches Gegrummel in tiefer Lage, so dass für die Sängerin nur wenig Möglichkeit besteht, die satte Fülle ihrer Stimme mit warm leuchtenden Obertönen zur Geltung zu bringen. Aber auch sie, wie man sie so kennt, ungeheuer engagiert, hier nun auf Schöngesang konzentriert. Christopher Coyea - mit heldischer, kraftvoll strömendem Stimme, gestaltet den Tenorpart. Ohne Knödel, ohne zu näseln mit großem Atem. Warum singt der nicht am Theater Regensburg den Walter in der 'Loreley', statt dass sich ein dort ein armer Mensch plagt und trotz allen Übens die Sorge des Publikums

erweckt, jetzt wird er gleich heiser. Und wie soll das beim Rodolfo gehen, von hohem 'h' keine Rede und vom 'c' wohl ganz zu schweigen. Stefan Sevenich, der Vielbeschriebene. Es kann wieder nicht gesagt werden: "Oh wie schön die Worte fließen". Was ist da bei den Bassisten los? Alex Floriau-Chateau, jetzt Michael Doumas, wattig-kernlos, gerufen. Und bei Stefan Sevenich? Natürlich ist die Beurteilung subjektiv gefärbt, nur bei Michael Doumas rutschen auch andere Besucher auf ihren Sitzen hin und her. Herr Sevenich gleicht mit seinem Spiel auf einer Bühne mit großem Auditorium vieles aus. Hier, in einem Konzert konzentriert sich das Ohr des Zuhörers ganz auf die Stimmgebung - unabgelenkt vom Spiel eines Bass-Buffos. Was sagt denn Frau Sevenich als Gesangslehrerin zum Singen Ihres Mannes und alles dem? Angelika Achter, Klavier, und Hubert Zaindl, Harmonium, gaben mit ihrer Begleitung dem Ganzen den so typischen Sound dieser Messe. Dass Klavierspielen nicht so ganz einfach ist, lässt sich auch hier nicht leugnen. Christoph Böhm dirigierte - mit deutlichen Zeichen für die Sänger und den engagiert singenden Chor - wenn auch plötzlich die Damen, trotz mehrfacher Aufforderung des Dirigenten einfach nicht einsetzen wollten - als habe Ver'dis Bsirske es verboten. Schließlich wurde dieser imaginäre Einfluss überwunden und man fand wieder zum guten Ton zurück. Ein sehr erfreulicher Abend in der voll besetzten Niedermünsterkirche, der vom Publikum mit lang anhaltendem und herzlichem Beifall bedacht wurde, auch honorierend, was nicht hoch genug zu loben ist, dass sich die Ausführenden "aus purem Spaß an der Chormusik" zusammenfinden.  (Dieter Hansing)
                         
          



 

Operettenkonzert

No amol, no amol, no amol
 

Wenn in Regensburg ein KZ-Werk schon den Titel 'Freunde, das Leben ist lebenswert' trägt und damit die Menschen unter Operettenvorstellungen ins Theater gelockt werden, dokumentiert dies doch deutlich, dass ein Bedarf an leichter Muse, gut dargeboten, besteht. Wenn dann noch jedes Gesangsstück in diesem KZ-Werk heftig beklatscht wird, ist klar, hier besteht Mangel an Unterhaltung mit hoher Qualität. Quer durch das Land der Operette geleitete Josef Aigner an diesem Abend die fast bis auf den letzten Platz den Neuhaussaal füllenden begeisterten Zuhörer. Witzig, schlagfertig, selbstkritisch, eloquent und vor allem wissend um das Metier 'Operette', fesselte er das Auditorium. Wer viel weiß, hat auch viel zu sagen. Da wird es der auf den Regensburger Markt als Conferencier drängende 'Intendant von Parsberg' nicht leicht haben. Hört man die Herren Sänger an diesem Abend, stellt sich wieder die Frage, warum wurde das List'sche Musiktheater-Ensemble aufgelöst? War es zu teuer? War es nicht die Hausmacht, die der neue Intendant aufbauen wollte? Warum wurden - nochmals sei's gefragt - Juan Carlos Falcon oder Mario Podrecnik - nicht gehalten? Warum wurde beim Schauspiel das Ensemble nicht auseinandergerissen, wenn denn ein Intendantenwechsel die Möglichkeit dazu bietet? Im Ensemble an diesem Operetten-Abend ein Bass, der heute Glück hatte und seine roten Rosen aus Gasparone in bequemer Lage ohne viel Power


geben zu müssen, verschenken konnte und das was man sonst bei forte-Passagen und in hoher Lage nur als 'rufen' bezeichnen kann, klang hier auch richtig gesungen. Zwei Buffi, beide müssten dringend zu einem guten Gesangslehrer. "Das wei'tre verschweig ich." Bei den Damen fiel besonders Ilonka Vöckel mit schöner Phrasierung auf. Es gelingt ihr auch in hoher Lage Bögen zu singen und stark zu beeindrucken. Katharina Leitgeb mit runder Mittellage, dann gelungenem Diminuendo, wenn kraftvoll, dann unausgeglichener Tongebung. Ingrid Dominique - das Model - bekannt übergähnt-kehlig, dadurch auch schwach in der Sprachbehandlung. Bei allen Solisten gibt es Nachholbedarf in der Artikulation z.B. bei den Konsonanten wie den End-Ts. Dem vom amerikanischen Kontinent stammenden Tenor gelang die Sprache noch am Besten.
(Dieter Hansing)

                         
          



 

Wolfgang Rihm:  JACOB LENZ
Fitzgerald/Textfetzen/Büchner/Lenz/Rihm/Jin-Ho Yoo
 

Foto: Juliane Zitzelsperger

Warum der Haidplatz als Spielstätte für die Kammeropern aufgegeben wurde? Keine Ahnung! Wollte sich Weil da ganz bewusst von List erfolgreicher Moderne-Serie separieren? Man ist in den Neuhaussaal ausgewichen und hat dort eine herkömmliche Guckkastenbühne nachempfunden. Schade! Ein Spielpodest mitten im Saal mit dem Publikum drumherum, das hätte durchaus was gehabt! Auftritte hinter schwarzen Sofitten hervor, Türen hellerleuchtet, aus denen Kinderlein trampeln, in den Sänger verschwinden, alles wirkt improvisiert und zusammen- geschustert, Schultheater. Die Bühne von Frau Sascha Gratza besteht aus einem riesigen grauen Lappen, grau und bunten Quadern, einem roten Spiegel- und Bilderrahmen, aus. Bewusst wird daraufhingewiesen, wir sind ein armes Theater. Isabel Ostermanns Inszenierung ist sehr ambitioniert, fast prätentiös und hat insgesamt zuviel von einer Hochschul-Abschluss-Arbeit. Aktionen, Aktionen! Der Chor als Marionetten, kindisches Luftballonspiel, Jesu Antlitz als Dartscheibe, ja, ja, ist ja gut! Das alles wäre nicht mal schlecht, beschäftigte Frau Ostermann Schauspieler oder Pantomimen, die ihr Handwerkszeug gelernt haben. Mit einer Handvoll Statisten wirkt das alles gewollt und nicht gekonnt. Die Kostüme von Bianca Schmid-Hedwig typisieren trefflich, warum aber der modernste Charakter der Oper (Lenz) im altmodischsten Kostüm daherkommt, die Altvorderen des Stücks heutig, bleibt rätselhaft, dürfte aber wohl der Wunsch der Regisseurin gewesen sein.

Titelheld Jin-Ho Yoo ist fabelhaft, im Spiel anrührend, stimmlich in bester Verfassung, schön phrasierend, die Parlandostellen wohl ausnuancierend. Der Weg des Dichters Lenz in die totale Verzweiflung, in den Nihilismus, sein Verzweifeln an Gott, ja an der Abwesenheit eines Gottes, hält die Spannung über 75 Minuten aufrecht. Michael Dumas legt den Pfarrer Oberlin als Oberlehrer an, gibt ihn sehr blasiert, zumindest aber textverständlich. Victor Schierung muss seinen Part des Herrn Kaufmanns motorisch hyperaktiv gestalten, stimmlich dürfte halt nicht mehr drin sein. Warum er ein kaputtes Kopiergerät auf die Bühne schleppt? Ich weiß es nicht! Mittlerweile kann ich sie nicht mehr sehen, diese ständigen Auftritte aus dem Zuschauerraum. Aha Brecht! Verfremdung! Episches Theater. Epische Oper!
Überraschend gut, der hinzu-engagierte kleine Chor. Respekt! Lenz-Double Luis Macher (ein angehender Schauspieler?) fast sehr gut! Die Statisten alle und die Kinder, hölzern halt und sehr dabei, zu sehr dabei.
Ereignis des Abends ist Maria Fitzgerald, die musikalische Chefin des Abends. Präzise, energisch und deutlich gibt sie die Einsätze. Die Mitglieder des Philharmonischen Orchesters intonieren sauber (ein Kieckser im Blech). Eine sehens- und hörenswerte Ensemble-Leistung.
War ja auch höchste Zeit, dass die Rihm-Oper auf den Spielplan kam. Hoffen wir, Herr Weil gibt der Moderne eine zweite Chance, trotz klammem Beutels. Dann aber bitte etwas professioneller und nicht mit Darstellern, die vor der Vorstellung in Kostüm und Maske durch Foyer schweifen.  (Peter Lang)
                         
          



 

Alfredo Catalani: LORELEY

Die Rheintochter singt und der Chor tanzt dazu
 


Braun von Braunthal wusste am 12.1. in der Zeitschrift 'Der Comet' nicht zu berichten, "... ob diese Oper ein früheres Produkt als Rienzi ..." ist oder Eduard Gehe meinte
"... Dieses Werk ist wahrscheinlich eine frühere Arbeit des talentvollen und phantasiereichen Tondichters ..." So ging es den Rezensenten 1843 als sie über Wagners 'Holländer' in Dresden sprachen. Ähnlich ist es heute, wenn 'Loreley' am Theater Regensburg auf dem Spielplan steht. Wer kennt schon die azione romatica in tre atti von Alfredo Catalani? Wir wissen allerdings, dass dieses Werk 1880 und in einer Bearbeitung 1890 in Turin uraufgeführt wurde und dass Kurt Honolka - Verfasser dieser unsäglichen Übertragung der verkauften Braut - erst 1980 die Loreley in Koblenz zur deutschen Erstaufführung gebracht hat. Heinrich Heine dichtete 1823 die unsterblichen Verse des "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten", was Friedrich Silcher 1837 mit Noten unterlegte.
Alfredo Catalani, dem es die deutsche Mythologie und die deutsche Landschaft angetan hatten, stützt sich im Musikalischen - so in der Orchesterbehandlung - nicht nur auf Richard Wagner, dessen Zeitgenosse er als 1854 Geborener er war, sondern auch auf die Grand Opera der Franzosen. Es entsteht der Eindruck eines 'molto bombastico'. Das Orchester kennt fast nur 'full power', die Möglichkeit für die Sänger zum Differenzieren ist stark eingeschränkt und so gilt auch für diese, möglichst laut über die Rampe zu kommen. Es gelingt ihnen, aber ein Schöngesang bleibt weitgehend auf der Strecke. Michael Suttner schmettert die Partie des Walter in das Haus am Bismarckplatz. Dieses unbekümmerte Singen, das Spiel des unbedarften Jünglings - hat er jemals szenischen Unterricht gehabt ? - der wohl zum ersten Mal einer femme fatale begegnet, berührt das Publikum, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass hier ein Talent sehr roh mit seinen Möglichkeiten umgeht. Die Gefahr, dass Töne durch das unkontrollierte Singen umschlagen, ist groß und es gibt ja leider auch schon Beispiele dafür. Wie er einfach aus vollem Hals, die Töne spektakulär in den Raum pflanzt, ist atemberaubend, aber noch einmal: "wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe." Hier müsste ihm wirklich 'ein Rechter' die Hand auflegen und sagen "Technik soll man nicht hören, aber haben muss man eine und zwar eine solche, die ein Schönsingen auch noch in zwanzig Jahren erlaubt." Leider ist Gesangslehrer nicht gleich Gesangslehrer, schon manch Prominenter hat manchen Schüler ruiniert. So sehrt uns die Sorge um ihn.
Adam Kruzel mit machtvollem Bariton in der Rolle als Hermann steht den ganzen Abend auf der Bühne und vertrocknet so langsam. Da ist es kein Wunder, wenn eine extrem hohe Phrase verrutscht. Er hat wieder zu seinem eleganten Spiel gefunden, das beim Rigoletto und Faninal schon als vermisst gemeldet wurde.
Sprachlos ist man immer über das ohne jeden Kern, tonlose Rufen des schönen und gepflegten Michael Doumas. Wer hat diesem Menschen die Sängerlaufbahn aufgeschwatzt und was soll aus ihm werden? Mi Soon Jang - wie schon bei den Hugenotten konstatiert - frei weg singend, die Töne behütet sie, auf das sie nicht schneiden. Engagiert im Spiel leidet sie wie es sich für eine Lyrische gehört. Leider nutzt sie den hinlänglich von anderen Sängern/Innen bekannten und so gewöhnungsbedürftigen, hier nun, koreanischen Knödel . Aber auch Anny Schlemm stützte sich auf ihn und singt heute noch oder die so früh verstorbene Elfriede Trötschel - von einem guten Knödel hat man lange was, aber ob's schön klingt?
Kommt die Besetzung der Titelrolle. Eine unbekannte Schöne, wohl ein 'Fanciulla del West' - genannt Susan Davis-Holmes - widmet sich ihr nicht nur, sondern es gelingt ihr, die Rolle weitgehend auszufüllen. Da die Loreley nach der Mär auf dem Felsen über dem Rhein sitzt und die vorbeifahrenden Schiffer mit ihrem Gesang - hierfür ist schon wegen der Orchesterbesetzung bei Catalani ein

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Foto: Zitzlsperger

Spinto oder jugendlich-dramatischer Sopran nötig - und dem Kämmen der Haare ablenkt und niemand neben den Schiffern auf dem Beifahrersitz im meist unpassenden Moment ruft: "Schau auf die Fahrbahn!!!" ist sie das Unglück der Flussfahrer. Tatsächlich verfügt Frau Davis-Holmes über eine tragfähige, voluminöse Stimme, die gut geführt mit schlau abgedeckten Tönen der hohen Lage beeindruckt. Ob sie nun unbedingt die Verführerin repräsentiert .... es fehlt ihr das Raffinement, das Betörende oder eben das Kindliche, das Elfenhafte. Mit ihrem Gesang erreicht sie spielend "... auf Felsen hoch ihr Sitz ..." die Schiffer unten am Rhein, bei der Darstellung wird ihr das auf die Entfernung schwer fallen.
Nun entspricht das Theater Regensburg seinem Kulturauftrag, indem es die Loreley der Bevölkerung zur geistigen Bereicherung bietet, legt aber die Inszenierung dieser Oper in die Hände von Rupert Lummer. Es ist zur Gewohnheit geworden, Stücke jeder couleur in neuen Sichten auf die Bühne zu bringen. Akzeptabel, wenn die Werke bekannt sind und man hier Neues schaffen will. Nimmt man sich in Regensburg der Loreley an, wäre es zweckmäßig, sich am Stoff entlang-zu-hangeln, statt durch Abstraktionen, Interpretationen, Verfälschungen in der Personenführung die so hochgelobte Übertitelungsanlage ad absurdum zu führen. Was da oben über der Bühne auf den gemalten Vorhang projiziert wird, stimmt nicht mit dem überein, was die Personen der Handlung auf der Bühne tun. Die Verwirrung führt zur totalen Verunsicherung. Wenn Nebel und Tischerücken als technische Möglichkeiten des Hauses nicht ausreichen, um dieses Märchen glaubwürdig durch das Einzimmer-Appartement-mit-Blick-auf den-Lorelei-Felsen-Bühnenbild von Dorin Kroll auf die Bühne zu bringen, dann gibt es andere Möglichkeiten, 'das Publikum hinters Licht zu führen'. Die schaukelnde Nixe, der tanzende Priester - was sagt denn der GV dazu? - das wacklige Grab am Bühnenrand, die massenhaften Butterflys, die vielen Details, die einen einfallsreichen Regisseur - die Kupfer'sche Schule ist unverkennbar - ausmachen, hier aber dem Werk in der Form nicht unbedingt dienlich sind.
Wahrscheinlich galt die Devise - unbekanntes, wertloses Werk in der Provinz - mit dem kann man es ja machen.
Und an allen Aktionen sind Chor - jeder hat einen Solopart wie die Chorsolisten an der Komischen Oper - Statisten und Kinderchor - der wohl irgendwas sang, wohl aber kaum das, was in den Noten steht - heftig beteiligt. Turbulent geht es auf der Bühne zu. Viele Regieeinfälle, nur haben die wenigsten etwas mit dem unbekannten und schon in sich schwer verständlichen Stück zu tun. Die Kostüme von Ulla Röhrs - märchenhaft!
Und was nach der Inhaltsangabe vorgesehen ist, kommt dann leider nicht:
Walter wirft sich verzweifelt in den Rhein und stirbt.
So ist's nichts mit dem seit 1876 so berühmten: "Fort in die Welle."
Axel Kober - ein richtiger deutscher Kapellmeister - dirigiert für den abwesenden GMD und führt das Werk in den Tempi sängergerecht zu seinem verkleckernden Ende. Das Orchester, machtvoll aufspielend, wird sich wohl an andere Tempi gewöhnen müssen, wenn Herr Rumstadt von seiner Tournee durch die nordamerikanischen Kulturzentren wieder zurückgekehrt ist. Vielleicht gelingt es dem Chef, die Blechbläser zu weniger Kieksern zu verleiten.
Quintessenz: "Leute hört die Signale! Alfredo Catalanis 'Loreley' am Theater Regensburg."
Für Theaterbeflissene gilt: Hinfahren, anschauen, anhören, dann kann man mitreden. Und wo bekommt man sonst Verismo hoch drei geboten.. (Dieter Hansing)

                         
          



 

Stein/Sheldon/Harnick/Bock: ANATEVKA
Ist es Liebe ?
 

Allen Unkenrufen zum Trotz: Jóhánn Smari Saevarsson überzeugt als Tevje. Und was alles im Vorfeld zu hören war, der Dirigent Okomoto würde singen, der Souffleur würde für ihn sprechen und er mache nur den Mund auf und zu. Alles Schmarrn! Saevarsson füllt die Rolle wie weiland Iwan Rebroff in Paris, der auch von der Oper kam - köstlich damals sein Prodekan im Vogelhändler in Frankfurt am Main. Zur Darstellung wie durch einen Schmul Rodensky oder Hans Nocker bei Felsenstein an der Komischen Oper langt es noch nicht. Die fehlenden Jahre, die ein Tevje so mit sich schleppt, werden von Saevarsson weggespielt, die Stimme macht keine großen Spirenzeln - immerhin ist er als Jungsänger noch in Cenerentola und als Ochs auf dem laufenden Spielplan. Und er rührt an, die Gespräche mit Gott - da stellt sich der normale Zuschauer etwas mehr Kunst durch eingezogenes Licht vor - die Ausfälle gegenüber seiner Frau, auch das darauffolgende 'Schwanzeinziehen', wenn Golde kontert. Das Verständnis für die Töchter - die Ablehnung des Goi als Schwiegersohn, dezent ohne Übertreibung - einerseits / andrerseits - dargestellt. Immerhin ist er ein Nordländer, dem wohl noch nicht alle deutschen Worte so geläufig sind. So hakt gelegentlich der Dialog.
Aber ein besonderer Charme ist sein Akzent - sprechen die meisten anderen 'nach der Schrift' - bei Saevarsson vermittelt gerade das 'gebrochene Deutsch'  etwas entfernt den Eindruck als würde er jüdeln. "Tradition ist Schlamperei" sagte eines Gustav Mahler. Hier ganz gegen die Tradition, Sänger als reine Schauspieler. Und ganz erstaunlich wie das fast reine Sängerensemble spielt. Nun ist es heute sehr viel einfacher, Sänger als Schauspieler einzusetzen - der erhobene dramatische Arm gehört der Vergangenheit an - als dass Schauspieler als Sänger eingesetzt werden können, die mit 'belting', zu mehr reicht es nicht,  eben schnell ihre stimmlichen Grenzen erreichen. Hinzu kommt, dass - gut, der Besetzungszettel des Intendanten gibt es vor - sich Elvira Soukop, sonst Octavian oder Angelina, nicht zu schade für eine Zeitel ist oder ein Vogelhändler-Adam den Perchik ausfüllt, ohne etwas zu singen zu haben. Man stelle sich vor, ein Tenor gibt keinen solistisch gesungenen Ton von sich und überzeugt absolut. Michael Suttner hier als "der Herr Student", dem Tevje wieder eine Tochter ausspannend. Die Zeiten haben sich verändert. Jente, hat kaum noch was zu tun, jeder sucht sich selbst sein Liebchen. Silvia van Spronsen als die Heiratsvermittlerin - je schrulliger, desto van Spronsen -  wir erinnern an 'Hase, Hase' im Jahr '94. Warum sie allerdings bei Zeitels Hochzeit erst mittanzt und dann rumgiftet, bleibt ein Rätsel. Ob nun Rosemarie Beisert als Golde, Katharina Leitgeb als Hodel, Ilonka Vöckel als Chava, der kleine Mr. Damkier als Mottel, Christian Pätzold als Lazar Wolf - und allen anderen - gelingt es, im Einzelspiel als auch in den Ensembles die Rollen glaubhaft auszufüllen. Herauszuheben noch der äußerste präsente Wachtmeister von Zbigniew Cieslar. Und so stimmt die gesamte Produktion von Regisseur Michael Blumenthal bis hinein in die Applausordnung.


Junger Tevja - guter Tevje Foto: Zitzlsperger

Solisten, Ballett, Chor, Orchester, dran an der Story und am Geschehen. Wieder lag die musikalische Einstudierung in der Hand von 'Regensburgs Harry Potter' - der versierten Maria Fitzgerald. Bühne von Wolf Wanninger, Kostüme von Sibylle Schulze - stimmig, so wie man sich halt ein Dorf in den Weiten Russlands um die vorletzte Jahrhundertwende vorstellt. Ein guter Abend im Theater Regensburg!
Na also, es geht doch! Natürlich gibt es up and downs, einer verkorksten Lysistrata folgt ein gelungener Galilei. Einer lebendigen Cenerentola, eine gute Loreley? Auch gilt es hier nicht zur sprechen über zu stark angegähnte oder angejaulte Töne, über Schärfen oder Knödel. Druckfrei können die Sänger einfach gut sein und sie sind es. Und die nichtsingenden Schauspieler auch. Warum berührt Anatevka nun mehr als das unten behandelte Stück 'Freunde, das leben ist lebenswert' von Charles Lewinsky? Ist es der intimere Raum des Theaters am Bismarckplatz gegenüber der Weitläufigkeit des Velodroms, wo durch die Distanz und die notwendigerweise 'erhobenen Stimmen' keine Spannung aufkommen kann ? Ist es der in Anatveka fehlende strahlende Tenor Michael Suttner, der in 'Freunde ....' alle immer wieder aus jeder aufkommenden Beklemmung reißt? In Anatevka sind Musik, Text, Spiel und Stimmen aufeinander abge-'stimmt' und das zwingt. Hier kommt die Bindung von Bühne und Zuschauerraum zu Stande, was bei 'Freunde ...' unterbleibt. Ließe man  aus den Operetten die Texte von Fritz Löhner-Beda gesprochen innerhalb des Abends auf das Publikum wirken, wäre dem Stück und dem Thema gedient. Da in Regensburg die leichte und doch so schwere Muse 'Operette' so gut wie nicht gepflegt wird und hier nun auch endlich ein strahlender Tenor engagiert ist, sind alle im Zuschauerraum happy über die Stimme von Michael Suttner und wie er die Melodien von Franz Lehar oder Paul Abraham serviert. Aber damit bleibt das Stück auf der Strecke - ganz abgesehen davon, dass ein KZ nicht auf die Regensburger Bühne passt. Da kann Jens Schnarre als Karl Schultze-Prohaska in 'Freunde .....' noch so überzeugend den Wandel vom unterwürfigen Chauffeur zum immer noch menschlichen Schergen darstellen - ein Michael Suttner schmettert  ihn und jede bedrückende Stimmung schon im ersten Entstehen mit Melodien aus Giuditta an die Wand. (Dieter Hansing)
                         
          

 
 
 
     

 

 
Lohengrin oder die Plauener Lichtspiele
 

Und außerdem muss auf noch zwei weitere Spezialitäten hingewiesen werden: die Plauener Strichfassung und die 'Plauener Spitzen', hier Elsa und Ortrud, denn so hätte eigentlich der Titel des Werkes sein müssen. Merkwürdig wie 'Nebenrollen' der Titelfigur den Rang ablaufen.
Interessant auch, was so ein Lohengrin alles aushält, ganz abgesehen von verschiedenen Inszenierungen. Hier sind die Striche gemeint und es fällt kaum auf, dass z.B. die Verwandlungsmusik im zweiten Akt nicht kommt, oder die erste Strophe vom Brautlied - dafür aber angekündigt das "Leb wohl, du wilde Wasserflut" des kleinen Gottfried. Und das bringt dann doch nichts, diesen Strich aufzumachen. Erstens ist es kein so genialer Einfall von RW und zweitens hält es den Ablauf der Handlung nur auf. Man stelle sich vor, in der Plauener Fassung wäre auch die zweite Strophe der Gralserzählung offen, Ortrud müsste noch später ihren Kaltstart mit dem "Fahr heim" hinlegen. Interessant, die Stelle mal gehört zu haben, aber hier bewährt sich der Spruch: 'Was gestrichen ist, kann nicht durchfallen.'
Selten hat man die hehren Gestalten im Lohengrin so viel rumrennen und sich als ganz natürliche Menschen gebärden sehen. Die Chormitglieder nehmen sehr intensiv am Spiel teil, begrüßen sich öfters mit Hand- schlag, obwohl sie sich doch schon auf der Szene mehrfach begegnet sind. Nichts Hehres, kaum ein Schreiten, sondern normales sich bewegen. Dadurch wirkt das ganze menschlicher und somit weniger abgehoben, aber auch eben mehr dem leichten Genre zugeneigt. Nun ist dieser Plauener Lohengrin auch noch in den Vormärz, die Entstehungszeit - also zwischen 1845 und 1848 - gelegt, was allerdings dann das Verständnis, das Zusammenbringen des historisch- mythischen-märchenhaften Hinter- grundes mit den Kostümierungen aus der Biedermeierzeit - noch erschwert. Und wenn Ortrud das Wort 'Gott' hört und sich die Ohren zuhält, dann passt das nicht zum Kostüm und schon gar nicht zu dem im ersten Akt - da fällt allerdings das Wort nicht - wo sie aussieht wie die Prinzessin Eboli in Schillers/Verdis 'Don Carlos'. Oder vielleicht sah Frau von Lüttichau so aus, wenn sie das königlich sächsische Opernhaus in Dresden als Gattin des Intendanten - vielleicht zu einer Aufführung des 'Rienzi' - besuchte.
Schon beim ersten Aufgehen des Vorhangs entsteht der Eindruck, es handle sich um das Hambacher Fest oder eine Versammlung der Burschenschaften oder eine Zusammenkunft nach einer Sitzung des Vaterlandvereins, bestätigt dadurch, dass beim "den Heerbann probte ich im Widerstand" - und hier von RW nicht vorgegeben - die Mannen in heftigen Beifall ausbre- chen.
Dieser König, Hagen Erkrath, ein schlanker, fast schmaler junger Bassist - allerdings mit einem schon bedenklichen Köstritzer / Wernesgrüner - Bauchansatz in der eng sitzenden Kaiser-Franz-Josef- Uniform - oder soll das eine königlich-sächsische sein - hat  in seinen Bewegungsabläufen viel operettiges. Mit Riesenschritten und wallendem Federbusch auf seinem Kapperl schwingt er über die Szene, begrüßt die Mannen, indem er selber 'Männchen macht' und setzt seine Töne in die Maske, die Tiefe kann durch die Schlankheit des Körpers nicht kommen. Da ist kaum was zum Klingen zu bringen, so hilft die Technik.
Beim Heerrufer von Hasso Wardeck, in der Kostümierung dem König angepasst, ist die Maskentechnik weniger ausgeprägt und so hört man auch, dass er schon einige Partien gesungen hat.
Telramund - vom Äußeren so wie Klaus Löwitsch mal war - mit einem Brustpanzer bewehrt, produziert Knalltöne. Nimmt er den Druck allerdings weg, dann hört man ein deutliches Vibrato der dann locker geführten Stimme. Und trotzdem, erstaunlich, wie auch hier ganz offensichtlich eine ausgefeilte Technik von den Altvorderen vermittelt wurde. Predigt man sonst immer "abdecken", dann ist es hier vielleicht zu gut gemeint, wenn es statt "zum Sterben" kam der Herzog von Brabant" ein "zum Störben" gelingt.
Judith Schubert erscheint als Elsa, die Tugendreiche, in Weiß, wie sich das gehört, eine typische deutsche Jugendlich-Dramatische und singt mit einer unerwarteten Kultur und auch noch Beseeltheit, ohne nun zu kitschen ihr "Einsam in trüben Tagen". Sie deckt die Töne ab, singt ganz nach vorne und übertreibt dabei etwas, wenn dann bei "gelehnet auf sein Schwert" ein starkes "gelöhnet" herauskommt. Elsa lagert sich voll Verzweiflung an die Rampe - viel- leicht weil manchmal nicht alles ganz rhythmisch ist - das Licht verlischt und kaum ist es wieder an, ist Lohengrin aus der Versenke er- schienen.
Bernhard Brunko singt die Rolle mit hellem, ausdrucksstarken Tenor, der ohne Schlacker bekommen zu ha- ben, gereift ist. Die Stimme klingt ganz jung und hat so einen leichten Richard-Tauber-Schluchzer. Lohengrins "Nun sei bedankt" kommt nicht einen viertel Ton zu tief, so dass das imaginäre Etwas, das als Schwan wie eine Mogolfière aus dem Schnürboden kommt und das Lohengrin an einer mehrere Meter langen Kette hält, deswegen keinen Grund hätte "in die Lüfte, in die Lüfte" davon zu schweben. Auch Herr Brunko setzt die Töne in die Maske, passt er allerdings nicht auf wie ein Schießhund, dann verrutscht leicht was wie später bei "ist jetzt dein Leben mein". Nun tritt Hale Al Orfali als Ortrud in ihrem Eboli-Gewand dazwischen und schaut sich die Kette an. Da haben wir endlich mal eine Verbindung zu dem späteren "Am Kettlein, das ich um ihn wand". Ein konsequenter Regieeinfall.
Der Kampf für das Gottesgericht der beiden beschränkt sich auf Licht- blitze, die Lohengrins Schwert produziert. Telramund kann den Gegner nicht mehr erkennen und lässt das Zuschlagen gleich sein, er fällt somit geblendet. Die Konsequenz ist die Frage Ortruds "Wer ists, der ihn geschlagen", die



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Fotos: Peter Awtukowitsch.

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die sie in den folgenden Akten zu klären sucht.
Schon im ersten Akt fiel auf, wie hell die Szene ist, aber schließlich: "hoch im Mittag steht schon die Sonne" und die heftigen Lichtwechsel haben wohl damit zu tun, dass dickste 'Hugo-Distler-Wolken' durchziehen und der Sonne den Schein nehmen. Dass es aber gerade beim Erscheinen Lohengrins ganz finster wird, ist meteorologisch nicht nachvollziehbar.  Diese Lichtwechsel bestimmen auch den zweiten Akt. Selten allerdings hat man bei der Nachtszene, so viel Helligkeit gesehen. Nun, hierfür passte: "Der Mond geht auf .... " aus einem anderen Stück.
Ortrud hat das Brokatkleid, das sie sonst wohl als Eboli im Escorial anzieht, mit der dollen Frisur und dem Geschmeide im Haar, abgelegt und lehnt - nun in einen weiten Mantel gehüllt - an den Stufen zum Söller. Bei der Anrufung Wotans beginnt es zu schneien und das, wo alle ihre Medima-Unterwäsche schon weggeräumt haben. Telramund rastet auf den Stufen zum Münster, dann rast er und es kommt zu Handgreif- lichkeiten zwischen den Eheleuten. Ortrud behält die Oberhand, da sie auch sehr dezidiert mit einem strömenden, runden Mezzosound - erstaunlich bei diesem schmalen Persönchen - ihre Meinung gegenüber ihrem Mann vertritt. Allerdings wäre eine noch bessere Artikulation wichtig, das 'S' am Anfang eines Wortes zum Beispiel, würde dem Klang mehr Schärfe und Pronouncierung geben. Sie erwartet Elsa mit derem "Euch Lüften". Diese singt das sehr schön und verinner- licht, dass es Ortrud schwer fällt, böse zu sein. Der Erfolg ist, dass Ortrud der richtige Stachel fehlt und das "Entweihte Götter" vor allem "meine Rache sei" etwas atemlos wirkt. Vielleicht sollte sie sich doch überlegen, vor "Rache" noch kurz Luft zu holen, denn auf das 'ais' sprich 'b' kommt es ja an. Die Sache schreitet fort und Elsa, die Saumselige, umarmt Ortrud, die Intelligente, und beide schreiten, nachdem sie sich ungeklärterweise vorher in den schönen Gewändern auf dem dreckigen Bühnenboden gewälzt haben, in die Kemenate. Jetzt geht es sehr schnell, denn der Heerrufer wartet die von RW vorgegebene Verwandlung in den Tagesanbruch am Beginn der dritten Szene gar nicht ab, sondern tut gleich "des Königs Wort und Will" kund und der Männerchor hat hier eine unerwartete Pause. So versuchen gleich die vier Edlen Unheil zu stiften, was ihnen in der Schnelle nicht gelingt, denn "Elsa naht" auf dem Weg ins Münster. Wie vorgesehen tritt Ortrud ihr entgegen, allerdings auf der dritten Stufe und nicht wie John Deathdridge in der Musik-Enzyklopädie behauptet, auf der ersten Stufe. Mit dem nackten Zeigefinger weist Ortrud auf Elsa: "Du, eines Gottgerichteten Gemahls" und zieht aus dem Kleid (Nothung?)- das Schwert hervor, das beim Zweikampf mit Lohengrin Telramund zerbrach. Der verbale Streit artet in eine Schlägerei aus, im Verlaufe derer die Chordamen mit ihren Hochzeitsliliensträußen Ortrud traktieren, dass diese den Rückzug antreten muss. Man schreitet dem Münster zu, da hält so eine Art Bischof den Hochzeitszug auf, um Telramund die Anklage an "trug- bethörte Fürsten" zu ermöglichen. Es nutzt diesem nichts, nur Ortrud gelingt es, Elsa den Zweifel in das Herz zu gießen. 'Interessant' ist der Regieeinfall, die Skizzen RWs als Szenenhinweise für Weimar gedacht, auf einer großen Wandtafel hereinzutragen. Ob nun das große Ensemble "In wildem Brüten" gesungen wurde, lässt sich bei der Menge der Striche und wegen des permanenten Mitschreibens für die Rezension gar nicht mehr sagen.
Im dritten Akt findet ein Gelage statt. Alle vom Chor sind eingeladen und feiern. Es wird getafelt, geprostet: 'Hoch die Gläser'. Offensichtlich sind alle schon so schicker, dass sie statt der ersten Strophe des Brautliedes zu singen, gleich mit dem "Treulich bewacht" loslegen und beim Auftritt Lohengrins in ein heftiges 'Hurra' ausbrechen. Lohengrin prostet jedem Chormitglied zu und widmet sich dann nolens volens Elsa, der blonden Lyrisch-Jugendlich-Dramatischen, die zeitweise wirkt wie die jungen Frida Leider. Eine schöne Frau, die - sei's nochmals gesagt - auch schön singt. Gott sei Dank verfügt nicht jeder Rezensent über das absolute Gehör, sonst würde bei mancher Kritik von einer Produktion nicht viel übrig bleiben. Obwohl zwei Lotterbetten herumstehen, müssen die beiden Protagonisten beim "so süß dich entbrennen" sich nun wieder am Boden wälzen.
Lohengrin spurtet völlig unheldenhaft hin und her, um auszudrücken, dass er der immer heikler werdenden Situation kaum Herr werden kann. Anfänglich hält Elsa sich noch zurück, singt sehr schön abgedeckt und geführt z.B. beim "ist dies nun Liebe", dann aber echauffiert sie sich, da Lohengrin - wie bekannt - partout seinen Namen nicht nennen will und so gelingt das 'h' bei "wie deine Art" aus dem Schöngesang etwas 'ausfallend'.
Erstaunlich, wie Bernhard Brunko als Lohengrin gerade im Brautgemach über die Runden kommt. Ein Profi, par excellence, der so bewusst singt, dass der Zuschauer spürt, etwas fehlt in der Übertragung der Rolle in den Zuschauerraum. Eine gewisse Kühle und ein Irgendwie-unbeteiligt-sein. Auch später die Gralserzählung, sicher artikuliert, sicher intoniert, aber doch ohne einen großen, beseelten Atem.
Nun kommt der offene Strich: Gottfried schwebt wieder aus dem Schnürboden - Jana Reiner singt das "Lebwohl, du wilde Wasserflut" ganz nett, etwas stark angegähnt - und als Double stürmt Rico Albrecht als Gottfried über die Bühne, schnappt sich das Schwert, das Lohengrin ihm zurückgelassen hat und zieht mit seinem Baseball-Cap behütet, einen herabfallenden Schleier als Schleppe hinter sich her.

Da alle sich den Abend über doch sehr lebhaft, mehr operettig-be- schwingt bewegen, könnte Ortrud dem Lohengrin eigentlich zusingen: "Gückliche Reise, schreib mir 'ne Karte wenn du angekommen bist." Aber so ist mit dem an Lohengrin gerichteten, so schweren "Fahr heim" die Oper auch fast aus. Ortrud fällt vornüber, Elsa hat Lohengrin ganz vergessen und schaut verzückt den Jüngling an, der ihr Bruder sein soll.
Das Publikum dankt dem Chor, dem Orchester mit dessen duftig, transparentem Klang unter der Leitung von Rolf Reuter, mit lang anhaltendem Beifall, wobei die beiden solistischen Damen, Judith Schubert und Hale Al Orfali, besonders be- dacht werden. (Dieter Hansing)

                         
  

     
   
     
     
     
Lewinsky: FREUNDE, DAS LEBEN IST LEBENSWERT
 
...komödiantische Züge?    
     

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In seinem Buch 'Dein ist mein ganzes Herz' schildert Günther Schwarberg die Vernichtung jüdischer Künstler, die glaubten, in Österreich sicher zu sein. Der Anschluss an das Deutsche Reich gab den Nazis die Möglichkeit, aufzuräumen mit intellektuellen und vor allem den Juden unter ihnen, z.B. Fritz Löhner-Beda der Textdichter so vieler Operettenlieder. Im Oktober 1942 kommt Löhner nach Auschwitz, am 4. Dezember wird er dort erschlagen.
Der Autor von "Du traumschöne Perle der Südsee" , "Ich hab' ein Diwanpüppchen, süß und reizend wie du" , "Will dir die Welt zu Füßen legen" , "Es ist so schön am Abend bummeln zu gehn" , "Toujor l'amour", "Du bist Meine Sonne", "Meine Lippen , die küssen so heiß" und all die anderen aus der großen Operettenzeit, kommt mit seinen Texten in dem Stück "Freunde, das Leben ist lebenswert" von Charles Lewinsky zu Wort.
Michael Suttner singt - manchmal etwas zu buffonesk im Spiel - begleitet von seinem Salonorchester - was ist Max Raabe neben ihm, kein Wunder, dass keine Sau sich für den interessiert, hat man Michael Suttner gehört - mit schöner Phrasierung große Bögen und 'mit Schmackes' des richtigen Operetten-Tenors die Melodien der Meister wie Paul Ahraham und Franz Lehar.
Die Entwicklung seiner
voluminösen und in allen Lagen schön timbrierten Stimme und seines Selbstverständnisses ist beachtens-

 

wert, bedenkt man noch den 'Dancairo' in Pforzheim und das Konzert seinerzeit im Gasteig in München.
Geht es kontrolliert so weiter, findet er schnell ein größeres Haus.
Dass man die Uraufführung des Stückes der Judenvernichtung aus dem Jahr 2001 nun zwei Jahre später ausgerechnet hier meint nachspielen zu müssen, ist völlig unverständlich, da das Theater Regensburg gerade mal vor 7 Jahren mit diesem Thema so grandios baden gegangen ist.Das Haus ist - wie damals - nicht in der Lage - und schon garnicht mit einer Frau Orsky als Regisseurin,
das Grauen eines KZ auf die Bühne zu bringen. Das haben wir doch alles schon gehabt, die komödiantischen Züge oder Herrn Heuberger als SS-Mann. Er ist etwas molliger geworden, sonst wie 1995.
Warum verhindert der Oberspielleiter, der letztlich durch die Pleite von 'Hermann kommt' Schauspielchef wurde, die Peinlichkeit dieser Art der Darstellung nicht?
Allerdings gibt das Stück Textpassagen vor, der sich der Regisseur kaum entziehen kann und damit in die Falle einer zu lockeren Darstellung läuft. Hinzu kommt, dass es äußerst schwierig ist, Atmosphäre in einem großen Raum zu schaffen - in Film und TV ist das viel einfacher zu bewerkstelligen.
Die Zuschauer reagieren gequält auf die Judenwitze und einer derartigen Produktion folgen zu müssen, stimmen aber jeder musikalischen Einlage heftig zu und reagieren damit ihre Beklemmung, ab. Dass dies vor allem an Michael Suttner lag, ist unbestritten - wenn er auch durch das lange Sitzen im Laufe des Abends stimmlich müde wird, sich immer wieder hochreißen muss, obwohl der Kreislauf ohne eigenes Spiel auf der Bühne, schon auf Schlaf eingestellt ist - aber letztlich an den Melodien und an den fabelhaften Texten von Fritz Löhner-Beda, in Auschwitz von Nazis hingemordet.
Bedenklich ist allerdings, dass es der Aufführung eines solches Stückes bedarf, Operettenmelodien einem Theaterpublikum zu bieten, als gäbe es keine Spielplangestaltung eines Intendanten. Allerdings gibt es kaum Regisseure, die leichte Muse auf die Szene zu bringen, auch unter dem anderen Aspekt, wo sind die typischen Operettendiven und Tenöre; Buffi und Soubretten sind schon eher da, letztere in rauen Mengen. (Dieter Hansing)

                         
          

     
     
   

 
Mozart / da Ponte 'Don Giovanni'
Verführer verführt
 

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Als Don Giovanni am 29. Oktober 1787 in Prag uraufgeführt wurde, freute sich Mozart über den „lautesten beyfall“.  Nun stand das Werk an, in der Inszenierung von Thomas Mittmann dem Augsburger Publikum geboten zu werden. Der bestrafte Wüstling hat immer wieder Gelegenheit gegeben, neue Sichten auf das Werk darzustellen. War sonst das dramma giocoso auf seine Interpretation durch die Sänger ausgelegt, versucht sich der Regisseur heutzutage, immer wieder in den Vordergrund zu inszenieren. Siehe kürzlich Hannover.
Der Ablauf des Stückes hat die Höhepunkte am Anfang und am Ende des Werkes: Der Mord am Komtur und die Bestrafung für diese Untat. Als Zwischenspiele sind Anekdoten aus dem Leben und dem Umfeld Giovannis angesiedelt, die zwar seinen Charakter unterstreichen, ohne aber zu der letztlich notwendigen Bestrafung beizutragen. Mit dem Giovanni schuf Lorenzo da Ponte ein weiteres Libretto - nach Figaros Hochzeit - das durch Mozart zu einem Dauerbrenner auf den internationalen Bühnen wurde. Die Stimmdramaturgie des Komponisten weicht hier vom Standard ab, nachdem die Titelrolle immer mit einem Tenor besetzt werden sollte. Mozart wählt für den Giovanni den ‘basso cantante’ - nach heutiger Lesart ein 'Kavalierbariton' - und gibt nur dem Don Ottavio den Tenorpart, ohne dass diese Rolle nun zu einer ‘soconda’ würde. Bei den beiden Hauptpartien der Damen disponiert Mozart ebenfalls gegen den Usus, Donna Anna und Donna Elvira differenziert als seria oder buffa einzustufen. Erst Zerlina stellt wieder die typische Rollenkonfiguration, hier der Soubrette, dar. Das typische lieto fine wird vermieden, das Stück endet mit der Bestrafung des Wüstlings und dem erhobenen Zeigefinger, so geht es allen, die Böses tun. Na, hoffentlich.

Um es gleich vorweg zu nehmen, das Stück hieß an jenem 5. Januar 2003 ganz eindeutig: Donna Elvira. Katerina Sokolavá-Rauer versteht etwas vom kultivierten Singen, sie weiß den Atem zu kontrollieren und auf die Töne und die Tongebung einzustellen, so dass es nicht zu engen, weißen Tönen kommen kann. Alles wird ins Schnäuzchen und unter die Kuppel gesungen. Sie spielt die liebende und dann die auf Rache besonnene Frau - ganz in rot - so auch für den Zuschauer optisch verdeutlicht, sie hängt nicht an der gesellschaftlichen Konvention so sehr wie Donna Anna, ist sie in diesem Sinne auch keine Lyrische. Von der Stimmdramaturgie her müsste die Elvira als rasante seconda donna eigentlich mit einem Mezzosopran besetzt sein. Dass Frau Sokolová-Rauer beim Entgegennehmen des deutlich über dem der anderen Kollegen liegenden Beifalls sich etwas primadonnenhaft gibt und somit übertreibt, müsste ihr mal jemand sagen. Etwas Dezenz wäre angebracht.
Sally du Randt war bei der Donna Anna am Werk. Es hat sich gegenüber ihrer Zeit in Regensburg nichts geändert, zwar ist sie lockerer im Spiel, aber doch immer noch nicht in der Lage, den Atem anzupassen, die Tongebung in Bezug auf ihre stimmlichen Möglichkeiten zu kontrollieren und die Power so zu setzen, dass die Töne eben nicht overpowered werden können. So wird es bei dieser Physiognomie und den damit verbundenen Resonanzräumen zu oft eng und steil.
Die Zerlina von Petra van der Mieden: nett. Ihr: „Schlage, schlage dein Zerlinchen“ oder das: „Ich weiß ein Mittelchen" klingt verkindscht etwas nach Aufnahmeprüfung an einer Hochschule. Die Nanetta war ausgereifter und damit besser.
Ihr Masetto, Dimitri Ivashchenko, wirkt noch etwas unbedarft, aber vielleicht wird es mal was.
Ein Buffo darf die Partie eines lyrischen Tenors singen. Rolf Romei wuselt als Don Ottavio zum Beispiel während der Anna-Arie und vor seinem „Dalla sua pace ..“ auf der Hinterbühne herum, fuchtelt mit dem Spadi und wirkt so wie Thilo Prückner in ‘Adelheid und ihre Mörder’. Es fehlt auch die Grandezza in der Körperführung, es muss ja im Wesen nicht die Larmoyanz sein wie weiland bei Anton Dermota. Da hätte der Regisseur aufpassen müssen, dass hier dem Spieltalent nicht der Gaul durchgeht. Hinzu kommt, dass Herr Romei sehr schmal ist und wie soll aus diesem Körperchen ein voluminöser Ton kommen. Piani sind bei ihm sehr schön, auch Bögen, alles gelingt knödelfrei, nur, wenn's zur Sache geht, dann fehlen eben 
ganz einfach die Resonanzräume für
ein volltönendes oder vollmundiges

Singen und für ein geglücktes: „Nur ihrem Frieden, weiht ich mein Leben ...“ oder seinem: „Folget der Heißgeliebten ....“
Stefan Sevenich, wie er leibt und lebt, ist als Diener dabei, das große Haus bekommt ihm. Hier, als Leporello, stimmten auch das Spiel, das als Pistola im Falstaff so übertrieben und aufgesetzt wirkte. Die Stimme vibriert, aber beim Leporello als Charakter-Bass-Buffo, na ja.

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Riccardo Lombardi als glatzköpfiger Verführer, wobei die Frage ist, mit was der die Frauen ködert. Es fehlt die erotische Ausstrahlung, das Prickeln, sei es nun des Potenten, oder des weniger Potenten, aber Gierigen oder des Schöngeistes, der mit G’stanzeln wie „Feinsliebchen, komm ans Fenster ...“ lockt oder der Prasser, der Geld zur Darstellung seines ständig erhöhten Testosteronspiegels benötigt. Dem Publikum geht nicht auf, dass Don Giovanni immerzu 'vor Kraft nicht gehen kann'. Hr. Lombardi wirkt seltsam unbeteiligt, was auch schon beim Falstaff auffiel. So mutmaßt man, dass Signore Lombardi oder Mr. Lombardi wohl per Besetzungszettel die Rolle des Giovanni zugewiesen wurde. Er singt prima, die Stimme sitzt in allen Lagen, hat ein schönes Timbre, aber reicht das für diesen Frauenhelden. Und bei seinem "Treibt der Champagner das Blut erst im Kreise ...." auf dem Souffleurkasten war es dann auch nicht so ganz das, was Mozart geschrieben hatte. So weiß man nicht, was die Frauen an dem nun so atemberaubend finden. Im letzen Bild zeigt er seinen nackten Oberkörper, na ja, ganz nett. Donna Elvira muss mehr gesehen haben, denn sie will das Erlebte wiederhaben. Donna Anna hatte offensichtlich nur mit dem normalerweise faden und leidenden Don Ottavio zu tun. Die kann es also nicht beurteilen und somit scheint das Rätsel gelöst, dass Don Giovanni die Donna Anna im ersten Bild eben nicht verführt hat.
Die Bühne ist reduziert auf eine Operafolie im Hintergrund. Alles konzentriert sich auf das Spiel und lässt dieses und die Sänger dadurch besonders hervortreten. Einige Projektionsflächen schweben aus dem Schnürboden, die sparsam aber sehr effektvoll eingesetzt werden z.B. bei der Bühnenmusik, beim Menuett, den Statisten, die Lebenssituationen hervorheben. Etwas zu deutlich: das Nachspielen der Verführungsszene aus dem ersten Bild. Soffitten betonen die Bühneneinteilung der 'opera seria' auch im Jahr 2003. Allerdings ergeben sich durch diese Konstellation akustische Verschiebungen, die Töne doppelt und dreifach hervortreten lassen, zumindest in der dreizehnten Reihe links. Ohne pompöse Dramatik kommt der Komtur, Nikolai Galkin, der in der Friedhofszene noch als überdimensionales Standbild projiziert wird, zum Gastmahl. Giovanni versucht, zwei auf dem Tisch lagernden Damen Weintrauben aus Metern Entfernung in den Mund zu werfen, was zur Erheiterung des Publikums misslingt und Leporello schiebt sich von dem Tablett mit dem kümmerlichen Festbraten schnell noch ein Hühnerbein hinein, so dass er mit vollem Mund weitersingen muss. Das war Stelter schon vor Jahren in Regensburg eingefallen. Das Finale glückt durch das Wegfahren der Festtafel in den Nebel auf der Hinterbühne - das Publikum meint, das Stück mit seinen Längen sei nun zu Ende, applaudiert, aber nein, es kommt ja noch der erhobene Zeigefinger.
Es gibt in dieser Inszenierung sinnvolle Personenführung - auch für den von Johannes Schmeller einstudierten Chor - die sich je nach Spieltalent der Darsteller mehr oder weniger stark dokumentiert. Hier zeigt sich der gute Regisseur, der auch nur "... mit einer Glühbirne und einem schwarzen Aushang ...." eine Geschichte spannend erzählen kann, wobei das Bühnenbild und die sehr schönen zeitgemäßen Kostüme von Gilberto Giardini diese Inszenesetzung noch steigernd unterstützen.
Rudolf Piehlmayer bemüht sich um spritzige Tempi, allerdings hat das dann auch den Effekt, dass Sänger nicht immer hinterherkommen. Der Orchesterklang ist durchsichtig und wirkt dadurch leichtatmig, was dem Gesamteindruck zu gute kommt. Optisch alles ansprechend, sängerisch sicher noch einiges zu verbessern, aber '... verachtet mir die deutschen Stadttheater nicht und ehrt mir ihre Kunst.....'. Ein gutes Beispiel ist: Wolfgang Amadeus Mozart: 'Donna Elvira', ach nein,
'Don Giovanni' in Augsburg.
(Dieter Hansing)
                         
          

 
     


Glosse zur neuen
Übertitelungsanlage im Theater Regensburg

 

"Bläde Leit' sui'n ned ins Theater geh", sagt man in Wien. Und unter uns: bläde Leit' geh'n auch nicht ins Theater. Jede/r, die/der sich eine Karte für Oper, Operette, Schauspiel und Ballett kauft, kann nicht 'bläd' sein.
Die PISA-Studie hat's an den Tag gebracht, mit der Bildung der Deutschen ist es nicht (mehr) weit her. Und tatsächlich wird alles getan, es dem Deutschen noch bequemer zu machen. So z.B. jetzt auch in Regensburg, wo man sich die Beschäftigung mit einem Werk der Opernliteratur im Vorfeld sparen kann und Omas Opernführer im Bücherregal gänzlich verstauben darf.
Nun ja, wer für eine Oper wie 'La Boheme' eine Übertitelungsanlage braucht, der sollte besser keinen Fuß in das Haus am Bismarckplatz setzen. "Lascia mi sola" und "son' io" wird künftig bei italienisch-sprachlichen Darbietungen als Übertitel dem Unkundigen verdeutscht. Toscas "Mario, Mario, Mario", auch das wird in Hinkunft wohl als eingedeutschte Schrift auf den Roten Vorhang projiziert.
Regisseure, denen nichts einfällt, sind dankbar für die Schrifteinblendungen, lenken sie doch vom Nichtgeschehen auf der Bühne ab. Und eigentlich geht es in der Oper doch ums Singen, die Libretti sind nur Tragwerk für die Töne. Anders bei Richard Wagners Textdichtungen; die schon bei der Abfassung in ganz unmittelbarem Zusammenhang mit den Noten stehen.

Wenn dann, wie meist, die Übertitelung mit dem tatsächlich gesungenen Wort nicht übereinstimmt, die Übertitelung vorwegläuft oder hinterherhinkt oder nur Pünktchen, weil Worte fehlen, (Cenerentola, Regensburg 2002) angezeigt werden, dann ist die technische Errungenschaft für die Katz', auch dann, wenn das Personal für das textliche  Management der Anlage ausfällt. Ein Musikstudent kommt mal, dann wieder nicht, die Dramaturgin ist krank - wie sieht es dann aus?
Wenn der Herr Intendant trotz 'vernünftiger' Arbeitsweise kein Geld mehr für das Personal an der Übertitelungsanlage hat, was dann?
Und was ist, wenn man sich entschließt, ein musikalisches Werk im Velodrom zu geben? Oder wenn ein Kultursommer auf dem Alten Kornmarkt mit Cavalleria oder Bajazzo in der Originalsprache stattfindet, was dann?
Was wird eigentlich für unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger getan? Warum wird der Text vom 'Vogelhändler' nicht ins Türkische, 'Der Rosenkavalier' nicht ins Albanische und 'Pippi Langstrumpf' nicht ins Tschechische übergetitelt?
Eine Übertitelungsanlage gleicht dem  Pfadfinder, der einer alten Frau mit Gewalt über die Straße hilft, obwohl sie gerne auf ihrer Seite geblieben wäre, damit er seine tägliche gute Tat getan hat.
Peter Lang

 

 
     


Gioacchino Rossini 'CENERENTOLA'
"... die guten ins Töpfchen ..."
 
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Foto: Zitzelsperger


Ein dramma giocoso 'La Ce- nerentola'. Von unserem Aschenbrödel ist hier nicht viel zu erkennen, außer dem adelskritisch-satirischen Hintergrund, den auch der Librettist Jacopo Ferretti seinem bürgerlichen Rührstück zugrunde legt.
Die Magd als Herrin, der Graf als Diener gibt dem Regisseur die Möglichkeit, bei jedem Darsteller andere Farben der Wechselrollen zur Wirkung kommen zu lassen. Als das Stück 1817 in Rom uraufgeführt wurde, befand sich die opera seria und auch die buffa in einem Übergang. Die Zeit der Kastraten mit ihrer Künstlichkeit des Gesangs war fast vorüber, die Tenöre gingen bei Rossinis Partien ab dem passagio über eine voix mixte so ab dem 'g' ins Falsett. Da ließ es sich dann trefflich Koloraturen in höchster Lage präsentieren.
Zum Entsetzen von Rossini sang aber 1837 Gilbert-Louis Duprez als Arnoldo in 'Wilhelm Tell' das erste 'do di petto' und seit dem gilt das 'hohe c', mit Bruststimme gesungen, als das erstrebenswerte Ideal der Tenöre.
Dank sei Duprez, man stelle sich heute Manrico, Carlos, Pinkerton, Kalaf oder Stolzing, Lohengrin und all' die anderen falsettierend vor.
Verhängnisvoll aber auf der anderen Seite, wenn ein Tenor das 'f' über dem 'hohen c' meint, mit Bruststimme singen zu müssen, was sich dann doch unter Umständen sehr befremdlich anhört. Der Ton im Falsett gesungen, würde heute aber kaum akzeptiert. Also bliebe nur das Oktavieren.
Nach Luigi Alwa als Ramiro zusammen mit Teresa Berganza als Angelina gab es ein regelrechtes Loch in der Häufigkeit der Aufführungen. Kamen zwar noch Mezzosoprane für das arme Aschenbrödel auf die Bühne, gab es aber kaum noch Tenöre, die mit den Koloraturen und der extrem hohen Lage der Rolle des Prinzen von Salerno fertig wurden.
Die Inszenierung am Theater Regensburg erinnert an das Boulevard-Stück 'Der Floh im Ohr'. Allerweil rennt jemand quer über die Bühne oder kommt unerwartet durch die Papier-Wand, die zumindest meist nur ca. 7 Stuhlbreiten vom Grabenrand entfernt steht und so eine sängerfreundliche Schallwand bildet. Dazu der Deckel über der Bühne und schon hat Dank der Bühnenbildnerin Dorin Kroll keiner Probleme, 'über die Rampe' zu kommen.
Wolfgang Quetes, dem Anfang der 90-er der Weber-Zyklus an der Oper in Nürnberg zu verdanken war, lässt den Protagonisten als Regisseur


gesteuert freien Lauf und so passiert immerfort etwas, ohne dass es in Kupfer'schen Aktionismus ausartet. Dankbar sind natürlich immer Kinder auf der Bühne und die sind mit dem Bemalen der Wände heftig beschäftigt. Das Spiel macht allen Spaß und so merkt man allen an, dass sie froh sind, nicht schon wieder hehr und heilig sein zu müssen. Auch der Chor - von Karl Andreas Mehling einstudiert - ist fit durch fun.
Alle aber haben Probleme mit dem Geplapper und das führt zu Geklapper zwischen Bühne und Graben, wenn alles dem ersten Kapellmeister Kazuyuki Okamoto und seinem 'MusikMachen' hinterher rennt.  Brent L. Damkier so un-prinzisch wie eben nur ein Buffo sein kann, eigentlich ist er ein Pedrillo und kein tenore di grazia. Ganz offene Tongebung, da plärrt es gelegentlich schon. Auch die ganz hohe Lage seines Tenors rettet ihn nicht. Bewundernswert allerdings sein Mut, darauf zu vertrauen, den Ton auch zu treffen. Ein Juan Diego Flórez in Regensburg ?
Johann Smari Saevarsson mimt mühsam den alten Don Magnifico. Die Stimme ob seiner Jugend noch wenig profund. Die Höhe angestrengt.
Bei Yin-Ho Yoo als Dandini fällt wieder auf, dass im asiatischen Raum so häufig Knödel verteilt werden. Aber "allein was tut's", denkt er wohl, Tauber und Schreier knödelten auch. Muss man aber nicht unbedingt nachmachen, sagen wir. Er ist überzeugend im Spiel und gewinnt so das Publikum. Oder war es die koreanische Claque, die ihn mit Beifall so betont verwöhnte.
Ingrid Dominique - sie kommt erstaunlich gut mit den Koloraturen zurecht, was nach der Anina kaum zu erwarten war, aber ihr sonst so gepflegtes starkes Angähnen der Töne ist bei kurzwertigen Noten auch nicht machbar - und Katharina Leitgeb - Schärfen jetzt schon unüberhörbar - als böse Schwestern, sich kraftvoll im Spiel - sie agieren so, wie man sich aufeinander Neidische vorstellt - wie auch stimmlich durchsetzend.
Elvira Soukop in der Titelrolle. Zwar nicht mit perlendem, aber doch gut trainiertem Mezzo mit den Koloraturen umgehend. Würde mehr abgedeckt, käme alles kultivierter, da sie oben breit macht, wird es 'weiß'.
Man sieht dann zwar die Zähne, aber die interessieren vielleicht die Zahnarzt-Gattin im Publikum.
Sängerisches Un-Ereignis ist 'der Rufer' Michael Doumas. Hoffentlich hat er was Vernünftiges gelernt. Mit dem, was er als seine Stimme ausgibt, kann er jedenfalls nicht umgehen.
Ein turbulenter - wenn auch langer - Abend im Theater Regensburg - sehenswert, wenn auch nicht immer hörenswert. Dieter Hansing

                         
          

 
     


Heiner Müller: 'PHILOKTET'
Beautiful weappon
 

Wer hören kann, darf fühlen. Um es gleich zu sagen, die einzige äußerliche Action im antikischen Müller-Stück besteht im Spannen der Bogensehne. Wie ein Bogen wird auch der Handlungsbogen gespannt, bis der Pfeil von der Sehne schnellt, bis Philoktet aus der tödlichen Wunde blutend am Boden liegt. Ein Fazit über die Mechanismen der Macht und Manipulation, das feine Gespinst aus Lüge und Missbrauch muss jeder für sich selber ziehen. Man mag an George W. Bush denken, der Deutschland auf seine Seite gegen den Irak ziehen will, an den immer noch schwelenden Kampf zwischen Realos und Fundis bei den Grünen oder an ganz private familiäre Konflikte. Immer am Text setzt die junge Regisseurin Ulrike Hübner den Stoff in Szene, tut gut daran, sich (und den Zuschauer) nicht auf eine Konnotation festzulegen. "Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!", niemand bedurfte im Dritten Reich (solange Don Carlos gespielt werden durfte) auf der Bühne einer Naziuniform, um einen aktuellen Bezug herzustellen. Geflissentlich sieht Hübner auch von Selbst- darstellung ab, Regie-Gags gibt es nicht. Der Kern der Handlung wird durch Worte, durch Personen- konstellationen und Haltungen deutlich. Auch das Bühnenbild lenkt hin zum Wort. Ausstatterin Marlies Knoblauch setzt auf Rot, ein paar Schrägen und zeitgenössisch zeitloses Gewand. Die unaufdringliche Beleuchtung von Hubert Goertz fokussiert auf das Spiel. Inwieweit die dramaturgische Begleitung von Friederike Bernau dazu beigetragen hat, dass der Regensburger Philoktet eine Inszenierung wie aus einem Guss geworden ist, muss freilich Spekulation bleiben.

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Titus Horst als Odysseus
(Fotos: Zitzelsperger)

 

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Jens Schnarre (Neoptolemos), Christian Hettkamp (Philoktet)

Christian Hettkamp (den Bayerischen Theaterpreis hat er wahrlich verdient!) ist der Vogel-Mensch, der Miss-brauchte, der Ungeschlachte, Spielball Nummer Eins im zynischen Machtpoker des Odysseus, nuanciert, kraftvoll, fesselnd. Der Geierlaute aber sind es zu viele, Dezenz ist nicht immer Schwäche. Seine Wunderwaffe (sein Alter Ego, seine Seele) handhabt er wie einen Fetisch. Die Sehne gespannt, Spannung im Text, Spannung zwischen den Akteuren. Titus Horst gibt seinem Odysseus die erforderliche Kälte eines Parteistrategen, nie läßt er wissen, ob er auch tatsächlich meint, was er sagt, changiert zwischen Business-Habitus und  ehrlicher Miene, stets eine neue Lüge auf den Lippen, stets die Redlichkeit in den Augen. Seine Opferbereitschaft, ist sie gespielt? Ist es ihm ernst? Ja, beides! Der betrogene Betrüger und Spielball Nummer 2, Jens Schnarre, wandelt sich vom gelangweilten (Achilles-)-Söhnchen in einen von beiden Kontrahenten, vermeintlich oder nicht, manipulierten Parteigänger, eifriger Schüler im schmutzigen (Polit-)-Geschäft. Nach Hautnah' ist auch die zweite Produktion im Theater am Haidplatz ein Erfolg. Prädikat sehenswert. Möge das Haus bei allen angesetzten Vorstellungen voll sein, was aber bezweifelt werden darf, giert die Masse doch nach Seichtem und Arnold-Schwarzenegger-Action und nicht nach intellektueller Spannung. Peter Lang
   
                      
          

     


Prokofiew / Fernando

Romeo und Ophelia oder Zurück ins Leben: die Anstalt
 
 
Foto: Zitzlsperger


Die Ballett-Saison in der Domstadt ist eröffnet. Ein nahezu komplett neues Ensemble stellt sich vor, eröffnet zugleich die Regensburger Tanztheater-Tage. Möge die Forderung der Stadt-ödp aus dem Kommunalwahlkampf, Regensburg solle ballettfrei werden, nie in Erfüllung gehen. Die neue Truppe ist gut! Mit Spannung wurde der Ballett-Neustadt nach den Querelen der Nichtverlängerungs-Welle beim Intendantenwechsel erwartet. Ballettdirektor Ricardo Fernando hat Prokofiew's Ballett-Suite ‚Romeo und Julia' als Eröffnungsstück gewählt, glaubt aber weder an den englischen Dramatiker, noch an den russischen Komponisten, der kongenial das Shakespear'sche Personal skizziert, die Handlung mit wuchtigen Akkorden vorantreibt und die finale tragische Ironie in Töne zu setzen versteht. Aber im Velodrom: Ein Klassenunterschied muss her, ein Krieg der Kulturen! Der Wahnsinn! Warum hat Fernando nicht Bernsteins Symphonic Dances aus der West Side Story choreografiert? Da hätte die Dramaturgin Christina Schmidt verhindernd eingreifen müssen, (wenn es denn nicht ihre Idee war, den Stoff derart radikal umzumodeln.) Schade, Ricardo Fernandos künstlerische Handschrift nämlich könnte das Regensburger Ballett erneut zu einer Blüte führen und zu einem Publikumsmagneten machen.
Ein eiskalter Todesengel (bei der Premiere Dascha Dergoussova) treibt die Handlung voran. Amme, Eltern, Pater gibt es nicht. Ob diese Interpretation des Romeo-und-Julia-Stoffs in die Geschichte als 'Regensburger Variant' eingehen wird? Warum das Stück im Irrenhaus enden muss, bleibt ein Rätsel. Da sollte der Ballettdirektor besser selbst ein Stück schreiben und sich die Musik dazu komponieren lassen. Heftige Buhs musste er für seine Umdeutung einstecken.


Die Allerwelts-Kostüme und das Bühnenbild von Petra Mollérus (mehr West Side denn Verona) gefielen nicht uneingeschränkt. Wurde die Unterwäsche wenigstens von Calvin Klein gesponsert? Geboten wird mehr Tanz denn Tanztheater. Ein paar Einsprengsel Bausch, etwas van Manen, ein Quäntchen "Bodenturnen" und viel klassischer, pathetischer Gestus. Eine gelungene, unaufdringliche Mischung. Delikat: Romeo und Julias erster Pas de deux. Noch achten die Tänzer/innen zu sehr auf die Schrittabfolge, ist das Geschehen zu wenig verinnerlicht, wird zu sehr auf Technik geachtet, zu wenig gespielt. Premieren-Nervosität? Lieber auf Nummer Sicher gehen? Aber es gibt Carla Silva (Julia) die Chance sich in die Herzen des Publikums zu tanzen, die Buhs für sie am Schluss waren für mich nicht nachvollziehbar.
Sebastiano Bonivento als ihr Romeo: typgerecht.
Unglaublich präsent Cassio Luiz P. de Oliveiras Tybald, Leonardo Barbu ganz der Shakespear'sche Benvolio und als Mercutio zeigt Jeremy Green Präzision und Ausdruck. Man muss zweimal in das Stück gehen, alle Parts sind doppelt besetzt. Mit Einsatz ist die Compagnie (Viola Crocetti, Julia Fries, Maria Göring, Marian Lazar, Yuika Sekino, Katharina Wessels und Henryk Wolf) bei der Sache. Das Fazit fällt trotz der ärgerlichen dramaturgischen Schnitzer positiv aus. Nach einiger Zeit bietet das Regensburger Theater wieder eine Ballett-Story, eine Tanz-Partitur. Das neue, vergrößerte Ensemble, mit unterschiedlichsten Typen, hat alles, Zeichen zu setzen, zumindest das Zeichen, dass diese Sparte erhalten bleiben muss.
Ein Anfang ist gemacht.
Peter Lang

 
   
     

 

Marleni
Zwei Männer - zwei Diven
 

Gisela Uhlen und Gisela Mai, zwei große Damen des deutschen Theaters und Films schmachten, schmeicheln, schnurren auf CD Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl. Und im Regensburger Turmtheater? Sie gurren kaum, sie schnurren kaum, sie murren kaum, sondern Christian Hettkamp und Jens Schnarre schmettern lauthals in einer szenischen Fassung Thea Dorns Text ins Publikum. Hat die beiden talentierten niemand kontrolliert und gebremst? Voller Saft und Kraft, ohne das, was zwischen den Zeilen steht, rezitieren die beiden an den gemeinten zwei Neunzigjährigen vorbei. Zu zügig wird der Text absolviert. Ganz selten gelingen leise, atemlose Töne. Warum haben die beiden nicht mehr in die eingespielten Tondokumente hineingehört, oder wollte man unbedingt Männer in den Rollen der beiden Legenden heraushängen lassen?


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Sollte es auf keinen Fall Travestie werden? Eine alte Frau nur über die Modulation der Stimme darzustellen, ist doch schon eine lmprovisationsübung bei der Aufnahmeprüfung an einer Hochschule. Hettkamp gelingen noch am ehesten die zickigen, hysterischen Töne der Riefenstahl.
Schnarre ist zwar von der Tongebung eher die Dietrich, aber es fehlt das von der alten Diva bekannte Geraune. Wollte man nicht imitieren?
Ein Konzept ist nicht erkennbar.

(Dieter Hansing)

 
   
     

 

Der Vogelhändler (in Sparversion)
... weiß man, was das bedeuten soll ?
 

Ouvertüre. Vorhang auf. Auf der Bühne alte Kinosessel. Aus dem Schnürboden bringen Vögel Kostüme. Die Solisten in Straßenkleidung nehmen ihre Rollen an. Theater auf dem Theater. Nicht neu, aber immer wieder gern angewandter Trick, wenn der Rotstift geschwungen werden muss. Ist ja alles bloß Theater. Da darf man ruhig Kulissenschieber sehen, die Souffleuse flüstern hören und die Briefchristel dem Dirigenten in die Parade fahren, wenn er das Orchester nicht auf Schneckenpost-Tempo zurückfahren will. So weit so gut. Dass der Zuschauer aber einen ganzen Akt lang auf eine grasgrüne Projektions-Fläche starren muss, den ganzen lieben zweiten Akt das Rund des Regensburger Zuschauerraums selbigem entgegenglotzt und der dritte Akt von einer gigantischen Rosenblüte dominiert werden muss, das hat bereits Eichel'sche Spardimensionen. Das Meublement von Gloria, ja, das wär's gewesen, aber nicht das vom Gloria. Sah aus, als hätte Herr Zitzelsberger die Kinostuhlreihen aus seinem neuesten Sanierungs-Objekt an den Bismarckplatz karren lassen. Es fehlt jegliche Operetten-Opulenz, Ausstatter Pantelis Dessyllas bediente sich weitgehend aus dem Fundus, anders ist dieses diffuse Etwas aus Pawlatschenbühne und Altkleidersammlung nicht zu erklären. Rokoko verbat sich wegen des Rosenkavaliers, so wichen Absenger und Dessyllas auf so eine Art Empire oder Biedermeier aus Der Regisseur Karl Absenger reiste sicher mit einem durchdachten Konzept an, die einzige Silhouetten-Projektion eines überdimensionierten Schützen, das hätte er die ganze Operette lang durchziehen müssen. Aber dazu braucht man Zeit. Bühnenproben-Zeit, Beleuchtungszeit und Licht-Statisten. Das kostet. Und da Zeit bekanntlich Geld ist... Das hatten der Rosenkavalier und die Hugenotten bereits verschlungen. Es fehlt ein Extrachor, es fehlen Statisten, es fehlt insgesamt eine Großzügigkeit. Absenger kann seine Sängerdarsteller führen, setzt wirksam Pointen, vergrault die Abonnenten nicht, wenngleich ein paar Ungereimtheiten, eine Handvoll "Was-soll-das-denn-jetzt" verwundern. So soll sich Adam beispielsweise verstecken, um ein Gespräch zu belauschen, was tut der? Fläzt sich bräsig in die Kinosessel. Und die Partner auf der Szene? Huhu, ich seh' dich nicht, ich seh' dich nicht! Albern. Die Briefchristel ist außerdem die einzige Postbeamtin, die Briefkästen nicht ausleert, sondern füllt. Zum Glück hat uns Absenger die Gottschalkbrüder und Post AG -Gags erspart! Verschonte uns auch löblicherweise mit einer DJ Ötzi-Persiflage vom "Adam (Anton) aus Tirol...." Welch ein Glück. Dass allerdings die Szene mit den Prodekanen dem Rotstift zum Opfer fiel, ist unverzeihlich! Aktuelle Bezüge (Korruption, Protektion) bleiben mehr als vage. Dass die Balletteinlagen beliebig wie in einer Carmen-Nebel-Show bleiben, ist ärgerlicher, dramaturgischer Mangel.
Zum Ensemble: In toto agiert es beherzt und mit vollem Einsatz. Katharina E. Leitgeb hat alles in der Stimme, was eine Diva ausmacht: Kultur, Größe, Strahlkraft, Phrasierungskunst - und in der Operette unerlässlich - Schmelz. Darstellerisch fehlt ihr noch die Grandezza, die Souveränität, ein Schuss Coolness. In Ilonka Vöckel hat man die Idealbesetzung für die Briefchristel: stimmlich ohne Probleme, mühelos alle Höhen erklimmend, wonnig ihr Spiel, aktiv, jung, sympathisch. Michael Suttner steht ihr in nichts nach. Die Höhe ist da, die Power auch und ganz prima gibt er den Naturburschen Adam aus Tirol. Mit Original-Akzent! Zu Recht räumt Rosemarie Beisert als Adelaide ab. Das obligante "Mass auf Ex", das Turteln, der Dünkel, gut! (Es verbietet sich natürlich jeglicher Vergleich zu den Regensburger Legenden Charlotte Seel und Ursula Schade! Da kommt keine so schnell ran!) Brent L. Damkier als Stanislaus ist ein Halodri, ein Dandy wie er im Buche steht, stimmlich allerdings sehr leichtgewichtig. Ganz unschön ist der Bariton von Michael Doumas: zu hohl, zu heiser, zu hauchig. Darstellerisch gibt sich Herr Doumas zwar nonchalant, aber wer Gerd Meinig als Baron Weps in Günter Beyers lebendig-praller Vogelhändler-Umsetzung erlebt hat, wird schmerzlich an den Verlust erinnert und könnte wehmütig werden. Daniel Jaquets Dorfschulze ist eine treu-deutsche Type, mit hohem, leichten Tenor, was er singt und sagt, ja wüsste man's?! Eine echte Entdeckung ist Ruth Müller. Immer wieder lässt sie aufhorchen (Fräulein Julie!), im Spiel talentiert, präsent. Thomas Brinkel als von Günther geht unter, bleibt blass. (Was hat Günter Beyer allein aus dieser Nebenfigur gemacht!) Nota bene: so mancher Wortwitz aus der alten Stelter-Textfassung ist treffender, bissiger, witziger.

Laila Müller, ein herzallerliebster tiroler Amor, zieht die Fäden, schießt die Liebespfeile, damit am Schluss jedes Haferl seinen Deckel bekommt. Eine schöne Idee vom Regisseur, aber auch hier, mehr Proben hätten nicht geschadet. Das Orchester unter Karl Andreas Mehlig spielt mit Schmackes auf und ist Gott sei Dank stark genug besetzt. Was auf der Bühne an Opulenz fehlt, wird musikalisch zum Teil wieder wettgemacht. Der Regensburger Chor ist wieder gewohnt aktiv, sauber, präzise in der Intonation. Die Tanzeinlagen  vom Ensemble um Ricardo Fernando waren ganz im Stil der guten alten Operette, aber zu unvermittelt, s.o. Musste so radikal gestrafft werden, um Doppel-vorstellungen zu garantieren?
Peter Lang


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Foto: Zitzelsperger
 

 
   
     

 

Der Kölner Männer-Gesang-Verein in Regensburg
Der Schall und sein Hall
 

"Hundert Herren unter hundert stehen um des Pultes Rund
und sie atmen und sie singen und sie tun uns manches kund."


Sie sangen Schubert, Schoeck und Sibelius und waren als weltberühmter Männer-Gesang-Verein aus Köln angereist, um die Finanzierung des Westfensters der Dominikanerkirche zu beschleunigen. Bei der Programmgestaltung hätte man sich darüber im Klaren sein müssen, dass eine Kirche überhallig ist und die Instrumente auf dem eingebrachten Podium einen zusätzlichen Resonanzboden bekommen. Das Ergebnis war, dass alle getragenen Stellen des Chores bei Schubert und Schoeck undifferenziert im eigenen Klangbrei untergingen oder über das Orchester kaum hinwegkamen. Die schwierige Akustik des Raumes und Positionierung der Instrumente führten dazu, dass von links die Streicher schneller zu Gehör kamen als von rechts die tiefen Streicher und Bläser somit diese hinter den hohen Streichern herhingen, was zwangsläufig zu Zeitunterschieden bei der Tonausbreitung der Orchesterstimmen und zu einem uneinheitlichen Klangbild führte.

Adam Kruzel - der Lichtblick des Abends - sang mit seiner wunderbar kraftvoll satten in allen Lagen runden Stimme das Baritonsolo im 'Ursprung des Feuers' von Sibelius. Auf dem Programmzettel war er nicht erwähnt, sicherlich, er ist ein Geheimtipp, aber so geheim sind seine Auftritte nun auch wieder nicht. Dass ein Stück mit Bariton gegeben wird, stand am Programm, dass dafür auch ein Mensch nötig ist, der das zu singen hat, war der Stadt wohl nicht bewusst. Auch, dass man 'groß' mit sz und nicht mit doppel-s schreibt, war im Rathaus unbekannt geblieben. Da das Programm z.B. mit Schuberts Ballettmusik aus Rosamunde in einem Kirchenraum nur bedingt angemessen war, hätte der Kölner Männer-Gesang-Verein auch "Was gleicht wohl auf Erden ..". oder "Steuermann lass die Wacht ..." singen können, das Publikum hätte es gedankt. Und nur Finnlandia mit dem Chorfinale gab den Chorherren die

Möglichkeit, mal richtig auszu- singen. Aber nicht mal eine Zugabe hatten die Herren drauf und, wo blieb der Schwung von 'Cäcilia Wolkenburg'? Trotz der Mängel im Umfeld war es ein Erlebnis, mal einen wirklich großen Männerchor zu hören und zu sehen, wenn auch offenbar wurde, dass es auch beim Kölner Männer-Gesangverein Nach- wuchsprobleme gibt.
Dieter Hansing


 
   
     

 

W.A. Mozart: Le nozze di Figaro
Stadttheater Kyritz an der Knatter ?
 

Eduard Devrient, Oberspielleiter zur Zeit Richard Wagners am königlich sächsischen Opernhaus in Dresden verfasste neben anderen eine ins Deutsche übertragene Textfassung des Originals von Lorenzo da Ponte, den Salieri als seinen Textdichter ablehnte und der seine Dienste Mozart anbot. Hatte zwar da Ponte bereits einen Teil der Schärfe der Kritik an den sozialen Zuständen aus dem Original des Schauspiels 'Der tolle Tag' von Beaumarchais genommen, so blieb doch die Zeitkritik für die von Mozart vertonte Fassung weitgehend erhalten, die in eine Inszenierung von Figaros Hochzeit hätte übertragen werden müssen. Nichts von alledem.
In der besuchten Aufführung sangen Simon Keenlyside den Grafen und Lucio Gallo den Figaro, beide mit fast identischem Timbre, so dass beide wechselweise zum Einsatz kommen, eigentlich heute auch Gallo den Grafen und Keenlyside den Figaro singen, könnten. Die Komposition gibt aber eine Trennung vor, als Mozarts Figaro ein Bassbariton und der Graf ein Kavalierbariton sein sollten. Die Färbungen der Stimmen bestätigen die Charaktere der Rollen - hier der bauernschlaue, draufgängerische, zornige, die Revolution herbeiwünschende Figaro und dort der durch Namen und Stand abgehobene, zynische, aufgeblasene, Rechte einfordernde Graf.
Mag bei Lucio Gallo, dem Figaro mit der helleren Stimmfärbung, doch eine gewisse Rollendeckung im Spiel zu erkennen gewesen sein, so lag der Graf von Simon Keenlyside völlig neben seiner Rolle. Von Dünkel, Arroganz war nichts zu spüren. Herr Keenlyside steht breit- aber kurzbeinig umeinander, als sei er eben vom Pferd gestiegen, auf dem er sich einen Wolf geritten hat. Oder es war ihm ein anderes menschliches Unglück widerfahren, das ihn so mit gespreizten Beinen dastehen ließ? Der Ausdruck, der sich schon aus dem Gang ergibt, das Auftreten des Sängers, die Schlaffheit des Rückens sprechen für sich. Er ist kein Graf, den die Untergebenen und seine Contessa fürchten. Und wenn ich als Graf schon einen halben Kopf kleiner als die Gräfin bin, dann spiele ich meine Überlegenheit eben auf andere Weise aus. Nichts von dem. Stimmlich war die Partie kein Problem für den Sänger. Auffallend die Arie, wohl als Vorsingestück besonders gut studiert. Aber so ist es heute: Gäste kamen und Gäste gingen. Eingekauft, weil irgendjemand der Agenten sie anbietet. Vielleicht sollte man sich doch mal seitens der Leitung des Hauses in die Provinz begeben und man würde staunen, was für Sänger dort zu sehen und zu hören sind. Für den Grafen brauchte man nur nach Regensburg zu gehen, dort könnte man in Adam Kruzel einen Bariton von hohen Graden finden und exotisch wäre er insofern auch noch, als er Pole ist. Passte er doch bestens ins globalisierte Ensemble.
Melanie Diener als Gräfin, bemüht, kultivierten Schöngesang zu demonstrieren, mit hellem Stimmtimbre, routiniert die Beseelte spielend, tippte das hohe C im Duett an, ließ es sich also nicht von Susanna nehmen. Etwas runder, voller im Timbre wünscht man sich eine Gräfin, die sich dann eben im Klang besser von der Susanne abhebt. Versprochen war hier eigentlich Dorothea Röschmann, die aber ersetzt wurde durch Alison Hagley. Normalerweise bekommt eine solche Sängerin die Barbarina, denn die Stimme ist für die Susanna für dieses Haus zu fipsig. Hier nun zirpte sich die Dame durch die Partie und hinzu kam vom Äußeren - denn deutlich zeigt's der Augenschein - da wohl nicht mehr richtig abgestützt werden konnte - als auch das Spiel litt, da die Bewegungen - Aufstehen vom Boden - eingeschränkt schienen. Beim Cherubin von Monica Bacelli horchte man gleich bei den ersten Tönen auf und sehr bald bestätigte sich, dass in ihrer Kehle etwas steckte - nämlich ein Knödel. Was nutzen da Aussehen und behändes, jungenhaftes Spiel, wenn Teigwaren den Stimmklang beeinträchtigen. Tiziana Tramonti aus Florenz als Marcellina - mit viel zu hellem Sopran - hier zeigte sich wieder die fehlende Stimmdramaturgie - bot dem Dirigenten die Stirn und bremste dessen überhastetes Tempo einfach aus - es wäre ihr unmöglich gewesen, den unglaublich schnell zu sprechenden Satz "[...] Gegen diesen Hauptverräter [...]" ...usw.  überhaupt nur andeutungsweise herauszubringen. Ihre Arie mit dem hohen 'h' natürlich gestrichen. Dafür die Basilio-Arie offen. Kann die denn dann nicht schön gesungen werden? Ulrich Reß quäkte sich durch dieses streichbare Stück - ach, was für eine Gesangskultur - wohin sind wir gekommen. Und bei ihm nichts von einem intrigantem Spiel wie vorgegeben. Platt und planlos alle, auch er. Alfred Kuhn als Gärtner - grau von Haar und so auch die Stimme, hohl, wie von einem Rufer aus den Grüften klangen die Töne, wenigstens versuchte er, durch sein Spiel etwas Stimmung zu vermitteln - das Publikum war schon glücklich, als er humpelnd von rechts nach links und von links nach rechts über die Bühne ging. Artur Korn sang als Bartolo auch mit und als Don Curzio war Kevin Conners dabei. Nun gut, besser nun schlecht.
Julia Rempe als Barbarina - frisch wie Anfängerinnen nun so sind und noch zwei von der Sorte: Eveline Ertl und Ruth Irene Meyer als Mädchen.
Das 'Spiel' - dass man nicht lache bei dem Begriff an diesem Abend - von in einem vom Bühnenbildner mit Stoff, die Stimmen schluckenden, grellweiß, die Augen blendendem, bespannten Rahmen arrangiert, zeigte aber auch nichts, was man für die Interpretation der Rollen hätte erwarten können. Selbst wenn ein Regisseur nicht mehr zugegen ist - die Inszenierung ist fünf Jahre alt - dann muss ein Ensemble, das über Stückverträge engagiert ist, vom Regieassistenten oder sonst wem, entsprechend eingewiesen werden und jeder Solist selber so viel mitbringen, die Rollen durch eigenes Talent und Können zu gestalten. Für Gänge, die in dieser Inszenierung gerade im letzten Bild völlig abstrus sind, muss dann der einzelne Sänger eben selber soviel Attitüde zeigen, dass sich ein Einzel- wie auch Zusammenspiel ergibt und die einzelne Rolle typengerecht erfasst und dargestellt wird. Von einer erfüllten Inszenierung - personenbezogenes Ausfüllen der Rollen - war an diesem Abend nichts, aber auch gar nichts zu spüren. Die Zuschauer litten; unter ihnen viele ehemalige Ensemblemitglieder des Hauses.
 

Übrigens, die Vorstellung fand nicht im Stadttheater Kyritz an der Knatter - Synonym für Provinz - statt, sondern am 16. Oktober 2002 in der Regie von Dieter Dorn und im Bühnenbild von Jürgen Rose unter der musikalischen Leitung von Zubin Metha im ersten Haus am Platze - in der Bayerischen Staatsoper München. A Schand war's und die Damen und Herren in der Führungsebene brauchen sich nicht zu wundern, wenn die Stimmung in der Stadt sich gegen sie entwickelt. Auch unter dem Aspekt, dass nun auch der letzte 'Lichterer' von den britischen Inseln kommen muss. (Dieter Hansing)


 
   
     

 

Giacomo Meyerbeer

DIE HUGENOTTEN - in Regensburg, hörenswert !
 

150 Jahre hat das Stück gelegen. Jetzt wurde es konzertant wieder aufgenommen. Um zu verstehen, worüber sich Richard Wagner im Falle Meyerbeer: "Wirkung ohne Ursache" ausließ, sollte man eine der noch beiden folgenden Aufführungen unbedingt hören. Die Aneinanderreihung von guten musikalischen Einfällen mit trivialen Bindegliedern formen dieses Werk, das einmal der Hit war. Aber auch Wagners Rienzi - die große Oper im Stile Meyerbeers - wird heute kaum noch gegeben. Über ihn gingen zunächst Holländer, Tannhäuser und Lohengrin hinweg.

Die Dramatik Verdis setzte neue Maßstäbe, die uns heute 'Die Hugenotten' befremdlich erscheinen lassen. Das Theater Regensburg konnte sich teilweise auf Solisten stützen, die ihre Rollen kannten und somit wussten, was sie sangen.
Die Valentine von Sonja Mühleck, engagiert und differenziert mit schönem Timbre gesungen, hatte allerdings Probleme mit den extremen Spitzentönen. Dagegen Katharina Leitgeb als Margarethe, problemlos in allen Lagen. Eine strahlend virtuose Stimme, sie könnte etwas runder in der Tongebung sein, dies hängt aber mit dem relativ kleinen Kopf als Resonanzraum zusammen. Sie betont das Aussehen des Hauptes noch mit einer unvorteilhaften Frisur. Wenn sie sich nicht überfordert, darf man von ihr noch schöne Leistungen erwarten.
Mi Soon Jang als Page, freier als mit der Sophie, da stilistisch nicht so eingeengt. Oder hat sie sich selber oder der Regisseur im Rosenkavalier zu einer Kunstfigur stilisiert, die ihr dann Schwierigkeiten beim Singen bereitete, was sich bei Strauss noch durch das viele Textgeplapper potenzierte? Hier jedenfalls, als Page, ohne dass der typisch koreanische Technik-Knödel, das Quetschen und Piepsen hörbar wurden. Sie sang frei von der Leber weg und man hörte ihr gern zu.
Ingrid Dominique als Ehrendame - ein Modell, aber keine Sängerin - jedenfalls nicht mit dieser Übergähn-Technik.
Beim Raoul von Juuso Hemminki befürchtete man permanent das Heiserwerden, doch - der Knödel hält. Völlig unbeteiligt stand er da, sang laut und leise, aber keiner und er selber wohl auch nicht - wusste warum.
Michael Doumas 'rief' den St. Bris. Ein typischer Schulmusiker, intelligent, gut aussehend, auf dem Podium überintensiv, um die nicht vorhandene 'Sänger-Stimme' zu vermogeln.
Im Gegensatz zu ihm repräsentiert Adam Kruzel die perfekte Sänger-Stimme, Wohllaute verströmend, nuancenreich und engagiert. Genussvoll anzuhören war der Bass von David Cale Johnson. Der Mann kann singen und wusste offensichtlich auch, die Rolle zu erfüllen, selbst auf dem Podium kam die väterliche Güte und humorige Brummigkeit des Marcel deutlich zur Geltung.
Michael Suttner als Cossé - auch hier lässt sich von der Stimme etwas erwarten, wobei er die Belcanto-Führung noch nicht im Griff hat, das heißt: "Junge, Legato und messa di voce üben!!!"
Brent Damkier als Tavannes konnte von seiner hohe Lage der Stimme nicht viel zeigen.
Victor Schierling, keck sich darstellend als Bois-Rosé, der Buffo par excellence - eine solche Stimme, die über alles hinwegträgt - man denke an das Krähen im Terzett der drei Strolche in 'Die Kluge' - braucht man in einem Ensemble. Jin-Ho Yoo und Werner Rollenmüller fügten sich in die Gruppe der jungen Adeligen dezent ein.
Die Höhepunkte waren die großen Chor-Tableaux. Der Hauschor verstärkt durch Chorsänger aus Parsberg gaben dem Abend die musikalische Prägung. Fabelhaft einstudiert von Karl Andreas Mehling und Walter Johannes Hansch.
Das Orchester unter der Leitung des GMD Rumstadt musizierte wach und engagiert. Die Soli von Bassklarinette und Bratsche fielen hier besonders positiv auf.
Die Optik störte die unterschiedliche Garderobe der Solisten. Man kam sich vor wie in der Herrenkonfektionsabteilung bei C&A. Mal Frack, mal blau-grauer, mal dunkler Anzug, mal Fliege, mal Krawatte, dass nicht einer noch im Rollkragen und Jeans kam, verwunderte. Beim gesamten Chor war doch ein einheitliches Erscheinungsbild möglich, wieso nicht bei den Protagonisten, Herr Intendant?
Dass der Bassist auf dem Podium, in seinem Sessel lümmelnd, aus einer Flasche nuckeln darf, der Sopran ein Glas Wasser auf die Bühne bringt, das er dann gar nicht braucht, Herr Suttner im Klavierauszug blättert, als suche er eine verlegte Telefonrechnung, Herr Doumas ebenfalls blättert - wie viele Seiten sind es denn noch? Ist das die Disziplin von Coburg oder Pforzheim, Herr Intendant?
Und die Chefdramaturgin Friederike Bernau saß mit überschlagenen Beinen, provokant lässig und unfrisiert, mitten unter den Solisten auf dem Podium, statt irgendwo an der Seite, von wo sie abgehen könnte, wenn sie nichts zu sagen hatte, schaute kritisch um sich - dass sie sich nicht noch zum Chor umwandte - las mit tonloser Stimme aus irgendeinem Operführer, was nur verwirrte - statt zur Aufklärung der Bühnensituation beizutragen - die Zuhörer langweilte, ermüdete und den Abend unnötig in die Länge zog.
Beifall nahm sie dafür auch noch entgegen!!
Auf Manieren auf dem Podium - wo jede kleinste private Bewegung stört und ablenkt - sollte die Leitung des Hauses achten. Mag sein, dass Benehmen in Coburg oder Pforzheim nicht so gefragt war, bei einem guten Theaterleiter verhalten sich Solisten der Konzertsituation entsprechend, Herr Intendant.
Dieter Hansing

 
   
     

 

Leben des Galilei - Bleiziffer macht Brecht

... und es geht doch !
 



Foto: Zitzelsperger

War es die einhundertste Inszenierung, dann war es eine gelungene. Ein guter Beginn der Intendanz Ernö Weil im Schauspiel Regensburg durch Oberspielleiter Michael Bleiziffer. Nicht alle Produktionen waren ein Wurf, meist hängt es ja an Kleinigkeiten, die den Zuschauer irritieren - denken wir an 'Der Besuch der alten Dame', 'Maria Stuart', 'Macbeth' und erst kürzlich 'Lysistrata'. Hier aber gelingt es Bleiziffer mit einem in sich geschlossenen Ensemble, durch überzeugende Personenführung die Zuschauer mit der Problematik einer neuen Zeit zu konfrontieren.

War es im 17. Jahrhundert die Frage nach der Bewegung der Himmelskörper, dann das beginnende Atomzeitalter, so ist es jetzt die Frage nach den Grenzen der Forschung bei der Gentechnik.
Angst um die Macht über die Menschen, den Zweifel zu verdammen und den Glauben zu predigen, rief immer wieder die Kirche auf den Plan. Gerade dies aufzuzeigen, wird in dieser Inszenierung möglich. Auch hier sind es nur Kleinigkeiten, die dann aber den Zuschauer "Stimmt!" sagen und diese Inszenierung eines Lehrstücks überzeugen lassen. Durch die Doppelrollen erhalten die Darsteller die Möglichkeit aus dem ihnen sonst an einem Abend auferlegten Rahmen einer Figur auszubrechen und wieder ein anderer zu werden.
Beispielhaft genannt seien hier Martin Hofer als Sagredo, als Kardinal Barberini und später als Papst Urban VIII. Allein die Einkleidung des auf hohen Absätzen einherstöckelnden Papstes während der Szene mit dem Großinquisitor, ist ein Beispiel für die Verwandlungsmöglichkeit eines Schauspielers und einer effektvollen Verdichtung des Stückes an dieser Stelle.
Bedauerlich für alle Schauspieler, die nur eine Rolle zu gestalten hatten wie: Peter Papakostidis als Ludovico, er ist der jugendlicher Liebhaber und das war's. Der Zweifel, die Abreise könnten stärker dem unbedarften Pferdeliebhaber gegenübergestellt werden. Selbst wenn Brigitte Umlauf auf die Rolle der Frau Sarti beschränkt bleibt, hat sie doch die Möglichkeit die resolute Haushälterin bei Galilei zu sein und die liebevoll, verständnisvolle Beraterin der Virginia. Silvia Schuh anfänglich als diese glückliche Braut und später die in der Entsagung mit dem Vater lebende, der Vergangenheit gegenüber harte Tochter.
Der nach frischem Ziegenkäse gierende Mönch von Michael Heuberger; Christian Ballhaus als alter Kardinal; Heinz Müller der päpstliche Einkleider; Christian Hettkamp's kleiner Mönch; der Linsenschleifer von Jens Schnarre; Armin Hans Köstler als erwachsener Andrea Sarti, wer Andrea als Kind spielte - Moritz Frankerl oder Tristan Müller - war nicht auszumachen, da ein Besetzungszettel zumindest auf der rechten Seite fehlte. Wer auch immer, es war erfrischend wie dieser junge Mensch sich in das erfahrene Ensemble einfügte.
Auch der Großherzog als Kind und als Erwachsener - hier nun Lotte Frankerl oder Thomas Pawellek bzw. Elisabeth Frank - es klappte. Oliver Severin präsentierte geradezu als Heerrufer die Szenen in Brecht'scher Manier.
Den Galilei, dem Leben wohl gesonnener, die Sarti auf den Hintern klatschender, Gänse und Wachteln verspeisender Genussmensch, der auch der Wissenschaft entsagt, um weiter zu leben und zwar möglichst gut - daneben aber doch zu forschen - bringt Peter Heeg kraftvoll auf die Bühne. Der Text ließe ihm z.B. im Gespräch mit Andrea Farbmöglichkeiten, die Gefahr einer Monotonie nach diesem längeren Abend ist groß.
Renate Hünlich als Inquisitor - gütig. Ist das der Verfechter von Folter und Dogmatismus, um die Macht der Kirche durch Glauben und Verhinderung von Zweifel und Aufklärung zu erhalten? Schiller und Verdi zeichnen im Don Carlos den Großinquisitor anders und die Übertitelung 'Der Großinquisitor' über einem Bild von Kurienkardinal Ratzinger in einer Ausgabe der MZ, spricht eine andere Sprache.
Die Inszenierung lebt auch durch die sparsame Szenerie von Jochen Diederichs, die zeitgemäßen Kostüme von Uschi Haug, die sehr effektvolle Beleuchtung mit schnellen Lichtwechseln von Hubert Goertz. Wie 'a Stubenmusi' erklingen im Hintergrund die Kompositionen von Hans Eisler, gespielt vom 'Trio' Ursula Kirchhoff, Michael Wolf und Rita Zimmermann - perfekt einstudiert von 'Harry Potter' - Maria Fitzgerald.
Ein großer, gelungener und überzeugender Abend von Michael Bleiziffer. Stimmt's denn doch, was man sich in der Stadt zuraunt, "Brecht und Bleiziffer, ja. Aus einem Klassiker wird doch wieder eine Dreigroschenoper."
Galileo Galilei im Schauspiel Regensburg - hingehen, möglichst mehrmals und bevor die Schulklassen kommen.
Dieter Hansing

 

 

 
   
     

Der Rosenkavalier - Strauss in Regensburg

Der 'Ochs' von Regensburg
 

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Foto: Zitzelsperger

Schon bei den Szenen aus dem Rosenkavalier im Rahmen des Willkommenskonzerts wurde deutlich, dass an der Partitur auch vorbei dirigiert und gesungen wird. Das "Hab' mir's gelobt ..." ist von Richard Strauss mit einem 'pp' versehen, so ist es nicht verständlich, dass die Marschallin dies ignorierte und Mühe hatte sich über die Orchesterwogen hinwegzusetzen. Ausdrücklich wünscht Richard Strauss, dass die vorgegebene Streicherbesetzung zu reduzieren sei, wenn die Sprachverständigung auf der Bühne beeinträchtigt werde. Hier ist nur von der Deutlichkeit des auf der Bühne gesprochenen Wortes die Rede. Was ist wenn 'pp' vorgegeben ist und wenigstens 'f' gesungen wird?

So ist man gleich beim Vorspiel im zweiten Rang Orchesterwogen ausgesetzt, die an Bruckner erinnern. Hinzu kommt, dass ein ausgewogener Orchesterklang oft nicht zu vernehmen ist. Immer wieder fallen einzelne Instrumente derart heraus, die nur unterstützend komponiert wurden und nicht als Soli. Vornehmlich dies bei den Bläsern.
Gelegentlich sollte auch ein GMD bei einer Orchesterbühnenprobe in die oberen Ränge steigen, um selbst festzustellen, was dort oben wie ankommt.
War's ein Freudentag, wie Faninal im zweiten Akt behauptet ?
Wenn Ernö Weil jede Intendanzübernahme mit dem Rosenkavalier beginnt, dann müsste es doch eigentlich klappen. Der Abend war eine gute Dressur, routiniert und dadurch synthetisch, es dauert, bis Stimmung auf der Bühne aufkommt und diese sich mit der im Publikum mischt, bzw. diese positiv beeinflusst. Alles wirkt irgendwie herb, steril, sehr aufmerksam, nur keinen Fehler machen, die dann - wie erlebt - doch hörbar werden.
Bühne und Kostüme aufwändig, aber stimmig, die Personenführung dem Stück entsprechend sinnvoll - ohne Übertragung einer Psychoanalyse der Person des Regisseurs - und auch einfallsreich. Interessant der Aufbau des Beisels im dritten Akt auf offener Szene.
Die Marschallin von Ingeborg Zwitzers - stimmlich problemlos - sie kommt von der Koloratur, erinnert sei an ihren Maskenball-Oscar in Detmold, und genau da ist das Manko bei der Darstellung der Marschallin, es fehlt das Sentiment einer Lyrischen - die Beseelung der Rolle - die Freude, die Resignation dieser Frau, die den 17-Jährigen Liebhaber einer jüngeren Nebenbuhlerin überlassen muss. Eine Kolorateuse ist einfach praktischer und so ist eben die Marschallin von Frau Zwitzers: handfest.
Elvira Soukop als Octavian, ein um Fassung ringender, schlanker, blondbezopfter Bengel, im Spiel noch nicht ganz frei - wohl auch besorgt um das Wehe dieser Produktion - aber kindlich-locker genug, den Übergang zur 16-jährigen Sophie glaubwürdig zu machen. Nett das Fangenspielen der beiden Kinder nach dem "Ist ein Traum ..."
Frau Soukop verfügt über eine große Mundhöhle, die sie auch geschickt einsetzt, allerdings hört man dabei dann doch die Gähntechnik. Zieht sie die nicht mit in die hohe Mittellage und Höhe - der Octavian hat einige hohe 'a' zu pfeffern - dann wird es eng und die Grenze ist erkennbar.
Nett die kleine Koreanerin Mi Soon Jang - die Globalisierung im deutschen Theaterbereich schafft natürlich Probleme bei der Textverständlichkeit - g'schamig genug und doch auch beherzt, ihren Willen durchsetzen zu wollen. Wenn sie dabei im piano ihre Stimme erklingen lässt, ist die hohe Lage sehr schön, im forte klingt es schon piepsig und die Mittellage wird
gequetscht. Da wäre einiges an der Stimmführung zu korrigieren.
Jóhánn Smari Saevarsson ist kein Baron Ochs auf Lerchenau - sagen wir, mehr ein einfältiger 'Ochs von Regensburg'. Ein Zi'grettenbürscherl, dem von der Darstellung, die Verschlagenheit, die forsche Geilheit des alternden Mannes, die rotzfreche Hochnäsigkeit, die Derbheit des Landjunkers, des Adeligen mit dem Recht der 'primae noctis' eines Ochs auf Lerchenau völlig abgeht. Der Sänger ist viel zu jung, zu naiv, um ohne Lebenserfahrung und Menschenkenntnis, die Figur überhaupt erfassen zu können. Stimmlich fehlt auch der Saft, die Üppigkeit für diese Rolle. Die Höhe klang bei ihm angeschlagen, das 'Heu' - als piano ausgewiesen - nahm er in die Brust und prompt kiekste das 'f'. Der Tiefe fehlt auch der sonore Sound, selbst wenn er das 'e' des "... dir so lang." hinbekam. Die Rolle jedenfalls ist von Herrn Saevarsson noch nicht überzeugend darstellbar.
Der Faninal von Adam Kruzel - großformatig wie man es von ihm gewohnt ist. Das Spiel bekommt eine Eigenart, die man nur noch mit "in Farbe und bunt" bezeichnen kann. Faninal wiegt sich im Wind, den der Ochs macht, wie ein schwankend Rohr.
Tuntig angelegt der Sänger von Michael Suttner. Er kaschiert damit, dass ihm das Belcanto-Singen dieser so schweren Arie, so wie er es hier jedenfalls zeigt, nicht so von der Stimmritze geht. Warten wir auf den Adam im Vogelhändler. Dass er beim Auftritt als Wirt "Die Frau Fürstin Feldmaschall" zweimal sang, weil er viel zu früh war, lag wohl an der Aufregung vor dem hohen 'b', obwohl gerade die hohe Lage ihm anscheinend zu Pass kommt.
Victor Schiering als Valzacchi mit seinem hohen Charaktenor richtig besetzt, ob ihm der Vogelhändler-Adam liegt, muss sich herausstellen. Es scheint, als fehle die Verbindung der hohen Lage seiner Stimme mit den Brustresonanzen. Die schnellen Gänge, das Gehabe des unterwürfigen Intriganten, überzeugend. Neben ihm Ingrid Dominique als Annina ähnlich präsent, stimmlich aber auch sehr abdunkelnd über das "nun gähnen Sie mal". Natürlich klingt alles satter, runder, aber bei der Höhe und bei Koloraturen funktioniert das dann eben nicht mehr so recht.
Ruth Müller, in der undankbaren Rolle der Leitmetzerin, schaffte wacker und wurde auch stimmlich der Rolle gerecht.
Michael Doumas Polizeikommissar klang irgendwie hohl. Da wird man weiter beobachten müssen.
Die übrigen Rollen mit aktiven Darstellern besetzt, die sich alle ins Zeug warfen, um einen Beitrag zum Erfolg zu leisten.
Das Publikum hatte Probleme, alles mit Begeisterung aufzunehmen, dafür wirkte alles noch zu wenig selbstverständlich, als dass wirklich Stimmung aufgekommen wäre. Trotzdem, langanhaltender Beifall.

Dieter Hansing

 
   
     


 
"Holländer" in Würzburg

Abge-KUPFER-t: Wagners Urenkelin inszeniert

 

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1839 flieht Richard Wagner mit Minna von Riga über die Ostsee und den Kanal nach London. Dabei erlebt er diese Seereise mit Hemmnissen und Erzählungen der Mannschaft, die ihn mit Heines Vorlage direkt auf das Thema des fliegenden Holländers führt. Es ist bei Richard Wagner ein ganz naturalistisches Thema, das unter dem Einfluss der Spukgeschichten des 19. Jahrhunderts geprägt wurde.
Katharina Wagner nimmt sich nun des Werks ihres Urgroßvaters am Würzburger Theater an und krempelt die Handlung derart um, wobei das Stück RWs vom Text und der Szene her nicht mehr erkennbar war und die Inszenierung glanzvoll in den Teich ging. Der versierte Theatermacher Reinhold Röttger

setzte wohl auch auf widersprüchliche Aufnahme dieser Erstinszenierung, die sein Haus in die Spalten der Presse bringen würde, hatte aber wohl mit einer derartigen Saalschlacht nicht gerechnet. Interessant, dass sich Frau Wagner dem Buhgeschrei des Publikums nicht allein stellte, sondern immer nur im Schutz des Ensembles vor den Vorhang trat. Das Publikum war vom Ausgang der Arbeit zu überrascht, sonst wären wohl Tomaten oder Eier als Wurfgeschosse verwendet worden. Man kann ja die Musik vom Band rückwärts laufen lassen und einen eigenen Raver-Text drunterlegen. Szenisch wurde dem Dekonstruktivismus-Affen gehörig Zucker gegeben. Es stellt sich aber die Frage, wieweit darf eine weitgehend theaterunerfahrene 24-Jährige ein Werk der Theatergeschichte durch Versatzstücke aus daily soaps derart verändern? Es sei arrivierten Regisseuren zugestanden, Experimente zu wagen, dass aber ein völliger Newcomer - außer der Mitarbeit im Bayreuther Festspielhaus und Praktika u.a. bei Kupfer an der Lindenoper hat sie ja wohl nichts vorzuweisen - ein so komplexes Werk in Szene und in den Sand setzen darf. Aber man ist ja Wagner, nur wie sagte der große Fritz Kortner einst: "Jude allein genügt nicht" und hier angewendet, stimmt dann "Der Name Wagner allein ist nicht genug." Frau Katharina ist kein Wieland, eher doch künstlerisch der Spross ihres Vaters Wolfgang. Hoffentlich kommt sie bald drauf und beschränkt sich auf das Organisieren und lässt beim Inszenieren andere sich die Finger verbrennen. Mächtig klingen unter der Leitung von GMD Daniel Klajner aus dem Graben die Fluten des Orchesters mit der Ouvertüre und der Eingangschor zeigt deutlich Qualität des Würzburger Männer-Chormannschaft. Kraftvoller und runder Klang, keine dünnen Einzelstimmen, sondern eine schön singende Männermasse, auf Präzision studiert von Chorleiter Markus Popp. Daland - Kristof Borisewitz - ein Hehler, Schnepper, Bauernfänger und wie sich später herausstellt auch Menschenhändler und Zuhälter, kommt in die Kneipe und fordert mit kernig klingendem Bass den am Tresen sitzenden Steuermann auf, Wacht zu halten, wobei dieser - Albrecht Kludszuweit - als leichter Tenor - mehr Buffo - mit etwas eng geführter Stimme ungewohnte Diminuendi ausführend - feststellt, man habe sicheren Grund. Wohl klar, es sei denn die Strandkneipe ist auf Sand gebaut. Kein Sturm, kein Schiff. Sandwike heißt die Bucht. Auftritt Holländer, mit Koffer die Treppe herunter in die Kneipe steigend, das Heimatlose, das Unbehauste symbolisierend, die sehr an Lillas Pastias Kaschemme im 2. Akt Carmen erinnert. Und, oh Freude, die Frist ist zwar um, aber wie der Mann - Ralf Lukas - das singt!!! Enthusiasmiert über diesen Wohlklang, das Timbre und die fabelhafte Technik, die ein Legato ermöglicht, wie man es bei einem fliegenden Holländer lange nicht gehört hat. Dezent spielt er den 'armen Mann', sich wieder mal einem Weib anvertrauend, zur Erlösung. Leider hat er die Rechnung ohne Katharina Wagner gemacht, doch davon später. Daland kommt und zeigt dem Holländer eine Barbie Puppe und behauptet, seine Tochter, die er gern haben könne, sähe auch so aus. Der Holländer ist die Rumfahrerei leid und sagt zu, die Tochter Dalands - unbesehen - zu freien. Diese sitzt nun nicht mit ihrem Spinngenossinnen - kraftvoll und präzise der Damenchor auch bei den Lachern nach "den Nebenbuhler von der Wand" - wie vom Urgroßvater RW vorgesehen in einer Spinnstube, sondern - ganz modern - in einem Computerraum mit laufenden Magnetspeicherbändern. Die Damen bekommen wohl einen Kurs über Bits und Bytes oder einen Fortbildungslehrgang des Arbeitsamtes als 'Dorfentwickler', denn sie hocken sehr aufmerksam an Tischchen und kritzeln in ihre Hefte. Mary - Daphne Becka - großgewachsene Gouvernante - mit schönem runden geradem Alt - doziert und spinnt fort, wie man bei Katharina Wagner halt so ohne Spinnrad spinnen tut. Senta denkt nicht dran, zu kritzeln, statt dessen geht sie herum und zeigt den weißblond-perückten Kolleginnen einen Steckbrief. Da dieser groß genug kopiert wurde, stellt der Zuschauer auch im Rang fest, dass es sich nicht um den RWs handelt, sondern um das Konterfei dieses so fabelhaft singenden Baritons. Es ist verständlich, dass Senta lieber diesen edlen Bariton in Form des Holländers zu Hause haben möchte als einen windigen Tenor, den Jäger Erik. Joneva Kaylen - eine sehr-wohl-proportionierte Dame - stöckelt als Senta in einem lutschbonbonrosafarbigen Leibchen einher und singt mit einem Tremolo, das weit nach unten ausschlägt, so dass die Töne zu tief klingen. Sie spielt eine kesse Jule - kein Sehnen nach dem Heil, das dem Holländer einst könne werden. Erik - Gilbert Mata - kommt und zeigt, dass er mit der hohen Lage dieser Heldentenorpartie gut zurecht kommt. Die Stimme sitzt hoch hat aber dadurch nicht viel Verbindung zum Brustvolumen, was sich wohl aber noch richten lässt. Ein großer Mensch, dem der Max und später vielleicht 'alle Helden' Freude machen könnten.
Die Sache nimmt nun bei Katharina Wagner so ihren Lauf, dass Daland seiner Tochter eine blonde Perücke überstülpt, damit sie der dem Holländer vorgezeigten Barbie Puppe eben ähnelt und weil es ja auch heißt und da wird RW wieder ernst genommen: "Blondes Mädchen, sei ihm treu". Nur sind Barbies schlank und rank und die Senta sieht mit dem rosa Hemdchen und den nun blonden Haaren aus wie Miss Piggie. Das schreckt den Holländer nicht. Er bekommt einen neuen Pass und die Sache ist geritzt. Im dritten Akt wieder die Seemannskneipe. Die Norweger sitzen an Biertischen und freuen sich über das Gelingen ihres Matrosenchores. Die holländischen Seeleute schweigen abgesondert um des Tisches Rund und "trinken nicht, sie singen nicht - in ihrem Schiffe brennt kein Licht." Was Wunder, von Schiff war in der ganzen Produktion nichts zu sehen. Plötzlich kommt Erik, der kein richtiger Jäger, sondern ein Menschenjäger ist, setzt seinen Plüschhund 'Kommissar Rex' auf den obersten Treppenabsatz und kontrolliert die Pässe der holländischen Matrosen. Alles in Ordnung. Auch der vom Holländer ist so gut gefälscht worden, dass er ohne Beanstandung bleibt. Das Gespräch Senta Erik ähnelt sehr der Schlussszene in Carmen. Hier rangeln Senta und Erich nun auch und als nun der Holländer dazwischentritt, schlägt sich Senta gleich auf seine Seite. Aber, bei Katharina Wagner wird der Holländer von zwei gewichtigen Chorherren 'derschloagn' und Senta, die ihn wenigstens nach Meister RW Vorgabe hier in Würzburg durch einen Stich mit einem Brotmesser in ihre eigene Brust ihn nachträglich erlösen will, wird von Daland dran gehindert. Er nimmt Senta das Messer ab, sie bleibt am Leben und kann vom Vater nun weiterverhökert werden. Der letzte Ton war kaum verklungen als ein Buhgeschrei losging, das dann in eine Saalschlacht

ausartete. Pros und Contras wogten auf und ab. Ein szenischer Reinfall war es trotz interessanter Ideen und darob teilweiser Zustimmung. Solisten und Orchesterleiter erschienen vor dem Vorhang sichtlich genervt. Freude wollte nicht aufkommen, doch, der Holländer strahlte, weil man seine großartige Leistung besonders akklamierte.
Dieter Hansing


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Impressionen vom Empfang im Anschluss an die Gala
 
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Fräulein Wagner beim Interview.
Der Wagnerverband ermöglichte ihre Regiearbeit in Würzburg. Die Medien waren zahlreich vertreten, gilt die Urenkelin des Komponisten doch als Anwärterin auf den Chefsessel in Bayreuth.


 


Wolfgang Wagner (82, Mitte), rechts neben ihm Interims-Festspielleiter Klaus Schulz, derzeit Staatsintendant am Theater am Gärtnerplatz in München, von dem Katharina Wagner dann einst wohl das Kommando über den Grünen Hügel übernehmen soll.

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Der Wagner-Clan.

Mutter Gudrun (rechts), geborene Mack, lernte Vater Wolfgang in der Bayreuther Festspielverwaltung kennen und lieben.

 
 
   
     

Falstaff

Piehlmayers Debut als GMD in Augsburg

 

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War Shakespeare in love - als er 1597 "a most pleasant and excellent conceited comedy of Sir John Falstaff and the Merry Wives of Windsor" und "King Henry IV" schrieb, aus denen dann Arrigo Boito für Verdi das Libretto für Falstaff ableitete? Man kann es annehmen, denn die Zusammenhänge des menschlichen Umganges miteinander, kann nur jemand nachvollziehen und so in Szene setzen, der Freude und Leid aus Leben und Liebe auf die Spur gekommen ist. Boito, der für Verdi das darstellte, was Hofmannsthal für Strauss war, komponierte selber und schrieb wie Lortzing die Texte für die eigenen Werke.

Boito wusste, dass es gerade beim Falstaff auf den Wortfluss ankam, dass dieser von Verdi in diese geniale Musik gesetzt werden konnte wie Wagner schon beim Niederschreiben seiner Textdichtungen die Musik in sich hörte. Und so endet das Stück bei Boito / Verdi mit der Phrase: "Alles ist Spaß auf Erden." Sicherlich ist nicht alles Spaß und beim Falstaff in Augsburg zum Beginn der Ära Peters / Piehlmayer sind auch Abstriche bei der Inszenesetzung des Verdi'schen Alterswerkes zu machen. Möchte man das Haus zum Beginn der Spielzeit betreten, fällt man über eine Absperrung vor der Tür. Gut, das ist eine Zwangsmaßnahme, aber müssen unter den Arkaden an diesem Abend während des Einzugs der Gäste haufenweise Zigarettenkippen und eine abgelegte Unterhose herumliegen? Kann da nicht einer vom Hausdienst mal vorher mit einem Besen gehen? Müssen Orchestermitglieder in Frack und Fummel durch das Foyer laufen, während das Publikum schon flaniert, Herr Dr. Peters?! Es wird per Flyer mitgeteilt: Frau du Randt "lässt sich entschuldigen", sie "ist" nicht "zu Schiff nach Frankreich", sondern wegen eines auswärtigen Gastspieles erst für die dritte Vorstellung als Alice zur Verfügung. Nun gut, es bahnt sich nach der Helmwige an der Bayerischen Staatsoper wohl die Weltkarriere an?! Vorhang auf, frei die Bühne. Deko-Vorhänge verhüllen das Rund. Sie gehen wie von Zauberhand mal auf mal zu, legen Falstaffs 'chambre separée' und einen Spiegelraum frei. Interessant ein alter Herr, der in der Maske des großen italienischen Meisters Verdi als stumme Jule mal eine Litfasssäule mit Plakaten Verdi'scher Opern herumschiebt oder aber nur Staffage ist. Warum hebt er nicht die Vorhänge wie vor dem letzten Bild oder überbrückt als Nummernboy die endlosen Umbaupausen, die den Fluss des Stückes zerreißen, nach dem Motto: "in der nächsten Abteilung sehen Sie!"
Riccardo Lombardi als Sir John an sich - nach Kloiber - ein Helden- hier eher ein Kavalierbariton, der mit schlanker Stimmführung in allen Lagen den Frauenhelden leichtfüßig charakterisiert. Wie er die Musik in Tanzschritte umsetzt, den Torero spielt, nie schwerfällig plump den Dicken macht, sondern elegant auf die entzückenden Damen reinfällt. Und das ist auch kein Wunder. Katerina Sokolová-Rauer als Alice, schlank geführt die Stimme, ohne dass die Töne in der Höhe scharf werden, beschwingt im Spiel wie auch die Kollegin Meg Page durch Katrin Koch. Man merkt den Damen die Freude am Spiel an und der Schwung überträgt sich auf die Kollegin Mrs. Quickly durch Silvia Fichtl, die ja für die Rolle stimmlich in die Brust gehen muss, auf der sie allerdings gerade schwach ist. Es fehlt das Satte einer Schlemm oder einer Fassbaender. Aber die für die zweite Vorstellung vorgesehene Janet Baker wird da sicher mehr zeigen können. Wir kennen z.B. ja noch ihre Fricka aus dem unseligen Seesemann/Sinell 'Ring' in Augsburg. Petra van der Mieden mit strahlendem, abgedeckten, vollmundigen hohem ‚c', als pubertierende Nanetta. Neben ihr ein Buffo als Fenton, Rolf Romei, "na, wenn es denn sein muss", sagt sich Vater Ford, der hätte sich nach dem Stück lieber den Dr. Cajus als Schwiegersohn gewünscht, da Wolfgang Theis als dieser aber auch nur ein dünner, wohl auch zickiger, Vertreter des leichten Tenorfachs und kein Charaktertenor ist, gibt er sein OK für die Mariage mit seiner Tochter Nanetta doch lieber dem Fenton. Nikola David als Bardolfo und Stefan Sevenich als Pistola - mit Pistole - das intrigante Dienerpaar von Sir John Falstaff. Bei Sevenich fällt das starke Mimen, Lachen, Auf-Stimmung-drücken auf. Stimmlich passt er - wie zu erwarten - eher in das große Haus Augsburg, als wenn er die 538 Plätze am Bismarckplatz in Regensburg zubrüllt. Ronald Ulen - Charakterbariton mit etwas gequetschter Höhe und dünner Tiefe - als Ford und von der Rolle her mit schwachem Selbstvertrauen ausgestattet, kämpft und gewinnt dann doch durch überzeugende Darstellung die Zuschauer.
Die Kostüme von Götz Lanzelot Fischer machen den Eindruck eines Gangs durch den Fundus, Ascot-Hüte sah ich winken und die Adjustierung des Chores im Schlussbild ist eher Offenbachs ‚Blaubart' oder ‚Orpheus in der Unterwelt' zuzuordnen. Die Bühne von Manfred Breitenfellner - wie beschrieben - bedeckt mit den roten, sängerunfreundlichen Aushängen, die so Stimmklang verändern und Power schlucken können. Und natürlich misslingt wie meist bei den ‚lustigen Weibern' und beim ‚Figaro' der Übergang in das Schlussbild. In Augsburg steht eine Brücke herum, die dann hochgezogen wird. Im Park eine Säule, einige Raumkörper, alles irgendwie deplaziert. Chor und Solisten mit Grubenlampen bewaffnet, beleuchten das schon vom Mond taghell beleuchtetet Opfer Sir John. War die Idee mit den fotografierenden Paparazzi beim Decouvrieren der beiden Liebenden ganz witzig, so ist das Piesacken Falstaffs - wie meinst - peinlich, schon gar deswegen, da ihn keine Geister, sondern eben die Damen und Herren Solisten und Chor im Putz kurz vor einem Can-Can drangsalieren. Wahrscheinlich war für den Schluss wieder keine Zeit, weil der Regisseur selbstverliebt an den vorhergehenden Szenen zu lange herumprobiert hatte. Das war auch völlig richtig, denn es wurden viele Einfälle und musikalische Vorgaben gut umgesetzt, nur auch für das Ende eines Stückes muss man sich Zeit nehmen, am Besten fängt man beim Inszenieren damit an. Mit den Statisten war auch nicht genug probiert, die wussten nicht mit dem Korb wann aufzutreten, verschwanden halb sichtbar wieder. Ein dicker Fehler das 'Wuchten' des Korbes durch diese Schönlinge mit Sir John auf das Podest vor dem Kippen in die Themse. Leichtarmig schwangen die Knaben den Korb hinauf als habe Falstaff in ihm und in Eile 50 kg an Gewicht verloren. Dass der Inspizient die Stimmung für das Pausenlicht zu spät gab und das Publikum anfänglich im Dustern ins Foyer hinaustappte, war eine vermeidbare Panne. Auffallend aber die häufigen unmotivierten Lichtwechsel für die Szene. Hier wurde nur dokumentiert: "wir hatten Dek./Bel.-Proben". Rausgekommen ist dabei -außer hell / dunkel - nicht viel. Rudolf Piehlmayer als neuer GMD am Pult, mit Tempo, schmissig, spritzig, ohne auffallend zu hetzen, führt er durch das Stück. Dass die des Italienischen unkundigen Sänger bei dem schnellen Geplapper auch mal dort sangen, wo Platz war, muss der Premierenaufregung zugeschrieben werden. Auch Bläser hört ich kieksen. Und doch, Sänger und Orchester fühlen sich offensichtlich beim neuen GMD gut aufgehoben. Am Schluss lässt Piehlmayer die Orchestermitglieder hinter dem Deko-Vorhang Aufstellung nehmen und dann 'angesichts allen Volks' Anteil haben am Beifall. Sehr geschickt, Herr GMD!


Das Publikum dankt mit lang anhaltendem Applaus, der sich bei Petra von der Mieden's Nanetta, der Alice von Katerina Sokolová-Rauer und GMD Rudolf Piehlmayer mit seinem Orchester hörbar steigerte. Alles in Allem, ein guter Anfang für das Führungsteam Peters und Piehlmayer. Gratulation.

Dieter Hansing

 

 
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Der zerbrochne Krug

Königlich-Bairisches Scherbengericht

 

Es ist ein Sakrileg, Kleists "Krug" in Trümmer zu zerschlagen und diese dann in weiß-blauem Rautenmuster neu zusammenzusetzten. Es ist schon eine arge Sünde, das unverwüstliche Lustspiel mit seinem grandiosen Wortwitz ins Plattdeutsch, ins Rheinische oder, wie Leopold Ahlsen es hier unternommen hat, ins Altbairische zu setzen. Aber, wenn Michael Lerchenberg sich des Textes und der Szene annimmt, wenn Jörg Hube 'Adam' und wenn Monika Baumgartner die 'Marthe'  ist, dann muss höchstfeierlich Absolution erteilt werden. Und wenn ein bunt zusammengewürfeltes Ensemble so dicht, so konzentriert, so "dran" ist, dann ertappt man sich plötzlich da-

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bei, wie viel Spaß das Sündigen doch macht. Und, ein schlechtes Gewissen will sich partout nicht einstellen. Kenner des Kleist-Texts warten gespannt darauf, wie sich diese oder jene Kleist'sche Phrase wohl im Dialekt ausnehmen mag. Das verdoppelt den Theater-Sommer-Spaß. Aus Utrecht wird Dachau, aus der Synode von Haag das Ordinariat in München, die Rhein-Inundations-Collecten-Kasse wird zum Schärflein für die Neger-Heidenkinder, Huisum heißt Huisenhausen und in die Perücke hat nicht die Katze, das Schwein, hineingejungt, sondern die Mietz' "einikatzelt". Ahlsen macht aus der Krug-Beschreibung der Marthe eine Lehrstunde in Bayerischer Geschichte von der Sendlinger Mordnacht bis zur Erhebung Bayerns zum Königreich. Nicht ungeschickt! Batavia wird Griechenland, wo Otto, des ersten Ludwigs Bruder, nicht viel Fortune beschieden war.  Lerchenberg geht Kleist/Ahlers deftig krachert an, ohne sein Ensemble, das sich teils aus Absolventen seiner Sommerakademie für Mundarttheater zusammensetzt, in ein Salon-Bayrisch verfallen zu lassen, das so unangenehm in diversen Fernsehfilmen (Wambo etc.) auffällt. Wer dieses Bayrisch, dieses Dauchauerische, nicht versteht, der tut sich hart, denn sprachliche Kompromisse duldet Lerchenberg nicht, und daran tut er gut. Schon durch die Sprach' allein entsteht ein Ganzes, Rundes, Gutes. So sei auch gnädig hingenommen, dass dieses Winterstück an einem lauen Sommerabend und im Freien aufgeführt, nicht unbedingt für 'open air' prädestiniert ist.
Zu den Darstellern: Jörg Hube ist der windelweiche Sturschädel, der Hinterkünftige, der Hinterfotzige, der Bauernschlaue und der Kriminelle mit dem Charme des Ungenierten. Ein Adam aus dem Bilderbuch, ein Adam ganz im Kleist'schen Sinne!
Monika Baumgartner, nicht anders zu erwarten, ist eine Marthe voller Werve und Vehemenz, voll Penetranz, wie Kleist sie wollte.
Der Herr Gerichtsrat Walter (Norbert Mahler) ist ein Beamter ganz nach dem Geschmacke Ludwigs I., dynamisch, jugendlich, liberal. Das "Fränggische" hätte Mahler jedoch intensiver über müssen, mehr "hadde B's" und "waiche Ps", die hätten nicht geschadet, Allmächt'!
Ein Riesentalent ist Markus Baumeister. Er gestaltet den Rupert als schneidigen Bauernburschen, dem man allerdings nicht im Finstern begegnen möchte, wenn er grad wütend ist. Der (vermeintlich) Gehörnte, der Agrarier mit ökomisch-sparsamen Gesten, der schlummernde Vulkan, genauso schnell besänftigt wie aufgebracht: So muss ein Ruprecht (Rupert) sein. Verdammt präsent, der Kerl!
Stephanie Kellner ist eine Ev zum Verlieben. Da kann man den alten Adam schon verstehen, dass er bei dieser schmucken Dirn gern fensterln tät. Der Zwiespalt der Erpressten, die Sorge um den Liebsten, die Verzweiflung (aus der sich letztendlich die Komik des Stückes speist), die Angst um den guten Ruf, Stephanie Kellner bringt's überzeugend rüber.
Die beiden Mägde (Barbara Lackermeier und Barbara Lucia Bauer) zeichnet Lerchenberg mit Liebe zum Detail und gestaltet zwei witzige Charaktere: die eine himmelt den feinen Herren aus der Stadt unentwegt an (endlich mal Abwechsung hier im Kaff), die andere macht streng Dienst nach Vorschrift und wäre sicher als erste Mitglied der Gewerkschaft, würde je in Huisenhausen eine gegründet.
Etwas zu buffonesk gerät der Schreiber Licht. Thomas Birnstiel ist (noch) zu lausbubenhaft, als dass man ihm den "Luzifer" abnähme. Sprachlich bayrisch ist er tadellos, es fehlt eben eine Prise Intriganz, ganz zweifellos ein guter Darsteller, nur leider hier halt falsch besetzt.
Ein Knaller ist die Burgl, die Dorfratsch'n, die alles sieht und alles über jeden weiß, treffend besetzt mit Doris Buchrucker.
Der Veit von Wolfram Kunkel ist ganz der bäurische Typus, wortkarg, graud'aus, bodenständig, ehrlich.
Die Rolle des Boten gibt nicht allzuviel her, Jo Vollrath hat zum Glück nicht den Ehrgeiz, mehr aus ihr zu machen, als nötig.
Die Kostüme und das Bühnenbild hat Katja Salzbrenner entworfen: praktikabel, typisch, gut, da wird nicht überhochmetzt.
Bewundernswert an diesem "Krug" vor allem ist der Ensemble-Geist, das Miteinander, die nonverbale Kommunikation der Akteure untereinander. Jeder scheint den Text der Bühnenpartner zu beherrschen wie den eig'nen, ein Atem, eine Sprache, ein abgerundetes Ganzes. Die Pointen sind treffend gesetzt, zwei Stunden pralles Volkstheater, ein Sommer-Gaudium sind so garantiert. Zum Trost für die, die keine Karten mehr für den 'bairischen Krug' bekommen konnten, der Bayerische Rundfunk hat eine Aufzeichnung davon gemacht. Man darf gespannt auf den Vergleich von Bühne und Mattscheibe sein.
 
   
     

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Wir veröffentlichen unsere Meinung zu Themen, die unser Leben, auch unser Kulturleben, regional und überregional, betreffen.
Wir kommentieren Dinge des Zeitgeschehens, ob es sich um Politik oder Veranstaltungen aller Art handelt.
Wir verstehen unsere Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf nach unserer Meinung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten unsere Texte auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
 




 

 
 
 

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Letzte Aktualisierung: 13. Januar 2013

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