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    04.01.2010 - dradio.de

 

 

 

 

 

 

 
 

  

   
 

 

 
 

 

Gedanken

zur Zukunft der

Bayreuther Festspiele

 

Eine Denkschrift von Heribert  A. Bludau

I N H A L T S V E R Z E I C H I S

 

Vorwort 

Die Historie der Bayreuther Festspiele  

                                        
Die großen Jahre der Bayreuther Festspiele

Die Festspiele von 1951 bis 1972 

Die Gründung der Richard-Wagner-Stiftung 1973 

Die Festspiele von 1973 bis 1985 

Die Gründung der Bayreuther Festspiele GmbH 1985  

Die Festspiele von 1985 bis 1999 

                                         Ein rabenschwarzes Jahrzehnt

Die Festspiele von 2000 bis 2007 


Die Festspiele 2008 und 2009 und die Geschehnisse
um die Einsetzung einer neuen Festspielleitung 

                                        Ein Fall ins Bodenlose /
                                       Die Festspiele fest im Griff der Politik


Die Festspiele ab 2010 bis 2021  

 Jetzt ist kluges Handeln angesagt

Die Strukturen und die Finanzen unter dem nun strengeren Blick 
der Gesellschafter

Überlegungen zur Änderung der Stiftungssatzung auf Betreiben der Festspiele GmbH

Ein Blick in die nahe und mittelfristige Zukunft der Festspiele 

 

 

Vorwort

Ständig sind die Gedanken eines Menschen in Bewegung. Freude kommt auf, wenn sich eine angenehme Erinnerung einstellt. Sich „Gedanken machen“, das hört sich schon so an, als müsse man etwas neu durchdenken, eine Veränderung planen, etwas bisher Gewohntes bei Seite legen, Zeit gewinnen usw.  Wenn sich meine Gedanken, in denen die Kunstgattung Oper eine ganz große Rolle spielt, um das Werk Richard Wagners drehen, dann denke ich unwillkürlich an die Bayreuther Festspiele, an die ältesten Opernfestspiele der Welt, gegründet vom Komponisten Richard Wagner mit dem Ziel, in dem von ihm erbauten Opernhaus ausschließlich seine Werke aufzuführen. Sogar der Begriff Festspiele ist eine Wortschöpfung Wagners. Die Weiterführung dieser Festspiele über seinen Tod hinaus, sind das Verdienst seiner Nachfahren bis zu Wieland und Wolfgang Wagner. Spätestens seit 2007 habe ich allerdings Grund, mit großer Sorge an den Sinn und den Fortbestand der Bayreuther Festspiele zu denken, denn spätestens seit der „Meistersinger“-Inszenierung durch Katharina Wagner im Sommer des Jahres 2007 und an den plötzlichen Tod ihrer Mutter Gudrun, im November des gleichen Jahres, sowie dem sich erschreckend schnell verschlechternden Gesundheitszustand Wolfgang Wagners und damit einhergehend der schwindenden Befähigung, die Festspiele weiter leiten zu können, seit diesem Zeitpunkt geriet das ganze, bisher so geordnete Unternehmen Festspiele arg ins Wanken.

Es war der Zeitpunkt gekommen, der allen Beteiligten klar machte, es muss jetzt sehr schnell ein neuer fähiger Festspielleiter die Verantwortung übernehmen, um einen künstlerischen Neuanfang einzuleiten.

 

Als ich – gerade mal 33jährig – an zwei aufeinander folgenden Tagen im Juli 1971 die Bayreuther Festspiele kennenlernte, war ich schon seit 14 Jahren Mitarbeiter der Kölner Oper (im technischen Bereich). Die Begeisterung für die klassische Musik, besonders aber für die Oper, hatte schon mein Vater in mir geweckt. Knapp ein Jahr nach dem Abschluss meiner Berufsausbildung zum Industrie-Starkstromelektriker begann ich meine Tätigkeit bei der Kölner Oper (im gerade eröffneten neuen Opernhaus am Offenbachplatz) als Betriebselektriker im Bereich Instandhaltung, Bedienung der elektrischen Antriebe im Bühnenbereich, gelegentlich auch als Aushilfe in der Beleuchtungsabteilung. Ich hatte also meinen Beruf mit meiner Liebe zur Oper sinnvoll verbinden können.

Selbstverständlich lernte ich neben den ungezählten speziellen Tätigkeiten und Besonderheiten, die an einem Theater zur täglichen Routine gehören auch alle die Opern und Operetten kennen, die auf dem (damals noch sehr abwechslungsreichen) Spielplan standen. In machen dieser Stücke spielte ja auch die Bühnentechnik eine mitgestaltende Rolle.

Richard Wagners Opern lernte ich (bis auf „Tristan und Isolde“) alle kennen. Von ganz besonderer Bedeutung war dabei die durch Wieland Wagner in den Jahren 1962/63 erfolgte Inszenierung des „Ring des Nibelungen“. Wie ich später erfuhr, bildete diese (als inoffizielle Generalprobe deklarierte) Inszenierung die Grundlage für Wieland Wagners zweiten (und letzten) Ring in Bayreuth.

Bayreuth kannte ich bisher nur durch die Rundfunkübertragungen der Premieren-Vorstellung, durch Erzählungen verschiedener Kollegen aus dem technischen Bereich, die jedes Jahr zum Ende August von ihrer (freiwilligen) Mitwirkung bei den Festspielen zurück kehrten, sowie aus gelegentlichen Gesprächen mit Orchester- oder Chormitgliedern oder auch mit Solisten, die in Bayreuth dabei waren. Manchmal berichtete im Kino auch die Wochenschau über die Eröffnung der Bayreuther Festspiele.

Als ich mich nun am Vormittag des 19. Juli 1971 beim Ostpförtner des Festspielhauses nach einem bestimmten Kölner Kollegen erkundigte, der mir versprochen hatte, mir den Betrieb einmal zu zeigen, ahnte ich nicht, wie beeindruckend die nächsten Stunden auf mich einwirken würden. Man zeigte mir den ganzen Betrieb, das Bühnenhaus mit der Elektromotorik, die sehr umfangreiche Bühnenbeleuchtungsanlage, das Zuschauerhaus, den Zuschauerraum, den Orchestergraben (dieses Wunderwerk) sowie die Werkstätten und die Probebühnen. Kurz alles, was für den reibungslosen Proben- und Vorstellungsablauf von Bedeutung war. Man stellte mich auch einigen wichtigen Personen im Hause vor und gestattete mir, einer „Rheingold“-Bühnenprobe mit Orchester, Beleuchtung, in Kostüm und Maske auf der Bühne beizuwohnen. Ehe ich das Haus verließ überreichte man mir zwei Generalprobenkarten für die am nächsten Tage stattfindende „Lohengrin“-Generalprobe.

Am nächsten Tage erlebte ich also zusammen mit meiner Frau, in der 6. Reihe sitzend, erstmals eine Aufführung in Bayreuth als Zuschauer und Zuhörer. Die unglaublich tolle Akustik und die Wirkung der, den gesamten Bühnenraum nutzenden Bühnenbilder, war sehr beeindruckend.

Die Eindrücke der beiden Tage, zusammengefasst: Ich war einfach begeistert vom gesamten Betrieb, der in einer positiven Stimmung schnell und reibungslos ablief. Man spürte überall die Begeisterung, mit der das gesamte Personal hier zu Werke ging. Die Generalprobe vermittelte mir, warum so viele Freunde der Wagnerschen Werke, diese immer wieder in  Bayreuth erleben wollten. Und dann, von einem Moment zum anderen verspürte ich den Wunsch, auch hier arbeiten zu können, auch wenn ich mir momentan noch nicht vorstellen konnte, wie ich das bewerkstelligen könnte.

Doch die Verwirklichung dieses Wunsches erfolgte schneller als gedacht. Im Herbst sprach mich der Kölner Beleuchtungschef Kurt Winter, der diese Funktion seit einigen Jahren auch in Bayreuth erfüllte und der meinen Besuch im Festspielhaus mitbekommen hatte an und fragte mich, ob ich eventuell Interesse daran hätte, im nächsten Sommer mal in Bayreuth in der Beleuchtungsabteilung mitzuarbeiten. Meine Antwort lautete: selbstverständlich! 1972 war ich dann zehn Wochen in Bayreuth und zu Beginn des Jahres 1973 wechselte ich als festangestellter Elektromaschinenmeister zu den Bayreuther Festspielen.

Zum Ende der Spielzeit 1981 verließ ich die Festspiele aus ganz persönlichen Gründen und schweren Herzens und ging in die freie Wirtschaft zu einem süddeutschen Großverlag nach München. Bayreuth jedoch blieb ich eng verbunden, dem Hause, Wolfgang und Gudrun Wagner, meinen früheren Mitarbeitern und dem ganzen Betrieb dort. Ich besuchte in den nächsten 22 Jahren zahlreiche Generalproben und Vorstellungen. Und immer wieder war eine solche Vorstellung ein überwältigendes Erlebnis, denn jede Aufführung dort ist einzigartig. Bayreuth wurde also in den Jahren nach der Wiedereröffnung der Festspiele nach dem II. Weltkrieg im Jahre 1951 zur wichtigsten und authentischsten Aufführungsstätte der Werke Richard Wagners.

Immer wenn ich seit dem Beginn der 1960er Jahre irgendwann und irgendwo etwas hörte, wobei es sich um eine Aufführung der Bayreuther Festspiele handelte, wurde ich ganz aufmerksam, hörte genau hin und machte mir über dieses – mir so perfekt erscheinende Theater meine Gedanken. Und nun bin ich an einem Punkt angekommen, an dem mich diese Gedanken nicht mehr loslassen, weil ich mehr als besorgt bin um eine positive Zukunft der Bayreuther Festspiele.

Der hier entstandene Beitrag mit dem Titel „Gedanken zur Zukunft der Bayreuther Festspiele“ baut ja auf  Vergangenem auf. Er zieht Lehren aus schweren Fehlern, aus absichtlich der Zerstörung dienenden Entscheidungen der damals Verantwortlichen, ja sogar aus den Verstößen gegen geltende Satzungen (mit Gesetzeskraft), denn ab dem Herbst 2007 wurden die Bayreuther Festspiele zum Spielball der Politiker und Geldgeber. Von einem dringend erforderlichen künstlerischen Neuanfang war ab diesem Zeitpunkt gar keine Rede mehr.

Aktueller Anlass, sich noch ernstere Gedanken um den Fortbestand der Festspiele zu machen, ist die Missachtung, der durch unkorrekte Vorabsprachen 2008 ins Amt beförderten Festspielleitung, die den ihr (laut Stiftungssatzung) erteilten Auftrag nach

§2 / Sitzungszweck nicht erfüllt. Ferner die Art und Qualität der Aufführungen, die beängstigend sinkende Nachfrage nach Eintrittskarten, die in astronomische Höhen geschraubten Eintrittspreise und der im Frühjahr und Sommer 2021 erneut gestartete Anlauf, nun ernsthaft über Änderungen der Stiftungssatzung der Richard-Wagner-Stiftumg nachzudenken., sind Anlass genug über die Zukunft dieser bedeutenden Opernfestspiele nachzudenken.


Die Historie der Bayreuther Festspiele

Erste Ideen Richard Wagners, ein eigenes Theater zu bauen in dem er seine Musikdramen hätte aufführen wollen sind schon aus dem Jahre 1850 bekannt, einem Zeitpunkt, als die Komposition des „Ring des Nibelungen“ noch in den Anfängen schlummerte. Dieses Theater zu errichten ist ihm in Bayreuth gelungen, nachdem zuerst in München ein Bauplatz für ihn reserviert war.  Mit der Aufführung seiner Werke wurde er zum Begründer der „Bayreuther Festspiele“.

Er selbst konnte sie zu seinen Lebzeiten nur zweimal veranstalten, im Jahre ihrer Gründung 1876, als sein „Ring des Nibelungen“ erstmals komplett aufgeführt wurde und 1882 zur Uraufführung seines letzten Werkes, dem Bühnenweihfestspiel „Parsifal“. Unter dem Namen „Bayreuther Festspiele“ haben seine Nachfahren, angefangen bei seiner Witwe Cosima, über seinen Sohn Siegfried, dessen Ehefrau Winifred, bis hin zu den Enkeln Wieland und Wolfgang die Festspiele als Festspielleiter bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts geführt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Bayreuther Festspiele bis zum Ende des 19. und in den ersten 50 Jahren des 20. Jahrhunderts – auch bedingt durch zwei Weltkriege - nicht zuletzt aber auch aus finanziellen Gründen, nicht jedes Jahr durchgeführt werden konnten. Deshalb wurden sie seit ihrer Gründung (als förderungswürdig eingestuft) finanziell unterstützt. Heute jedoch sind ihre Hauptfinanzierer die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern, die Stadt Bayreuth und der Förderverein „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V.“.

Wagners Sohn Siegfried und seine Frau Winifred haben aber bereits zum Ende der 1920er Jahre den Grundstock zur Sicherung des wertvollen Erbes gelegt. Sie erschienen  im Jahre 1929 vor einem Bayreuther Notar und sorgten in einem gemeinschaftlichen Testament für den Weiterbestand der Festspiele  und für die Unveräußerlichkeit des Festspielhauses.                    

Weltgeltung erlangten die Bayreuther Festspiele ab der Wiedereröffnung nach dem Ende des II. Weltkrieges im Jahre 1951. Besonders die Inszenierungen Wieland Wagners, der 1966 mit nur 49 Jahren starb, revolutionierten den gesamten  Aufführungs-stil der Wagnerschen Musikdramen.

Aber auch Wielands Bruder Wolfgang, der die Festspiele ab 1966 allein weiterführte, erledigte dies souverän im Sinne der Familientradition mit großem Geschick, Führungs- und Begeisterungsfähigkeit und der Verpflichtung bedeutender Solisten, Regisseure und Bühnenbildner. Die Aufführungen waren Gesamtkunstwerke, sie galten als mustergültig und sie besaßen den Nimbus der „Einzigartigkeit“ bei den Besuchern.

Die Festspiele waren immer noch ein Privatunternehmen, seit sie 1951 erstmals nach dem Ende des II.Weltkrieges wieder stattfinden konnten. Seit diesem Zeitpunkt erhielten sie feste Zuschüsse der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaates Bayern, der Stadt Bayreuth und seit seiner Gründung im Jahre 1949 – auch vom Förderverein Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V.

Einen weiteren Schritt in Richtung Sicherung des ideellen und materiellen Familienerbes gingen die Nachfahren Siegfried und Winifred Wagners, die Zweige der vier Familien Wieland-, Wolfgang-, Friedelind- und Verena Wagner, indem sie das Familienvermögen 1973 in eine „rechtsfähige öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts“  überführten. Wichtigste Bestandteile der Stiftungssatzung sind die §§6 und 8, in ihnen geht es um die Aufteilung der Stimmen im Stiftungsrat, um die Wahl des Festspielleiters und um die Vermietung des Festspielhauses an den gewählten Festspielleiter. Der Umgang mit der Stiftungsurkunde und der Satzung, ihre Nichtanwendung , bzw. ihr Missbrauch, ist Thema des zweiten Teiles dieser Aus-arbeitung. Um es noch einmal deutlich zu machen: Die Nachfahren der Eheleute Siegfried und Winifred Wagner, Wieland-, Friedelind-, Wolfgang-, und Verena Wagner-Theater sind die Stifterfamilien. Wer sein Vermögen in eine Stiftung einbringt, vertraut den Verantwortlichen der Stiftung, dass sie dieses Vermögen – wie in der Stiftungssatzung ausgeführt – verwaltet. Der Text der Stiftungssatzung hat Gesetzeskraft, die Satzung drückt den Stifterwillen aus. In der Stiftungssatzung der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth bleiben den Stifterfamilien noch ganz bestimmte Rechte erhalten.

In diesem Zusammenhang ist von einiger Wichtigkeit die Kenntnisnahme desse, dass Wolfgang Wagner 1976 eine zweite Ehe mit Gudrun Mack, geb. Armann einging, aus der die 1978 geborene Tochter Katharina hervorging.

Die Einzigartigkeit der Aufführungen blieb erhalten bis ungefähr zur Jahrtausendwende. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich innerhalb eines Jahrzehnts bei den Festspielen fast alles, das Meiste nicht zu ihrem Vorteil.  

In den kommenden Abschnitten geht es jetzt darum, einerseits die großen Erfolge aufzuzeigen, die sich aus den ab 1951 geschaffenen Inszenierungen ergaben, andererseits aber auch die Veränderungen zu beobachten, die – vorbereitend, schleichend und zuerst nicht bemerkt - letztendlich ab 2008 alles so großartig Erarbeitete zunichte machten.

Die Festspiele von 1951 bis 1972

Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches zum Ende des von den Nationalsozialisten begonnenen II. Weltkrieges konnten auch zunächst ab 1945 keine Festspiele mehr veranstaltet werden. Einerseits war das Festspielhaus von der amerikanischen Besatzungsmacht beschlagnahmt worden und diente zunächst als Unterhaltungsbühne zur Betreuung der amerikanischen Truppen. Andererseits wurden schwere Vorwürfe gegen die Familie Wagner erhoben, mit den Größen der Reichsregierung eng verbandelt gewesen zu sein. Adolf Hitler war von 1933 bis 1940 ständiger Festspielgast. Er wohnte stets im Siegfried-Wagner-Haus und ging in Wahnfried ein und aus. Winifred Wagner musste sich deshalb 1949 vor dem Entnazifizierungsausschuss verantworten. Unter der Bedingung, dass sie die Festspielleitung niederlegt diese ihren Söhnen Wieland und Wolfgang überträgt, bekam die Familie 1950 wieder das Recht zugestanden, Festspiele zu veranstalten.

 

Bis zu den ersten Festspielen der Nachkriegszeit war es ein dorniger Weg. Es fehlte ein künstlerisches Konzept und es fehlte Geld, viel Geld. Nun betrieben die Brüder Aufgabenteilung, jeder setzte seine Stärken entsprechend ein. Wieland Wagner hatte die künstlerische Leitung übernommen, Bruder Wolfgang war für die Organisation und für`s Geld verantwortlich. Wieland, der zum Kriegsende mit seiner Familie bei seiner Schwester Verena am Bodensee untergekommen war, durfte erst Jahre später wieder nach Bayern einreisen. Er schmiedete mit seiner Frau  Gertrud während ihrer „Verbannung“ - handfeste Pläne, wie man des Großvaters Werke nach der Wiedereröffnung der Festspiele (der neuen Zeit angepasst) inszenieren könnte. Wolfgang reiste durch die Lande und sammelte erfolgreich Geld ein. Als zum Schluss noch ein stattlicher Batzen fehlte, trat der Deutsche Gewerkschaftsbund auf den Plan und stellte die nicht unbeträchtliche Fehlsumme zur Verfügung. Die Gewerkschaft erhielt zum Dank in den späteren Jahren jährlich zwei komplett reservierte Vorstellungen (zu günstigeren Konditionen).

 

So konnten man nun Ende 1949 die Planungen für die ersten Nachkriegsfestspiele im Jahre 1951 beginnen, wobei man wirklich bei Null anfangen musste, denn es fehlte an allem. Als dann im Juli 1951 die schwarzen Limousinen wieder den Hügel hinauf rollten, wurden die Besucher mit einer Neuinszenierung des „Parsifal“ derart überrascht, so dass weite Teile des Publikums die revolutionäre Inszenierung lautstark ablehnten. Und genau diese Inszenierung (auf leergefegter Bühne) - das Bühnenbild bestand nur aus wenigen Stoffhängern mit dezentem Licht beleuchtet – stiftete riesige Verwirrung. Eine ausgefeilte Regie und der Einsatz

 

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des „neu erfundenen Sänger-Darstellers“, ließen aber bald alles Vergangene vergessen. Wieland Wagner wurde in den kommenden Jahren zum erfolgreichsten Regisseur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Niemand hätte damals gedacht, dass seine „Parsifal“-Inszenierung 23 Jahre hintereinander (bis 1973) auf dem Spielplan bleiben würde. Ich selbst hatte das Vergnügen, in den Jahren 1972 und 1973 daran mitarbeiten zu dürfen. Der Neustart war gelungen. Die Brüder Wagner hatten überall in den Gebäuden Plakate aufgehängt, auf denen sie mit dem Spruch … „hier gilts der Kunst“  darum baten, auf dem gesamten Festspielgelände von der Führung politischer Gespräche Abstand zu nehmen. Dadurch wurde „die braune Vergangenheit“ weitgehend ausgeblendet.

 

In den kommenden Jahren inszenierten die Brüder Wagner immer abwechselnd – so war es vereinbart worden – wobei Wieland mit seinen Regie-Einfällen stets der große Erneuerer war, der die szenische Entrümpelung Bayreuths fortsetzte, Bruder Wolfgang dagegen wartete bei seinen Inszenierungen vorwiegend mit Nachahmungen seines genialen Bruders auf.

 

Was die Instandhaltung und notwendige Sanierungen des Festspielhauses angeht, das 1951 immerhin fast 75 Jahre alt war, ist zu sagen, dass in den voran gegangenen Jahrzehnten immer nur das gerade Notwendige durchgeführt wurde und dass nach dem II. Weltkrieg mit umfangreichen Reparaturen oder Teilerneuerungen begonnen wurde. Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth übernahm  ab 1952 die Kosten für die Instandhaltung, Erneuerung oder zusätzliche Baumaßnahmen. Eine der aufwendigsten Arbeiten in diesem Rahmen war (immer in der Winterzeit der Jahre 1964/65/66) der Ausbau der gesamten Holzkonstruktion der Arbeitsgalerien und des Schnürbodens, der Abriss der seitlichen Bühnenhauswände, deren Neuaufbau auf beiden Seiten jeweils um 2 m nach außen versetzt und in Betonfachwerk ausgeführt, sowie der Aufbau der gesamten neuen Bühnentechnik in einer Metallkonstruktion und die Montage eines neuen Stahldaches auf das Bühnenhaus. Auch wenn im Folgenden nicht jedes Jahr die durchgeführten Sanierungen einzeln erwähnt werden, so wurden trotzdem in jedem Winterhalbjahr Teile der Gebäude saniert, erneuert oder neue Gebäude (z.B. Probebühnen usw.) hinzugefügt.

 

Die Jahre ab 1952 bis einschließlich 1966 waren die „ganz großen“ Jahre der Bayreuther Festspiele. Die Besetzungen der Solopartien waren einfach einzigartig. Die berühmtesten Dirigenten kamen nach Bayreuth und wenn Bayreuth rief, dann war es eine Ehre mit den anderen Größen des Fachs gemeinsam diese einzigartigen Vorstellungen abzuliefern. Das Orchester erlangte Weltruhm und der Festspielchor (bis 1971 von Wilhelm Pitz geleitet) bleibt bis heute unübertroffen.

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Eine Ära endete am 17. Okt.1966 als Wieland Wagner im Alter von nur 49 Jahren starb. Sein Bruder Wolfgang war nun alleiniger Festspielleiter – so war es vereinbart. Wolfgang Wagner wurde ein guter Festspielleiter, ein Meister der Organisation, ein immer ansprechbarer „Vater“ des Unternehmens, solide, zuverlässig, der Kunst verpflichtet. Ab 1969 setzte er auch auswärtige

Regisseure ein, was von allen Kennern ausdrücklich anerkannt wurde.

 

Man weiß heute, mit welcher Sorgfalt und Werkkenntnis Wolfgang Wagner die Regisseure auswählte, ihre Konzepte prüfte, und in wenigen Fällen auch von einer Verpflichtung wieder ab rückte, wenn ihm das Regiekonzept nicht zusagte. Er erkannte, dass sich der Inszenierungsstil änderte und er suchte Regisseure, die diese Richtung einschlugen ohne das Werk zu beschädigen.

 

Den Anfang dieser Neuerung machte August Everding mit einer Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ 1969. Götz Friedrich setzte dies fort mit einer „Tannhäuser“-Inszenierung im Jahre 1972. Ich möchte objektiv urteilen und die ebenfalls einzigartigen Festspiele nach Wieland Wagner in die Kategorie der „großen“ Jahre einstufen und diese Festlegung bis mindestens zum Ende des Jahrhunderts gelten lassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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                               Die Gründung der Richard-Wagner-Stiftung 1973

 

Die Idee, die Bayreuther Festspiele in eine Stiftung einzubringen, wurde schon zu Lebzeiten Richard Wagners diskutiert. Auch Siegfried Wagner hatte sie im zweiten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts wieder aufgegriffen. Grundgedanke bei diesen Erörterungen war stets die Erkenntnis, dass die Festspiele nicht mit dem Familienvermögen der Wagners allein betrieben werden können. Stets fanden sich immer wieder Förderer, die die fehlenden Summen zuschossen, aber dies alles hatte keine Regelmäßigkeit, so dass auch nicht jährlich Festspiele stattfinden konnten.

Eine Art Zwischensicherung stellte das gemeinschaftliche Testament von Siegfried und Winifred Wagner dar, welches im Jahre 1929 abgeschlossen wurde und in dem die Erbfolge festgelegt wurde, für den Fall des Todes der beiden Ehegatten. Ferner wurde festgelegt, dass das Festspielhaus nicht verkauft werden darf und dass es einzig der festlichen Aufführung der Werke Richard Wagners dienen soll, so wie es sein Erbauer einst festgelegt hatte.

Das Thema Stiftung war auch in den 1960er Jahren wieder Gegenstand ernsthafter Überlegungen. Nach Wieland Wagners Tod im Jahre 1967 wurden die Bemühungen, das materielle und das ideelle Familienerbe in eine Stiftung einzubringen, wieder aufgenommen. 1969 begannen sich diese Planungen zu konkretisieren, man suchte Mitstifter, Förderer, Zuschussgeber und Garanten und entwarf eine Stiftungssatzung, die in den folgenden Jahren immer wieder den aktuellen Bedürfnissen angepasst wurde. Im Frühjahr 1973 wurden diese Verhandlungen, die seitens der Familie Wagner von Wolfgang Wagner und seiner Mutter Winifred, in enger Abstimmung  mit  den  drei  weiteren  Familienzweigen geführt wurden, abgeschlossen. Nach  Unterzeichnung  der Stiftungsurkunde  trat  am 2. Mai 1973 die zukünftige Stiftung mit dem Namen Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth, das Erbe der Familie Wagner an. Bei dieser Stiftung handelt es sich um eine rechtsfähige öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechtes mit Sitz in Bayreuth. Die Stiftungssatzung drückt den Stifterwillen aus! Die Stiftungssatzung hat Gesetzeskraft.

Eine Wiedergabe der Stiftungssatzung oder eine zumindest umfangreiche Beschreibung der einzelnen Bestandteile des Erbgutes, der Zuteilung des Erbes auf verschiedene Verwalter oder Nutzer ist hier nicht nötig. Es reicht der Hinweis, dass in diesem Dokument auch die Nutzung des Hauses Wahnfried einschließlich seiner Nebengebäude, die Überlassung des Richard-Wagner-archivs, einschließlich Bibliothek und Zubehör enthalten sind. Ferner wird verfügt, dass das Richard-Wagner-Archiv und das Haus Wahnfried der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen, was im Falle des Hauses Wahnfried ja mit der Umwandlung in ein Richard-Wagner-Museum längst geschehen ist.

 

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Wissen sollte man, dass die Stiftung laut §4 zwei Organe hat, den Vorstand und den Stiftungsrat. Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern. Erster Vorsand ist (als Vertreter des Landes Bayern), der Regierungspräsident von Oberfranken, zweiter Vorstand eine Person in Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, zu delegieren vom Staatsminister für Kunst und Medien, der dritte Vorstand ist (wenn der Festspielleiter ein Mitglied der Familie Wagner ist), eben dieser Festspielleiter. Die normalen Geschäfte der Stiftung erledigt der Geschäftsführer nach §7, es ist dies der Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth.

Wichtig sind  §6 und §8. Der §6  bestimmt, dass der Festspielleiter (entsprechend den Anordnungen des §8) vom Stiftungsrat gewählt wird. Im §6  ist auch festgelegt, wie die 24 Sitze im Stiftungsrat verteilt sind und wie viel Stimmen auf die einzelnen Gruppierungen im Stiftungsrat entfallen:    

                    5  Stimmen entfallen auf die Bundesrepublik Deutschland

                    5        „        erhält der Freistaat Bayern

                    2        „        hat die Stadt Bayreuth              

                    2        „        entfallen auf die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V.

                    2        „        erhält die Oberfrankenstiftung

                    2        „        bekommt der Bezirk Oberfranken

                    2        „        hat die Bayerische Landesstiftung

                    4        „        entfallen auf die vier Zweige der Familie Wagner

 

Im §8 ist beschrieben, wie der Stiftungsrat den Festspielleiter wählt, dem – wenn er das Amt annimmt – das Festspielhaus vermietet wird – sinnvollerweise für die Dauer seines Festspielleiter-Vertrages.

Über die Anwendung der §6 und 8 wird im Verlaufe meines Berichtes noch zu reden sein.

Für das festangestellte Personal der Festspiele hatte der Übergang des Familienunternehmens Festspiele in die Stiftung den Vorteil, dass ihr Arbeitgeber nun die Löhne und Gehälter den Tarifen des Öffentlichen Dienstes entsprechen müssen.

 

 

 

 

 

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                                            Die Festspiele von 1973 bis 1985

 

Im Jahre 1973 gab es keine Neuinszenierung und die „Parsifal“-Inszenierung von Wieland Wagner aus dem Jahre 1951 stand letztmals auf dem Spielplan. Keine Inszenierung in Bayreuth wurde jemals so lange und so oft gespielt – 101 mal!

1974 erschien wieder August Everding als Regisseur einer neuen Inszenierung von „Tristan und Isolde“. Besondere Beachtung wurde dem Dirigenten geschenkt: Carlos Kleiber dirigierte erstmals bei den Bayreuther Festspielen.

Gespannt war man auf die 1975 erscheinende „Parsifal“-Neuinszenierung durch Wolfgang Wagner. Nach Wieland Wagners Dauerinszenierung in einer neuen, bis dahin nicht bekannten Bühnenausstattung, die weltweit höchste Anerkennung gefunden hatte, musste Wolfgang Wagner jetzt ja eine ganz andere Bühnenfassung finden. Und, siehe da, die Inszenierung war sehr gut gelungen, im 1. und 3. Akt ein sehr naturalistisches Bühnenbild, eine sehr schöne offene Verwandlung zu den beiden Gralsszenen und auch Klingsors Zaubergarten von vollendeter Schönheit. Zusammen mit einer guten Solisten-Besetzung (Rene Kollo in der Titelrolle) mitreißenden Chören und einem großartig spielenden Orchester – alles unter der Leitung von Hans Zender, da war der Erfolg garantiert.

 

Und dann wurde es spannend: Nach Protesten – schon vor der Premiere, danach sogar in ganz fanatischer Form – erschien zum 100. Jubiläum der Bayreuther Festspiele 1976 die später so berühmt gewordene „Ring“-Inszenierung durch Patrice Chereau, mit Pierre Boulez am Dirigentenpult. Da mit dem Bau der komplizierten Bühnenbilder erst im Januar 1976 begonnen werden konnte und weil auch viele Teile in Filmstudio-Werkstätten in Rom gebaut und per LKW nach Bayreuth transportiert und dann erst bühnentauglich hergerichtet werden mussten, war das ganze Jahr bis zum Premierentag, am 25. Juli eine äußerst anstrengende Zeit. Auch die szenischen Proben erforderten mehr Zeit als bei den „Ring“-Inszenierungen der vergangenen Jahre.

Presse und Besucher waren in Zustimmung und Ablehnung der Inszenierung gespalten. Fast täglich gab es laute Proteste, ja sogar Bedrohungen des Regisseurs. Da verschiedene Bilder konzeptionell nicht ausgereift waren, wurden zu den nächstjährigen Festspielen umfangreiche Umbauten bzw. Neubauten  notwendig,, die auch große Teile der Regie verändern sollten.

 

Das Jahr 1976 hielt aber noch eine einschneidende Änderung bereit, die große Auswirkungen auf die gesamte Geschichte der Festspiele erhalten sollte. Wolfgang Wagner ließ sich von seiner ersten Frau Ellen scheiden und heiratete wenige Wochen später Gudrun Mack, geb Armann, eine Mitarbeiterin aus der Presseabteilung der Festspiele, 25 Jahre  jünger als er selbst. Diese neue

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Verbindung sollte weitreichende Veränderungen bei den Festspielen hervorrufen, die gewaltige Auswirkungen auf die Strukturen des Unternehmens, auf die Einstellung zur Nachfolge für Wolfgang Wagner (irgendwann in der Zukunft) haben sollte und die ab einem noch nicht zu benennenden Datum, das gesamte Gefüge der Festspiele in ernste Turbulenzen versetzen würde.

 

Zum Jahr 1977:  Im Frühjahr  wurde nach einer umfassenden Bauprobe mit den schon erwähnten Umbauten oder Neubauten für den Ring begonnen, die auch zeitig zum Probenbeginn fertig wurden. Die „Ring“-Fassung von 1977 , die bis 1980 auf dem Spielplan blieb, war die endgültige, die in die Geschichtsbücher der Festspiele einging. In den Jahren 1979 und 1980 wurde der „Ring“ fürs Fernsehen aufgezeichnet. Später war er auch auf DVD erhältlich. Auch heute noch spricht man vom Jahrhundertring. Der Schlussapplaus nach der letzten Götterdämmerung dauerte fast eineinhalb Stunden und 106 Vorhänge. Er ging ein ins Buch der Rekorde, ich war selbst dabei!

 

Auch eine der berühmt gewordenen Inszenierungen war „Der fliegende Holländer“ in der Regie von Harry Kupfer mit dem Bühnenbild von  Peter Sykora im Jahre 1978.  Großes Theater mit sehr bewegter Personenführung durch den Regisseur. Auch die äußerst leise funktionierende Bühnentechnik sorgte für Verwandlungen bei offenem Vorhang, die vom Publikum als sehr angenehm empfunden wurden.

Im Jahre 1979 dann die zweite Regie-Leistung von Götz Friedrich in Bayreuth mit „Lohengrin“. In der Hauptrolle glänzte Peter Hofmann. Ein fantasievolles, aber abstraktes Bühnenbild dazu lieferte der bekannte Bildhauer und Maler Günther Uecker.  Dieser Bühnenbildner (auch bekannt als der „Nagel-Ücker“) gestaltete das ganze Bühnenbild aus lauter Nägeln.   

Im Jahre 1980 gab es keine Neuinszenierung, dafür aber im darauf folgenden Jahre 1981 gleich zwei. Premieren-Vorstellung war „Tristan und Isolde“, Regie, Bühnenbild und Kostüme: Jean Pierre Ponnelle, der erstmals in Bayreuth arbeitete. Wer Ponnelle-Inszenierungen schon z.B. in Köln oder in München gesehen hatte wusste, was ihn in Bayreuth erwartete. Genaue Einhaltung der Anweisungen Richard Wagners, fantasievolle Bühnenbilder, schöne Kostüme und eine interessante Personenführung. Da war der große Applaus schon vorprogrammiert. Den Tristan sang übrigens Rene Kollo.

Die zweite Neuinszenierung besorgte Wolfgang Wagner selbst. „Die Meistersinger von Nürnberg“, eine Inszenierung wie aus einem Guss, Bühnenbild und Kostüme: volkstümlich - fränkisch. Siegfried Jerusalem als Walther von Stolzing, Bernd Weikl als Hans Sachs und Hermann Prey als Beckmesser versprachen großes Theater. Bayreuth also weiterhin auf der Höhe der Zeit. Die 1980er Jahre versprachen ein gutes Jahrzehnt für die Festspiele zu werden.

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Götz Friedrich erhielt für 1982 nochmals einen Regieauftrag, er inszenierte den „Parsifal“ neu. Das Bühnenbild schuf Andreas Reinhardt. Die Hauptrolle sang Peter Hofmann, in Bayreuth schon in den Partien Siegmund und Lohengrin erprobt. Gegen anfängliche Widerstände: Simon Eastes als Amfortas. Erstmals am Dirigentenpult: James Levine, ein Klangfetischist und ein Freund langsamer Tempis. Ein Ohrenschmaus! Levine sollte 18 Jahre in Bayreuth bleiben.

 

Und dann kam 1983  – nach schon im Jahre 1980 begonnenen Vorsingen – ein mit großen Vorschusslorbeeren versehener „Ring des Nibelungen“ - Regie Peter Hall, Bühnenbild Williard Dudley, Dirigent Georg Solti. Um diesen Dirigenten mal in Bayreuth einzusetzen zu können, hatten sich Wieland und Wolfgang Wagner (wie behauptet wurde) schon 30 Jahre lang bemüht. Die Erwartungen waren hoch, denn die Ringeinspielung von Georg Solti aus dem Jahre 1960 (mit allen damals besten Wagner-Interpreten und erstmals in Stereo) galt als beste Schallplattenaufnahme des „Ringes“, die seinerzeit auf dem Markt war.

Entsprechend groß jedoch war die Enttäuschung, denn das Ergebnis hatte Mängel auf vielen Ebenen. Der Dirigent, auf dessen Vermittlung auch der Regisseur verpflichtet worden war, kam nicht mit dem Orchester zurecht. Die andere Sitzordnung bereite ihm Probleme. Die Probenatmosphäre zwischen ihm und dem Orchester war stets angespannt. Der erwartete Klang stellte sich nicht ein. Außerdem stimmte die Chemie zwischen ihm und Wolfgang Wagner nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr. Georg Solti war mit nichts zufrieden zu stellen. Die sehr schönen, aber technisch aufwändigen Bühnenbilder bereiteten schon in den Proben zahlreiche Schwierigkeiten. Nur zwei Beispiele: Bei Effekten, bei denen Wasserdampf eingesetzt wurde und beim Betrieb der hydraulischen Anlagen waren immer wieder Zischgeräuche zu hören, was allerdings ab dem zweiten Jahr behoben war.  Oder, im Siegfried sollte die Erda der Wurzel eines Baumes entsteigen, wenn dieser etwas aus dem Boden hoch gezogen wurde. Richtig geklappt hat das nie, dieser Effekt wurde ab dem zweiten Spieljahr fallen gelassen.

 

Unregelmäßigkeiten gab es auch im Umgang mit dem Regisseur. Ein großer Mangel war, dass er die deutsche Sprache nicht beherrschte (obwohl er deren Erlernung beim Vertragsabschluss zugesagt hatte). Einzig der Bühnenbildner William Dudley, erfüllte die an ihn gestellten Erwartungen. Peter Hall kam zwar im zweiten Aufführungsjahr nochmals wieder, ließ sich aber für den Rest der Produktion von einem Regieassistenten vertreten. Die verpflichteten Solisten waren mit einer Ausnahme erste Wahl, nur Rainer Goldberg, der den Siegfried sang, hat nicht alle Vorstellungen durchgehalten und wurde durch Manfred Jung ersetzt, der ebenfalls in der Produktion blieb bis sie nach vier Jahren abgesetzt wurde.

Schade, dass dieser „Ring“ nicht fürs Fernsehen oder für die Herstellung von DVDs aufgezeichnet wurde.                                                                                                                                 - 16 -

 

Mir persönlich hat dieser „Ring“ sehr gut gefallen, sah man in ihm doch so leichte Anklänge an Wieland Wagners Ins-zenierungen. Ich habe die Ring“-Produktion, die mit so großen Erwartungen gestartet war deshalb ausführlicher beschrieben, um

zu zeigen, wie professionell in Bayreuth gearbeitet wurde und wie sehr der Festspielleiter Wolfgang Wagner Herr der Situation war.

 

Das Jahr 1984 war mal wieder ohne Neuinszenierung, da jetzt Verbesserungen an der Vorjahres-Inszenierung durchgeführt wurden. Georg Solti sagte im Mai 1984 seine weitere Mitarbeit in Bayreuth ebenfalls ab. Man kam überein, diese mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Dirigenten zu begründen. Die Inszenierung blieb nur vier Jahre auf dem Spielplan. Vom zweiten bis zum vierten Jahr dirigierte Peter Schneider (schon in Bayreuth bekannt) die „Ring“-Vorstellungen.

 

Im darauf folgenden Jahr, also 1985 inszenierte Wolfgang Wagner den „Tannhäuser“ neu. Erstmals am Dirigentenpult stand Giuseppe Sinopoli, ein Italiener, der in den folgenden Jahren zum Festbestand der Dirigenten zählte. Die Elisabeth sang in dieser Inszenierung erstmals die damals 29 Jahre alte Cheryl Studer. Für die Rolle des Tannhäuser war Rene Kollo vorgesehen, aber schon in den Proben gab es Schwierigkeiten mit ihm. Erst passten ihm die ausführlichen Proben nicht, dann hat er gesanglich immer nur markiert, was sowohl die Kollegen als auch der Dirigent beanstandeten. Glücklicherweise hatte Wolfgang Wagner auf einer vollwertigen Zweitbesetzung bestanden, denn Kollo, der unbedingt auch die Generalprobe singen wollte, sagte diese kurzfristig ab und Richard Versalle, der Zweitbesetzte in die Rolle, musste einspringen. Am Premierentag „platzte dann die Bombe“, Rene Kollo sagte genau 47 Minuten vor Beginn der Vorstellung ebenfalls ab. Er hatte schon seine Sachen gepackt und reiste sofort aus Bayreuth ab. Er wurde bei den Festspielen nie mehr eingesetzt. Am anderen Tag sang er quicklebendig in München die Premieren-Vorstellung einer „Lohengrin“-Neuinszenierung. Sein Ersatzmann in Bayreuth, Richard Versalle und die junge Cheryl Studer wurden zum Ende der Premierenvorstellung mit großem Applaus bedacht.

 

 

 

 

 

 

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                                         Die Gründung der Bayreuther Festspiele GmbH

 

Aber im Jahre 1985 geschah auf der Ebene der Festspielleitung etwas, worüber sich die meisten Beobachter damals keine Gedanken machten. Seit Wolfgang Wagner 1979 sein 60. Lebensjahr vollendete, stellte die Presse wiederholt die Frage an ihn, wie er sich denn seine eines Tages notwendig werdende Nachfolge vorstelle und wer aus der Familie dafür die nötige Eignung mitbrächte. Er antwortete stets gleichbleibend,  …. er sehe im weiten Familienkreise niemanden, der die Fähigkeiten habe, die Festspiele zu leiten. Jeder der dafür in Frage käme, müsste dieses Handwerk … „von der Pike auf erlernt“ haben !

In der Rückschau auf  die Entwicklung in dieser Frage ist es heute nicht vermessen zu vermuten, dass sich seine Einstellung zur Nachfolgefrage seit seiner Wiederverheiratung - möglicherweise durch die Beeinflussung seiner zweiten Ehefrau - grundlegend geändert hat, dass die Eheleute Wagner dies aber geheim hielten (oder vielleicht nur mit ihren Anwälten besprachen).

Jedenfalls gründete Herr Wagner 1985 die Wolfgang Wagner GmbH, eine Firma, die nunmehr die Festspiele ausrichtete. Hiermit wurden dann auch alte Vereinbarungen zwischen ihm, seiner Mutter und seinem verstorbenen Bruder hinfällig.

Es wird ihm auch niemand verübeln, dass er sich 1986 persönlich durch den Abschluss eines Versorgungsvertrages (mit GmbH-Fassung) absicherte. 1987 wurde eine Vereinbarung über Geschäftsanteilabtretung und die Umwandlung der Wolfgang Wagner GmbH in die Bayreuther Festspiele GmbH abgeschlossen. Wolfgang Wagner war einziger Gesellschafter mit einem Fest-spielleitervertrag auf Lebenszeit. Nach Abschluss dieser Aktivitäten war es Herrn Wagner nun möglich, einen neuen Mietvertrag für das Festspielhaus zwischen der Festspiele GmbH und der Richard-Wagner-Stiftung (mit Datum vom 6. Juni 1990) abzuschließen. Dieser Vertrag sollte auslaufen, wenn Wolfgang Wagners Festspielleitertätigkeit endet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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                                   Die Festspiele in den Jahren 1986 bis 1999

 

Die Jahre 1986 bis 1999 werde ich jetzt nur flüchtig schildern, weil sie im Sinne der Beachtung der Historie des Unternehmens und unter Anwendung der langjährigen Traditionen von Wolfgang Wagner als Festspielleiter verantwortungsbewusst geführt und veranstaltet wurden. Die immer wieder gestellten Fragen nach seiner Nachfolge beantwortete er immer gleichbleibend – wie schon geschildert. Damit verschaffte er sich wieder einigen Abstand.

 

Im Jahr 1986 lief der „heißumkämpfte Ring“  Hall/Solti letztmalig. Eine Neuinszenierung fand in diesem Jahre nicht statt.

 

Dafür aber brachte das Jahr 1987 gleich eine neue „Lohengrin“-Produktion, die man berechtigterweise hervorheben darf. Der bekannte Filmregisseur Werner Herzog und der Bühnenbildner Henning von Gierke schufen eine Inszenierung, die der Bezeichnung Romantische Oper vollkommen entsprach. Die Besetzung war erstklassig, die Bühnenbilder in leichten Farben gehalten. Auch wurde mit dezenten Projektionen gearbeitet. Die Inszenierung wurde auf Jahre hinaus die meist geschätzte Vorstellung für die allein schon mehr als zehn Vorstellungen hätten stattfinden können, so hoch war die Nachfrage nach Karten!

 

Ein weiterer Höhepunkt wurde im Jahre 1988 eine neue „Ring“-Produktion, Regie: Harry Kupfer, Bühnenbild: Hans Schavernoch, Dirigent: Daniel Barenboim. Presse und Publikum waren gespannt auf diesen Ring, denn jetzt wurde jede „Ring“-Inszenierungen an der von Chereau gemessen. Ohne Zweifel kann ich sagen, diese Inszenierung war von der ersten Szene im Rheingold bis zum Schluss der Götterdämmerung bewegend, aufrührend. Presse und Publikum waren gleichermaßen hingerissen. Ein solcher „Ring“ ist Bayreuth würdig! Wer eine genaue Analyse dieses Kupferschen Kunstwerkes haben möchte, dem kann man getrost Oswald Georg Bauers „Die Geschichte der Bayreuther Festspiele“ empfehlen! Dieses Werk beantwortet jede Frage.

 

Das Jahr 1989 war nicht ohne Neuinszenierung (wie sonst im Jahr nach einer Ring-Neuinszenierung). Wolfgang Wagner inszenierte selbst einen neuen „Parsifal“. Um es ganz einfach auszudrücken: Er wollte das, was ihm in seiner Inszenierung von 1975 nicht so gefallen hatte, jetzt tiefgründiger beleuchten. Das ist ihm auch gelungen. Ein neuer strahlender Tenor, William Pell, in der Titelrolle, die überwältigend großartige Waltraud Meier als Kundry, und der ergreifend singende Chor, waren neben dem Dirigenten James Levine die großen Stützen dieser Inszenierung. Lob von der Presse und Jubel beim Publikum!

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Auch 1990 konnte Bayreuth wieder glänzen. Ein neuer „Fliegender Holländer“ erschien auf dem Spielplan. Wolfgang Wagner hatte mutig besetzt. Regie: Dieter Dorn, Bühnenbild: Jürgen Rose (schon 1972 beim Tannhäuser von Götz Friedrich erfolgreich) und Giuseppe Sinopoli als Dirigent. Als Holländer glänzte Alan Titus, die Senta verkörperte Sabine Hass, die wenige Jahre später – viel zu jung – starb. Bild und Regie wurden vom Publikum begeistert gefeiert, der Musik fehle der große Atem, meinte die Presse. Bundespräsident von Weizsäcker hatte Vaclav Havel, den tschechischen Präsidenten mitgebracht, beide wurden vom Publikum mit viel Applaus bedacht. So kurz nach der politischen Wende wirkten im Chor und im Orchester wieder zahlreiche Musiker aus den bisherigen Staaten des Ostblocks mit! Aufbruchstimmung, auch hier!  Auch dieser „Fliegende Holländer war ein großer Erfolg für Bayreuth.

 

Für 1991 wäre zu vermelden, dass keine Neuinszenierung auf dem Spielplan stand, dass die deutschen, europäischen und internationalen Wagner-Verbände zusammengefasst wurden zur Vereinigung  Richard Wagner International. Ferner gab die Festspielleitung bekannt, dass für die 57.500 Plätze der 30 Aufführungen 357.513 Bestellungen im Kartenbüro eingegangen waren.

 

Das Jahr 1992 kam auch ohne Neuinszenierung aus. Zur Eröffnung gab man die Wiederaufnahme von Wolfgang Wagners „Tannhäuser“-Inszenierung mit einem neuen Dirigenten, Donald Runnicles, der schon mehrere Jahre als Assistent von James Levine in Bayreuth gearbeitet hatte. Hier sieht man, dass Bayreuth auch den musikalischen Aufbau von Talenten förderte. Besonderes Augenmerk fiel auf die „Parsifal“-Inszenierung Wolfgang Wagners, in der mit Waltraud Meier und Placido Domingo zwei Weltstars zu niedrigen Gagen auftraten. Das Publikum war begeistert. Ein Besucher, der seine 35 DM teure Karte verkaufen wollte, brachte diese für 2500 DM an den Mann. Der Schwarzmarkt blühte – sehr zum Ärger Wolfgang Wagners!

 

Im Jahr darauf, also 1993, kam dann die lang erwartete „Tristan“-Neuinszenierung auf den Spielplan, aber nicht – wie erwartet – mit Patrice Chereau als Regisseur, sondern mit Heiner Müller, einen Dramatiker aus der früheren DDR, in der Brecht-Nachfolge auch Leiter des Berliner Ensembles.  Das Bühnenbild schuf Erich Wonder. der als Grundbau einen Kubus auf die Bühne stellte, der einen immateriellen Raum darstellen sollte, außer jeder Zeit und außer jeder Dimension, einen Raum der Seele, der Innenschau. Mittels der Lichtwechsel schuf er einen Lichtraum von suggestiver Wirkung, in der die handelnden Personen mit ihren Emotionen gefangen waren. Jeder der diese Inszenierung gesehen hat, war tief beeindruckt davon, wie sehr es zwischen

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Tristan, Isolde und König Marke knisterte. Die Kostüme entwarf der in Paris lebende japanische Modeschöpfer Yohji Yamamoto. Dirigent der Aufführung war Daniel Barenboim, seine Assistentin war Simone Young, die schon bald eine der ersten Dirigentinnen in Deutschland wurde. In den Hauptrollen: Siegfried Jerusalem und Waltraud Meier, die Brangäne sang Ute Priew und John Tomlinson den König Marke. Der Schlussapplaus wogte zwischen Buh und Bravo hin und her, das Regie-Team wurde gnadenlos ausgepfiffen. Als die Inszenierung Jahre später auslief, galt sie als ein Meilenstein in der Interpretation des Werkes.

In diesem Jahr verzeichneten die Festspiele ebenfalls wieder hohen Besuch, Michail Gorbatschow und seine Frau kamen als Gäste der bayerischen Staatsregierung zur Premiere.

 

Ein neuer „Ring des Nibelungen“ war 1994 fällig. Dieter Kirchner, der Regisseur  hatte sich als Bühnenbildnerin rosalie ausgesucht, die ausgesprochen schöne farbige Bilder und Kostüme entwarf. Raum und Zeit sollten den Mythos neu definieren. In der heutigen Betrachtung lagen die Bühnenbilder der einzelnen Akte ganz nah an Wagners Werk. Beim ersten Blick darauf, weiß man gleich in welchem Stück, in welchem Akt und in welchen Bild man sich gerade befindet. Der Regisseur bekannte sich in seiner Regie zur „offenen Dramaturgie“ - wie er sagte, das Ende ist immer offen und muss immer wieder neu erzählt werden. Auch über diese Inszenierung kann man seitenlang berichten, Regie und Bühnenbilder blieben trotzdem umstritten. Mit großem Applaus bedacht wurde  die Riege der Sänger und die musikalische Leitung durch James Levine.

 

Das Jahr 1995 brachte keine Neuinszenierung, man wies auf die vielfältigen Restaurationsarbeiten im Zuschauerraum und in den Foyers hin. Hier konnten weite Teile des Hauses wieder in den Urzustand vor 1932/33 zurück versetzt werden, was beim Publikum auf große Zustimmung stieß.

 

Als Premiere  des Jahres 1996 brachten die Festspiele Wolfgang Wagners dritte „Meistersinger von Nürnberg“ - Inszenierung auf die Bühne. Es sollte seine überhaupt letzte Regie in Bayreuth werden. Als Dirigenten hatte er sich schon lange Daniel Barenboim gewünscht, nun wurde auch das möglich. Die Regie war als musikalische Komödie der menschlichen Irrungen und Wirrungen und als Utopie einer friedlichen Humanität angelegt. Das Bühnenbild hatte Wolfgang Wagner auch selbst entworfen. Bis auf die Schusterstube spielten alle Bilder vor dem Hintergrund einer riesigen, nach hinten gewölbten Weltkugel, die auch als Projektionsfläche zur Gestaltung der einzelnen Akte diente. Vom Gefühl her empfand ich diese Inszenierung als fröhlich, weltoffen und versöhnend, was besonders im Schlussbild seine ganze Wirkung entfaltete. Die Inszenierung ließ viel Raum für

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philosophische Betrachtungen. Die wichtigsten Darsteller seien auch noch genannt: Robert Holl als Hans Sachs, Peter Seifert als Walther von Stolzing, Andreas Schmidt als Beckmesser, Renee Fleming als Eva und Endrick Wottrich als David. Eine durchaus gute Besetzung für Bayreuth.

 

Zu den Festspielen von 1997, die keine Neuinszenierung brachten, wurden einige Zahlen bekannt gegeben. Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth zählte jetzt 4.373 Mitglieder, die Wagner-Verbände konnten 250 Stipendiaten einen Festspielbesuch ermöglichen, der Gesamthaushalt der Festspiele betrug 1997 glatte 21 Millionen DM, (heute: 10,7 Mill. Euro) wovon knapp die Hälfte durch Eigenerlöse erwirtschaftet wurden. Der Anteil der Personalkosten betrug 83 %.

 

Auch 1998 gab es keine Neuinszenierung. Die Kartennachfrage war ungebrochen. Der „Ring“, Inszenierung: Dieter Kirchner, Bühnenbild und Kostüme : rosalie, Dirigent: James Levine,  stand in diesem Jahre letztmals auf dem Spielplan. Man hätte ihn 15mal verkaufen können. Nach 18 Jahren verabschiedete sich auch James Levine von den Festspielen, ein Musiker der vor Freude über seinen Beruf immer strahlte und der überall beliebt war.

 

Zu den Festspielen von 1999 wurde auch der Königsbau, der nach denkmalpflegerischen Vorschriften restauriert wurde, fertig. Damit war die Gesamtrenovierung des Hauptgebäudes abgeschlossen. Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth feierte Anfang des Jahres ihr 50jähriges Bestehen. Die Summe der Zuschüsse zum Festspielbetrieb in den vergangenen 50 Jahren betrugen insgesamt über 50 Millionen DM. Prompt kündigte der neu ernannte Bundeskulturbeauftragte  Michael Naumann eine Kürzung der Bundeszuschüsse um 480.000 DM an. Nach Protesten von allen Seiten – vor allem von Wolfgang Wagner – wurde dieses Vorhaben Ende Februar wieder eingestellt. Wolfgang Wagners bestes Argument gegen die Kürzungen war sein unanfechtbares und peinlich genaues Finanzmanagement, welches er schon seit Jahrzehnten so gehandhabt hatte.

 

Zu großen Irritationen führte 1999 die Mitteilung der Richard-Wagner-Stiftung, dass sie das Verfahren zur Nachfolge Wolfgang Wagners einleiten wird, wozu Herr Wagner sein Einverständnis gegeben habe.  Im weiteren Verlauf dieser Mitteilung schränkt Herr Wagner aber gleich wieder ein, dass er aus Pflichtgefühl und Sorge für die Zukunft an einer Nachfolgeregelung mitarbeiten will. Konkrete Personalentscheidungen seien noch nicht getroffen worden und an einen Rücktritt seinerseits vom Amt des Festspielleiters sei momentan auch nicht zu denken. Allerdings gab im gleichen Jahr noch Gudrun Wagner (die als persönliche

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Referentin der Festspielleitung tätig war) bekannt, dass sie die Festspielleitung übernehmen würde. Es bewarben sich um diesen

Posten ebenfalls Wolfgang Wagners Tochter Eva Wagner-Pasquier und Wieland Wagners Tochter Nike. Der Stiftungsrat entschied sich im Jahre 2001 nicht für Gudrun Wagner die - laut Kultusminister Zehetmeir - keine Erfahrung in künstlerischen Dingen habe, sondern für Wolfgangs Tochter Eva. Damit war nun Wolfgang Wagner überhaupt nicht einverstanden und er berief  sich auf seinen lebenslangen Festspielleiter-Vertrag, den er nun zu erfüllen gedenke. Ihm wurde dann vom Kultusminister der ehemalige Intendant des Münchener Gärtnerplatz-Theaters, Klaus Schulz als „Ersatzmann“ zur Seite gestellt. Dieser wurde fortan als „freier Mitarbeiter“ geführt. Wagner reagierte beleidigt und zog sich ab jetzt sehr häufig aus der Verantwortung zurück.

Zu den Festspielen des Jahres 1999 erschien aber auch ein neuer „Lohengrin“ auf dem Spielplan. Unter der musikalischen Leitung des Italieners Antonio Pappano entstand in der Regie von Keith Warner und im Bühnenbild von Stefanos Lazaridis eine

sehr dramatische Inszenierung, von der der Regisseur selbst meint, der „Lohengrin“ sei Wagners „einzige wirkliche Tragödie“, weil zum Schluss doch niemand erlöst zurück bleibt. Ich nannte diese Inszenierung immer den „schwarzen Lohengrin“ weil der Hintergrund aller Bilder schwarz war. Musikalisch (auch was die Besetzung der Hauptrollen angeht) war dies eine großartige Aufführung. Was mir nicht gefallen hat war mal wieder das inszenierte Vorspiel, denn damit wird dem Zuhörer die Schönheit der symphonischen Musik klamm-heimlich entwendet. Grundsätzlich gab und gibt es bei einer Inszenierung wie dieser so viele Deutungsmöglichkeiten, dass der interessierte Opernfreund Lesestoff für viele Tage hätte, wollte er das Geheimnis ergründen. Ich behaupte aber sehr selbstbewusst, dass diese Inszenierung ganz und gar „werkgerecht“ war. Interessant war, dass das Publikum nach dem Fallen des Vorhanges – tief bewegt – einen Moment in Stille verharrte, ehe tosender Beifall losbrach. Die noch auf dem Spielplan erschienenen Inszenierungen des „Fliegenden Holländers“ und „Tristan und Isolde“ liefen in diesem Jahre letztmalig.

 

Abschiede galt es in diesem Jahre auch zu erwähnen, Siegfried Jerusalem verabschiedete sich von Bayreuth im letzten Tristan und Norbert Balatsch, seit 28 Jahren der Chordirektor der Festspiele, der den Chor nach Wilhelm Pitz zum weltbesten Chor geformt hatte, hörte  auch auf und übergab den Taktstock an seinen bisherigen Vertreter Eberhard Friedrich. Aber auch Waltraud Meier und Hans Sotin wurden nicht mehr eingeladen, ein Abschied ohne jede Begründung.

Auf das letzte Jahrzehnt zurück blickend kann man sagen, dass die Festspiele in vielerlei Hinsicht Kontinuität ausstrahlten. Wolfgang Wagner war stolz darauf, namhafte Dirigenten für die Laufzeit der einzelnen Stücke verpflichtet zu haben. Das Gleiche

galt auch für die Sänger. Manche Künstler, die neu auf dem Spielplan erschienen, waren Jahre zuvor bereits als Assistenten in

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Bayreuth tätig gewesen. Wolfgang Wagner arbeitete gerne mit jungen Leuten und griff auch ihre Ideen auf.

 

Wolfgang Wagners Intendanz neigte sich ihrem Ende entgegen. Von seinen Inszenierungen waren die „Meistersinger von Nürnberg“ und der „Parsifal“ noch im Spielplan. Diesen Schöpfungen seines Großvaters stand er besonders nahe. Wolfgang Wagner ist in seinen Inszenierungen niemals einem Zeitgeist nachgelaufen, er hat sich niemals einer Mode unterworfen. Bei der Nennung seines Namens fällt einem sofort das Positive bei den Bayreuther Festspielen ein, die Einzigartigkeit der Vorstellungen, aber  auch auf den öfter von außen einfließenden Vorschlag, den Spielplan um die Jugendwerke seines Großvaters zu erweitern, nicht einzugehen. Doch, seine Führung der Festspiele war seriös, verlässlich, nur der Kunst zugewandt. Leider hat er nichts dafür getan, dass die nächste Generation der Gesamt-Familie (ihren Qualitäten und Vorleistungen gemäß) in die Festspielleitung eingebunden werden konnte, um das Amt (in absehbarer Zeit) in die Hände von Personen zu übergeben, die höchstmögliche Kontinuität garantierten.

                                                                                          

In den Jahren zwischen 1987 und 1999 war das Ehepaar Wagner – zusammen mit ihren Anwälten - nicht untätig, wenn es um Fragen der Nachfolge Wolfgang Wagners im Amt des Festspielleiters und aller sich daraus entwickelnden Veränderungen gegenüber dem damalige Status quo ging. Das Ganze spielte sich natürlich im Geheimen ab, nur kein Aufsehen erregen!

Ein mit großer Sorge beobachtetes Phänomen war jedoch die schleichende Machtübernahme der Festspielleitung durch Gudrun Wagner. Sie hatte leichtes Spiel, weil ihres Mannes Klarsicht, seine Widerstandskraft, seine physischen und mentalen Fähigkeiten spürbar nachließen. Er wurde schrittweise entmachtet, aus der Leitung der Festspiele entfernt, er bekam sogar ein eigenes kleines Büro am Ende des Ganges, damit er nicht mehr alles mit bekam, was da so hinter seinem Rücken von seiner Frau entschieden wurde.  In der Belegschaft nannte man Gudrun Wagner mittlerweile  die „Chefin“. Auch der Umgangston zwischen Gudrun und Wolfgang Wagner wurde rauher, ja, es fielen sogar Sätze – laut und in aller Öffentlichkeit, vor Zeugen gesprochen – die ich hier nicht wiedergeben kann.

Der Leser meiner Überlegungen, wie wohl die Zukunft der Bayreuther Festspiele aussehen könnte wird sich fragen, warum die Vergangenheit der Festspiele so ausführlich geschildert wird und was diese – als sie damals in die „Gegenwart um 2007/2008“ mündete – mit meiner Zukunftsprognose zu tun hat. Erschreckendes wird der Leser erfahren und dann kann er unschwer feststellen, welche Qualität die Festspiele der letzten 50 Jahre des 20. Jahrhunderts hatten und wie sich die künstlerische Qualität und die Außendarstellung Bayreuths in den Jahren ab 2004 so radikal verschlechtert haben.

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                                                     Die Jahre 2000 bis 2007

 

Das neue Jahrhundert begann bei den Festspielen 2000 mit einer noch von Wolfgang Wagner geplanten Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“, Regie: Jürgen Flimm, Bühnenbild: Erich Wonder, Dirigent: Giuseppe Sinopoli. Die Inszenierung war zeitlos angelegt und bühnenbildnerisch ohne besondere Glanzpunkte. Bei den Solisten ist Alan Titus hervorzuheben, der den Wotan und den Wanderer sang, besonders aber Placido Domingo und Waltraud Meier die als Siegmund und Sieglinde zu hören und zu sehen waren. Giuseppe Sinopoli dirigierte erstmals den Ring, der im Kommenden Jahr – so hoffte man – durch diesen Dirigenten noch an Ausdruckskraft gewinnen würde. Leider verstarb Giuseppe Sinopoli im Herbst des gleichen Jahres unerwartet in Dresden.

Als Delegierter des bayerischen Kulturministeriums erschien im Jahre 2000 der Ministerialdirigent Toni Schmid im Stiftungsrat.

 

Im Jahre 2001 stand Wolfgang Wagners „Parsifal“ letztmals auf dem Programm. Dirigent war Christoph Eschenbach, der jedoch Schwierigkeiten mit dem Orchester hatte und deshalb auch in den kommenden Jahren nicht mehr nach Bayreuth kam. Mit Bescheidenheit nahm Wolfgang Wagner den ehrlichen Applaus des Bayreuther Publikums entgegen. Eine Neuinszenierung gab es in diesem Jahre nicht. Die in vergangenen Jahr – noch unter der musikalischen Leitung von Giuseppe Sinopoli - auf dem Spielplan erschienene „Ring“-Neuinszenierung übernahm in diesem Jahre Adam Fischer.

 

Eine neue „Tannhäuser“-Inszenierung machte 2002 von sich reden. Der Franzose Philippe Arlaud war der Regisseur und Bühnenbildner, Dirigent war - erstmals in Bayreuth - Christian Thielemann. Eine farbenprächtige Dekoration, die bei wechselnden Lichtfarben jede geforderte Stimmung genau traf. Besonders gelungen war die schnelle Verwandlung vom Venusberg ins Wartburgtal, möglich gemacht durch den Einsatz moderner Hydraulik.  Wolfgang Wagners letzte „Meistersinger“- Inszenierung stand auch letztmalig auf dem Spielplan. Nach Schluss nahm Wolfgang Wagner Abschied vom Bayreuther Publikum, Große Emotionen und Tränen!

          Genau genommen endet hier die Ära, an die wir uns so gerne erinnern. Der Garant für große Opernerlebnisse,    Festspielleiter Wolfgang Wagner, zieht sich Schritt für Schritt (aber schweren Herzens) bedingt durch seine stark          angeschlagene Gesundheit in den Ruhestand zurück. Ohne ihn ist niemand mehr da, der das uns überlieferte Erbe Richard         Wagners schützt, der renommierte Regisseure und Bühnenbilder einlädt, um in Bayreuth unter idealen Bedingungen

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          Wagners Musikdramen in immer neuen, aber werkgerechten Inszenierungen zur Aufführung zu bringen. Auch der Kontakt  

          zur Branche, immer wieder die besten Wagnersänger zu kleinen Gagen in diesem Theater zu vereinen, um einzigartige    Aufführungen erlebbar zu machen, ist Vergangenheit. Wie es dazu kam und wie es dann weiterging, dazu wird mein       Bericht Auskunft geben, wenn meine  Ausführungen die Jahre 2007/2008 erreicht haben werden.

 

Nun fahre ich fort im Jahre 2003: Mit einer Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers“ begann die Ära des „Regie“-Theaters in Bayreuth. Im Bühnenbild von Christian Schmidt inszenierte Claus Guth eine Handlung, mit der kaum ein Zuschauer zurecht kam, wenn ihm nicht zuvor die Dramaturgie des Stückes erklärt wurde. Zu sehen war fast alles zweimal und auf dem Kopf stand auch alles, die Kostümierung sorgte ebenfalls für Verwirrung, denn auch hier trugen öfter zwei verschiedene Personen die gleiche Kleidung. Das Ganze spielte sich in einem überdimensionierten Treppenhaus ab, dessen obere Hälfte, die untere (auf dem Kopf stehend) spiegelte. Applaus trotzdem aber auch zahlreiche Buhrufe. Der Technische Direktor meinte, dass Bühnenbild (also dieses Treppenhaus) sei die größte jemals in Bayreuth aus gezogenem Rohr gebaute Bühnenkonstruktion in einem Stück. Ihr Gewicht war beträchtlich. Die musikalische Seite dieser Inszenierung war gut. Dirigent war Debütant Marc Albrecht, den Holländer verkörperte John Tomlinson, die Senta wurde gesungen von Adrienne Dugger. Applaus für die Künstler!

 

Und dann nahte 2004 in Bayreuth der erste richtige Skandal, eine neue „Parsifal“-Inszenierung durch Christoph Schlingensief, einen intelligenten Jung-Regisseur, den Katharina Wagner ihrem Vater empfohlen hatte. Schlingensief hatte Wolfgang Wagner ein Inszenierungskonzept vorgestellt, das den Festspielleiter offensichtlich überzeugt hatte, denn er erhielt den Regie-Auftrag. Herr Schlingensief weilte – ehe er im Frühjahr 2004 mit den Proben begann - fast ein ganzes Jahr in Afrika. Die dramatischen Erlebnisse, die er dort hatte (Hunger, Elend, Arbeitslosigkeit, Gewaltanwendung usw.) veranlassten ihn offensichtlich, diese Erfahrungen in sein „Parsifal“-Konzept einzuarbeiten, ohne Herrn Wagner davon etwas mitzuteilen. Mit anderen Worten: Er inszenierte etwas ganz anderes, als er zwei Jahre zuvor Wolfgang und Gudrun Wagner vorgestellt hatte. Das führte zu schweren, öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen mit dem Ehepaar Wagner, die sich damit nicht abfinden wollten. Schließlich brach er die Proben ab und verließ für eine Woche die Festspiele, deren Probenplan in einige Unordnung geriet. Als er wieder auftauchte wurden die Proben ohne Änderungen des Konzeptes fortgesetzt. Das, was dann bei der Premiere auf der Bühne sichtbar wurde, hatte mit dem Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ nicht das Geringste zu tun. Ich nenne diese Zumutung den „Müllberg-Parsifal“, denn mit einem Bühnenbild hatte die Ansammlung von Schrott auf der Bühne auch nichts Gemeinsames. 

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Daran konnte auch der Dirigent der Produktion Pierre Boulez, der den Parsifal schon unter Wieland Wagner in Bayreuth dirigiert hatte, nichts mehr ändern.

 

Auch die Neu-Inszenierung des Jahres 2005, „Tristan und Isolde“, war die wohl schwächste Inszenierung dieses Werkes in Bayreuth seit 1951. Der Regisseur Christoph Marthaler und seine Bühnenbildnerin Anna Viebrock fertigten die wohl lang-weiligste Inszenierung an, die man sich für dieses Werk hätte wünschen können. Das ganze Drama spielte in einem einzigen, hallenartigen Raum mit Neonbeleuchtung, der eher an einen unterirdischen, Atombomben sicheren Bunker in der ehemaligen DDR erinnerte, in keinem Falle aber die Schauplätze dieses Musikdramas darstellte. Trotz guter Sängerbesetzung kann man da nur verzweifelt den Kopf schütteln und bemerken: Das hat Richard Wagner nicht geschaffen und diese Wiedergabe hat das Stück nicht verdient. Der Dirigent Eiji Oue erfüllte auch nicht die in ihn gesetzten Erwartungen und kam im nächsten Jahr nicht wieder.

Erwähnenswert war ein Konzert der Bayreuther Festspiele im August 2005 in der Oberfrankenhalle, bei dem alle vier Festspiel-Dirigenten zum Einsatz kamen. Auf dem Programm standen Werke von Richard Wagner, Siegfried Wagner und Franz Liszt.

Herr Toni Schmid, Delegierter aus München, wurde – fünf Jahre nach seinem Auftauchen in Bayreuth - Vorsitzender des Stiftungsrates. Wie er das geschafft hat, entzieht sich meiner Kenntnis, die Erlangung des Vorsitzes in diesem Gremium sollte aber für die Außendarstellung der Bayreuther Festspiele in den nächsten Jahrzehnten größte Bedeutung erlangen.

 

Eine wohltuende Ausnahme machte im Jahre 2006 die Neu-Inszenierung des „Ring des Nibelungen“ durch den Regisseur Tankred Dorst und seinen Bühnenbildner Frank-Philipp Schlössmann. Der Dramatiker Tankred Dorst war eingesprungen, weil der ursprünglich vorgesehene Regisseur Lars von Trier aus nicht nachvollziehbaren persönlichen Gründen seine Mitarbeit aufgekündigt hatte. Es wird heute viel gestritten, ob es besser gewesen wäre, wenn Lars von Trier die Regie übernommen hätte oder ob er den Abwärtstrend bei den Werkentfremdungen noch beschleunigt hätte. So aber bekam Bayreuth einen Ring, der gute und passende Bühnenbilder zeigte, in der Regie allerdings keine Bäume ausriss. Musikalisch hatte der „Ring“ Bayreuth-Niveau. Unter der Leitung von Christian Thielemann sangen und spielten die Darsteller mit Freude. Die „Ring“-Inszenierung, des Jahres 2006 war tatsächlich die letzte Inszenierung, die  in Bayreuth – in Bühnenbild und Handlung  „ein komplettes – wie von Wagner hinterlassenes – Werk darstellte“ ,   bis zum heutigen Tage!

 

 

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Das Jahr 2007 wurde ein unglückliches Jahr für die Festspiele und für die Familie Wolfgang Wagners. Vor allen Dingen aber begann in ihm der gewaltige Umbruches in der Festspielleitung.

                                                                                               

Katharina Wagner, nun 29 Jahre alt, die sich in Sachen Regie seit 2002 in Würzburg, Budapest, München und Berlin „versucht“ hatte, durfte nun erstmals in Bayreuth eine Oper ihres Urgroßvaters inszenieren. Sie „verhob sich gründlich“ an den „Meistersingern von Nürnberg“. Ihr gesundheitlich schwer angeschlagener Vater saß mit steinerner Miene im Zuschauerraum  - und schwieg. Kein Wunder, hatten ihm schon die zuvor genannten vier Regie-Versuche (wie er sich gegenüber einem engen Vertrauten äußerte) in keiner Weise zugesagt. Es würde den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen, sich ausführlich mit dieser „abartigen Darstellung“ von Wagners humorvoll, fränkischen Meisterwerk zu beschäftigen. Dieser Regie-Versuch war eine einzige Schweinerei und eine Respektlosigkeit gegenüber ihrem Urgroßvater. Der Schaden, den diese Inszenierung angerichtet hat, ist unermesslich. Nicht genug damit, dass ca. 50 Mitglieder der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth ihre Mitgliedschaft kündigten, nein, der Abwärtstrend in der Nachfrage nach Eintrittskarten, der bereits nach der „Holländer“-Inszenierung von Claus Guth im Jahre 2003 begann, sich nach dem „Schlingensief-Parsifal“ verstärkte, setzte sich in noch stärkerem Maßstab in diesem Jahre fort. Das schien zunächst niemanden zu beunruhigen, noch wurden alle Plätze im Zuschauerraum besetzt.

Der für den Tannhäuser dieses Jahres vorgesehene Dirigent Fabio Luisi sagte seine Mitwirkung bei den Festspielen wenige Tage  vor Beginn der Proben ab. Er wurde kurzfristig von Christoph Ulrich Meier ersetzt.

 

Das schlimmste Unglück dieses Jahres stand noch bevor: Gudrun Wagner hatte sich Ende November zu einem notwendigen, aber nicht lebensbedrohenden Eingriff ins Klinikum Bayreuth begeben. Die Operation war gut verlaufen, ihr Zustand stabil und trotzdem verstarb sie überraschend in der Nacht zum 28. November, ohne das dies zunächst bemerkt worden wäre. Erst bei der Früh-Visite stellte man ihren Tod fest. Gudrun Wagner wurde nur 63 Jahre alt. Ihr Mann, Wolfgang Wagner, selbst schwer angeschlagen, stand ziemlich allein da, die Festspiele waren ohne Führung, da auch niemand anderer Prokura hatte. Zum Glück waren für die Festspielzeit 2008 bereits die richtigen Weichen gestellt, es mussten nur noch wenige Korrekturen erfolgen.

 

Die Beerdigung Gudrun Wagners auf dem Stadtfriedhof in Bayreuth war gerade vorbei, als bei der Festspiele GmbH und innerhalb der Familie Wolfgang Wagners eine Geschäftigkeit nie dagewesenen Ausmaßes einsetzte, die sich ausschließlich um die Nachfolge Wolfgang Wagners drehte, denn – wie sich später herausstellen sollte – hatten die ganzen, unter großer

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Verschwiegenheit ablaufenden Aktivitäten eindeutig nichts mit der dringend notwendigen künstlerischen Erneuerung, sondern nur mit Machterhalt und Bereicherung zu tun hatte.

 

Schon im Dezember 2007 stellte sich heraus, dass möglicherweise nicht mehr eine Einzelperson die Festspiele leiten würde, denn

es formierten sich zwei Teams, die diese Position in Arbeitsteilung ausfüllen wollten.

Team I:        Katharina Wagner und Peter Ruzicka, Dirigent, Komponist und früherer Intendant der Hamburgischen Staatsoper. Team II:      Nike Wagner, Tochter Wieland Wagners und Eva Wagner-Pasquier, Tochter Wolfgang Wagners aus dessen erster Ehe,                                                                          von ihrem Vater verstoßen und 2001 schon als nicht geeignet abgestempelt. Nach nur wenigen Wochen allerdings stieg Peter Ruzicka aus dieser Bewerbung wieder aus und Christian Thielemann trat an seine Stelle.. Doch auch diese Verbindung hatte nur kurze Zeit Bestand. Möglicherweise haben beide Mitbewerber frühzeitig erkannt, dass sie ihre Vorstellungen, wie man die Festspiele wieder so hochklassig machen könnte, wie sie bis zur letzten Jahrhundertwende waren, mit einer Anfängerin Katharina Wagner nicht  verwirklicht werden könnten. Christian Thielemann hätte außerdem bestimmt seine Dirigenten-Tätigkeit nicht so stark einschränken wollen. Nun musste sich Katharina Wagner erneut nach einem geeigneten Partner umsehen. Bis zur Jahreswende 2007/2008 hatte sie noch keinen neuen Mitstreiter gefunden.

 

Unterschwellig kam aber in Bayreuth das immer dichter werdende Gerücht auf, die Nachfolge sei längst entschieden, Katharina Wagner würde ihren Vater beerben – mal ganz von dem noch fehlenden zweiten Partner abgesehen. Es wurden aber auch Stimmen laut, die ebenso eindringlich vor einer solchen Entscheidung warnten. Viele Mitarbeiter der Festspiele hielten Katharina Wagner für absolut nicht geeignet, die Festspiele zu leiten.

 

 

  

 

 

 

 

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                              Die Festspiele von 2008 und die Geschehnisse um die

                                         Einsetzung einer neuen Festspielleitung

 

Wie schon auf Seite 17 geschildert, gründete Wolfgang Wagner 1985 die Wolfgang Wagner GmbH, die dann zwei Jahre später in die Bayreuther Festspiele GmbH umbenannt wurde, wobei zu vermerken ist, dass Wolfgang Wagner jetzt alleiniger Gesellschafter der Bayreuther Festspiele GmbH war und als Veranstalter der jährlich stattfindenden Festspiele mit Festspielleitervertrag auf Lebenszeit weiterhin fest im Sattel saß. Diese Konstellation wurde zum Ausgangspunkt der heute bestehenden Differenzen zwischen der Festspiele GmbH und der Richard-Wagner-Stiftung.

 

Um die weiteren Geschehnisse rund um die Festspielleitung, um das Kompetenzgerangel zwischen Wolfgang Wagner und seiner Frau, um die langsame Machtübernahme durch Gudrun Wagner innerhalb der Festspielleitung und um die allmähliche Einmischung der Tochter Katharina  in die Geschäfte ihrer Eltern überschaubar darstellen zu können, habe ich noch einmal die gesamten Pressemitteilungen gelesen, die Verlautbarungen der Festspiele GmbH und die „leisen“ Wortmeldungen der Richard-Wagner-Stiftung studiert. Ferner habe ich mir die Aufzeichnungen der Fernsehübertragungen des Senders 3sat vom 31. August 2008 aus dem Bayreuther Rathaus angesehen und mit zahlreichen  Zeitzeugen gesprochen.

 

Im Januar 2008 gingen die Bemühungen, für Katharina Wagner einen geeigneten Partner zu finden ungebremst weiter. In der Zwischenzeit jedoch wurde zunächst einmal die Bayreuther Festspiele GmbH „zukunftsfähig“ gemacht, d.h. zum Ende der Amtszeit Wolfgang Wagners würde die Festspiele GmbH von einem Gesellschafter auf vier Gesellschafter erweitert. Die Gesellschaftsanteile Wolfgang Wagners sollten auf die vier neuen Gesellschafter übergehen. Zunächst blieb Wolfgang Wagner noch der Geschäftsführer der GmbH, doch wurde ihm seine Tochter Katharina gleichberechtigt zur Seite gestellt. Diese Maßnahme war wieder ein Indiz für die Absicht Wolfgang Wagners und der Festspiele GmbH, eine solche Konstellation auf Dauer zu zementieren. Nicht genug damit, die Festspiele GmbH gründeten eine 100%ige Tochtergesellschaft, die Bayreuther Festspiele Medien GmbH (kurz BF-Medien genannt), die als Vertriebsgesellschaft künftige Festspielprodukte verkaufen sollte. Geschäftsführerin wurde ebenfalls Katharina Wagner. Zur Hauptsache ging es hier um die Vermarktung in Form von Vorführungen der Inszenierungen in den deutschen Kinos, im Fernsehen oder in Großveranstaltungen als Publik Viewing z.B. auf dem Bayreuther Volksfestplatz, aber es war auch an die Herstellung von CD`s und DVD`s gedacht. Sogar der Vertrieb von

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Erinnerungsartikeln wie Tassen mit dem Autogramm Richard Wagners, Mützen und T-Shirt mit der Aufschrift Bayreuther Festspiele oder Schneekugeln (Inhalt: das verschneite Festspielhaus) usw. sollten zu Geld gemacht werden. Aber – so fragte sich mancher Beobachter der Szene – wie kann sich denn die BF-Medien GmbH so sicher sein, dass sie auch Aufträge erhält? Antwort: Ganz einfach, es würde dafür gesorgt werden (und das mit 100%iger Sicherheit), dass Katharina Wagner auch Festspielleiterin werden würde. Basta! Damit wären die Aufträge dann gesichert. - Geldfluss aus der linken Tasche heraus und gleich wieder in die rechte Tasche hinein! So einfach würde das gehen!

Am Rande sei hier vermerkt, dass dieses Geschäftsmodell nicht zum Erbe Richard Wagners gehörte und auch nicht Gegenstand des Auftrages an zukünftige Festspielleiter werden sollte. In der Stiftungsurkunde und in der Satzung der Richard-Wagner-Stiftung ist darüber keine Wort zu lesen.

Um nun die „Wahl“ Katharinas Wagners zur Festspielleiterin zu sichern, brauchte man Verbündete und da sprang jetzt Toni Schmid in die Bresche. Er allein konnte das nicht regeln, er nahm dafür den 1. Vorstand der Richard-Wagner-Stiftung, den Regierungspräsidenten von Oberfranken, Herrn Wilhelm Wenning und den Geschäftsführer der Stiftung, den Bayreuther Oberbürgermeister, Herrn Dr. Michael Hohl „mit ins Boot“.

                     Das also war der Beginn einer sich über das ganze Jahr erstreckenden Kette von Verschleierung,                                                                             Machtsicherung, Untreue und Satzungsbruch

 

Zunächst galt es, Katharina Wagner wieder einen zweiten Partner zu beschaffen. Das wurde „unkompliziert erledigt“, in dem der Kultusminister Thomas Goppel Eva Wagner-Pasquier aufforderte, aus der Partnerschaft mit Nike Wagner auszusteigen. Ohne eine weitere Erklärung „wechselte Eva Wagner ins andere Lager“. Etwas später trafen sich die beiden Töchter Wolfgang Wagners, die sich noch nie zuvor begegnet waren, erstmals in ihrem Leben und reichten kurz darauf ein Konzept unter dem Namen „Zukunft Bayreuth“ beim Stiftungsrat ein, dessen Inhalt Schwerpunkte zukünftiger Leistungen  der Festspiele auflistete. Dieses Papier war aber nicht das geistige Produkt der beiden Bewerberinnen, sondern es war Monate zuvor von Nike Wagner erstellt worden, als diese noch mit Eva Wagner-Pasquier kandidierte.

Nike Wagner ihrerseits erklärte auch sofort, an ihrer Bewerbung festhalten zu wollen und zu gegebener Zeit auch einen neuen, namhaften Partner präsentieren zu können.

 

 

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In einem Brief an den Bayreuther Oberbürgermeister Dr. Hohl (der, wie Herr Wenning auch Sitz und Stimme im Stiftungsrat hatte) verwendete ich mich aus tiefster Überzeugung für Nike Wagner, deren Qualifikation und ihre bisherigen Leistungen im Bereich deutscher Kultur, sie nach meiner Ansicht zur besten Kandidatin für die Leitung der Festspiele machten. Herr Dr. Hohl antwortete mir in einem kurzen Schreiben mit Datum vom 23. April 2008, das mit den Worten endete: ….... „Ich darf Ihnen versichern, dass der Stiftungsrat die beste Lösung finden wird“. Heute wissen wir, dass eine Entscheidung längst gefallen war! Ich sollte nur „ruhig gestellt“ werden.

 

Am 15.04.2008 veröffentlichte dpa einen Brief Wolfgang Wagners an den Stiftungsrat, der datiert ist auf den 8. April 2008. Herr Wagner spricht in diesem Schreiben jedes einzelne Stiftungsratsmitglied an und beginnt mit den Worten: Sehr geehrter …....

Es ist daraus nicht abzuleiten, ob Herr Wagner alle Stiftungsräte mit diesem Schreiben beehrt hat. Zum Inhalt: Wolfgang Wagner beruft sich eingangs auf das Ergebnis der Stiftungsratssitzung von 06. November 2007, in der der Stiftungsrat potenzielle Bewerber aus der Familie Wagner auffordert, eine Bewerbung um die Festspielleitung einzureichen. Danach verwendet er sich für ein Dreierteam, bestehend aus Christian Thielemann, Peter Ruzicka und Tochter Katharina. Danach begrüßt er, dass sich seine beiden Töchter Katharina und Eva näher kennengelernt haben und meint, dass auch diese zusammen mit Christian Thielemann, eine gute Festspielleitung abgeben könnten. Die beiden letzten Absätze zitiere ich hier wörtlich:..... „Sowohl der erstgenannten Variante – eine Bewerbung mit Christian Thielemann, Peter Ruzicka und Katharina Wagner - , aber insbesondere auch einer Bewerbung meiner beiden Töchter für die Festspielleitung würde ich zustimmen. In beiden Fällen wäre ich bereit, die Festspielleitung zu einem angemessenen, von mir zu bestimmenden Zeitpunkt, abzugeben. Ich hoffe, dass ich mit diesen wenigen Zeilen ein deutliches Signal setzen konnte und baue am 29. April 2008 auf einen entscheidungsfreudigen Stiftungsrat“. Ende des Zitates!

Zu diesem Brief, dessen Echtheit von vielen bezweifelt wird, besonders aber zu dem zitierten Absatz, wäre zu sagen:

   1) Wer Herrn Wagner gekannt hat, hält es mit größter Wahrscheinlichkeit für nahezu unmöglich, dass er sich mit einem        solchen  Schreiben an den Stiftungsrat gewandt hat, den er seit Jahren zutiefst verachtet. Es ist auch nicht sein Briefstil.

2)    Was ist eigentlich aus seiner seit Jahrzehnten fanatisch gepredigten Ansicht, …... er sehe niemand im Familienkreise, der die Fähigkeiten mitbringe um die Festspiele zu leiten, …. geworden? Hat er das vergessen oder sind seine Töchter plötzlich Ausnahmen dieser Regel geworden?

3)    Herr Wagner war im April 2008 bereits gesundheitlich so schwer angeschlagen, dass er seine Tochter Eva beim ersten

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Wiedersehen nach vielen Jahren zunächst nicht erkannt hatte.

4)    Wurde nicht immer wieder behauptet, Herr Wagner habe keine Bedingungen für seinen Rückzug gestellt?

 

Im Internet ist dieser Vorgang heute  unter WIKIPEDIA folgendermaßen nachzulesen:

                    Wolfgang Wagner erklärte sich im April 2008 bereit, zu Gunsten seiner Töchter Katharina und ihrer

                              Halbschwester Eva Wagner-Pasquier vom Posten des Festspielleiters zurück zu treten.

                    Kein Wort von Beratungen des Stiftungsrates über insgesamt zwei vorliegende Bewerbungen und eine demokratische  

                                                                                                                                                  Abstimmung. Was kam da auf uns zu?

 

Der Deutsche Kulturrat forderte – so zu lesen in einer Notiz des Nordbayerischen Kuriers vom 17.04.2008 - ein „transparentes Auswahlverfahren“ bei der Entscheidung über die künftige Leitung der Bayreuther Festspiele. Es müssten dieselben Spielregeln gelten wie in jeder anderen Kultureinrichtung, die durch öffentliche Mittel mitfinanziert würde. Der Vorsitzende das Kulturrates Olaf Zimmermann meinte, wenn eine solche Entscheidung, wie sie von Wolfgang Wagner vorgeschlagen worden war, in Bayreuth gefällt werden würde, dann würde dies ein schlechtes Licht auf den gesamten Kulturbereich in Deutschland werfen. Die Bevölkerung müsse den Eindruck erhalten, dass „vordemokratische Auswahlverfahren“ in unserem Lande gang und gäbe seien. Solche Ermahnungen kümmerten den Stiftungsratsvorsitzenden Toni Schmid überhaupt nicht!

 

Der nächste Schritt war nun, Wolfgang Wagner zur Kündigung seines auf Lebenszeit befristeten Festspielleitervertrages zu bewegen. Die Kündigung musste bis 30. April bei der Stiftung eingehen, damit am 1. Mai 2008 die in der Stiftungssatzung verankerte Bewerbungsfrist für die Kandidatur um den Festspielleiterposten beginnen konnte, denn die Wahl des neuen Festspielleiters war für den 31. August 2008 vorgesehen. Mit dieser Kündigung tat sich Wolfgang Wagner bekannterweise schwer. Der Nordbayerische Kurier meldete am 28. April, ein Kündigungsschreiben sei bis heute nicht bei der Richard-Wagner-Stiftung eingegangen. Erstaunlicherweise teilte nur einen Tag später - also am 29. April - der Stiftungsratsvorsitzende Schmid mit, „die Kündigung sei in München“ eingetroffen. Wieso in München, der Sitz der Stiftung ist doch Bayreuth? Oder? Hatte Herr Schmid da auch wieder dran gedreht? Am gleichen Tage war auch noch Stiftungsratssitzung in Bayreuth, während der natürlich keine Entscheidung über die Nachfolge Wolfgang Wagners fallen konnte.  Die nächste Sitzung wurde dabei auf den 11. Juni 2008 festgelegt.

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Ende Mai und Anfang Juni meldeten sich noch zwei gewichtige Stimmen zur Nachfolgefrage, es waren dies der Direktor der Wiener Staatsoper  Ioan Holender und der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Peter Jonas. Zusammengefasst meinten beide, Bayreuth müsse wieder die Vorbildfunktion in Sachen Inszenierung Wagnerscher Musikdramen übernehmen, man sollte auch Wagners Frühwerke in den Spielplan aufnehmen, es sollten nur renommierte Regisseure beschäftigt werden und keine Anfänger – das Gleiche gelte für Dirigenten. Peter Jonas meinte sogar, wenn Richard Wagner wieder auferstehen würde, er würde gleich aus diesem Theater aussteigen.

 

Jeder Beobachter der Szene  hatte in den Jahren 2007/2008 ja die Information, dass – wenn es soweit sei und der Nachfolger Wolfgang Wagners gefunden werden müsste – der Stiftungsrat diesen Festspielleiter (möglicherweise unter mehreren Bewerbern) suchen, prüfen und in demokratischer Abstimmung wählen würde.

 

Es bleibt keine andere Option übrig als anzunehmen, dass das Ehepaar Wagner in seinen Überlegungen längst (vielleicht auch auf Drängen Gudrun Wagners) von dieser Herangehensweise abgerückt war, weil damit keine absolute Sicherheit bestand, dass ein Mitglied der Familie Wolfgang Wagners die Festspielleitung sicher hätte übernehmen können.

 

Von der Stiftung bzw. vom Stiftungsrat war in diesen Sommermonaten des Jahres 2008 nichts zu hören oder zu sehen.

 

Nein, Herr Schmid und seine Helfer (Herr Wenning und Herr Dr. Hohl) benötigten die Sommermonate um allen Stiftungsrats-mitgliedern (außer denen, die der Familie Wagner angehörten) „einzutrichtern“, dass bei der Abstimmung nur um Zustimmung zum Team I: Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier gebeten werde, da deren Wahl „alternativlos“ sei.  Diese Vor-gehensweise wurde später von einem Stiftungsratsmitglied, das selbst an der Abstimmung teilgenommen hat, gegenüber einem Mitglied der Familie Wagner absolut glaubwürdig bestätigt.

 

Mitte August 2008 präsentierte Nike Wagner ihren Partner, der mit ihr zusammen eine Bewerbung um die Leitung der Festspiele eingereicht habe. Es handelte sich bei dieser Person um den weltbekannten belgischen Theatermanager Gerard Mortier.

 

 

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Ganz kurz muss hier auch auf die Qualifikation und die bisherigen Leistungen der beiden Bewerberteams eingegangen werden.

Team I:   Katharina Wagner hatte keinen Studienabschluss in irgendeinem Kunstfach, was ihr bei der Bewältigung dieser doch mit hohem Kunstanspruch versehenen Tätigkeit als Festspielleiterin geholfen hätte. Sie hatte keinerlei Erfahrung in der Leitung eines großen Operntheaters. Einige nicht besonders erfolgreiche Regie-Versuche zeigten alle Tendenzen zum in Mode gekommenen Regie-Theater.

Eva Wagner-Pasquier hatte den sehr ehrenvollen Beruf einer Kindergärtnerin erlernt. Dann hatte sie neun Jahre als Assistentin ihres Vaters im Festspielhaus „gedient“, ohne allerdings eine feste Aufgabe zu haben. Nach der „Verbannung“ aus der Familie und aus dem Festspielhaus war sie an verschieden Opernhäusern im künstlerischen Betriebsbüro oder anderen der Organisation dienenden Bereichen von Opernhäusern tätig gewesen, ohne irgendwo länger sesshaft zu werden.

 

Team IINike Wagner hatte sich eigentlich seit über 30 Jahren auf die Übernahme der Verantwortung bei den Bayreuther Festspielen vorbereitet, sie sah sich dort in der Nachfolge ihres Vater Wieland, der als der große Erneuerer von Bayreuth gilt.

Nike Wagner hat über einen längeren Zeitraum zahlreiche verantwortungsvolle Aufgaben bei hochrangigen Kultureinrichtungen übernommen. 2002/2003 begleitete sie als Dramaturgin die „Ring“-Inszenierung von Herbert Wernicke und David Alden an der Bayerischen Staatsoper. 2004 übernahm sie die Gesamtleitung des Kunstfestes Weimar. In ihrem Buch „Wagner-Theater“ setzt sie sich mit dem Werk Richard Wagners auseinander bzw. sie entwickelt eine komplexe Dramaturgie zu den Werken ihres Urgroßvaters.

Der  belgische Theatermanager Gerard Mortier ist ein Weltbegriff. Er leitete viele Jahre erfolgreich die Salzburger Festspiele und die Pariser Oper. Er war wohl der beste Branchenkenner und hatte Kontakte zu allen wichtigen Opernhäusern, Intendanten, Dirigenten, Regisseuren, Bühnenbildnern sowie zu Sängerinnen und Sängern. Für seine Leistungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, hier einige davon: Ehrendoktorwürde der Universität Salzburg, Großes Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, Ritter der Ehrenlegion in Frankreich, Erhebung in den belgischen Adelstand eines Barons, Kommandeur des Kronenordens in Belgien u.v.a.m. Gerard Mortier war auch Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.

 

                  In Sachen Qualifikation und bisher erbrachte Leistungen war Team II ganz eindeutig und haushoch

                                         Favorit für die Nachfolge Wolfgang Wagners als Leiter der Festspiele.

 

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Dem Leser dieser Seiten ist es sicher schon aufgefallen, dass – wenn von Team I die Rede ist - zu keinem Zeitpunkt mal von der Notwendigkeit, einen künstlerischen Neuanfang zu beginnen, gesprochen worden wäre. Stimmt, die Presse dieser Monate der Jahre 2007/2008 enthält keinerlei Notizen dieser Art, denn solche Informationen hätten ja aus der Presseabteilung der Festspiele kommen müssen.

 

Die nächste Stiftungsratssitzung am 11. Juni 2008 behandelte nur Themen, die mit der Festspielleiterwahl nichts zu tun hatten. Herr Schmid brauchte nur dafür zu sorgen, dass die Stiftungsratsmitglieder erst gar nicht in die Versuchung kommen würden, z.B. nach den Plänen des Teams II zu fragen, eine Diskussion über die Vorzüge oder Nachteile des einen oder anderen Bewerbers zu beantragen, oder eine umfassende Aufklärung über den Stand der Vorbereitungen der Wahl zu fordern..

 

Die Festspiele des Jahres 2008 eröffneten mit einer Neuinszenierung des „Parsifal“. Regie führte Stefan Herheim, das Bühnenbild schuf Heike Scheele, die Kostüme steuerte Gesine Völlm bei. Dirigent war der Italiener Daniele Gatti. Die musikalische Seite können wir vernachlässigen, denn insgesamt wurden gute Solisten eingesetzt, die trotz der ungewohnten Regie auch darstellerisch gute Akzente setzen konnten. Auch Chor und Orchester boten die erwartete Qualität. Aber das, was auf der Bühne zu sehen war, war nicht „Parsifal“, ein ganz anderes Stück, sowohl im Bühnenbild – das Ganze spielt innerhalb Wahnfrieds und im Wahnfried-Garten. Es ist die Dramaturgie und das Vorhandensein von drei übereinander liegenden Handlungen, es ist einfach die Regie, die diese Inszenierung ganz eindeutig der Unsitte „Regie“-Theater“ zuordnet. Man weiß als Zuschauer dieser Inszenierung überhaupt nicht wo man sich befindet. Sind da Reste der ursprünglichen „Parsifal“-Handlung zu erkennen, zeigt das Stück die Geschichte des Hauses Wahnfried oder sind wir im Laufe der deutschen Geschichte im Deutschen Bundestag gelandet? Das Ganze wird zusätzlich verwässert durch die Einspielung von stummen Videos, die teilweise nicht einmal etwas mit den aufgezeigten Themen zu tun haben. In dem Ganzen geht natürlich die Musik vollkommen unter und die Kostümierung macht alles nur noch lächerlicher. Manchmal glaubt man, sich auf seinen Kostümball im Wien der 1890er Jahre wiederzufinden, dann befindet man sich in einem Bordell, gleich darauf im Krankenzimmer eines Armee-Lazaretts. Ich frage mich schon, warum die Regisseure innerhalb eines Jahrzehnts in Bayreuth nun schon zum zweiten Male so rüde mit Wagners letztem Bühnenwerk umgehen? Die Ära Wolfgang Wagner endete mit einem „Regie“-Theaterstück. Was würde zukünftig auf uns zukommen?

 

 

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Erstmals 2008 wurde eine Vorstellung aus dem Festspielhaus live auf dem Volksfestplatz in Bayreuth übertragen. Im Rahmen des sogenannten Publik Viewing (gemeinschaftlich sehen), hatten die Besucher dort die Möglichkeit die Vorstellung der „Meistersinger von Nürnberg“ auf einer riesigen Bildwand und mit Unterstützung einer großen Lautsprecheranlage mit zu erleben. Die Presse berichtete anderntags, dass während der fast siebenstündigen Übertragung fast 35.000 Menschen (viele eben nur teilweise) diese Veranstaltung besucht hatten. Für viele Menschen war das die erste Begegnung mit Wagner. Die Zustimmung oder Ablehnung dieser Art, des großen Komponisten Wagners Werke zu erleben, war gemischt. Einige meinten, es fehlte einfach das Fluidum des Zuschauerraumes mit seiner herrlichen Akustik, die anderen meinten, sie hätten sich die „Meistersinger“ ganz anders vorgestellt, im Opernführer würde die Handlung ganz anders beschrieben, wieder andere meinten, wenn ein solches „Event“ im kommenden Jahr wieder veranstaltet würde, kämen sie wieder. (Es gab ja auch reichlich Bier und Bratwürstchen).

 

Am Vormittag des 28. August 2008 wurde Wolfgang Wagner von der Belegschaft der Bayreuther Festspiele und vielen auswärtigen Gästen aus Politik, Kultur und früheren Weggefährten aus seinem Amt als Festspielleiter verabschiedet. Diesem würdevollen Abschied hatte er zweifellos verdient. Aber es war eine Tortur für Herrn Wagner, dessen Gesundheit so schwer in Mitleidenschaft gezogen war, dass er kaum noch gehen oder stehen konnte. Seine Stimme war ganz ausgeschaltet, er selbst hat kein Wort mehr sprechen können. Trotzdem, seine Verdienste um die Festspiele wurden in zahlreichen Beiträgen sehr gut gewürdigt. Immerhin hatte Wolfgang Wagner die Festspiele (die ersten 15 Jahre mit seinem Bruder Wieland gemeinsam) insgesamt 57 Jahre geleitet. Zum Ende der Veranstaltung wurde er im Rollstuhl in sein Wohnhaus zurück gebracht und niemand hat ihn seit diesem Tage – außer den Familienmitgliedern, den Ärzten und dem Pflegepersonal – noch einmal lebend gesehen. Er starb still und friedlich, nur umgeben von Familienmitgliedern am 21. März 2010 in seinem Hause.

 

Dann war er gekommen, der 31. August des Jahres 2008, der Tag an dem die neue Festspielleitung gewählt wurde. Der Kultur-Fernsehsender 3sat sendete live aus dem Bayreuther Rathaus, dort wurde die Wahl durchgeführt. Beide Bewerberteams waren vor Ort, der Stiftungsrat vollständig vertreten. Herr Toni Schmid eröffnete als Vorsitzender dieses Gremium die Sitzung. Team I,(Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier) deren Programm-Papier „Zukunft Bayreuth“ dem Stiftungsrat vorlag, wollte keine Erklärung abgeben. Team II (Nike Wagner und Gerard Mortier) trugen ihre Pläne einer zukünftigen Festspielleitung in mündlicher Form vor. Wie mir der Bayreuther OB, Dr. Hohl zwei Jahre später während eines Gespräches über das Thema Bayreuther Festspiele mitteilte, habe Herr Mortier in einem fulminanten Vortrag die Pläne und Ziele von Team II. dargelegt!

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Es waren seit Eröffnung der Sitzung gerade mal 20 Minuten vergangen, Nike Wagner und Gerard Mortier hatten ihr Konzept vorgetragen, irgend welche Fragen dazu wurden nicht gestellt, eine Diskussion fand auch nicht statt, da meinte der Stiftungsratsvorsitzende Toni Schmid, wer dafür sei, dass das Team I – Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier - die Festspielleitung übernehmen solle, der möge die Hand heben. Und damit wurde die schreckliche Befürchtung amtlich: Mit 22 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen wurden die Töchter Wolfgang Wagners zu Festspielleiterinnen ernannt. Sie stiegen in den zu diesem Zeitpunkt noch gültigen alten Mietvertrag für das Festspielhaus ein, den ihr Vater 1990 mit der Richard-Wagner-Stiftung abgeschlossen hatte. Und damit erhielten sie auch „künstlerische Freiheit“! In einem einzigen Punkt hatte man möglicherweise – so schien es damals – richtig gedacht: Nach Ansicht des damals im Bundeskanzleramt für Vertrags-angelegenheiten zuständigen Beamten, Herrn Knut Nevermann, sollten die beiden Festspielleiterinnen einen ersten Vertrag über fünf Jahre erhalten. (Es wurden dann sieben Jahre daraus) Während der Laufzeit dieses Vertrages sei man dann ja frei zu ent-scheiden, ob der Vertrag verlängert wird oder ob man sich um eine neue Leitung kümmern muss, so Knut Nevermann im Jahre 2008. Genau darum wird es im letzten Kapitel meines Berichtes gehen. Festspiele GmbH oder Stiftung? Wer hat hier das Sagen, wir bestimmt oder wählt den Festspielleiter?

Nach Abschluss der Sitzung gab es eine Pressekonferenz, auf der die beiden Gewählten nicht Neues zu verkünden hatten. Sie teilten lediglich mit, dass Eva Wagner-Pasquier für die Besetzungen sorgen und für künstlerische Belange zuständig sein soll, natürlich immer in Absprache mit ihrer Halbschwester, Katharina würde sich um Marketing, Presse und Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Eine Einladung des Fernsehsenders 3sat vor die Kameras zu treten, schlugen sie aus, weil dort auch die Kulturkritikerin der FAZ, Frau Julia Spinola erscheinen würde, deren Anwesenheit sie nicht mochten, weil sie gelegentlich unangenehme Fragen stellte. Statt dessen erschienen dort der damalige Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, Herr Karl Gerhard Schmidt und der Bayreuther Oberbürgermeister Dr. Hohl, Geschäftsführer der Richard-Wagner-Stiftung. Beide Herren hatten auch Sitz und Stimme im Stiftungsrat. Sie berichteten darüber, dass der Stiftungsrat nach dem Vortrag von Herrn Mortier eine Stunde lang beraten habe, welchem Team die Festspielleitung übertragen werden sollte. Man habe sich dann für die beiden Töchter Wolfgang Wagners entschieden. Eva Wagner habe große Opernerfahrung, außerdem habe sie ja viele Jahre mit ihrem Vater im Festspielhaus gearbeitet.  Katharina Wagner kenne das Werk Wagners und den Festspielbetrieb. Dazu wäre zu sagen: Katharina Wagner hat nicht einmal den Auftrag der Stiftung verstanden. Sie kennt auch das Werk nicht, da sie „nicht in der Historie des Unternehmens zu Hause ist“. Der Beweis für meine Behauptung ist die Berufung der Regisseure, die sie in den dann folgenden 13 Jahren ihrer bisherigen Leitungs-Verantwortung verpflichtet hat. Darüber wird noch zu berichten sein. Es tut mir

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leid sagen zu müssen, dass die Herren Schmidt und Dr. Hohl wirklich keinerlei Wissen über die Abläufe in einem Operntheaters haben. Von der Moderatorin befragt, beteuerten beide, dass das Ergebnis der Wahl sie selbst überrascht habe und sie wiesen die Vermutung, das dieses Ergebnis abgesprochen sei, weit von sich. Zum Schluss meinte Herr Dr. Hohl, jetzt würde in Bayreuth alles besser werden. Anmerkung: Was alles in Bayreuth hätte besser werden sollen, haben wir bis heute nicht erfahren. Die wohl wichtigste Verbesserung, eine künstlerische Erneuerung war wohl nicht eingeplant, denn davon war nie die Rede.

Abschließend erschienen vor der Kamera der Münchener Theaterwissenschaftler und Autor verschiedener Bücher über Wagner und Bayreuth, Jens Malte Fischer und die schon angesprochene FAZ-Journalistin Julia Spinola. Beide hielten den Wahlausgang zu Gunsten der beiden Töchter Wolfgang Wagners für kein gutes Omen für das zukünftige Erscheinungsbild der Festspiele, Jens Malte Fischer war aufgefallen, dass in allen Verlautbarungen nur die Rede von Öffentlichkeitsarbeit, von Sponsoring und Marketing die Rede war, die Worte Dramaturgie (die berühmte „Bayreuther Dramaturgie“) oder künstlerischer Neubeginn dagegen überhaupt nicht vorkamen. Herr  Fischer meinte sogar, wer Gerard Mortier zurückweise, brauche schon sehr gute Argumente. Nike Wagner, die Mitunterlegene hielt die ganze Veranstaltung für ein äußerst „unwürdiges Procedere“, wünschte aber ihren Cousinen trotzdem viel Glück bei der Bewältigung der  großen Anforderungen und sagte abschließend: „ Ich bin zwar traurig über die Niederlage, aber verloren hat vor allen Dingen Bayreuth.“ (Eine weise Voraussage).

Die Kritik am Ausgang der Wahl war vielfältig. So äußerte sich z.B. der Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan Holender: „Der Stiftungsrat habe in einer „Geschlossenheit wie das Zentralkomitee der nordkoreanischen KP“ abgestimmt. Holender nannte das gesamte Auswahlverfahren samt Konzepteinreichung und 20minütiger Vorsprache „lächerlich“ und sowohl für die Kandidaten als auch für die Bayreuther Festspiele „entwürdigend“.

 

Um es auf den Punkt zu bringen: Für Bayreuth und seine Festspiele war dieses Ergebnis der absolute SUPER-GAU !

Die Politik hatte sich eingemischt und über die Kultur gesiegt. Toni Schmid, der Eindringling aus München hatte alles zerstört!

 

     Nach den Richtlinien der Stiftungssatzung war die Entscheidungsfindung Betrug und das Ergebnis im Sinne dessen,

           dass bei der Wahl die bestmögliche Festspielleitung beauftragt werden sollte, eine krasse Fehlentscheidung!

 

Hier stand die eigentlich völlig überflüssige                                           Dort die kaltgestellte Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth,

und in Sachen Leitung eines Theaterbetriebes                                          die durch Mitverschulden ihres Vorstandes und ihrer

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unerfahrene Bayreuther Festspiele GmbH                                               Geschäftsführung um das Recht, den Festspielleiter

         +  die  BF-Medien GmbH                                                               demokratisch zu wählen, betrogen worden war.

                                                                              

               Beide Institutionen wurden kontrolliert und manipuliert durch ein und dieselbe Person, Herrn Toni Schmid.    

                                                                                                 

          Hier war Toni Schmid Vorsitzender des Verwaltungsrates                              Dort  war er Stiftungsratsvorsitzender                            

                    Betrogen hat er beide Parteien mit Hilfe der  Ämterhäufung, durch Untreue und Satzungsbruch 

 

Und nun standen sie da, die unerfahrenen und völlig überforderten Festspielleiterinnen, am Tag nach der Wahl, ohne richtiges Programm, ohne eine wohldurchdachte Prioritätenliste und ohne künstlerische Visionen. Dafür aber hatte ihnen Toni Schmid bereits den ersten Auftrag erteilt: Sie sollten fleißig neue Sponsoren gewinnen. Das aber – so sollte sich herausstellen – ist leichter gesagt als getan. Im Gegenteil: auf diesem Gebiet traten bald erste schwere Rückschläge ein. Siemens stieg aus der Festspielförderung 2012 aus, Audi wenige Jahre später. Damit fehlten im Budget bereits 1,6 Mill. Euro.

 

Katharina Wagner eilte am 1. September 2008 nach Bremen um einen Regie-Auftrag (die Oper Rienzi, ein Jugendwerk ihres Urgroßvaters) zu beginnen und – wie sich bald zeigte – ihren insgesamt sechsten Inszenierungs-Flop hinzulegen.

Ihre Halbschwester Eva begann ihren Dienst im Festspielhaus, in dem sie zuletzt vor 32 Jahren einmal die Assistentin ihres Vaters gewesen war.                                                           

 

Mit Datum vom 4. Sept. 2008 erschien ein Gespräch mit Katharina Wagner im Nordbayerischen Kurier, das sie mit der Zeitung Berliner Morgenpost geführt hatte. Ein sehr aufschlussreiches Gespräch. Zu Beginn stellt sich aber doch die Frage, warum nicht mit beiden Festspielleiterinnen gesprochen wurde, es betraf doch die Aufgaben beider Leiterinnen ?

Einleitend kündigte Katharina Wagner „eine flexible, weniger patriarchenhafte“ Festspielleitung an. Es wird in Bayreuth jetzt auch „keine Nacht der langen Messer geben“, fügte die erst 30 jährige Urenkelin Richard Wagners noch hinzu. Hierzu wäre zu sagen: Sie kündigte einigen, sehr wichtigen Mitarbeitern, deren Rat für die reibungslose Übernahme der Festspielverantwortung sie sehr dringend bedurft hätte.  Um diese Leute los zu werden, musste sie Ablösesummen  von insgesamt fast 300.000 Euro

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hinblättern. Sie kündigte eine größere Öffnung der Festspiele in die Medienöffentlichkeit an. Ihre Worte: „Ich bin für Transparenz total“. Bayreuth soll ein „sympathisches“ Festival werden. Auch hierzu: Weniger Öffentlichkeit ist fast nicht mehr möglich. Die Abkapselung ist sogar optisch wahrnehmbar. Als Folge einer (angeblichen) Bombendrohung ließ Frau Wagner um den gesamten Bereich der Nebengebäude einen stabilen Metallzaun errichten. (Das Dorf in der Stadt).

Die bisherigen Publikationen, wie z.B. das große Festspielbuch entfiel ab 2008. Lediglich die Programmhefte, die bis auf ein paar mittlerweile großformatige Fotos der Inszenierungen keinen künstlerischen Wert besitzen (man kann sie nicht einmal aufgeklappt hinlegen), sind geblieben. Am Jahresende gab man nun ein dünnes Heftchen heraus, indem zwar nichtssagend der nächstjährige Spielplan und die voraussichtlich mitwirkenden Künstler des kommenden Jahres zu finden waren. Dann gab es aber noch eine DVD-Beilage mit „Beiträgen aus dem Festspiel Podcast des abgelaufenen Jahres“. Als dafür verantwortlicher Pressechef hätte ich mich geschämt, diese – von ständiger Werbung unterbrochene Informationen – als von den „Bayreuther Festspielen stammend“ auszugeben. Mehr Informationen gibt es bisher nicht. Mittlerweile wird zur Festspielzeit nicht mal mehr ein Mitwirkenden-Verzeichnis heraus gegeben. Auch das Thema „Aufarbeitung der Familiengeschichte – welche Verbindungen hatte die Familie Wagner zu den Nazi-Größen – wurde angeschnitten. Hier versprach Frau Wagner Bewegung. Geschehen ist bis heute nichts, es ist auch mittlerweile fast überflüssig.

Katharina Wagner räumte ein, dass die Besetzungen hochklassiger werden müssten. So z.B. verhandle man für die Lohengrin-Inszenierung  im Jahre 2010 noch mit dem „Traum-Schwanenritter“. Anmerkung: Der „Traum-Schwanenritter“ war Jonas Kaufmann, er kam auch, sang drei Vorstellungen, meldete sich krank und wurde mit Bayreuth bis heute nie mehr in Verbindung gebracht.

Man sprach auch über den Regisseur der nächsten Ring-Inszenierung im Jubiläumsjahr 2013. Da sei noch keine Entscheidung gefallen. Sie nannte ein paar Namen, die alle nicht in Frage kämen, verschwieg aber, dass mit Wim Wenders verhandelt würde. Das aber zerschlug sich wegen geringfügiger finanzieller Differenzen. Gerade mit Wim Wenders, der parallel zur Ring-Inszenierung noch einen großen Film drehen wollte, hätte Bayreuth einen künstlerischen Erfolg und eine weltweite, kostenfreie  Werbung für die Stadt verbuchen können. Statt dessen musste Frank Castorf erscheinen, darüber wird man noch sprechen müssen. Sie fügte aber noch an, dass Bayreuth bis 2013 wieder der „unstrittige Mittelpunkt der Wagner-Welt sein würde. Welche Naivität steckte in dieser Aussage? Hätte sie da bloß Recht behalten, dann müsste ich diesen ganzen Artikel nicht schreiben! Ich füge noch an, dass Katharina Wagner einfach keinen Zugang zur Branche hat.  Wieland und Wolfgang Wagner luden jeweils die besten Sänger für die zu besetzenden Partien ein – und sie kamen, um mit ihresgleichen jede einzelne der

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Vorstellungen zu etwa ganz Besonderem zu machen.

 

Katharina Wagner kam also im September aus Bremen zurück und hat sich gleich daran gemacht, alles „über den Haufen zu werfen“, kein Stein blieb auf dem anderen. Und dadurch sind dann Probleme entstanden, die teilweise bis heute nicht behoben sind. Für 2009 war keine Neuinszenierung vorgesehen, was hätte man in diesem Jahr nicht alles sinnvoll verändern, ergänzen, verbessern können. Sie übernahm einen strukturierten und organisierten Opernbetrieb (sofern man das von einem Operntheater behaupten kann, das nur drei Monate pro Jahr betrieben wird und dessen künstlerischer Betrieb immer wieder neu hochgefahren werden muss).

Die Festspiele hatten zu dieser Zeit ca. 6o Fachkräfte (sehr verschiedener Berufe, Verwaltungs-Angestellte, Handwerker mit jahrelanger Theater-Erfahrung, Presseleute, Reinigungspersonal usw.) in Festanstellung. Auch waren einige Vorstände wie z.B. die Leiter der Kostümabteilung und der Maskenbildnerei, sowie ein Assistent der Festspielleitung vertraglich gebunden. Was hätte näher gelegen, einmal Bilanz zu ziehen und alle die nützlichen Dienste in die neu zu strukturierenden Abläufe zu integrieren? Es kamen aber keine neuen Strukturen. An Motivation hat es dem Personal nie gefehlt, das weiß ich noch aus eigener Erfahrung.

Die zuvor genannte Aufgaben-Teilung der beiden Festspielleiterinnen ist in dieser Form -  wie sie bei der Pressekonferenz am

8. Sept. 2008 angekündigt worden war - nie in Gang gekommen. (Eva Wagner-Pasquier hatte nicht den Mut, sich durch zu setzen, sie stand sehr stark unter dem dominanten Einfluss ihrer Halbschwester). Die beiden Damen hatten auch niemanden, den sie mal um Rat hätten fragen können. Die Mitglieder des Verwaltungsrates waren entweder nicht vor Ort oder – wie Herr Schmid – hatten keine Ahnung von Opernbetrieben. Außerdem: Rat von anderen anzunehmen, ist Katharina Wagners Stärke nicht! Es wurde also munter drauflos gewirtschaftet. Die Presse, die das zum Teil mitbekam, berichtete über jeden erkannten Fehler, ja, sie  walzte ihn richtiggehend aus. Katharina Wagners Hauptsorge in den ersten beiden Jahren galt ohnehin dem Erfolg der Tochtergesellschaft BF-Medien GmbH, weiß ein ehemaliger Mitarbeiter zu berichten.

Ursprünglich wollte ich an dieser Stelle eine Reihe von Entscheidungen auflisten, die die beiden Festspielleiterinnen im Laufe der Jahre ab 2009 getroffen hatten und die fast alle nichts zu einer Verbesserung der Arbeitssituation bzw. des auf der Bühne bei den kommenden Vorstellungen sichtbar gewordenen Ergebnisses beigetragen haben. Nach Sichtung und Priorisierung dieser ungezählten Fehlschläge (sie würden weitere sieben bis acht Blätter füllen) verzichtet ich darauf, zumal dies schon x-mal

geschehen ist. Auf Wunsch kann eine solche Auflistung an dieser Stelle  hinzu gefügt werden.

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                                           Die Festspiele von 2010 bis 2019

 

Wer geglaubt oder gehofft hatte, mit dem Wechsel der Festspielleitung würde die Nachfrage nach Eintrittskarten wieder steigen, wurde sehr enttäuscht, denn der Winkel in der Abwärtsbewegung blieb gleichbleibend steil. Gestiegen sind nur die Eintrittspreise.

 

Die Festspielleiterinnen hatten – jedenfalls nach außen hin – nichts Sichtbares oder Spürbares  positiv verbessert, Herr Toni Schmid zog die Fäden und damit erschien dann im Juli 2010 die erste Neuinszenierung ihrer Regentschaft mit der romantischen Oper „Lohengrin“. Diese Inszenierung war die erste von insgesamt 13 Werken (die vier Ring-Opern einzeln gerechnet) die auf den Spielplänen, den Eintrittskarten, den Programmheften oder dem Tagesbesetzungsblatt usw., die Aufschrift eines Wagnerschen Bühnenwerkes trugen, dass aber auf der Bühne gar nicht stattfand. Nein, sehr geehrte Leser, Sie haben sich nicht verlesen!   

In diesem zweiten Jahrzehnt ist auf der Bayreuther Bühne bis heute kein Musikdrama von Wagner aufgeführt worden.                               Den Gesamtkunstwerken fehlen  die zu den Texten und zur Musik gehörenden Handlungen.

Was Sie dort erleben, sind die jetzt in Mode gekommenen „Regie“-Theaterinszenierungen – Fantasiegeschöpfe!

Was der Zuschauer jetzt zu sehen bekommt, sind die Ausgeburten von Jungregisseuren, von Profilierungssüchtigen oder puren Angebern, denen von der Festspielleitung die Gelegenheit gegeben wird, ihre kranken Fantasien auszuleben. Nein, ich habe mich nicht geirrt und die einigen hunderttausend Besucher der letzten Jahrzehnte, die immer alles daran gesetzt haben, eine der begehrten Karten für eine Vorstellung in Bayreuth zu ergattern sind maßlos enttäuscht und kommen nicht mehr.

 

Bis jetzt habe ich ja nur meine Gedanken in chronologischer Reihenfolge niedergeschrieben, ab hier spreche ich Sie,

 

          Sehr geehrte, oberste Entscheidungsträger der Gesellschafter, Sie

                    Sehr geehrte Mitglieder des Vorstandes der Richard-Wagner-Stiftung und dessen Geschäftsführer, und Sie

                              Sehr geehrte Mitglieder des Verwaltungsrates der Bayreuther Festspiele GmbH,  direkt an!

 

Ich bitte Sie sehr, fühlen Sie sich ruhig angesprochen, denn ab hier wird  – und das extra zu Ihrer absoluten Verständlichkeit –  Klartext geschrieben:

 

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Wer auch immer Herrn Toni Schmid beauftragt hat, die Festspielleitung – so wie sie sich heute präsentiert - zu installieren, wer geduldet oder gefördert hat, dass der Stiftungsrat entmachtet wurde, der hat es sich sehr leicht gemacht mit dieser Entscheidung, da er nichts von dem verstanden hat, was ca. seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts mit den Bayreuther Festspielen geschehen ist.

 

Was hat sich Herr Schmid, der in seiner Funktion als Stiftungsratsvorsitzender - mit diesem Gremium zuständig für die Wahl des Festspielleiters – dabei gedacht, als er zunächst zusammen mit dem Vorstand und der Geschäftsführung der Richard-Wagner-Stiftung dafür gesorgt hat, dass der Stiftungsrat gar nicht erst in Erscheinung trat, um dann in maßloser Selbstüberschätzung die „alternativlos“ und „einzig dafür geeigneten“ Töchter Wolfgang Wagners mit der Festspielleitung zu beauftragen? Wie hat Herr Schmid denn diese Eignung festgestellt? Hat er sich denn die Mühe gemacht zu ergründen, wie der dringend erforderliche künstlerische Neuanfang bewerkstelligt werden sollte?. Es war doch schon 2008 klar erkennbar, dass das Stammpublikum in steigendem Maße von Bayreuth ab rückte. Hat Herr Schmid gewusst, wie die Inszenierungen ab 2010 aussehen würden? War er sich darüber im Klaren, was die beiden Festspielleiterinnen mit der ihnen gewährten „künstlerischen Freiheit“ anfangen würden?Wenn ja, dann wusste er, dass die Besucher zukünftig nicht mehr Wagners Werke – so wie sie uns der Komponist überlassen hat – zu sehen bekommen?  Hat er die bis 2008 schon sehr stark nachlassende Kartennachfrage berücksichtigt?

 

Kurz vor der am 31. August 2008 stattgefundenen „Festspielleiter-Bestimmung“ war die schon bestehende Bayreuther Festspiele GmbH von einem auf vier Gesellschafter erweitert worden. Haben sich die zuständigen Entscheidungsträger dieser nun erheblich vergrößerten und mit gewaltigen Aufgaben betrauten Gesellschaft denn gar nicht mal darum gekümmert, wie das in Bayreuth nun zukünftig ablaufen soll (oder würde)? Wie konnte es geschehen, dass zwei sich bewerbende Teams nicht qualitativ bewertet wurden, bzw. dass nicht erkannt wurde, dass jedes Opernhaus der Welt, Bayreuth um Nike Wagner und Gerard Mortier beneidet hätten, wären diese beiden Theater-Fachleute aus dem Vergleich der Bewerber als Sieger hervorgegangen? Wie war es möglich, dass nicht der Stiftungsrat den Festspieleiter demokratisch ermittelt und gewählt hat, sondern dass Herr Schmid mit seinen Helfern (wie schon auf den Seiten 35-37 geschildert) die Geschäftsführerin der Bayreuther Festspiele GmbH, Katharina Wagner einfach so zur Festspielleiterin bestimmte? War er sich tatsächlich nicht der Konsequenzen bewusst, die da auf die Außen-darstellung der Festspiele zukommen würden?

 

 

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Kehren wir zurück zum „Lohengrin“ des Jahres 2010, der dramaturgisch in den Betrieb eines Ratten-Versuchslabors um- geschrieben wurde, sehen wir uns den „Tannhäuser“ des Jahres 2011 an, der uns in der neuen Handlung in eine Biogas-Anlage entführte (einschließlich der stinkenden Gerüche) und berücksichtigen wir mal den „Fliegenden Holländer“ des Jahres 2012, der den Betrieb einer Packstation eines Ventilator-Herstellers schildert, der seinen Betrieb in einer von glitzernden Stahlrohren umgebenen Halle aufgebaut hatte, und fragen wir mal Herrn Schmid, ob er nicht spätestens nach diesen drei totalen Fehlschlägen hätte zur  Einsicht kommen müssen, dass die Berufung der beiden Wagner-Töchter eine Fehlentscheidung war?

 

Wir befinden uns jetzt im Herbst 2012. Wäre jetzt nicht zwingend notwendig gewesen, die nötigen Schritte zu tun, um ab 2015 einen besseren Festspielleiter zu präsentieren? Hatte Herr Schmid nicht längst vernommen, dass mit dem im Jahre 2013 auf uns  zukommenden „Ring des Nibelungen“ in der Inszenierung durch Frank Castorf die nächste Katastrophe ins Haus stand? Hatte er nicht mitbekommen, was die Festspielleiterin einem Journalisten 2011 geantwortet hatte, der bei der Bekanntgabe, Herr Castorf werde den Ring 2013 inszenieren, folgende Frage gestellt hatte: „Herr Castorf hat noch nie eine Oper inszeniert und Noten kann er auch nicht lesen. Wie soll dieser Mann sich mit seiner Regie durch die Partitur hindurch arbeiten, wenn er die Musik nicht kennt?“ Katharina Wagner antwortete: „Ach, mit der Musik wird er schon irgendwie zurechtkommen!“ Das ist die Antwort der Festspielleiterin der bedeutendsten und ältesten Musikfestspiele der Welt, selbst ein Mitglied der Familie Wagner!

 

Hätte Herr Schmid nicht schon im Herbst 2012 – wie von verschiedenen Personen laut angedacht – die Festspielleiterstelle ausschreiben können? Warum musste sich Bayreuth mit der schlechtesten Lösung weiter herum schlagen? Ich selbst habe 2010 mit Herrn Dr. Hohl und Anfang 2013 mit Herrn Wenning genau über dieses Thema gesprochen. Sie hätten doch die Notbremse ziehen können. Gewiss es hätte einen riesigen Aufruhr bedeutet, aber es wäre um die Qualität der Aufführungen und um die Glaubwürdigkeit der handelnden Gremien gegangen. Längst hätte der Stiftungsrat „grunderneuert“ werden müssen, so wie z.B. von Frau Iris Wagner, Stiftungsratsmitglied und Vertreterin der Stifterfamilie Wieland Wagner schon 2012 in einem Brief an Herrn Wenning angeregt hatte, den ich hier – auszugsweise - noch einmal  wörtlich zitiere:

    …. Die Aufgabe und Darstellung der Stiftung ist von nationaler Bedeutung, die nur durch ein leidenschaftliches und        kompetentes Engagement aller Stiftungsratsmitglieder angemessen zu bewältigen ist. Die Stiftung bedarf der personellen    und strukturellen Erneuerung. Nicht schweigendes Desinteresse von beamteten Funktionsträgern, sondern der Diskurs von Kulturfachleuten sollte in künftigen Stiftungsratssitzungen vorherrschen.....  Ende des Zitates.

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Um es auf den Punkt zu bringen: Es wurde nicht einmal versucht, alle Stifter, Gesellschafter und Förderer, die im Stiftungsrat vertreten sind dazu zu bewegen, Vorschläge für eine fachlich bessere personelle Vertretung im Stiftungsrates einzuleiten. Es wurde von Herrn Schmid auch keine Ausschreibung der Festspielleiterstelle veranlasst, es wurde weder die Ämterhäufung (Mitglied im Verwaltungsrat und gleichzeitig auch Mitglied des Stiftungsrates) behoben, noch wurde Herr Schmid in seine Schranken verwiesen. Nein, statt dessen konnte er – in wessen Auftrag auch immer -  in aller Ruhe einen Folgevertrag mit Katharina Wagner für die Jahre 2015 bis 2020 aushandeln und auch hier kam ein beratender Stiftungsrat nicht zum Zuge. Wer hat diesen Vertrag eigentlich unterschrieben? Es ging ausschließlich um den Machterhalt für die Nachfahren der Familie Wolfgang  Wagners.

Der Jubiläums-Ring des Jahres 2013 hatte selbstverständlich mit Wagners (in mytischen Zeiten spielendem) Ring nichts  gemeinsam und der Stiftungsrat wurde auch diesmal nicht zu Beratungen eingeschaltet. Außerdem äußerte sich Herr Schmid in einem Interview zur Wahl des Festspielleiters folgendermaßen: „Die Bayreuther Festspiele GmbH hat mit der Richard-Wagner-Stiftung nichts zu tun, die Stiftung vermietet lediglich das Festspielhaus, das ist alles!“

 

Um diesen Machterhalt zu vereinfachen, strengte Herr Schmid den Abschluss eines neuen langfristigen Mietvertrages für das Festspielhaus zwischen der Eigentümerin, der Richard-Wagner-Stiftung und der Festspiele GmbH an. Mit dem Abschluss dieses Vertrages wäre man dann über eine Generation hinweg von der Frage nach der Anmietung des Festspielhauses befreit. Nach einigem Gerangel ist es ihm auch gelungen, einen Mietvertrag über eine Laufzeit von 20 Jahren (beginnend 2020) durch zu setzen, indem der Vermieter über die gesamte Laufzeit kein Kündigungsrecht hat. Begründet wurde die Notwendigkeit der langen Laufzeit mit der Gestellung von Sicherheiten für die hohen Kosten der Sanierung der Festspielgebäude. (Kosten, deren endgültige Höhe bis heute nicht genau ermittelt sind), außerdem könnte die Festspiele GmbH solche hohen Summen niemals garantieren). Ein Einspruch der Nachfahren Wieland Wagners gegen diesen Vertrag wies das Landgericht Bayreuth ab.

 

Im Jahre 2014 gab es keine Neuinszenierung, 2015 dann eine Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“, Regie Katharina Wagner. Christian Thielemann der Dirigent dieser Inszenierung, wurde nun zusätzlich vertraglich Musikdirektor der Festspiele. Einmal eine gute Entscheidung. Herr Thielemann ist ein erfahrener Operndirigent der zum Thema Besetzungen sicher gute Ratschläge geben kann. Weiter ging es 2016 mit einer „Parsifal“-Inszenierung, 2017 dann mal wieder eine Neuinszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“, Regie Barrie Kosky, 2018 dann ein neuer „Lohengrin“ und 2019 der „Tannhäuser“ in der

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 Inszenierung von Tobias Kratzer.

Die Bühnenhandlungen auch dieser Inszenierungen haben mit Wagners Überlieferungen nichts zu tun. Man muss nur die Dramaturgen in Ruhe machen lassen, sie erfinden neue Krimis, die dann – unpassenderweise – mit Wagners Texten versehen werden. Damit wird der Schaden nur noch größer, weil die nicht passenden Handlungen durch den Gebrauch der Wagnerschen Texte direkt lächerlich wirken. Eine Besprechung dieser Aufführungen ist nahezu unmöglich, es gibt keine  Bezüge zu Wagners Werken, keine Vergleiche, es macht einfach nur betroffen und hoffnungslos.

Nur wenige Bemerkungen zu den Aufführungen von 2015 bis 2019:

Katharina Wagners „Tristan und Isolde“ wurde von der Premiere 2015 bis zur letzten Aufführung 2019 vorwiegend mit Buhrufen bedacht. Das menschliche Drama dieser drei in enger Beziehung stehenden Hauptpersonen erstickte in Technik und Licht. Kaum war die Premierenvorstellung vorbei, als auch schon verkündet wurde, Toni Schmid bereite schon wieder einen neuen Vertrag mit Katharina Wagner von 2020 bis 2025 vor. Auch diesmal keine Beratung des Stiftungsrates, keine  andere Person, die sich beworben hätte. Und wieder meldet sich keiner der Gesellschafter um mal zu prüfen, warum ….. Auch der Vorstand der Richard-Wagner-Stiftung erhebt keinen Einspruch dagegen, dass der Stiftungsrat schon wieder nicht beteiligt wird.

Das große Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ wurde in der Inszenierung von 2016 zur Kammeroper herabgestuft.

Ganz schlimm wurde es bei den „Meistersingern von Nürnberg“ 2017. Wieder einmal eine Inszenierung die mit einem Vorspiel begann, dem eine Handlung zugewiesen wurde, obwohl Wagner keine überliefert hat. Außer, dass diese Vorspielhandlung die Entstehungsgeschichte der Oper abbilden sollte, (sie spielte im großen Saal des Hauses Wahnfried) diese aber zeitlich der falschen Epoche zugewiesen wurde, nimmt man dem Zuschauer die Möglichkeit, sich genussvoll und besonnen in die musikalische Thematik der Komposition ein zu hören. Zum ersten Akt bleibt das gleiche Bühnenbild bestehen, was wiederum falsch ist, weil der erste Akt in der Katharinenkirche spielt, der 2. und der 3. Akt spielen dann im Gerichtsaal Nr. 600 des Nürnberger Amtsgerichtes, in dem die Kriegsverbrecherprozesse der alliieren Siegermächte des 2, Weltkrieges durchgeführt wurden. Eine Geschmacklosigkeit! Bis heute habe ich noch niemanden getroffen, der für diesen widerlichen Einfall eine einleuchtende Erklärung gefunden hat. Die ganze Poesie des Wahn- oder Fliedermonologs sind dahin und zum Schluss singt dann Hans Sachs auf leerer Bühne – dem Publikum zugewandt - „Verachtet mir die Meister nicht und ehrt mir ihre Kunst“ …... ! Ein Mitglied des Verwaltungsrates der Festspiele GmbH, mit dem ich schriftlichen und telefonischen Kontakt hatte, bezeichnete die Inszenierung als einen großen Erfolg. Meine Frage, wie er zu dieser Einschätzung gelangt sei, beantwortete er mit den Worten:  „In der Generalprobe geschah etwas, das es bei den Festspielen noch nie gegeben hatte. Die Zuschauer standen nach dem

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Schließen des Schlussvorhanges auf, wendeten sich dem Regiepult in der Saalmitte zu und applaudierten dem Regisseur“. Dazu

konnte ich nur sagen, dass dies die wenigen Besucher waren, die keine einzigartige Vorstellung sehen wollten, sondern lediglich ein „Event“ besuchten. Je wilder die Regie, umso besser! Ist das nun das Bayreuth, an welches man sich gewöhnen muss?

Kommen wir zum „Lohengrin“ von 2018: Vor einem über das ganze Stück erhaltenen blauen Hintergrundprospekt wird mit Möbeln, technischen Vorrichtungen und obskuren Requisiten herum hantiert, die mit der romantischen Oper Lohengrin nichts zu tun haben. Schwere Entgleisungen in der Regie und ein Brautgemach, ausgestattet als Folterkammer, verderben dem Besucher die ganze Freude am Besuch dieser Oper. Ein einziger Lichtblick: Piotr Beczala, der polnische Tenor in der Rolle des Lohengrin, ein wahrer Genuss. Er war der Ersatzmann für den vorgesehenen Roberto Alagna, der nicht rechtzeitig mit der deutschen Sprache zurecht kam.

Das Jahrzehnt der Entgleisungen endet 2019 mit einer neuen „Tannhäuser“-Inszenierung von Tobias Kratzer. Hierzu findet man kaum noch Worte. Vom ersten Takt des Vorspiels, das selbstverständlich auch wieder eine absurde Handlung erhielt bis zum endgültigen Schluss der Oper – eine einzige Aneinanderreihung von Blödsinn. Der Regisseur baute auch zwei stumme Mitwirkende ein (ein kleinwüchsiger Mann und einen Transvestiten schwarzer Hautfarbe) , die beide - wie Falschgeld - durch das ganze Stück wieseln. Ich weigere mich, dazu in die Details zu gehen und ich verstehe auch die Welt nicht mehr, dass diese Fehlleistung des Regisseurs mit dem Titel „Regie des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

Die Corona-Pandemie verhinderte in Jahr 2020 die Durchführung der Festspiele. Der Vertrag mit Christian Thielemann als Musikdirektor wurde nicht verlängert. Ich bedauere das sehr. Gründe wurden – wie immer nicht genannt. Die Festspielleiterin erkrankte im Frühjahr schwer, hat sich aber erstaunlich gut erholt. Fern von Bayreuth hat sie ihren bisherigen Stress einmal ablegen können. Hätte man hoffen dürfen, dass sie sich bei der Gelegenheit mal in aller Ruhe Gedanken zum Zustand und zur Zukunft der Festspiele machen würde?  Vermutlich hat sie das nicht getan, denn …...

 

…... es ging im Jahr 2021 genau so weiter wie bisher, zu Beginn schon wieder mit einer Inszenierung, die unter dem Namen „Der fliegende Holländer“ verkauft wurde, mit diesem aber nun gar nichts mehr gemeinsam hatte. Das ganze Stück, angefangen schon wieder mit einer zum Vorspiel erfundenen Handlung, besteht ausschließlich aus dem Hin- und Hergeschiebe von vier Betonklötzen, die in ständigem grau-grünem Licht die Häuser eines Dorfes in Norwegen in Ufernähe darstellen sollen. Kein einziger Hinweis auf ein Seefahrerstück, kein Schiff, keine Segel, keine Poesie im Duett des Holländers mit Senta, nichts was einen an irgend etwas aus diesem großartigen Jugendwerk Wagners erinnern würde. Ganz schnell abhaken und vergessen! Der

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Rest der Spielzeit 2021 bestand aus Wiederaufnahmen des „Tannhäuser“ und der „Meistersinger von Nürnberg“, zwei Konzerten  des Festspielorchesters unter Andris Nelsons, einem sogenannten „Parsifal“-Konzert (Dirigent: Christian Thielemann) und aus drei konzertanten Aufführungen der „Walküre“,  bei der die Solisten an der Rampe sangen und der Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch riesige Leinwände mit Farbe beschmierte, wodurch er seinen von der Walküre getrübten Weltblick beschrieb. So etwas gehört, gemäß alter Traditionen,  nicht auf die Bühne des Festspielhauses. Wenn ich richtig informiert bin will die Stadt Bayreuth die Farb-„Kunstwerke“ kaufen.

 

Meine Hoffnung, dass sich nach einem Jahr Pause und nach mittlerweile 13 „Regie“-Theater-Inszenierungen irgend etwas ändern würde und dass in Zukunft in Bayreuth wieder Wagner gespielt und gesungen würde, so wie uns der Komponist seine Werke hinterlassen hat, hat sich mit dem Erscheinen dieser „Holländer“-Inszenierung restlos zerschlagen. Katharina Wagner hat mit Hilfe der Ränkespiele von Politikern und Beamten alles zerschlagen, was ihre Vorfahren in mehr als 130 Jahren aufgebaut hatten.

Die berühmtesten und ältesten Opernfestspiele haben ihrem hohen Rang und ihre Vorreiterrolle bei der Interpretation der Wagnerschen Musikdramen endgültig eingebüßt. Bayreuth ist sehr tief gesunken. Die Kartennachfrage unterschreitet mittlerweile das Platzangebot und die Eintrittspreise zu den Vorstellungen haben Rekordhöhen erreicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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                  Die Strukturen und die Finanzen unter dem nun strengeren Blick

                                                                                                     der Gesellschafter

                                                                                             und

                          Überlegungen zur Änderung der Stiftungssatzung auf

                                                                  Betreiben der Festspiele GmbH

 

 

Anfang Juli 2021, also kurz bevor uns die Neuinszenierung des „Fliegenden Holländer“ erneut enttäuschte, erreicht uns die Pressemitteilung, z.B. auf BR 24 vom 02.07.2021, die lautete: „Katharina Wagner kündigt Reformen bei Bayreuther Festspielen an“, oder bei RP Online vom 12.07.2021, „Bayreuths Finanzen kommen unter die Lupe“.

 

Ganz neu ist diese Aktion ja nicht, denn die Kulturstaatsministerin Frau Prof. Grütters hatte schon zum Jahresanfang 2021 mitgeteilt, dass sie sich die Strukturen auf dem Grünen Hügel vornehmen werde und ab sofort auch mal mehr aufs Geld schauen will! Ich muss gestehen, das findet meine volle Zustimmung. Nun will auch der Freistaat Bayern mehr aufs Geld schauen und „die Interessen der öffentlichen Hand im Blick haben“!

 

Freilich, ein großer Posten sind die Betriebskosten. Wie Sie auf Seite 21 lesen konnten, belief sich das Jahres-Budget der Festspiele im Jahre 1997 auf 21 Mill. DM (umgerechnet mit dem Faktor 1,96 = 10,7 Mill. Euro). In diesem Jahre liegen die Budgetkosten bei 32,5 Mill. Euro, fast dreimal soviel wie 1997. Sind die Festspiele um soviel besser geworden? Man muss dabei auch bedenken, dass die Personalkosten davon bei ca. 8o% liegen. Zudem wird seit 2010 immer mehr Personal eingesetzt.

                                                                                        

Für 2016 habe ich einmal einen Vergleich der Personalstärke zum Jahre 1994 angestellt, mit dem Ergebnis: Die Abteilungen Beleuchtung / Videooperateure / Elektroakustiker, Bühnentechnik, Maske, Kostüm- incl. Ankleider und Ankleiderinnen, Presse / Medien / Publikation und Türsteherinnen, beschäftigten die Festspiele jetzt durchschnittlich 60 % mehr Personal. Wie ist das

 

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möglich? Sind die Vorstellungen um 60 % besser geworden? Nein! Der zweite große Posten ist die Sanierung der Festspielgebäude: Der Bund hat im vergangenen Jahr dafür 84,7 Mill. Euro zur Verfügung gestellt, Bayern will noch einmal soviel dazu tun. Dass hier also einmal richtig hingeschaut werden soll ist mehr als verständlich!

 

Nun aber kommt ein großes Ärgernis hinzu: Wieder einmal ist das Thema „Reform der Satzung der Richard-Wagner-Stiftung“ auf der Tagesordnung des Stiftungsrates aufgetaucht und das ist nun ein sehr schwieriges und vielschichtiges Thema. Zunächst stelle ich fest, der Wunsch, über Änderungen der Satzung nachzudenken kommt aus dem Stiftungsrat, genauer gesagt hat ihn die neue Vorsitzende des Stiftungsrates Frau Angelika Kaus auf die Tagesordnung gesetzt. Das ist ja nicht neu, denn schon Ende 2013 hat Toni Schmid dieses Thema favorisiert, ist damit aber nicht weiter gekommen. Ersatzweise hat sie Herr Schmid damals dem Thema „langfristiger Mietvertrag für das Festspielhaus“ zugewandt ,mit dem er ja dann auch „erfolgreich“ war.

Jetzt ist ein neuer Arbeitskreis gegründet worden, der sich mit dem Thema Stiftungssatzung beschäftigen und der Vorschläge zur Änderung der Satzung ausarbeiten soll. In der Pressemitteilung von RP Online ist zu lesen, dass es der Arbeitsgruppe nach Ministeriumsangaben „um die Stiftung selbst sowie deren Leistungsbeziehungen zur Bayreuther Festspiele GmbH als Mieterin des Festspielhauses und Festspielunternehmerin“ geht.

 

Erlauben Sie mir bitte die Frage: „Lese ich das richtig, soll nun der Stiftungsrat über seine eigene Entmachtung nachdenken?

 

Weiter ist in dieser Pressemitteilung zu lesen: „Mit welchen Punkten sich der Arbeitskreis genau  beschäftigen soll, ist unbekannt; auch das Ministerium wollte sich dazu nicht konkret äußern: „Die Tätigkeit der von der Richard-Wagner-Stiftung eingesetzten Arbeitsgruppe soll nach Möglichkeit nicht durch eine breite öffentliche Diskussion beeinflusst werden. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir zu den von der Stiftung als rechtlich selbstständig handelnden juristischen Person zu bearbeitenden Handlungsfeldern keine näheren Aussagen machen“, teilte eine Sprecherin des Kunstministeriums mit.

Den letzten Absatz halten wir zunächst einmal fest!

                                                                                        

 

 

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Weiter heißt es dann in der Pressemeldung: Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass das Festspielhaus als Privatvermögen der Familie Wagner in die Richard-Wagner-Stiftung eingebracht wurde und zum unveräußerlichen Grundstockvermögen dieser Stiftung zählt, kann hier eine Neustrukturierung nur unter Würdigung der Interessen aller Beteiligten erfolgen, zumal auch wesentliche Regelungen der Stiftungssatzung bis auf Weiteres nicht gegen die Stimmen der Familie Wagner geändert werden können“, heißt es aus dem Kunstministerium. „Es wurden ausdrücklich alle Mitglieder des Stiftungsrates zur Mitarbeit beziehungsweise Entsendung von Vertretern in diese Arbeitsgruppe ermuntert“.

 

Zu dem gesamten Thema nun einmal ein paar grundsätzliche Anmerkungen. Wenn diese verständlich und in der richti-gen Reihenfolge aufgelistet werden, könnten sie – so meine Ansicht – ein Beitrag zur Diskussion der Arbeitsgruppe sein:

 

Der Stiftungsrat hatte bereits Anfang 2014 eine Arbeitsgruppe gebildet, die aber nur einmal zusammen getreten ist. Den Vorsitz dieser Gruppe hatte seinerzeit Herr Martin Eifler vom Staatsministerium für Kunst und Medien in Berlin übernommen. Liest man das Protokoll dieser Sitzung, dann erkennt man unschwer: Es geht vorwiegend darum, den §8 zu verändern oder zu streichen.

 

Nike Wagner sprach Ende Februar 2013 auf einer Tagung in Wiesbaden über das Warum und Wie die Richard-Wagner-Stiftung seinerzeit in Bayreuth gegründet worden war. Frau Wagner erklärte in diesem sehr ausführlichen Vortrag Sinn und Zweck der Stiftung. Abschließend erkannte sie Verbesserungsbedarf an und erklärte: „Es besteht Handlungsbedarf bei der Richard-Wagner-Stiftung. Das setzt aber einiges an Erkenntniswillen und Engagement der beteiligten Gremien und Beamten voraus“. Sie schloss ihren Vortrag mit den Worten: „Die Richard-Wagner-Stiftung ist eine der bedeutendsten Kulturstiftungen Deutschlands und es ist angesichts ihrer internationalen Bedeutung vollkommen inakzeptabel, dass so viele ungeklärte Verhältnisse – auf Grund einer juristisch fragwürdigen, handwerklich schlecht gemachten, faktisch nicht praktikablen und völlig unzeitgemäßen Stiftungssatzungdie Zukunft dieser weltbedeutenden Kultureinrichtung weiter paralysiere. Wir sind es dem Gründer der Bayreuther Festspiele und seinem Vermächtnis schuldig“.

 

Der Vorstoß zur Satzungsänderung kommt wieder aus den Reihen der Festspiele GmbH. Herr Schmid ist in Pension, jetzt greift die amtierende Vorsitzende des Stiftungsrates dieses Thema wieder auf. Nun wurde bereits ein Arbeitsausschuss gegründet, der Vorschläge zur Änderung der Satzung erarbeiten soll. Aus dem Kunstministerium kommt aber gleichzeitig die Mitteilung, dass

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der Arbeitsausschuss ungestört arbeiten soll und dass es deshalb keine öffentliche Diskussion geben soll. Mit anderen Worten:

                                                                                        

Nachrichtensperre! Zensur, weiteres Gemauschel? Im gleichen Absatz wird der Stiftung aber auch bestätigt, dass sie eine „rechtlich selbstständig handelnde juristische Person“ ist. (Bürger haben ein Anrecht darauf; Fragen zu einer „rechtsfähigen,öffentlichen Stiftung  bürgerlichen Rechts“ beantwortet zu bekommen.)

           Das Vorhandensein der Richard-Wagner-Stiftung ist der Dorn im Auge der Festspiele GmbH.

Das geht auch aus verschiedenen Äußerungen von Stiftungsratsmitgliedern hervor, die in verschiedenen Sitzungsprotokollen nachzulesen sind. So regte vor Jahren der damalige stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, Herr Dr. Wolfgang Wagner in einer Diskussion über den Haushaltsplan für das Richard-Wagner-Museum an, das Museum zu schließen und die „Stiftung aufzulösen“! - Wenn das so einfach ginge! Katharina Wagner riet der Stiftung sogar „Insolvenz anzumelden“. Während einer anderen Sitzung äußerte sie sich folgendermaßen: „Wenn die Stiftung kein Geld hat, kann man sie ja gleich auflösen“! Auch warf sie mal die Frage in die Runde, ob die Stiftung überhaupt noch lebensfähig sei?

 

Herr Eifler, der selbst Mitglied des Verwaltungsrates der Festspiele GmbH ist, hat ja schon häufig den Begriff verwendet, dass die Stiftung große Probleme habe, die es zu beseitigen gelte. Ich glaube eher: Die Bayreuther Festspiele GmbH sind selbst das eigentliche Problem. Überspitzt formuliert sehe ich das folgendermaßen:

Die Bayreuther Festspiele GmbH und ihr Tochterunternehmen BF-Medien GmbH haben ihr Unternehmensziel nicht erreicht. Das Hauptprodukt, die Festspiel-Inszenierungen, sind längst nicht so gefragt, wie man sich das vorgestellt hatte. Auch der erhoffte Werbeeffekt durch die Verbreitung dieser Inszenierungen im Fernsehen oder die Übertragung der Premieren-Vorstellung in die deutschen Kinos war nicht so erfolgreich wie ursprünglich erhofft. Der mäßige Absatz von CDs oder DVDs ist auch kein Geschäft.  Um sich nicht zu blamieren, wird jetzt abgelenkt indem man erneut Änderungen an der Stiftungssatzung verlangt.

 

Die Stiftung hat mit Sicherheit kein Verschulden, wenn die GmbH Probleme hat. Die Stiftung hat sich auch nie in die Geschäfte der GmbH eingemischt. Nach den Worten von RP Online klingt das aber so. Dort heißt es, gehe es bei der Reform der Stiftungssatzung um „die Stiftung selbst sowie deren Leistungsbeziehungen zur Bayreuther Festspiele GmbH“. Hier möchte ich gerne noch einmal etwas unmissverständlich klären: Das Wort Leistungsbeziehungen stößt mir gewaltig auf:                             

                                                                      Die Richard-Wagner-Stiftung schuldet der Bayreuther Festspiele GmbH nichts.

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Die Richard-Wagner-Stiftung ist der Inhaber und Rechtsnachfolger des materiellen und ideellen Besitzes der vier Zweige der Familie Wagner in der Erbfolge rückwärts über Siegfried zu Richard Wagner. Die Stiftungsurkunde und die Stiftungssatzung drücken den Stifterwillen aus, die Satzung hat Gesetzeskraft. Ein wichtiger Paragraph der Stiftungssatzung ist der mit der Nr. 8. Er sagt aus, dass der Festspielunternehmer (gemeint ist damit der künstlerische Leiter der Festspiele) vom Stiftungsrat gewählt wird. Dieser Paragraph ist schlecht abgefasst, nicht eindeutig formuliert und bedarf einiger Richtigstellungen, schon der Begriff Festspielunternehmer ist stark umstritten. Auch fehlt eine eindeutige Aussage über welchen (begrenzten Zeitraum) eine Amtsperiode des gewählten Festspielleiters andauert, wie sie verlängert werden kann oder ob die Stiftung beschließt einen neuen Festspielleiter zu suchen, (z.B. über eine Ausschreibung o.ä.). Ein Festspielleiter auf Lebenszeit soll es ja nicht mehr geben!

 

In der Pressenotiz von RP Online äußert sich auch Daphne Wagner, die den Familienzweig Wieland Wagners im Stiftungsrat vertritt: Daphne Wagner erkennt an, dass die Satzung veraltet ist und dass ihre Überholung ein „langwieriger Prozess werden könnte“. Es ist ihr besonders wichtig zu betonen, „dass die Familie nicht einfach rausdividiert werden kann, immerhin sind wir die Stifter-Familie“. Auch – so betont sie besonders - muss das Festspielhaus ausschließlich der Aufführung der Werke ihres Urgroßvaters vorbehalten bleiben.

Und noch etwas: Die Richard-Wagner-Stiftung wurde 1973 gegründet, sie war also schon vorhanden als an eine zu gründende GmbH noch niemand einen Gedanken verschwendete. Ihre Satzung hat Gesetzeskraft, ihr Text ist verbindlich!

 

Die eigentlich völlig überflüssige Bayreuther Festspiele GmbH wurde (offiziell) gegründet um die Festspiele zu veranstalten, tatsächlich aber diente (und dient) sie der Machterhaltung der Familie Wolfgang Wagners, der mit Vertrag auf Lebenszeit die Festspiele leitete und der erst von seinem Posten als Festspielleiter zurück getreten ist, nachdem er die sichere Gewissheit bekam, dass seine beiden Töchter die Festspielleitung übernehmen werden. Hier geht es ganz eindeutig um eine Vererbung des Festspielleiterpostens und nicht um eine demokratische Wahl.  Außerdem ist Wolfgang Wagner von seiner lange Jahre geäußerten Ansicht, dass „niemand im Familienkreise die Festspiele leiten könne“ (aus ganz egoistischen Gründen) abgerückt. Und – damit das in Zukunft so weitergehen kann - muss der §8 / Wahl des Festspielleiters geändert oder – so die Absicht der Festspiele GmbH – (möglichst) aus der Stiftungssatzung entfernt werden. In der jetzigen Fassung der Stiftungssatzung hat die Familie ein Erstrecht auf die Besetzung des Festspielleiterpostens. Wenn dieser Paragraph verschwindet, ist die Familie ihrer Rechte beraubt! Es wird allerhöchste Zeit, dass die Festspiele GmbH das Recht des Stiftungsrates, den Festspielleiter zu wählen, anerkennt und auch nicht

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erneut versucht, den Stiftungsrat auszuschalten. Herr Toni Schmid hat den Stiftungsrat 2008 – mit Duldung bzw. Mithilfe des Vorstandes und der Geschäftsführung der Stiftung, kaltgestellt,. Das ist Satzungsbruch, das Gremium, dem er vorstand, hat er um das Recht, den Festspielleiter zu wählen betrogen, das ist Untreue.

Als allerspätestens 2013 feststand, dass die Festspiele unter der Leitung von Katharina Wagner und ihrer Halbschwester schweren Schaden nehmen, hat er trotzdem einen neuen Vertrag mit Katharina für den Zeitraum 2015 bis 2020 abgeschlossen. Und wieder ist ihm niemand in den Arm gefallen, um das zu unterbinden. Und weil das ja zweimal so gut gelaufen ist, hat er – ehe er pensioniert wurde – das Ganze ein drittes Mal für die Jahre 2020 bis 2025 durchgezogen.

Die Anzahl der Kartenwünsche ist weiterhin gefallen. Seit 2015 gibt es zu den meisten Vorstellungen noch Karten an der Abendkasse (vorwiegend natürlich die der teuren Segmente).

Zukünftig will also weiterhin die Festspiele GmbH – so deren Pläne - die Festspiele veranstalten, mit der Tochtergesellschaft die mangelhaften Produkte (die Festspielaufführungen) meistbietend verscherbeln, damit gleichzeitig die schlechtest mögliche Werbung betreiben und dann auch noch den Festspielleiter wählen, obwohl sie dafür (z.B. mit den Herren v. Waldenfels oder Herrn Martin Eifler) über keine kompetenten Fachleute verfügt. Kann man sich eigentlich noch mehr blamieren?

Es ist äußerst bedenklich, dass Herrn Schmids Nachfolge in der Position des Stiftungsratsvorsitzenden, eine Beamtin aus dem gleichen Ressort angetreten hat. Ich möchte allerdings versichern, dass ich Frau Angelika Kaus nicht unterstelle, dass sie jetzt Ähnliches plant. Gerne hätte ich mit Frau Kaus einmal telefoniert, das kam leider nicht zustande. Selbst der bayerische Kunstminister Sibler hat sich da nicht für mich verwendet. Selbst eine Dienstaufsichtsbeschwerde über Frau Kaus – eingereicht beim bayerischen Ministerpräsidenten Söder - wurde weitergereicht an das Personalreferat des Kunstministeriums, das mir bestätigte (nach einer Rücksprache mit Frau Kaus), „dass ein Fehlverhalten der Beamtin nicht festgestellt werden konnte“! Es ist sehr schade, dass man mit den zuständigen Sachbearbeitern nicht einmal telefonisch Kontakt bekommt, wenn man zu diesem Themenpaket etwas Substanzielles beizutragen hat.

Zurück zu den angestrebten Änderungen der Stiftungssatzung:

Gewiss es gibt Dinge in der Satzung bzw. ungeschickte Formulierungen darin, die einer Änderung bedürfen. So zum Beispiel die Überschrift des §8, der heute lautet: „Vermietung des Festspielhauses an den Festspielunternehmer“. Das ist irreführend. Die Überschrift müsste lauten: „Wahl des Festspielleiters und Vermietung des Festspielhauses an den gewählten Festspielleiter für die Dauer seines Festspielleiter-Vertrages“.

 

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Die Wahl des Festspieleiters ist eine künstlerische Entscheidung. Das geht ganz eindeutig aus dem Text des §8 (3) hervor, der sich ausdrücklich mit Fragen der Qualifizierung eines Kandidaten, der sich  für den Posten des Festspielleiters bewirbt, ergibt.

Als Änderung wäre auch das Hinzufügen der Laufzeit der Festspielleiter-Verträge sinnvoll. Wenn die spätere Leistung des gewählten Festspielleiters nicht überzeugt, dann ist es die logische Folge und die Pflicht und das Recht des Stiftungsrates einen neuen Festspielleiter zu wählen! Dies wiederum ist die einzige Möglichkeit, einen Missbrauch der künstlerischen Freiheit (die nachweislich zur schweren Schädigung der Bayreuther Festspiele führt), durch eine Nichtverlängerung seines laufenden Vertrages, bzw. durch die Wahl eines neuen Festspielleiters, dauerhaft abzuwenden.

 

Und noch ein Aspekt in diesem neuen Versuch, die Stiftung zu schwächen, ist folgender:

Die Stiftung hat ja nicht nur das Festspielhaus und seine Nebengebäude übernommen, sowie die Verpflichtung den Festspielleiter zu wählen und ihm das Haus zu vermieten. Daneben geht es ja auch noch um das Haus Wahnfried bzw. heute also um des Richard-Wagner-Museum mit Nebengebäuden und Park, um das Siegfried-Wagner-Haus und um das Richard-Wagner-Archiv (einschließlich Bibliothek und Zubehör).

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Festspiele GmbH – sollten sie das Recht erhalten selbstständig den Festspielleiter zu wählen oder seinen Vertrag beliebig zu verlängern -  sehr schnell das Interesse an einer Mitwirkung im Stiftungsrat verlieren, denn ihre Geschäftsgrundlage ist ja einzig die Durchführung der Festspiele und die Gewinnerzielung mit Hilfe der BF-Medien GmbH.

Der Rest der Stiftung bzw. des Stiftungsrates kann sich dann ja mit diesen umfangreichen und wirklich schwierigen Problemen des Museums, des Archivs usw. herumschlagen. Auch dazu könnte ich eine Stichpunkte-Sammlung zur Verfügung stellen.

 

Und so stehen die Festspiele, ein Jahr nach Corona und ein Jahr vor der nächsten Ring-Inszenierung fast ohne Zuschauer da. Sie meinen, ich übertreibe! Bestimmt nicht: Für die 25 Vorstellungen dieses Jahres standen 22.775 Karten zur Verfügung. Nicht einmal die konnten alle verkauft werden. Sagen Sie bitte nicht, das würde nicht stimmen. Ein Bekannter von mir war außer am Eröffnungstag täglich im Kartenbüro und an allen diesen 24 Tagen waren noch Karten zu haben. Erinnern Sie sich noch? Im Jahre 1997 hätten 357.513 Karten verkauft werden können, und nun dieses Ergebnis.

 

 

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                     Ein Blick in die nahe und mittelfristige Zukunft der Festspiele

 

Meine Bayreuth-Freunde und ich gehen nun von der Voraussetzung aus, dass sie alle (die Stiftung mit ihren Organen, die  Festspiele GmbH und deren Verwaltungsrat, sowie die Gesellschafter der Festspiele GmbH), mitbekommen haben, dass die Bayreuther Festspiele auf der Rangliste der besten Wagner-Aufführungs-Opernhäuser nicht mehr zu finden sind. Mit anderen Worten: Die Festspiele GmbH mit Ihrer Leiterin haben weder künstlerisch noch kaufmännisch ihr Unternehmensziel erreicht. Zudem haben Sie ihr Stammpublikum von ca. 500.000 Besuchern nahezu  vollständig verloren. Erschwerend hinzu gekommen ist, dass die Eintrittspreise im Durchschnitt niemand mehr aufbringen kann. Dazu kommt die miserable Werbung durch die Übertragung der Inszenierungen in die deutschen Kinos und im Fernsehen. Nun werden dafür Schuldige gesucht und man hat auch gleichen einen gefunden, die Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth und die soll nun durch eine Änderung der Stiftungssatzung dafür büßen.

 

Jetzt haben Sie gelesen, wie sich das außerhalb der Festspiele und ihrer Organe und Gremien darstellt. Es ist jetzt an der Zeit, dass Sie alle, ob Sie nun daran mitgewirkt haben oder ob sie nur duldender Zuschauer waren, dass Herr Toni Schmid und die von ihm erkorene, äußerst schwache Festspielleiterin seit 13 Jahren diesen Notstand herbeigeführt haben, dass Sie jetzt zusammenstehen um diesen Missstand auf  Dauer zu beseitigen. Das ist nur möglich, wenn Sie bereit sind zu akzeptieren, dass zukünftig die Bereiche innerhalb der Festspiel-Organisation  die Aufgaben und Zuständigkeiten erledigen, die ihnen von jeher zugewiesen waren, d.h. als Erstes: Der Stiftungsrat wählt den Festspielleiter.

 

Also, wir wünschen uns, dass sich die Stiftung mit neuem Selbstbewusstsein aufrappelt und zunächst im Sinne von Iris Wagners Appell an Herrn Wenning im Jahre 2012 (Sie erinnern sich auch daran?) alles in die Wege leitet, um einen personell hochwertigen Stiftungsrat mit neuen, den Festspielen und Bayreuth verbundenen, vielleicht sogar mit Fachwissen ausgestatteten Personen zu installieren, die loyal zu Bayreuth und seinen Festspielen stehen und die dann, wenn der neue, 24köpfige Stiftungsrat gebildet ist, aus deren Mitte einen Vorsitzenden zu wählen, der ebenso loyal zur Stiftung und zum Stiftungsrat steht. Zukünftig sollen im Stiftungsrat keine Personen mehr vertreten sein, die schon in einem anderen Workungskreis der Festspiele arbeiten.

Das umzusetzen ist eine echte Aufgabe und sie kostet Zeit. Das bedarf einiger zusätzlicher Sitzungen für Diskussionen, Befragungen von Bewerbern, Abwägungen und Beschlüssen, bis zum Schluss – in demokratischer Abstimmung ein neuer

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Festspielleiter gewählt wird, von dem man schon zuvor erfahren hat, wie er die Festspiele zu leiten gedenkt. In Abänderung eines bekannten Spruches würde ich sagen: Vertrauen ist gut, Wissen ist besser. Bestimmte Parameter sollten schon im Vertrag verankert sein, dann hat man bei der Vergabe der „künstlerischen Freiheit“ ein ruhigeres Gewissen.

Ein neues Selbstbewusstsein muss in der Stiftung bzw. auch im Stiftungsrat herrschen. Dieses Gremium darf nicht länger am Gängelband der Festspiele GmbH hängen, sein Vorsitzender muss loyal zur Stiftung und zum Stiftungsrat stehen.

 

Sorgen Sie dafür, dass diese Maßnahmen umgehend in Angriff genommen werden, denn nach 13 Inszenierungspleiten in den letzten Jahren, haben Sie von Katharina Wagner nichts Besseres mehr zu erwarten. Die Festspiele benötigen (spätestens zum

1. September 2025) als neuen Leiter einen erfahrenen Künstler mit Führungskraft, mit Kenntnis des Wagnerschen Werkes, der auch umfassende Kontakte zur Branche besitzt. Nur so kann gewährleistet werden, dass wieder hochwertige Besetzungen und die besten Dirigenten die Festspiele qualitativ an die Leistungen der 1950er /60er und 70er Jahre und damit auch wieder an die Weltspitze heranführen können.

 

Schaffen Sie neue Strukturen, nehmen Sie bewährte Traditionen wieder auf , erwecken Sie die berühmte „Bayreuther Dramaturgie“* (siehe Seite 58, unten) zu neuem Leben, sorgen Sie für gute Abteilungsleiter, die mit großem Engagement ihre Bereiche führen, machen Sie Kassensturz und senken Sie die Eintrittspreise und - last but not least - ermöglichen Sie wieder unvergleichliche und einzigartige Vorstellungen, Sie werden sehen, wie die Festspiele wieder aufblühen!

 

Wenn sich jetzt immer noch nichts tut (weil vielleicht München das so will) dann sieht die nahe und die mittelfristige Zukunft der Bayreuther Festspiele noch düsterer aus als zur Zeit. Und damit hätten sich auch meine Sorgen um diese einstmals so großartige

kulturelle Einrichtung leider bestätigt. Ich will es nicht glauben, dass es so kommt, denn ich hoffe auf mutige Entscheider.

 

Zum Schluss also noch einige wenige Hinweise, die sich bisher nicht in die vorangegangenen Sachthemen einarbeiten ließen:

 

Sorgen Sie bitte dafür, dass der Stiftungsauftrag ernst genommen und erfüllt wird!

 

Die Handlungen der Wagnerschen Musikdramen gehören ebenso zum Gesamtkunstwerk wie der Text, die Musik oder der

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Orchesterklang.  Eine zukünftige Festspielleitung sollte bei einem Inszenierungsauftrag unbedingt darauf achten!

 

Wieland Wagner, der aus der Partitur heraus inszeniert hat, der z.B. die Poesie die im Text und in der Musik vereinigt sind, in Bühnenbilder, in Licht, Formen und Farben umgesetzt hat, er hat Bayreuth groß gemacht. Künftige Regisseure und Bühnenbildner mögen ihm nacheifern.

 

Der Stiftungsauftrag (der durch einen Vertrag an den gewählten Festspielleiter) vergeben wird, beinhaltet auch einen gewissen Bildungsauftrag. Stiftungsurkunde und Stiftungssatzung enthalten diesen Auftrag in § 2 / Stiftungssatzung, Punkt 3 und 4:

§2 / Stiftungszweck:  „Der Zweck der Stiftung ist es, im Sinne des gemeinschaftlichen Testamentes von Siegfried und Winifred                                                                                                                                    Wagner vom 8.März 1929 …........

          Punkt 3:  Die Richard Wagner Forschung zu fördern, und …..................

          Punkt 4:  …... das Verständnis für die Werke Richard Wagners insbesondere bei der Jugend und beim künstlerischen                                                                                                                                                                   Nachwuchs zu fördern.

 

Als sehr schmerzlich empfunden wird das jegliche Fehlen von Publikationen der Bayreuther Festspiele die – die Festspiele begleitend – Themen aufgreifen, die mittelbar oder unmittelbar mit der Geschichte der Festspiele, ihren Aufführungen, den Künstlern, die verpflichtet werden oder anderen interessanten Ereignissen drumherum zu tun haben. Da mit hinein gehört auch eine sofortige Qualitätssteigerung der Programmhefte, die ein Niveau erreicht haben, dass unter dem eines Kinoprogramms liegt. 

Eine Wiederauflage des „großen Festspielbuches“ und ein interessantes Heft mit Vorschau zum Jahresende, werden schmerzlich vermisst.

                                                                                        

* Bayreuther Dramaturgie:

Und damit komme ich zur Erklärung, was ist (oder was war) die „Bayreuther Dramaturgie“?

Wieland Wagner begründete sie in der Epoche von Neubayreuth (also ab 1951) und gab ihr auch ihren Namen.

Wieland Wagner  war der Vordenker, seine Inszenierungen standen für Innovation, sie waren richtungsweisende Interpretationen, Vorbild und Diskussionsgrundlagen für die Wagner-Deutung, allgemein und weltweit. (streng nach Oswald Georg Bauer)

Dem gemäß enthielten die Publikationen Bayreuths (z.B. das große Festspielbuch) Beiträge bedeutender Schriftsteller, Theater-

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wissenschaftler, Musiker oder Philosophen usw. zu Parallelthemen zu den jeweils auf dem Spielplan erscheinenden Musikdramen oder Beiträge zu aktuellen kulturellen, politischen oder gesellschaftlichen Themen der Gegenwart. In diesen Beiträgen wurden auch die Erfahrungen mit den Festspielen in über einhundert Jahren verarbeitet. Ebenso wurde mit den Programmheften oder den kleinen Heften zum Jahreswechsel verfahren, die immer gern gelesene Beiträge enthielten.

Bleibt meine Frage: Warum wird dieser Reichtum Bayreuths nicht wieder hervorgeholt?  Warum wird nicht z.B. in Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth eine „neue Bayreuther Dramaturgie“ entwickelt?

Und wenn jetzt immer noch Zweifel bestehen, wie die Musikdramen Wagners in Bayreuth aufzuführen sind, der sollte sich an Richard Wagners Ausspruch erinnern, der da lautet: „Gar nichts liegt mir daran, ob man meine Sachen gibt: mir liegt einzig daran, dass man sie so gibt, wie ich`s mir gedacht habe, wer das nicht will und kann, der soll`s bleiben lassen“!

Richard Wagner schrieb dies in einem Brief im Jahre 1852 an Ferdinand Heine.

Schließen möchte ich mit einem Ausspruch Christian Thielemanns, den dieser häufig in Gesprächen über die Bayreuther Festspiele, ihre Mitwirkenden, ihre speziellen Eitelkeiten oder ihre Allüren benutzte.

Er lautet:

In diesem Hause gibt es nur einen Star – und der ist 1883 gestorben.

 

Malente, im November 2021

Heribert A. Bludau
 

30.1.2022 hgh

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