Eine Denkschrift von
Heribert A. Bludau
I N H A L T S V E R Z E I
C H I S
Vorwort
Die Historie der
Bayreuther Festspiele
Die großen
Jahre der Bayreuther Festspiele
Die Festspiele von 1951
bis 1972
Die Gründung der Richard-Wagner-Stiftung 1973
Die Festspiele von 1973
bis 1985
Die Gründung der
Bayreuther Festspiele GmbH 1985
Die Festspiele von 1985
bis 1999
Ein rabenschwarzes Jahrzehnt
Die Festspiele von 2000
bis 2007
Die Festspiele 2008 und 2009 und die Geschehnisse
um die Einsetzung einer neuen Festspielleitung
Ein Fall ins Bodenlose /
Die Festspiele fest im Griff der Politik
Die Festspiele ab 2010 bis 2021
Jetzt ist kluges Handeln angesagt
Die Strukturen und die
Finanzen unter dem nun strengeren Blick
der Gesellschafter
Überlegungen zur Änderung
der Stiftungssatzung auf Betreiben der Festspiele GmbH
Ein Blick in die nahe und
mittelfristige Zukunft der Festspiele
Vorwort
Ständig
sind die Gedanken eines Menschen in Bewegung. Freude
kommt auf, wenn sich eine angenehme Erinnerung
einstellt. Sich „Gedanken machen“, das hört sich schon
so an, als müsse man etwas neu durchdenken, eine
Veränderung planen, etwas bisher Gewohntes bei Seite
legen, Zeit gewinnen usw. Wenn sich meine Gedanken, in
denen die Kunstgattung Oper eine ganz große Rolle
spielt, um das Werk Richard Wagners drehen, dann denke
ich unwillkürlich an die Bayreuther Festspiele, an die
ältesten Opernfestspiele der Welt, gegründet vom
Komponisten Richard Wagner mit dem Ziel, in dem von ihm
erbauten Opernhaus ausschließlich seine Werke
aufzuführen. Sogar der Begriff Festspiele ist eine
Wortschöpfung Wagners. Die Weiterführung dieser
Festspiele über seinen Tod hinaus, sind das Verdienst
seiner Nachfahren bis zu Wieland und Wolfgang Wagner.
Spätestens seit 2007 habe ich allerdings Grund, mit
großer Sorge an den Sinn und den Fortbestand der
Bayreuther Festspiele zu denken, denn spätestens seit
der „Meistersinger“-Inszenierung durch Katharina Wagner
im Sommer des Jahres 2007 und an den plötzlichen Tod
ihrer Mutter Gudrun, im November des gleichen Jahres,
sowie dem sich erschreckend schnell verschlechternden
Gesundheitszustand Wolfgang Wagners und damit
einhergehend der schwindenden Befähigung, die Festspiele
weiter leiten zu können, seit diesem Zeitpunkt geriet
das ganze, bisher so geordnete Unternehmen Festspiele
arg ins Wanken.
Es
war der Zeitpunkt gekommen, der allen Beteiligten klar
machte, es muss jetzt sehr schnell ein neuer fähiger
Festspielleiter die Verantwortung übernehmen, um einen
künstlerischen Neuanfang einzuleiten.
Als
ich – gerade mal 33jährig – an zwei aufeinander
folgenden Tagen im Juli 1971 die Bayreuther Festspiele
kennenlernte, war ich schon seit 14 Jahren Mitarbeiter
der Kölner Oper (im technischen Bereich). Die
Begeisterung für die klassische Musik, besonders aber
für die Oper, hatte schon mein Vater in mir geweckt.
Knapp ein Jahr nach dem Abschluss meiner
Berufsausbildung zum Industrie-Starkstromelektriker
begann ich meine Tätigkeit bei der Kölner Oper (im
gerade eröffneten neuen Opernhaus am Offenbachplatz) als
Betriebselektriker im Bereich Instandhaltung, Bedienung
der elektrischen Antriebe im Bühnenbereich, gelegentlich
auch als Aushilfe in der Beleuchtungsabteilung. Ich
hatte also meinen Beruf mit meiner Liebe zur Oper
sinnvoll verbinden können.
Selbstverständlich
lernte ich neben den ungezählten speziellen Tätigkeiten
und Besonderheiten, die an einem Theater zur täglichen
Routine gehören auch alle die Opern und Operetten
kennen, die auf dem (damals noch sehr
abwechslungsreichen) Spielplan standen. In machen dieser
Stücke spielte ja auch die Bühnentechnik eine
mitgestaltende Rolle.
Richard
Wagners Opern lernte ich (bis auf „Tristan und Isolde“)
alle kennen. Von ganz besonderer Bedeutung war dabei die
durch Wieland Wagner in den Jahren 1962/63 erfolgte
Inszenierung des „Ring des Nibelungen“. Wie ich später
erfuhr, bildete diese (als inoffizielle Generalprobe
deklarierte) Inszenierung die Grundlage für Wieland
Wagners zweiten (und letzten) Ring in Bayreuth.
Bayreuth
kannte ich bisher nur durch die Rundfunkübertragungen
der Premieren-Vorstellung, durch Erzählungen
verschiedener Kollegen aus dem technischen Bereich, die
jedes Jahr zum Ende August von ihrer (freiwilligen)
Mitwirkung bei den Festspielen zurück kehrten, sowie aus
gelegentlichen Gesprächen mit Orchester- oder
Chormitgliedern oder auch mit Solisten, die in Bayreuth
dabei waren. Manchmal berichtete im Kino auch die
Wochenschau über die Eröffnung der Bayreuther
Festspiele.
Als
ich mich nun am Vormittag des 19. Juli 1971 beim
Ostpförtner des Festspielhauses nach einem bestimmten
Kölner Kollegen erkundigte, der mir versprochen hatte,
mir den Betrieb einmal zu zeigen, ahnte ich nicht, wie
beeindruckend die nächsten Stunden auf mich einwirken
würden. Man zeigte mir den ganzen Betrieb, das
Bühnenhaus mit der Elektromotorik, die sehr umfangreiche
Bühnenbeleuchtungsanlage, das Zuschauerhaus, den
Zuschauerraum, den Orchestergraben (dieses Wunderwerk)
sowie die Werkstätten und die Probebühnen. Kurz alles,
was für den reibungslosen Proben- und Vorstellungsablauf
von Bedeutung war. Man stellte mich auch einigen
wichtigen Personen im Hause vor und gestattete mir,
einer „Rheingold“-Bühnenprobe mit Orchester,
Beleuchtung, in Kostüm und Maske auf der Bühne
beizuwohnen. Ehe ich das Haus verließ überreichte man
mir zwei Generalprobenkarten für die am nächsten Tage
stattfindende „Lohengrin“-Generalprobe.
Am
nächsten Tage erlebte ich also zusammen mit meiner Frau,
in der 6. Reihe sitzend, erstmals eine Aufführung in
Bayreuth als Zuschauer und Zuhörer. Die unglaublich
tolle Akustik und die Wirkung der, den gesamten
Bühnenraum nutzenden Bühnenbilder, war sehr
beeindruckend.
Die
Eindrücke der beiden Tage, zusammengefasst: Ich war
einfach begeistert vom gesamten Betrieb, der in einer
positiven Stimmung schnell und reibungslos ablief. Man
spürte überall die Begeisterung, mit der das gesamte
Personal hier zu Werke ging. Die Generalprobe
vermittelte mir, warum so viele Freunde der Wagnerschen
Werke, diese immer wieder in Bayreuth erleben wollten.
Und dann, von einem Moment zum anderen verspürte ich den
Wunsch, auch hier arbeiten zu können, auch wenn ich mir
momentan noch nicht vorstellen konnte, wie ich das
bewerkstelligen könnte.
Doch
die Verwirklichung dieses Wunsches erfolgte schneller
als gedacht. Im Herbst sprach mich der Kölner
Beleuchtungschef Kurt Winter, der diese Funktion seit
einigen Jahren auch in Bayreuth erfüllte und der meinen
Besuch im Festspielhaus mitbekommen hatte an und fragte
mich, ob ich eventuell Interesse daran hätte, im
nächsten Sommer mal in Bayreuth in der
Beleuchtungsabteilung mitzuarbeiten. Meine Antwort
lautete: selbstverständlich! 1972 war ich dann zehn
Wochen in Bayreuth und zu Beginn des Jahres 1973
wechselte ich als festangestellter
Elektromaschinenmeister zu den Bayreuther Festspielen.
Zum
Ende der Spielzeit 1981 verließ ich die Festspiele aus
ganz persönlichen Gründen und schweren Herzens und ging
in die freie Wirtschaft zu einem süddeutschen Großverlag
nach München. Bayreuth jedoch blieb ich eng verbunden,
dem Hause, Wolfgang und Gudrun Wagner, meinen früheren
Mitarbeitern und dem ganzen Betrieb dort. Ich besuchte
in den nächsten 22 Jahren zahlreiche Generalproben und
Vorstellungen. Und immer wieder war eine solche
Vorstellung ein überwältigendes Erlebnis, denn jede
Aufführung dort ist einzigartig. Bayreuth wurde also in
den Jahren nach der Wiedereröffnung der Festspiele nach
dem II. Weltkrieg im Jahre 1951 zur wichtigsten und
authentischsten Aufführungsstätte der Werke Richard
Wagners.
Immer
wenn ich seit dem Beginn der 1960er Jahre irgendwann und
irgendwo etwas hörte, wobei es sich um eine
Aufführung der Bayreuther Festspiele handelte, wurde
ich ganz aufmerksam, hörte genau hin und machte mir über
dieses – mir so perfekt erscheinende Theater meine
Gedanken. Und nun bin ich an einem Punkt angekommen, an
dem mich diese Gedanken nicht mehr loslassen, weil ich
mehr als besorgt bin um eine positive Zukunft der
Bayreuther Festspiele.
Der
hier entstandene Beitrag mit dem Titel „Gedanken zur
Zukunft der Bayreuther Festspiele“ baut ja auf
Vergangenem auf. Er zieht Lehren aus schweren Fehlern,
aus absichtlich der Zerstörung dienenden Entscheidungen
der damals Verantwortlichen, ja sogar aus den Verstößen
gegen geltende Satzungen (mit Gesetzeskraft), denn ab
dem Herbst 2007 wurden die Bayreuther Festspiele zum
Spielball der Politiker und Geldgeber. Von einem
dringend erforderlichen künstlerischen Neuanfang war ab
diesem Zeitpunkt gar keine Rede mehr.
Aktueller
Anlass, sich noch ernstere Gedanken um den Fortbestand
der Festspiele zu machen, ist die Missachtung, der durch
unkorrekte Vorabsprachen 2008 ins Amt beförderten
Festspielleitung, die den ihr (laut Stiftungssatzung)
erteilten Auftrag nach
§2 / Sitzungszweck nicht
erfüllt. Ferner die Art und Qualität der Aufführungen,
die beängstigend sinkende Nachfrage nach
Eintrittskarten, die in astronomische Höhen geschraubten
Eintrittspreise und der im Frühjahr und Sommer 2021
erneut gestartete Anlauf, nun ernsthaft über Änderungen
der Stiftungssatzung der Richard-Wagner-Stiftumg
nachzudenken., sind Anlass genug über die Zukunft dieser
bedeutenden Opernfestspiele nachzudenken.
Die Historie der Bayreuther Festspiele
Erste
Ideen Richard Wagners, ein eigenes Theater zu bauen in
dem er seine Musikdramen hätte aufführen wollen sind
schon aus dem Jahre 1850 bekannt, einem Zeitpunkt, als
die Komposition des „Ring des Nibelungen“ noch in den
Anfängen schlummerte. Dieses Theater zu errichten ist
ihm in Bayreuth gelungen, nachdem zuerst in München ein
Bauplatz für ihn reserviert war. Mit der Aufführung
seiner Werke wurde er zum Begründer der „Bayreuther
Festspiele“.
Er
selbst konnte sie zu seinen Lebzeiten nur zweimal
veranstalten, im Jahre ihrer Gründung 1876, als sein
„Ring des Nibelungen“ erstmals komplett aufgeführt wurde
und 1882 zur Uraufführung seines letzten Werkes, dem
Bühnenweihfestspiel „Parsifal“. Unter dem Namen
„Bayreuther Festspiele“ haben seine Nachfahren,
angefangen bei seiner Witwe Cosima, über seinen Sohn
Siegfried, dessen Ehefrau Winifred, bis hin zu den
Enkeln Wieland und Wolfgang die Festspiele als
Festspielleiter bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts
geführt.
Wichtig
ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die
Bayreuther Festspiele bis zum Ende des 19. und in den
ersten 50 Jahren des 20. Jahrhunderts – auch bedingt
durch zwei Weltkriege - nicht zuletzt aber auch aus
finanziellen Gründen, nicht jedes Jahr durchgeführt
werden konnten. Deshalb wurden sie seit ihrer Gründung
(als förderungswürdig eingestuft) finanziell
unterstützt. Heute jedoch sind ihre Hauptfinanzierer die
Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern, die
Stadt Bayreuth und der Förderverein „Gesellschaft der
Freunde von Bayreuth e.V.“.
Wagners
Sohn Siegfried und seine Frau Winifred haben aber
bereits zum Ende der 1920er Jahre den Grundstock zur
Sicherung des wertvollen Erbes gelegt. Sie erschienen
im Jahre 1929 vor einem Bayreuther Notar und sorgten in
einem gemeinschaftlichen Testament für den Weiterbestand
der Festspiele und für die Unveräußerlichkeit des
Festspielhauses.
Weltgeltung
erlangten die Bayreuther Festspiele ab der
Wiedereröffnung nach dem Ende des II. Weltkrieges im
Jahre 1951. Besonders die Inszenierungen Wieland
Wagners, der 1966 mit nur 49 Jahren starb,
revolutionierten den gesamten Aufführungs-stil der
Wagnerschen Musikdramen.
Aber
auch Wielands Bruder Wolfgang, der die Festspiele ab
1966 allein weiterführte, erledigte dies souverän im
Sinne der Familientradition mit großem Geschick,
Führungs- und Begeisterungsfähigkeit und der
Verpflichtung bedeutender Solisten, Regisseure und
Bühnenbildner. Die Aufführungen waren Gesamtkunstwerke,
sie galten als mustergültig und sie besaßen den Nimbus
der „Einzigartigkeit“ bei den Besuchern.
Die
Festspiele waren immer noch ein Privatunternehmen, seit
sie 1951 erstmals nach dem Ende des II.Weltkrieges
wieder stattfinden konnten. Seit diesem Zeitpunkt
erhielten sie feste Zuschüsse der Bundesrepublik
Deutschland, des Freistaates Bayern, der Stadt Bayreuth
und seit seiner Gründung im Jahre 1949 – auch vom
Förderverein Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V.
Einen
weiteren Schritt in Richtung Sicherung des ideellen und
materiellen Familienerbes gingen die Nachfahren
Siegfried und Winifred Wagners, die Zweige der vier
Familien Wieland-, Wolfgang-, Friedelind- und Verena
Wagner, indem sie das Familienvermögen 1973 in eine
„rechtsfähige öffentliche Stiftung des bürgerlichen
Rechts“ überführten. Wichtigste Bestandteile der
Stiftungssatzung sind die §§6 und 8, in ihnen geht es um
die Aufteilung der Stimmen im Stiftungsrat, um die Wahl
des Festspielleiters und um die Vermietung des
Festspielhauses an den gewählten Festspielleiter. Der
Umgang mit der Stiftungsurkunde und der Satzung, ihre
Nichtanwendung , bzw. ihr Missbrauch, ist Thema des
zweiten Teiles dieser Aus-arbeitung. Um es noch einmal
deutlich zu machen: Die Nachfahren der Eheleute
Siegfried und Winifred Wagner, Wieland-, Friedelind-,
Wolfgang-, und Verena Wagner-Theater sind die
Stifterfamilien. Wer sein Vermögen in eine Stiftung
einbringt, vertraut den Verantwortlichen der Stiftung,
dass sie dieses Vermögen – wie in der Stiftungssatzung
ausgeführt – verwaltet. Der Text der Stiftungssatzung
hat Gesetzeskraft, die Satzung drückt den Stifterwillen
aus. In der Stiftungssatzung der Richard-Wagner-Stiftung
Bayreuth bleiben den Stifterfamilien noch ganz bestimmte
Rechte erhalten.
In
diesem Zusammenhang ist von einiger Wichtigkeit die
Kenntnisnahme desse, dass Wolfgang Wagner 1976 eine
zweite Ehe mit Gudrun Mack, geb. Armann einging, aus der
die 1978 geborene Tochter Katharina hervorging.
Die
Einzigartigkeit der Aufführungen blieb erhalten bis
ungefähr zur Jahrtausendwende. Ab diesem Zeitpunkt
änderte sich innerhalb eines Jahrzehnts bei den
Festspielen fast alles, das Meiste nicht zu ihrem
Vorteil.
In
den kommenden Abschnitten geht es jetzt darum,
einerseits die großen Erfolge aufzuzeigen, die sich aus
den ab 1951 geschaffenen Inszenierungen ergaben,
andererseits aber auch die Veränderungen zu beobachten,
die – vorbereitend, schleichend und zuerst nicht bemerkt
- letztendlich ab 2008 alles so großartig Erarbeitete
zunichte machten.
Die Festspiele von 1951
bis 1972
Nach
dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches zum Ende des von
den Nationalsozialisten begonnenen II. Weltkrieges
konnten auch zunächst ab 1945 keine Festspiele mehr
veranstaltet werden. Einerseits war das Festspielhaus
von der amerikanischen Besatzungsmacht beschlagnahmt
worden und diente zunächst als Unterhaltungsbühne zur
Betreuung der amerikanischen Truppen. Andererseits
wurden schwere Vorwürfe gegen die Familie Wagner
erhoben, mit den Größen der Reichsregierung eng
verbandelt gewesen zu sein. Adolf Hitler war von 1933
bis 1940 ständiger Festspielgast. Er wohnte stets im
Siegfried-Wagner-Haus und ging in Wahnfried ein und aus.
Winifred Wagner musste sich deshalb 1949 vor dem
Entnazifizierungsausschuss verantworten. Unter der
Bedingung, dass sie die Festspielleitung niederlegt
diese ihren Söhnen Wieland und Wolfgang überträgt, bekam
die Familie 1950 wieder das Recht zugestanden,
Festspiele zu veranstalten.
Bis
zu den ersten Festspielen der Nachkriegszeit war es ein
dorniger Weg. Es fehlte ein künstlerisches Konzept und
es fehlte Geld, viel Geld. Nun betrieben die Brüder
Aufgabenteilung, jeder setzte seine Stärken entsprechend
ein. Wieland Wagner hatte die künstlerische Leitung
übernommen, Bruder Wolfgang war für die Organisation und
für`s Geld verantwortlich. Wieland, der zum Kriegsende
mit seiner Familie bei seiner Schwester Verena am
Bodensee untergekommen war, durfte erst Jahre später
wieder nach Bayern einreisen. Er schmiedete mit seiner
Frau Gertrud während ihrer „Verbannung“ - handfeste
Pläne, wie man des Großvaters Werke nach der
Wiedereröffnung der Festspiele (der neuen Zeit
angepasst) inszenieren könnte. Wolfgang reiste durch die
Lande und sammelte erfolgreich Geld ein. Als zum Schluss
noch ein stattlicher Batzen fehlte, trat der Deutsche
Gewerkschaftsbund auf den Plan und stellte die nicht
unbeträchtliche Fehlsumme zur Verfügung. Die
Gewerkschaft erhielt zum Dank in den späteren Jahren
jährlich zwei komplett reservierte Vorstellungen (zu
günstigeren Konditionen).
So
konnten man nun Ende 1949 die Planungen für die ersten
Nachkriegsfestspiele im Jahre 1951 beginnen, wobei man
wirklich bei Null anfangen musste, denn es fehlte an
allem. Als dann im Juli 1951 die schwarzen Limousinen
wieder den Hügel hinauf rollten, wurden die Besucher mit
einer Neuinszenierung des „Parsifal“ derart überrascht,
so dass weite Teile des Publikums die revolutionäre
Inszenierung lautstark ablehnten. Und genau diese
Inszenierung (auf leergefegter Bühne) - das Bühnenbild
bestand nur aus wenigen Stoffhängern mit dezentem Licht
beleuchtet – stiftete riesige Verwirrung. Eine
ausgefeilte Regie und der Einsatz
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des „neu erfundenen
Sänger-Darstellers“, ließen aber bald alles Vergangene
vergessen. Wieland Wagner wurde in den kommenden Jahren
zum erfolgreichsten Regisseur der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts. Niemand hätte damals gedacht, dass seine „Parsifal“-Inszenierung
23 Jahre hintereinander (bis 1973) auf dem Spielplan
bleiben würde. Ich selbst hatte das Vergnügen, in den
Jahren 1972 und 1973 daran mitarbeiten zu dürfen. Der
Neustart war gelungen. Die Brüder Wagner hatten überall
in den Gebäuden Plakate aufgehängt, auf denen sie mit
dem Spruch … „hier gilts der Kunst“ darum baten, auf
dem gesamten Festspielgelände von der Führung
politischer Gespräche Abstand zu nehmen. Dadurch wurde
„die braune Vergangenheit“ weitgehend ausgeblendet.
In
den kommenden Jahren inszenierten die Brüder Wagner
immer abwechselnd – so war es vereinbart worden – wobei
Wieland mit seinen Regie-Einfällen stets der große
Erneuerer war, der die szenische Entrümpelung Bayreuths
fortsetzte, Bruder Wolfgang dagegen wartete bei seinen
Inszenierungen vorwiegend mit Nachahmungen seines
genialen Bruders auf.
Was
die Instandhaltung und notwendige Sanierungen des
Festspielhauses angeht, das 1951 immerhin fast 75 Jahre
alt war, ist zu sagen, dass in den voran gegangenen
Jahrzehnten immer nur das gerade Notwendige durchgeführt
wurde und dass nach dem II. Weltkrieg mit umfangreichen
Reparaturen oder Teilerneuerungen begonnen wurde. Die
Gesellschaft der Freunde von Bayreuth übernahm ab 1952
die Kosten für die Instandhaltung, Erneuerung oder
zusätzliche Baumaßnahmen. Eine der aufwendigsten
Arbeiten in diesem Rahmen war (immer in der Winterzeit
der Jahre 1964/65/66) der Ausbau der gesamten
Holzkonstruktion der Arbeitsgalerien und des
Schnürbodens, der Abriss der seitlichen Bühnenhauswände,
deren Neuaufbau auf beiden Seiten jeweils um 2 m nach
außen versetzt und in Betonfachwerk ausgeführt, sowie
der Aufbau der gesamten neuen Bühnentechnik in einer
Metallkonstruktion und die Montage eines neuen
Stahldaches auf das Bühnenhaus. Auch wenn im Folgenden
nicht jedes Jahr die durchgeführten Sanierungen einzeln
erwähnt werden, so wurden trotzdem in jedem
Winterhalbjahr Teile der Gebäude saniert, erneuert oder
neue Gebäude (z.B. Probebühnen usw.) hinzugefügt.
Die
Jahre ab 1952 bis einschließlich 1966 waren die „ganz
großen“ Jahre der Bayreuther Festspiele. Die Besetzungen
der Solopartien waren einfach einzigartig. Die
berühmtesten Dirigenten kamen nach Bayreuth und wenn
Bayreuth rief, dann war es eine Ehre mit den anderen
Größen des Fachs gemeinsam diese einzigartigen
Vorstellungen abzuliefern. Das Orchester erlangte
Weltruhm und der Festspielchor (bis 1971 von Wilhelm
Pitz geleitet) bleibt bis heute unübertroffen.
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Eine
Ära endete am 17. Okt.1966 als Wieland Wagner im Alter
von nur 49 Jahren starb. Sein Bruder Wolfgang war nun
alleiniger Festspielleiter – so war es vereinbart.
Wolfgang Wagner wurde ein guter Festspielleiter, ein
Meister der Organisation, ein immer ansprechbarer
„Vater“ des Unternehmens, solide, zuverlässig, der Kunst
verpflichtet. Ab 1969 setzte er auch auswärtige
Regisseure ein, was von
allen Kennern ausdrücklich anerkannt wurde.
Man
weiß heute, mit welcher Sorgfalt und Werkkenntnis
Wolfgang Wagner die Regisseure auswählte, ihre Konzepte
prüfte, und in wenigen Fällen auch von einer
Verpflichtung wieder ab rückte, wenn ihm das
Regiekonzept nicht zusagte. Er erkannte, dass sich der
Inszenierungsstil änderte und er suchte Regisseure, die
diese Richtung einschlugen ohne das Werk zu beschädigen.
Den
Anfang dieser Neuerung machte August Everding mit einer
Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ 1969. Götz
Friedrich setzte dies fort mit einer „Tannhäuser“-Inszenierung
im Jahre 1972. Ich möchte objektiv urteilen und die
ebenfalls einzigartigen Festspiele nach Wieland Wagner
in die Kategorie der „großen“ Jahre einstufen und diese
Festlegung bis mindestens zum Ende des Jahrhunderts
gelten lassen.
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Die Gründung der
Richard-Wagner-Stiftung 1973
Die
Idee, die Bayreuther Festspiele in eine Stiftung
einzubringen, wurde schon zu Lebzeiten Richard Wagners
diskutiert. Auch Siegfried Wagner hatte sie im zweiten
Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts wieder aufgegriffen.
Grundgedanke bei diesen Erörterungen war stets die
Erkenntnis, dass die Festspiele nicht mit dem
Familienvermögen der Wagners allein betrieben werden
können. Stets fanden sich immer wieder Förderer, die die
fehlenden Summen zuschossen, aber dies alles hatte keine
Regelmäßigkeit, so dass auch nicht jährlich Festspiele
stattfinden konnten.
Eine
Art Zwischensicherung stellte das gemeinschaftliche
Testament von Siegfried und Winifred Wagner dar, welches
im Jahre 1929 abgeschlossen wurde und in dem die
Erbfolge festgelegt wurde, für den Fall des Todes der
beiden Ehegatten. Ferner wurde festgelegt, dass das
Festspielhaus nicht verkauft werden darf und dass es
einzig der festlichen Aufführung der Werke Richard
Wagners dienen soll, so wie es sein Erbauer einst
festgelegt hatte.
Das
Thema Stiftung war auch in den 1960er Jahren wieder
Gegenstand ernsthafter Überlegungen. Nach Wieland
Wagners Tod im Jahre 1967 wurden die Bemühungen, das
materielle und das ideelle Familienerbe in eine Stiftung
einzubringen, wieder aufgenommen. 1969 begannen sich
diese Planungen zu konkretisieren, man suchte
Mitstifter, Förderer, Zuschussgeber und Garanten und
entwarf eine Stiftungssatzung, die in den folgenden
Jahren immer wieder den aktuellen Bedürfnissen angepasst
wurde. Im Frühjahr 1973 wurden diese Verhandlungen, die
seitens der Familie Wagner von Wolfgang Wagner und
seiner Mutter Winifred, in enger Abstimmung mit den
drei weiteren Familienzweigen geführt wurden,
abgeschlossen. Nach Unterzeichnung der
Stiftungsurkunde trat am 2. Mai 1973 die zukünftige
Stiftung mit dem Namen Richard-Wagner-Stiftung
Bayreuth, das Erbe der Familie Wagner an. Bei dieser
Stiftung handelt es sich um eine rechtsfähige
öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechtes mit
Sitz in Bayreuth. Die Stiftungssatzung drückt den
Stifterwillen aus! Die Stiftungssatzung hat
Gesetzeskraft.
Eine
Wiedergabe der Stiftungssatzung oder eine zumindest
umfangreiche Beschreibung der einzelnen Bestandteile des
Erbgutes, der Zuteilung des Erbes auf verschiedene
Verwalter oder Nutzer ist hier nicht nötig. Es reicht
der Hinweis, dass in diesem Dokument auch die Nutzung
des Hauses Wahnfried einschließlich seiner Nebengebäude,
die Überlassung des Richard-Wagner-archivs,
einschließlich Bibliothek und Zubehör enthalten sind.
Ferner wird verfügt, dass das Richard-Wagner-Archiv und
das Haus Wahnfried der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
werden sollen, was im Falle des Hauses Wahnfried ja mit
der Umwandlung in ein Richard-Wagner-Museum längst
geschehen ist.
- 12 -
Wissen
sollte man, dass die Stiftung laut §4 zwei Organe hat,
den Vorstand und den Stiftungsrat. Der Vorstand besteht
aus drei Mitgliedern. Erster Vorsand ist (als Vertreter
des Landes Bayern), der Regierungspräsident von
Oberfranken, zweiter Vorstand eine Person in Vertretung
der Bundesrepublik Deutschland, zu delegieren vom
Staatsminister für Kunst und Medien, der dritte Vorstand
ist (wenn der Festspielleiter ein Mitglied der Familie
Wagner ist), eben dieser Festspielleiter. Die normalen
Geschäfte der Stiftung erledigt der Geschäftsführer nach
§7, es ist dies der Oberbürgermeister der Stadt
Bayreuth.
Wichtig
sind §6 und §8. Der §6 bestimmt, dass der
Festspielleiter (entsprechend den Anordnungen des §8)
vom Stiftungsrat gewählt wird. Im §6 ist auch
festgelegt, wie die 24 Sitze im Stiftungsrat verteilt
sind und wie viel Stimmen auf die einzelnen
Gruppierungen im Stiftungsrat entfallen:
5
Stimmen entfallen auf die Bundesrepublik Deutschland
5 „ erhält der Freistaat Bayern
2 „ hat die Stadt Bayreuth
2 „ entfallen auf die Gesellschaft der
Freunde von Bayreuth e.V.
2 „ erhält die Oberfrankenstiftung
2 „ bekommt der Bezirk Oberfranken
2 „ hat die Bayerische Landesstiftung
4 „ entfallen auf die vier Zweige der
Familie Wagner
Im §8 ist beschrieben,
wie der Stiftungsrat den Festspielleiter wählt, dem –
wenn er das Amt annimmt – das Festspielhaus vermietet
wird – sinnvollerweise für die Dauer seines
Festspielleiter-Vertrages.
Über die Anwendung der §6
und 8 wird im Verlaufe meines Berichtes noch zu reden
sein.
Für
das festangestellte Personal der Festspiele hatte der
Übergang des Familienunternehmens Festspiele in die
Stiftung den Vorteil, dass ihr Arbeitgeber nun die Löhne
und Gehälter den Tarifen des Öffentlichen Dienstes
entsprechen müssen.
- 13 -
Die
Festspiele von 1973 bis 1985
Im
Jahre 1973 gab es keine Neuinszenierung und die „Parsifal“-Inszenierung
von Wieland Wagner aus dem Jahre 1951 stand letztmals
auf dem Spielplan. Keine Inszenierung in Bayreuth wurde
jemals so lange und so oft gespielt – 101 mal!
1974
erschien wieder August Everding als Regisseur einer
neuen Inszenierung von „Tristan und Isolde“. Besondere
Beachtung wurde dem Dirigenten geschenkt: Carlos Kleiber
dirigierte erstmals bei den Bayreuther Festspielen.
Gespannt
war man auf die 1975 erscheinende „Parsifal“-Neuinszenierung
durch Wolfgang Wagner. Nach Wieland Wagners
Dauerinszenierung in einer neuen, bis dahin nicht
bekannten Bühnenausstattung, die weltweit höchste
Anerkennung gefunden hatte, musste Wolfgang Wagner jetzt
ja eine ganz andere Bühnenfassung finden. Und, siehe da,
die Inszenierung war sehr gut gelungen, im 1. und 3. Akt
ein sehr naturalistisches Bühnenbild, eine sehr schöne
offene Verwandlung zu den beiden Gralsszenen und auch
Klingsors Zaubergarten von vollendeter Schönheit.
Zusammen mit einer guten Solisten-Besetzung (Rene Kollo
in der Titelrolle) mitreißenden Chören und einem
großartig spielenden Orchester – alles unter der Leitung
von Hans Zender, da war der Erfolg garantiert.
Und
dann wurde es spannend: Nach Protesten – schon vor der
Premiere, danach sogar in ganz fanatischer Form –
erschien zum 100. Jubiläum der Bayreuther Festspiele
1976 die später so berühmt gewordene „Ring“-Inszenierung
durch Patrice Chereau, mit Pierre Boulez am
Dirigentenpult. Da mit dem Bau der komplizierten
Bühnenbilder erst im Januar 1976 begonnen werden konnte
und weil auch viele Teile in Filmstudio-Werkstätten in
Rom gebaut und per LKW nach Bayreuth transportiert und
dann erst bühnentauglich hergerichtet werden mussten,
war das ganze Jahr bis zum Premierentag, am 25. Juli
eine äußerst anstrengende Zeit. Auch die szenischen
Proben erforderten mehr Zeit als bei den „Ring“-Inszenierungen
der vergangenen Jahre.
Presse
und Besucher waren in Zustimmung und Ablehnung der
Inszenierung gespalten. Fast täglich gab es laute
Proteste, ja sogar Bedrohungen des Regisseurs. Da
verschiedene Bilder konzeptionell nicht ausgereift
waren, wurden zu den nächstjährigen Festspielen
umfangreiche Umbauten bzw. Neubauten notwendig,, die
auch große Teile der Regie verändern sollten.
Das Jahr 1976 hielt aber
noch eine einschneidende Änderung bereit,
die große Auswirkungen auf die gesamte Geschichte der
Festspiele erhalten sollte. Wolfgang Wagner ließ
sich von seiner ersten Frau Ellen scheiden und
heiratete wenige Wochen später Gudrun Mack,
geb Armann, eine Mitarbeiterin aus der Presseabteilung
der Festspiele, 25 Jahre jünger als er selbst. Diese
neue
- 14 -
Verbindung sollte
weitreichende Veränderungen bei den Festspielen
hervorrufen, die gewaltige Auswirkungen auf die
Strukturen des Unternehmens, auf die Einstellung zur
Nachfolge für Wolfgang Wagner (irgendwann in der
Zukunft) haben sollte und die ab einem noch nicht zu
benennenden Datum, das gesamte Gefüge der Festspiele in
ernste Turbulenzen versetzen würde.
Zum
Jahr 1977: Im Frühjahr wurde nach einer
umfassenden Bauprobe mit den schon erwähnten Umbauten
oder Neubauten für den Ring begonnen, die auch zeitig
zum Probenbeginn fertig wurden. Die „Ring“-Fassung von
1977 , die bis 1980 auf dem Spielplan blieb, war die
endgültige, die in die Geschichtsbücher der Festspiele
einging. In den Jahren 1979 und 1980 wurde der „Ring“
fürs Fernsehen aufgezeichnet. Später war er auch auf DVD
erhältlich. Auch heute noch spricht man vom
Jahrhundertring. Der Schlussapplaus nach der letzten
Götterdämmerung dauerte fast eineinhalb Stunden und 106
Vorhänge. Er ging ein ins Buch der Rekorde, ich war
selbst dabei!
Auch
eine der berühmt gewordenen Inszenierungen war „Der
fliegende Holländer“ in der Regie von Harry Kupfer mit
dem Bühnenbild von Peter Sykora im Jahre 1978.
Großes Theater mit sehr bewegter Personenführung durch
den Regisseur. Auch die äußerst leise funktionierende
Bühnentechnik sorgte für Verwandlungen bei offenem
Vorhang, die vom Publikum als sehr angenehm empfunden
wurden.
Im
Jahre 1979 dann die zweite Regie-Leistung von
Götz Friedrich in Bayreuth mit „Lohengrin“. In der
Hauptrolle glänzte Peter Hofmann. Ein fantasievolles,
aber abstraktes Bühnenbild dazu lieferte der bekannte
Bildhauer und Maler Günther Uecker. Dieser
Bühnenbildner (auch bekannt als der „Nagel-Ücker“)
gestaltete das ganze Bühnenbild aus lauter Nägeln.
Im
Jahre 1980 gab es keine Neuinszenierung, dafür
aber im darauf folgenden Jahre 1981 gleich zwei.
Premieren-Vorstellung war „Tristan und Isolde“, Regie,
Bühnenbild und Kostüme: Jean Pierre Ponnelle, der
erstmals in Bayreuth arbeitete. Wer
Ponnelle-Inszenierungen schon z.B. in Köln oder in
München gesehen hatte wusste, was ihn in Bayreuth
erwartete. Genaue Einhaltung der Anweisungen Richard
Wagners, fantasievolle Bühnenbilder, schöne Kostüme und
eine interessante Personenführung. Da war der große
Applaus schon vorprogrammiert. Den Tristan sang übrigens
Rene Kollo.
Die
zweite Neuinszenierung besorgte Wolfgang Wagner selbst.
„Die Meistersinger von Nürnberg“, eine Inszenierung wie
aus einem Guss, Bühnenbild und Kostüme: volkstümlich -
fränkisch. Siegfried Jerusalem als Walther von Stolzing,
Bernd Weikl als Hans Sachs und Hermann Prey als
Beckmesser versprachen großes Theater. Bayreuth also
weiterhin auf der Höhe der Zeit. Die 1980er Jahre
versprachen ein gutes Jahrzehnt für die Festspiele zu
werden.
- 15 -
Götz
Friedrich erhielt für 1982 nochmals einen
Regieauftrag, er inszenierte den „Parsifal“ neu. Das
Bühnenbild schuf Andreas Reinhardt. Die Hauptrolle sang
Peter Hofmann, in Bayreuth schon in den Partien Siegmund
und Lohengrin erprobt. Gegen anfängliche Widerstände:
Simon Eastes als Amfortas. Erstmals am Dirigentenpult:
James Levine, ein Klangfetischist und ein Freund
langsamer Tempis. Ein Ohrenschmaus! Levine sollte 18
Jahre in Bayreuth bleiben.
Und
dann kam 1983 – nach schon im Jahre 1980
begonnenen Vorsingen – ein mit großen Vorschusslorbeeren
versehener „Ring des Nibelungen“ - Regie Peter Hall,
Bühnenbild Williard Dudley, Dirigent Georg Solti. Um
diesen Dirigenten mal in Bayreuth einzusetzen zu können,
hatten sich Wieland und Wolfgang Wagner (wie behauptet
wurde) schon 30 Jahre lang bemüht. Die Erwartungen waren
hoch, denn die Ringeinspielung von Georg Solti aus dem
Jahre 1960 (mit allen damals besten Wagner-Interpreten
und erstmals in Stereo) galt als beste
Schallplattenaufnahme des „Ringes“, die seinerzeit auf
dem Markt war.
Entsprechend
groß jedoch war die Enttäuschung, denn das Ergebnis
hatte Mängel auf vielen Ebenen. Der Dirigent, auf dessen
Vermittlung auch der Regisseur verpflichtet worden war,
kam nicht mit dem Orchester zurecht. Die andere
Sitzordnung bereite ihm Probleme. Die Probenatmosphäre
zwischen ihm und dem Orchester war stets angespannt. Der
erwartete Klang stellte sich nicht ein. Außerdem stimmte
die Chemie zwischen ihm und Wolfgang Wagner nach kurzer
Zeit überhaupt nicht mehr. Georg Solti war mit nichts
zufrieden zu stellen. Die sehr schönen, aber technisch
aufwändigen Bühnenbilder bereiteten schon in den Proben
zahlreiche Schwierigkeiten. Nur zwei Beispiele: Bei
Effekten, bei denen Wasserdampf eingesetzt wurde und
beim Betrieb der hydraulischen Anlagen waren immer
wieder Zischgeräuche zu hören, was allerdings ab dem
zweiten Jahr behoben war. Oder, im Siegfried sollte die
Erda der Wurzel eines Baumes entsteigen, wenn dieser
etwas aus dem Boden hoch gezogen wurde. Richtig geklappt
hat das nie, dieser Effekt wurde ab dem zweiten
Spieljahr fallen gelassen.
Unregelmäßigkeiten
gab es auch im Umgang mit dem Regisseur. Ein großer
Mangel war, dass er die deutsche Sprache nicht
beherrschte (obwohl er deren Erlernung beim
Vertragsabschluss zugesagt hatte). Einzig der
Bühnenbildner William Dudley, erfüllte die an ihn
gestellten Erwartungen. Peter Hall kam zwar im zweiten
Aufführungsjahr nochmals wieder, ließ sich aber für den
Rest der Produktion von einem Regieassistenten
vertreten. Die verpflichteten Solisten waren mit einer
Ausnahme erste Wahl, nur Rainer Goldberg, der den
Siegfried sang, hat nicht alle Vorstellungen
durchgehalten und wurde durch Manfred Jung ersetzt, der
ebenfalls in der Produktion blieb bis sie nach vier
Jahren abgesetzt wurde.
Schade, dass dieser
„Ring“ nicht fürs Fernsehen oder für die Herstellung von
DVDs aufgezeichnet
wurde.
- 16 -
Mir
persönlich hat dieser „Ring“ sehr gut gefallen, sah man
in ihm doch so leichte Anklänge an Wieland Wagners
Ins-zenierungen. Ich habe die Ring“-Produktion, die mit
so großen Erwartungen gestartet war deshalb
ausführlicher beschrieben, um
zu zeigen, wie
professionell in Bayreuth gearbeitet wurde und wie sehr
der Festspielleiter Wolfgang Wagner Herr der Situation
war.
Das
Jahr 1984 war mal wieder ohne Neuinszenierung, da
jetzt Verbesserungen an der Vorjahres-Inszenierung
durchgeführt wurden. Georg Solti sagte im Mai 1984 seine
weitere Mitarbeit in Bayreuth ebenfalls ab. Man kam
überein, diese mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen
des Dirigenten zu begründen. Die Inszenierung blieb nur
vier Jahre auf dem Spielplan. Vom zweiten bis zum
vierten Jahr dirigierte Peter Schneider (schon in
Bayreuth bekannt) die „Ring“-Vorstellungen.
Im
darauf folgenden Jahr, also 1985 inszenierte
Wolfgang Wagner den „Tannhäuser“ neu. Erstmals am
Dirigentenpult stand Giuseppe Sinopoli, ein Italiener,
der in den folgenden Jahren zum Festbestand der
Dirigenten zählte. Die Elisabeth sang in dieser
Inszenierung erstmals die damals 29 Jahre alte Cheryl
Studer. Für die Rolle des Tannhäuser war Rene Kollo
vorgesehen, aber schon in den Proben gab es
Schwierigkeiten mit ihm. Erst passten ihm die
ausführlichen Proben nicht, dann hat er gesanglich immer
nur markiert, was sowohl die Kollegen als auch der
Dirigent beanstandeten. Glücklicherweise hatte Wolfgang
Wagner auf einer vollwertigen Zweitbesetzung bestanden,
denn Kollo, der unbedingt auch die Generalprobe singen
wollte, sagte diese kurzfristig ab und Richard Versalle,
der Zweitbesetzte in die Rolle, musste einspringen. Am
Premierentag „platzte dann die Bombe“, Rene Kollo sagte
genau 47 Minuten vor Beginn der Vorstellung ebenfalls
ab. Er hatte schon seine Sachen gepackt und reiste
sofort aus Bayreuth ab. Er wurde bei den Festspielen nie
mehr eingesetzt. Am anderen Tag sang er quicklebendig in
München die Premieren-Vorstellung einer „Lohengrin“-Neuinszenierung.
Sein Ersatzmann in Bayreuth, Richard Versalle und die
junge Cheryl Studer wurden zum Ende der
Premierenvorstellung mit großem Applaus bedacht.
- 17 -
Die Gründung der Bayreuther Festspiele GmbH
Aber
im Jahre 1985 geschah auf der Ebene der Festspielleitung
etwas, worüber sich die meisten Beobachter damals keine
Gedanken machten. Seit Wolfgang Wagner 1979 sein 60.
Lebensjahr vollendete, stellte die Presse wiederholt die
Frage an ihn, wie er sich denn seine eines Tages
notwendig werdende Nachfolge vorstelle und wer aus der
Familie dafür die nötige Eignung mitbrächte. Er
antwortete stets gleichbleibend, …. er sehe im weiten
Familienkreise niemanden, der die Fähigkeiten habe, die
Festspiele zu leiten. Jeder der dafür in Frage käme,
müsste dieses Handwerk … „von der Pike auf erlernt“
haben !
In der Rückschau auf die
Entwicklung in dieser Frage ist es heute nicht vermessen
zu vermuten, dass sich seine Einstellung zur
Nachfolgefrage seit seiner Wiederverheiratung -
möglicherweise durch die Beeinflussung seiner zweiten
Ehefrau - grundlegend geändert hat, dass die Eheleute
Wagner dies aber geheim hielten (oder vielleicht nur mit
ihren Anwälten besprachen).
Jedenfalls gründete Herr
Wagner 1985 die Wolfgang Wagner GmbH, eine Firma, die
nunmehr die Festspiele ausrichtete. Hiermit wurden dann
auch alte Vereinbarungen zwischen ihm, seiner Mutter und
seinem verstorbenen Bruder hinfällig.
Es wird ihm auch niemand
verübeln, dass er sich 1986 persönlich durch den
Abschluss eines Versorgungsvertrages (mit GmbH-Fassung)
absicherte. 1987 wurde eine Vereinbarung über
Geschäftsanteilabtretung und die Umwandlung der Wolfgang
Wagner GmbH in die Bayreuther Festspiele GmbH
abgeschlossen. Wolfgang Wagner war einziger
Gesellschafter mit einem Fest-spielleitervertrag auf
Lebenszeit. Nach Abschluss dieser Aktivitäten war es
Herrn Wagner nun möglich, einen neuen Mietvertrag für
das Festspielhaus zwischen der Festspiele GmbH und der
Richard-Wagner-Stiftung (mit Datum vom 6. Juni 1990)
abzuschließen. Dieser Vertrag sollte auslaufen, wenn
Wolfgang Wagners Festspielleitertätigkeit endet.
- 18 -
Die Festspiele in den
Jahren 1986 bis 1999
Die
Jahre 1986 bis 1999 werde ich jetzt nur flüchtig
schildern, weil sie im Sinne der Beachtung der Historie
des Unternehmens und unter Anwendung der langjährigen
Traditionen von Wolfgang Wagner als Festspielleiter
verantwortungsbewusst geführt und veranstaltet wurden.
Die immer wieder gestellten Fragen nach seiner Nachfolge
beantwortete er immer gleichbleibend – wie schon
geschildert. Damit verschaffte er sich wieder einigen
Abstand.
Im
Jahr 1986 lief der „heißumkämpfte Ring“ Hall/Solti
letztmalig. Eine Neuinszenierung fand in diesem Jahre
nicht statt.
Dafür aber brachte das
Jahr 1987 gleich eine neue „Lohengrin“-Produktion,
die man berechtigterweise hervorheben darf. Der bekannte
Filmregisseur Werner Herzog und der Bühnenbildner
Henning von Gierke schufen eine Inszenierung, die der
Bezeichnung Romantische Oper vollkommen entsprach. Die
Besetzung war erstklassig, die Bühnenbilder in leichten
Farben gehalten. Auch wurde mit dezenten Projektionen
gearbeitet. Die Inszenierung wurde auf Jahre hinaus die
meist geschätzte Vorstellung für die allein schon mehr
als zehn Vorstellungen hätten stattfinden können, so
hoch war die Nachfrage nach Karten!
Ein
weiterer Höhepunkt wurde im Jahre 1988 eine neue
„Ring“-Produktion, Regie: Harry Kupfer, Bühnenbild: Hans
Schavernoch, Dirigent: Daniel Barenboim. Presse und
Publikum waren gespannt auf diesen Ring, denn jetzt
wurde jede „Ring“-Inszenierungen an der von Chereau
gemessen. Ohne Zweifel kann ich sagen, diese
Inszenierung war von der ersten Szene im Rheingold bis
zum Schluss der Götterdämmerung bewegend, aufrührend.
Presse und Publikum waren gleichermaßen hingerissen. Ein
solcher „Ring“ ist Bayreuth würdig! Wer eine genaue
Analyse dieses Kupferschen Kunstwerkes haben möchte, dem
kann man getrost Oswald Georg Bauers „Die Geschichte der
Bayreuther Festspiele“ empfehlen! Dieses Werk
beantwortet jede Frage.
Das
Jahr 1989 war nicht ohne Neuinszenierung (wie
sonst im Jahr nach einer Ring-Neuinszenierung). Wolfgang
Wagner inszenierte selbst einen neuen „Parsifal“. Um es
ganz einfach auszudrücken: Er wollte das, was ihm in
seiner Inszenierung von 1975 nicht so gefallen hatte,
jetzt tiefgründiger beleuchten. Das ist ihm auch
gelungen. Ein neuer strahlender Tenor, William Pell, in
der Titelrolle, die überwältigend großartige Waltraud
Meier als Kundry, und der ergreifend singende Chor,
waren neben dem Dirigenten James Levine die großen
Stützen dieser Inszenierung. Lob von der Presse und
Jubel beim Publikum!
- 19 -
Auch
1990 konnte Bayreuth wieder glänzen. Ein neuer
„Fliegender Holländer“ erschien auf dem Spielplan.
Wolfgang Wagner hatte mutig besetzt. Regie: Dieter Dorn,
Bühnenbild: Jürgen Rose (schon 1972 beim Tannhäuser von
Götz Friedrich erfolgreich) und Giuseppe Sinopoli als
Dirigent. Als Holländer glänzte Alan Titus, die Senta
verkörperte Sabine Hass, die wenige Jahre später – viel
zu jung – starb. Bild und Regie wurden vom Publikum
begeistert gefeiert, der Musik fehle der große Atem,
meinte die Presse. Bundespräsident von Weizsäcker hatte
Vaclav Havel, den tschechischen Präsidenten mitgebracht,
beide wurden vom Publikum mit viel Applaus bedacht. So
kurz nach der politischen Wende wirkten im Chor und im
Orchester wieder zahlreiche Musiker aus den bisherigen
Staaten des Ostblocks mit! Aufbruchstimmung, auch hier!
Auch dieser „Fliegende Holländer war ein großer Erfolg
für Bayreuth.
Für
1991 wäre zu vermelden, dass keine
Neuinszenierung auf dem Spielplan stand, dass die
deutschen, europäischen und internationalen
Wagner-Verbände zusammengefasst wurden zur Vereinigung
Richard Wagner International. Ferner gab
die Festspielleitung bekannt, dass für die 57.500 Plätze
der 30 Aufführungen 357.513 Bestellungen im Kartenbüro
eingegangen waren.
Das
Jahr 1992 kam auch ohne Neuinszenierung aus. Zur
Eröffnung gab man die Wiederaufnahme von Wolfgang
Wagners „Tannhäuser“-Inszenierung mit einem neuen
Dirigenten, Donald Runnicles, der schon mehrere Jahre
als Assistent von James Levine in Bayreuth gearbeitet
hatte. Hier sieht man, dass Bayreuth auch den
musikalischen Aufbau von Talenten förderte. Besonderes
Augenmerk fiel auf die „Parsifal“-Inszenierung Wolfgang
Wagners, in der mit Waltraud Meier und Placido Domingo
zwei Weltstars zu niedrigen Gagen auftraten. Das
Publikum war begeistert. Ein Besucher, der seine 35 DM
teure Karte verkaufen wollte, brachte diese für 2500 DM
an den Mann. Der Schwarzmarkt blühte – sehr zum Ärger
Wolfgang Wagners!
Im
Jahr darauf, also 1993, kam dann die lang
erwartete „Tristan“-Neuinszenierung auf den Spielplan,
aber nicht – wie erwartet – mit Patrice Chereau als
Regisseur, sondern mit Heiner Müller, einen Dramatiker
aus der früheren DDR, in der Brecht-Nachfolge auch
Leiter des Berliner Ensembles. Das Bühnenbild schuf
Erich Wonder. der als Grundbau einen Kubus auf die Bühne
stellte, der einen immateriellen Raum darstellen sollte,
außer jeder Zeit und außer jeder Dimension, einen Raum
der Seele, der Innenschau. Mittels der Lichtwechsel
schuf er einen Lichtraum von suggestiver Wirkung, in der
die handelnden Personen mit ihren Emotionen gefangen
waren. Jeder der diese Inszenierung gesehen hat, war
tief beeindruckt davon, wie sehr es zwischen
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Tristan, Isolde und König
Marke knisterte. Die Kostüme entwarf der in Paris
lebende japanische Modeschöpfer Yohji Yamamoto. Dirigent
der Aufführung war Daniel Barenboim, seine Assistentin
war Simone Young, die schon bald eine der ersten
Dirigentinnen in Deutschland wurde. In den Hauptrollen:
Siegfried Jerusalem und Waltraud Meier, die Brangäne
sang Ute Priew und John Tomlinson den König Marke. Der
Schlussapplaus wogte zwischen Buh und Bravo hin und her,
das Regie-Team wurde gnadenlos ausgepfiffen. Als die
Inszenierung Jahre später auslief, galt sie als ein
Meilenstein in der Interpretation des Werkes.
In diesem Jahr
verzeichneten die Festspiele ebenfalls wieder hohen
Besuch, Michail Gorbatschow und seine Frau kamen als
Gäste der bayerischen Staatsregierung zur Premiere.
Ein
neuer „Ring des Nibelungen“ war 1994 fällig.
Dieter Kirchner, der Regisseur hatte sich als
Bühnenbildnerin rosalie ausgesucht, die
ausgesprochen schöne farbige Bilder und Kostüme entwarf.
Raum und Zeit sollten den Mythos neu definieren. In der
heutigen Betrachtung lagen die Bühnenbilder der
einzelnen Akte ganz nah an Wagners Werk. Beim ersten
Blick darauf, weiß man gleich in welchem Stück, in
welchem Akt und in welchen Bild man sich gerade
befindet. Der Regisseur bekannte sich in seiner Regie
zur „offenen Dramaturgie“ - wie er sagte, das Ende ist
immer offen und muss immer wieder neu erzählt werden.
Auch über diese Inszenierung kann man seitenlang
berichten, Regie und Bühnenbilder blieben trotzdem
umstritten. Mit großem Applaus bedacht wurde die Riege
der Sänger und die musikalische Leitung durch James
Levine.
Das
Jahr 1995 brachte keine Neuinszenierung, man wies
auf die vielfältigen Restaurationsarbeiten im
Zuschauerraum und in den Foyers hin. Hier konnten weite
Teile des Hauses wieder in den Urzustand vor 1932/33
zurück versetzt werden, was beim Publikum auf große
Zustimmung stieß.
Als
Premiere des Jahres 1996 brachten die Festspiele
Wolfgang Wagners dritte „Meistersinger von Nürnberg“ -
Inszenierung auf die Bühne. Es sollte seine überhaupt
letzte Regie in Bayreuth werden. Als Dirigenten hatte er
sich schon lange Daniel Barenboim gewünscht, nun wurde
auch das möglich. Die Regie war als musikalische Komödie
der menschlichen Irrungen und Wirrungen und als Utopie
einer friedlichen Humanität angelegt. Das Bühnenbild
hatte Wolfgang Wagner auch selbst entworfen. Bis auf die
Schusterstube spielten alle Bilder vor dem Hintergrund
einer riesigen, nach hinten gewölbten Weltkugel, die
auch als Projektionsfläche zur Gestaltung der einzelnen
Akte diente. Vom Gefühl her empfand ich diese
Inszenierung als fröhlich, weltoffen und versöhnend, was
besonders im Schlussbild seine ganze Wirkung entfaltete.
Die Inszenierung ließ viel Raum für
- 21 -
philosophische
Betrachtungen. Die wichtigsten Darsteller seien auch
noch genannt: Robert Holl als Hans Sachs, Peter Seifert
als Walther von Stolzing, Andreas Schmidt als
Beckmesser, Renee Fleming als Eva und Endrick Wottrich
als David. Eine durchaus gute Besetzung für Bayreuth.
Zu
den Festspielen von 1997, die keine
Neuinszenierung brachten, wurden einige Zahlen bekannt
gegeben. Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth
zählte jetzt 4.373 Mitglieder, die Wagner-Verbände
konnten 250 Stipendiaten einen Festspielbesuch
ermöglichen, der Gesamthaushalt der Festspiele betrug
1997 glatte 21 Millionen DM, (heute: 10,7 Mill. Euro)
wovon knapp die Hälfte durch Eigenerlöse erwirtschaftet
wurden. Der Anteil der Personalkosten betrug 83 %.
Auch
1998 gab es keine Neuinszenierung. Die
Kartennachfrage war ungebrochen. Der „Ring“,
Inszenierung: Dieter Kirchner, Bühnenbild und Kostüme :
rosalie, Dirigent: James Levine, stand in diesem
Jahre letztmals auf dem Spielplan. Man hätte ihn 15mal
verkaufen können. Nach 18 Jahren verabschiedete sich
auch James Levine von den Festspielen, ein Musiker der
vor Freude über seinen Beruf immer strahlte und der
überall beliebt war.
Zu
den Festspielen von 1999 wurde auch der
Königsbau, der nach denkmalpflegerischen Vorschriften
restauriert wurde, fertig. Damit war die
Gesamtrenovierung des Hauptgebäudes abgeschlossen. Die
Gesellschaft der Freunde von Bayreuth feierte Anfang des
Jahres ihr 50jähriges Bestehen. Die Summe der Zuschüsse
zum Festspielbetrieb in den vergangenen 50 Jahren
betrugen insgesamt über 50 Millionen DM. Prompt kündigte
der neu ernannte Bundeskulturbeauftragte Michael
Naumann eine Kürzung der Bundeszuschüsse um 480.000 DM
an. Nach Protesten von allen Seiten – vor allem von
Wolfgang Wagner – wurde dieses Vorhaben Ende Februar
wieder eingestellt. Wolfgang Wagners bestes Argument
gegen die Kürzungen war sein unanfechtbares und peinlich
genaues Finanzmanagement, welches er schon seit
Jahrzehnten so gehandhabt hatte.
Zu
großen Irritationen führte 1999 die Mitteilung der
Richard-Wagner-Stiftung, dass sie das Verfahren zur
Nachfolge Wolfgang Wagners einleiten wird, wozu Herr
Wagner sein Einverständnis gegeben habe. Im
weiteren Verlauf dieser Mitteilung schränkt Herr Wagner
aber gleich wieder ein, dass er aus Pflichtgefühl und
Sorge für die Zukunft an einer Nachfolgeregelung
mitarbeiten will. Konkrete Personalentscheidungen seien
noch nicht getroffen worden und an einen Rücktritt
seinerseits vom Amt des Festspielleiters sei momentan
auch nicht zu denken. Allerdings gab im gleichen Jahr
noch Gudrun Wagner (die als persönliche
-
22 -
Referentin der
Festspielleitung tätig war) bekannt, dass sie die
Festspielleitung übernehmen würde. Es bewarben sich um
diesen
Posten ebenfalls Wolfgang
Wagners Tochter Eva Wagner-Pasquier und Wieland Wagners
Tochter Nike. Der Stiftungsrat entschied sich im Jahre
2001 nicht für Gudrun Wagner die - laut Kultusminister
Zehetmeir - keine Erfahrung in künstlerischen Dingen
habe, sondern für Wolfgangs Tochter Eva. Damit war nun
Wolfgang Wagner überhaupt nicht einverstanden und er
berief sich auf seinen lebenslangen
Festspielleiter-Vertrag, den er nun zu erfüllen gedenke.
Ihm wurde dann vom Kultusminister der ehemalige
Intendant des Münchener Gärtnerplatz-Theaters, Klaus
Schulz als „Ersatzmann“ zur Seite gestellt. Dieser wurde
fortan als „freier Mitarbeiter“ geführt. Wagner
reagierte beleidigt und zog sich ab jetzt sehr häufig
aus der Verantwortung zurück.
Zu
den Festspielen des Jahres 1999 erschien aber
auch ein neuer „Lohengrin“ auf dem Spielplan. Unter der
musikalischen Leitung des Italieners Antonio Pappano
entstand in der Regie von Keith Warner und im Bühnenbild
von Stefanos Lazaridis eine
sehr dramatische
Inszenierung, von der der Regisseur selbst meint, der
„Lohengrin“ sei Wagners „einzige wirkliche Tragödie“,
weil zum Schluss doch niemand erlöst zurück bleibt. Ich
nannte diese Inszenierung immer den „schwarzen
Lohengrin“ weil der Hintergrund aller Bilder schwarz
war. Musikalisch (auch was die Besetzung der Hauptrollen
angeht) war dies eine großartige Aufführung. Was mir
nicht gefallen hat war mal wieder das inszenierte
Vorspiel, denn damit wird dem Zuhörer die Schönheit der
symphonischen Musik klamm-heimlich entwendet.
Grundsätzlich gab und gibt es bei einer Inszenierung wie
dieser so viele Deutungsmöglichkeiten, dass der
interessierte Opernfreund Lesestoff für viele Tage
hätte, wollte er das Geheimnis ergründen. Ich behaupte
aber sehr selbstbewusst, dass diese Inszenierung ganz
und gar „werkgerecht“ war. Interessant war, dass das
Publikum nach dem Fallen des Vorhanges – tief bewegt –
einen Moment in Stille verharrte, ehe tosender Beifall
losbrach. Die noch auf dem Spielplan erschienenen
Inszenierungen des „Fliegenden Holländers“ und „Tristan
und Isolde“ liefen in diesem Jahre letztmalig.
Abschiede
galt es in diesem Jahre auch zu erwähnen, Siegfried
Jerusalem verabschiedete sich von Bayreuth im letzten
Tristan und Norbert Balatsch, seit 28 Jahren der
Chordirektor der Festspiele, der den Chor nach Wilhelm
Pitz zum weltbesten Chor geformt hatte, hörte auch auf
und übergab den Taktstock an seinen bisherigen Vertreter
Eberhard Friedrich. Aber auch Waltraud Meier und Hans
Sotin wurden nicht mehr eingeladen, ein Abschied ohne
jede Begründung.
Auf das letzte Jahrzehnt
zurück blickend
kann man sagen, dass die Festspiele in vielerlei
Hinsicht Kontinuität ausstrahlten. Wolfgang Wagner war
stolz darauf, namhafte Dirigenten für die Laufzeit der
einzelnen Stücke verpflichtet zu haben. Das Gleiche
galt auch für die Sänger.
Manche Künstler, die neu auf dem Spielplan erschienen,
waren Jahre zuvor bereits als Assistenten in
- 23 -
Bayreuth tätig gewesen.
Wolfgang Wagner arbeitete gerne mit jungen Leuten und
griff auch ihre Ideen auf.
Wolfgang
Wagners Intendanz neigte sich ihrem Ende entgegen. Von
seinen Inszenierungen waren die „Meistersinger von
Nürnberg“ und der „Parsifal“ noch im Spielplan. Diesen
Schöpfungen seines Großvaters stand er besonders nahe.
Wolfgang Wagner ist in seinen Inszenierungen niemals
einem Zeitgeist nachgelaufen, er hat sich niemals einer
Mode unterworfen. Bei der Nennung seines Namens fällt
einem sofort das Positive bei den Bayreuther Festspielen
ein, die Einzigartigkeit der Vorstellungen, aber auch
auf den öfter von außen einfließenden Vorschlag, den
Spielplan um die Jugendwerke seines Großvaters zu
erweitern, nicht einzugehen. Doch, seine Führung der
Festspiele war seriös, verlässlich, nur der Kunst
zugewandt. Leider hat er nichts dafür getan, dass die
nächste Generation der Gesamt-Familie (ihren Qualitäten
und Vorleistungen gemäß) in die Festspielleitung
eingebunden werden konnte, um das Amt (in absehbarer
Zeit) in die Hände von Personen zu übergeben, die
höchstmögliche Kontinuität garantierten.
In
den Jahren zwischen 1987 und 1999 war das Ehepaar Wagner
– zusammen mit ihren Anwälten - nicht untätig, wenn es
um Fragen der Nachfolge Wolfgang Wagners im Amt des
Festspielleiters und aller sich daraus entwickelnden
Veränderungen gegenüber dem damalige Status quo ging.
Das Ganze spielte sich natürlich im Geheimen ab, nur
kein Aufsehen erregen!
Ein mit großer Sorge
beobachtetes Phänomen war jedoch die schleichende
Machtübernahme der Festspielleitung durch Gudrun Wagner.
Sie hatte leichtes Spiel, weil ihres Mannes Klarsicht,
seine Widerstandskraft, seine physischen und mentalen
Fähigkeiten spürbar nachließen. Er wurde schrittweise
entmachtet, aus der Leitung der Festspiele entfernt, er
bekam sogar ein eigenes kleines Büro am Ende des Ganges,
damit er nicht mehr alles mit bekam, was da so hinter
seinem Rücken von seiner Frau entschieden wurde. In der
Belegschaft nannte man Gudrun Wagner mittlerweile die
„Chefin“. Auch der Umgangston zwischen Gudrun und
Wolfgang Wagner wurde rauher, ja, es fielen sogar Sätze
– laut und in aller Öffentlichkeit, vor Zeugen
gesprochen – die ich hier nicht wiedergeben kann.
Der
Leser meiner Überlegungen, wie wohl die Zukunft der
Bayreuther Festspiele aussehen könnte wird sich fragen,
warum die Vergangenheit der Festspiele so ausführlich
geschildert wird und was diese – als sie damals in die
„Gegenwart um 2007/2008“ mündete – mit meiner
Zukunftsprognose zu tun hat. Erschreckendes wird der
Leser erfahren und dann kann er unschwer feststellen,
welche Qualität die Festspiele der letzten 50 Jahre des
20. Jahrhunderts hatten und wie sich die künstlerische
Qualität und die Außendarstellung Bayreuths in den
Jahren ab 2004 so radikal verschlechtert haben.
- 24 -
Die
Jahre 2000 bis 2007
Das
neue Jahrhundert begann bei den Festspielen 2000
mit einer noch von Wolfgang Wagner geplanten
Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“, Regie: Jürgen
Flimm, Bühnenbild: Erich Wonder, Dirigent: Giuseppe
Sinopoli. Die Inszenierung war zeitlos angelegt und
bühnenbildnerisch ohne besondere Glanzpunkte. Bei den
Solisten ist Alan Titus hervorzuheben, der den Wotan und
den Wanderer sang, besonders aber Placido Domingo und
Waltraud Meier die als Siegmund und Sieglinde zu hören
und zu sehen waren. Giuseppe Sinopoli dirigierte
erstmals den Ring, der im Kommenden Jahr – so hoffte man
– durch diesen Dirigenten noch an Ausdruckskraft
gewinnen würde. Leider verstarb Giuseppe Sinopoli im
Herbst des gleichen Jahres unerwartet in Dresden.
Als
Delegierter des bayerischen Kulturministeriums erschien
im Jahre 2000 der Ministerialdirigent Toni Schmid im
Stiftungsrat.
Im
Jahre 2001 stand Wolfgang Wagners „Parsifal“
letztmals auf dem Programm. Dirigent war Christoph
Eschenbach, der jedoch Schwierigkeiten mit dem Orchester
hatte und deshalb auch in den kommenden Jahren nicht
mehr nach Bayreuth kam. Mit Bescheidenheit nahm Wolfgang
Wagner den ehrlichen Applaus des Bayreuther Publikums
entgegen. Eine Neuinszenierung gab es in diesem Jahre
nicht. Die in vergangenen Jahr – noch unter der
musikalischen Leitung von Giuseppe Sinopoli - auf dem
Spielplan erschienene „Ring“-Neuinszenierung übernahm in
diesem Jahre Adam Fischer.
Eine
neue „Tannhäuser“-Inszenierung machte 2002 von
sich reden. Der Franzose Philippe Arlaud war der
Regisseur und Bühnenbildner, Dirigent war - erstmals in
Bayreuth - Christian Thielemann. Eine farbenprächtige
Dekoration, die bei wechselnden Lichtfarben jede
geforderte Stimmung genau traf. Besonders gelungen war
die schnelle Verwandlung vom Venusberg ins Wartburgtal,
möglich gemacht durch den Einsatz moderner Hydraulik.
Wolfgang Wagners letzte „Meistersinger“- Inszenierung
stand auch letztmalig auf dem Spielplan. Nach Schluss
nahm Wolfgang Wagner Abschied vom Bayreuther Publikum,
Große Emotionen und Tränen!
Genau
genommen endet hier die Ära, an die wir uns so gerne
erinnern. Der Garant für große Opernerlebnisse,
Festspielleiter Wolfgang Wagner, zieht sich Schritt für
Schritt (aber schweren Herzens) bedingt durch seine
stark angeschlagene Gesundheit in den Ruhestand
zurück. Ohne ihn ist niemand mehr da, der das uns
überlieferte Erbe Richard Wagners schützt, der
renommierte Regisseure und Bühnenbilder einlädt, um in
Bayreuth unter idealen Bedingungen
- 25 -
Wagners
Musikdramen in immer neuen, aber werkgerechten
Inszenierungen zur Aufführung zu bringen. Auch der
Kontakt
zur Branche,
immer wieder die besten Wagnersänger zu kleinen Gagen in
diesem Theater zu vereinen, um einzigartige
Aufführungen erlebbar zu machen, ist Vergangenheit. Wie
es dazu kam und wie es dann weiterging, dazu wird mein
Bericht Auskunft geben, wenn meine Ausführungen
die Jahre 2007/2008 erreicht haben werden.
Nun
fahre ich fort im Jahre 2003: Mit einer
Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers“ begann die
Ära des „Regie“-Theaters in Bayreuth. Im Bühnenbild von
Christian Schmidt inszenierte Claus Guth eine Handlung,
mit der kaum ein Zuschauer zurecht kam, wenn ihm nicht
zuvor die Dramaturgie des Stückes erklärt wurde. Zu
sehen war fast alles zweimal und auf dem Kopf stand auch
alles, die Kostümierung sorgte ebenfalls für Verwirrung,
denn auch hier trugen öfter zwei verschiedene Personen
die gleiche Kleidung. Das Ganze spielte sich in einem
überdimensionierten Treppenhaus ab, dessen obere Hälfte,
die untere (auf dem Kopf stehend) spiegelte. Applaus
trotzdem aber auch zahlreiche Buhrufe. Der Technische
Direktor meinte, dass Bühnenbild (also dieses
Treppenhaus) sei die größte jemals in Bayreuth aus
gezogenem Rohr gebaute Bühnenkonstruktion in einem
Stück. Ihr Gewicht war beträchtlich. Die musikalische
Seite dieser Inszenierung war gut. Dirigent war Debütant
Marc Albrecht, den Holländer verkörperte John Tomlinson,
die Senta wurde gesungen von Adrienne Dugger. Applaus
für die Künstler!
Und
dann nahte 2004 in Bayreuth der erste richtige
Skandal, eine neue „Parsifal“-Inszenierung durch
Christoph Schlingensief, einen intelligenten
Jung-Regisseur, den Katharina Wagner ihrem Vater
empfohlen hatte. Schlingensief hatte Wolfgang Wagner ein
Inszenierungskonzept vorgestellt, das den
Festspielleiter offensichtlich überzeugt hatte, denn er
erhielt den Regie-Auftrag. Herr Schlingensief weilte –
ehe er im Frühjahr 2004 mit den Proben begann - fast ein
ganzes Jahr in Afrika. Die dramatischen Erlebnisse, die
er dort hatte (Hunger, Elend, Arbeitslosigkeit,
Gewaltanwendung usw.) veranlassten ihn offensichtlich,
diese Erfahrungen in sein „Parsifal“-Konzept
einzuarbeiten, ohne Herrn Wagner davon etwas
mitzuteilen. Mit anderen Worten: Er inszenierte etwas
ganz anderes, als er zwei Jahre zuvor Wolfgang und
Gudrun Wagner vorgestellt hatte. Das führte zu schweren,
öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen mit dem
Ehepaar Wagner, die sich damit nicht abfinden wollten.
Schließlich brach er die Proben ab und verließ für eine
Woche die Festspiele, deren Probenplan in einige
Unordnung geriet. Als er wieder auftauchte wurden die
Proben ohne Änderungen des Konzeptes fortgesetzt. Das,
was dann bei der Premiere auf der Bühne sichtbar wurde,
hatte mit dem Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ nicht das
Geringste zu tun. Ich nenne diese Zumutung den „Müllberg-Parsifal“,
denn mit einem Bühnenbild hatte die Ansammlung von
Schrott auf der Bühne auch nichts Gemeinsames.
- 26 -
Daran konnte auch der
Dirigent der Produktion Pierre Boulez, der den Parsifal
schon unter Wieland Wagner in Bayreuth dirigiert hatte,
nichts mehr ändern.
Auch
die Neu-Inszenierung des Jahres 2005, „Tristan
und Isolde“, war die wohl schwächste Inszenierung dieses
Werkes in Bayreuth seit 1951. Der Regisseur Christoph
Marthaler und seine Bühnenbildnerin Anna Viebrock
fertigten die wohl lang-weiligste Inszenierung an, die
man sich für dieses Werk hätte wünschen können. Das
ganze Drama spielte in einem einzigen, hallenartigen
Raum mit Neonbeleuchtung, der eher an einen
unterirdischen, Atombomben sicheren Bunker in der
ehemaligen DDR erinnerte, in keinem Falle aber die
Schauplätze dieses Musikdramas darstellte. Trotz guter
Sängerbesetzung kann man da nur verzweifelt den Kopf
schütteln und bemerken: Das hat Richard Wagner nicht
geschaffen und diese Wiedergabe hat das Stück nicht
verdient. Der Dirigent Eiji Oue erfüllte auch nicht die
in ihn gesetzten Erwartungen und kam im nächsten Jahr
nicht wieder.
Erwähnenswert
war ein Konzert der Bayreuther Festspiele im August 2005
in der Oberfrankenhalle, bei dem alle vier
Festspiel-Dirigenten zum Einsatz kamen. Auf dem Programm
standen Werke von Richard Wagner, Siegfried Wagner und
Franz Liszt.
Herr
Toni Schmid, Delegierter aus München, wurde – fünf Jahre
nach seinem Auftauchen in Bayreuth - Vorsitzender des
Stiftungsrates. Wie er das geschafft hat, entzieht sich
meiner Kenntnis, die Erlangung des Vorsitzes in diesem
Gremium sollte aber für die Außendarstellung der
Bayreuther Festspiele in den nächsten Jahrzehnten größte
Bedeutung erlangen.
Eine
wohltuende Ausnahme machte im Jahre 2006 die
Neu-Inszenierung des „Ring des Nibelungen“ durch den
Regisseur Tankred Dorst und seinen Bühnenbildner
Frank-Philipp Schlössmann. Der Dramatiker Tankred Dorst
war eingesprungen, weil der ursprünglich vorgesehene
Regisseur Lars von Trier aus nicht nachvollziehbaren
persönlichen Gründen seine Mitarbeit aufgekündigt hatte.
Es wird heute viel gestritten, ob es besser gewesen
wäre, wenn Lars von Trier die Regie übernommen hätte
oder ob er den Abwärtstrend bei den Werkentfremdungen
noch beschleunigt hätte. So aber bekam Bayreuth einen
Ring, der gute und passende Bühnenbilder zeigte, in der
Regie allerdings keine Bäume ausriss. Musikalisch hatte
der „Ring“ Bayreuth-Niveau. Unter der Leitung von
Christian Thielemann sangen und spielten die Darsteller
mit Freude. Die „Ring“-Inszenierung, des Jahres 2006
war tatsächlich die letzte
Inszenierung, die in
Bayreuth – in Bühnenbild und Handlung „ein
komplettes – wie von Wagner hinterlassenes – Werk
darstellte“ ,
bis zum heutigen Tage!
-
27 -
Das
Jahr 2007 wurde ein unglückliches Jahr für die
Festspiele und für die Familie Wolfgang Wagners. Vor
allen Dingen aber begann in ihm der gewaltige Umbruches
in der Festspielleitung.
Katharina
Wagner, nun 29 Jahre alt, die sich in Sachen Regie seit
2002 in Würzburg, Budapest, München und Berlin
„versucht“ hatte, durfte nun erstmals in Bayreuth eine
Oper ihres Urgroßvaters inszenieren. Sie „verhob sich
gründlich“ an den „Meistersingern von Nürnberg“. Ihr
gesundheitlich schwer angeschlagener Vater saß mit
steinerner Miene im Zuschauerraum - und schwieg. Kein
Wunder, hatten ihm schon die zuvor genannten vier
Regie-Versuche (wie er sich gegenüber einem engen
Vertrauten äußerte) in keiner Weise zugesagt. Es würde
den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen, sich
ausführlich mit dieser „abartigen Darstellung“ von
Wagners humorvoll, fränkischen Meisterwerk zu
beschäftigen. Dieser Regie-Versuch war eine einzige
Schweinerei und eine Respektlosigkeit gegenüber ihrem
Urgroßvater. Der Schaden, den diese Inszenierung
angerichtet hat, ist unermesslich. Nicht genug damit,
dass ca. 50 Mitglieder der Gesellschaft der Freunde von
Bayreuth ihre Mitgliedschaft kündigten, nein, der
Abwärtstrend in der Nachfrage nach Eintrittskarten, der
bereits nach der „Holländer“-Inszenierung von Claus Guth
im Jahre 2003 begann, sich nach dem „Schlingensief-Parsifal“
verstärkte, setzte sich in noch stärkerem Maßstab in
diesem Jahre fort. Das schien zunächst niemanden zu
beunruhigen, noch wurden alle Plätze im Zuschauerraum
besetzt.
Der
für den Tannhäuser dieses Jahres vorgesehene Dirigent
Fabio Luisi sagte seine Mitwirkung bei den Festspielen
wenige Tage vor Beginn der Proben ab. Er wurde
kurzfristig von Christoph Ulrich Meier ersetzt.
Das
schlimmste Unglück dieses Jahres stand noch bevor:
Gudrun Wagner hatte sich Ende November zu einem
notwendigen, aber nicht lebensbedrohenden Eingriff ins
Klinikum Bayreuth begeben. Die Operation war gut
verlaufen, ihr Zustand stabil und trotzdem verstarb sie
überraschend in der Nacht zum 28. November, ohne das
dies zunächst bemerkt worden wäre. Erst bei der
Früh-Visite stellte man ihren Tod fest. Gudrun Wagner
wurde nur 63 Jahre alt. Ihr Mann, Wolfgang Wagner,
selbst schwer angeschlagen, stand ziemlich allein da,
die Festspiele waren ohne Führung, da auch niemand
anderer Prokura hatte. Zum Glück waren für die
Festspielzeit 2008 bereits die richtigen Weichen
gestellt, es mussten nur noch wenige Korrekturen
erfolgen.
Die
Beerdigung Gudrun Wagners auf dem Stadtfriedhof in
Bayreuth war gerade vorbei, als bei der Festspiele GmbH
und innerhalb der Familie Wolfgang Wagners eine
Geschäftigkeit nie dagewesenen Ausmaßes einsetzte, die
sich ausschließlich um die Nachfolge Wolfgang Wagners
drehte, denn – wie sich später herausstellen sollte –
hatten die ganzen, unter großer
- 28 -
Verschwiegenheit
ablaufenden Aktivitäten eindeutig nichts mit der
dringend notwendigen künstlerischen Erneuerung, sondern
nur mit Machterhalt und Bereicherung zu tun hatte.
Schon
im Dezember 2007 stellte sich heraus, dass
möglicherweise nicht mehr eine Einzelperson die
Festspiele leiten würde, denn
es formierten sich zwei
Teams, die diese Position in Arbeitsteilung ausfüllen
wollten.
Team I: Katharina
Wagner und Peter Ruzicka, Dirigent, Komponist und
früherer Intendant der Hamburgischen Staatsoper. Team
II: Nike Wagner, Tochter Wieland Wagners und Eva
Wagner-Pasquier, Tochter Wolfgang Wagners aus dessen
erster Ehe,
von ihrem Vater verstoßen
und 2001 schon als nicht geeignet abgestempelt. Nach nur
wenigen Wochen allerdings stieg Peter Ruzicka aus dieser
Bewerbung wieder aus und Christian Thielemann trat an
seine Stelle.. Doch auch diese Verbindung hatte nur
kurze Zeit Bestand. Möglicherweise haben beide
Mitbewerber frühzeitig erkannt, dass sie ihre
Vorstellungen, wie man die Festspiele wieder so
hochklassig machen könnte, wie sie bis zur letzten
Jahrhundertwende waren, mit einer Anfängerin Katharina
Wagner nicht verwirklicht werden könnten. Christian
Thielemann hätte außerdem bestimmt seine
Dirigenten-Tätigkeit nicht so stark einschränken wollen.
Nun musste sich Katharina Wagner erneut nach einem
geeigneten Partner umsehen. Bis zur Jahreswende
2007/2008 hatte sie noch keinen neuen Mitstreiter
gefunden.
Unterschwellig kam aber
in Bayreuth das immer dichter werdende Gerücht auf, die
Nachfolge sei längst entschieden, Katharina Wagner
würde ihren Vater beerben – mal ganz von dem noch
fehlenden zweiten Partner abgesehen. Es wurden aber
auch Stimmen laut, die ebenso eindringlich vor einer
solchen Entscheidung warnten. Viele Mitarbeiter der
Festspiele hielten Katharina Wagner für absolut nicht
geeignet, die Festspiele zu leiten.
- 29 -
Die Festspiele von 2008
und die Geschehnisse um die
Einsetzung
einer neuen Festspielleitung
Wie
schon auf Seite 17 geschildert, gründete Wolfgang Wagner
1985 die Wolfgang Wagner GmbH, die dann zwei Jahre
später in die Bayreuther Festspiele GmbH umbenannt
wurde, wobei zu vermerken ist, dass Wolfgang Wagner
jetzt alleiniger Gesellschafter der Bayreuther
Festspiele GmbH war und als Veranstalter der jährlich
stattfindenden Festspiele mit Festspielleitervertrag auf
Lebenszeit weiterhin fest im Sattel saß. Diese
Konstellation wurde zum Ausgangspunkt der heute
bestehenden Differenzen zwischen der Festspiele GmbH und
der Richard-Wagner-Stiftung.
Um
die weiteren Geschehnisse rund um die Festspielleitung,
um das Kompetenzgerangel zwischen Wolfgang Wagner und
seiner Frau, um die langsame Machtübernahme durch Gudrun
Wagner innerhalb der Festspielleitung und um die
allmähliche Einmischung der Tochter Katharina in die
Geschäfte ihrer Eltern überschaubar darstellen zu
können, habe ich noch einmal die gesamten
Pressemitteilungen gelesen, die Verlautbarungen der
Festspiele GmbH und die „leisen“ Wortmeldungen der
Richard-Wagner-Stiftung studiert. Ferner habe ich mir
die Aufzeichnungen der Fernsehübertragungen des Senders
3sat vom 31. August 2008 aus dem Bayreuther Rathaus
angesehen und mit zahlreichen Zeitzeugen gesprochen.
Im
Januar 2008 gingen die Bemühungen, für Katharina Wagner
einen geeigneten Partner zu finden ungebremst weiter. In
der Zwischenzeit jedoch wurde zunächst einmal die
Bayreuther Festspiele GmbH „zukunftsfähig“ gemacht, d.h.
zum Ende der Amtszeit Wolfgang Wagners würde die
Festspiele GmbH von einem Gesellschafter auf
vier Gesellschafter erweitert. Die
Gesellschaftsanteile Wolfgang Wagners sollten auf die
vier neuen Gesellschafter übergehen. Zunächst blieb
Wolfgang Wagner noch der Geschäftsführer der GmbH, doch
wurde ihm seine Tochter Katharina gleichberechtigt zur
Seite gestellt. Diese Maßnahme war wieder ein Indiz für
die Absicht Wolfgang Wagners und der Festspiele GmbH,
eine solche Konstellation auf Dauer zu zementieren.
Nicht genug damit, die Festspiele GmbH gründeten eine
100%ige Tochtergesellschaft, die Bayreuther Festspiele
Medien GmbH (kurz BF-Medien genannt), die als
Vertriebsgesellschaft künftige Festspielprodukte
verkaufen sollte. Geschäftsführerin wurde ebenfalls
Katharina Wagner. Zur Hauptsache ging es hier um die
Vermarktung in Form von Vorführungen der Inszenierungen
in den deutschen Kinos, im Fernsehen oder in
Großveranstaltungen als Publik Viewing z.B. auf dem
Bayreuther Volksfestplatz, aber es war auch an die
Herstellung von CD`s und DVD`s gedacht. Sogar der
Vertrieb von
- 30 -
Erinnerungsartikeln wie
Tassen mit dem Autogramm Richard Wagners, Mützen und
T-Shirt mit der Aufschrift Bayreuther Festspiele oder
Schneekugeln (Inhalt: das verschneite Festspielhaus)
usw. sollten zu Geld gemacht werden. Aber – so fragte
sich mancher Beobachter der Szene – wie kann sich denn
die BF-Medien GmbH so sicher sein, dass sie auch
Aufträge erhält? Antwort: Ganz einfach, es würde
dafür gesorgt werden (und das mit 100%iger Sicherheit),
dass Katharina Wagner auch Festspielleiterin werden
würde. Basta! Damit wären die Aufträge dann gesichert. -
Geldfluss aus der linken Tasche heraus und gleich
wieder in die rechte Tasche hinein! So einfach würde das
gehen!
Am
Rande sei hier vermerkt, dass dieses Geschäftsmodell
nicht zum Erbe Richard Wagners gehörte und auch
nicht Gegenstand des Auftrages an zukünftige
Festspielleiter werden sollte. In der Stiftungsurkunde
und in der Satzung der Richard-Wagner-Stiftung ist
darüber keine Wort zu lesen.
Um
nun die „Wahl“ Katharinas Wagners zur Festspielleiterin
zu sichern, brauchte man Verbündete und da sprang jetzt
Toni Schmid in die Bresche. Er allein konnte das nicht
regeln, er nahm dafür den 1. Vorstand der
Richard-Wagner-Stiftung, den Regierungspräsidenten von
Oberfranken, Herrn Wilhelm Wenning und den
Geschäftsführer der Stiftung, den Bayreuther
Oberbürgermeister, Herrn Dr. Michael Hohl „mit ins
Boot“.
Das
also war der Beginn einer sich über das ganze Jahr
erstreckenden Kette von Verschleierung,
Machtsicherung,
Untreue und Satzungsbruch
Zunächst
galt es, Katharina Wagner wieder einen zweiten Partner
zu beschaffen. Das wurde „unkompliziert erledigt“, in
dem der Kultusminister Thomas Goppel Eva
Wagner-Pasquier aufforderte, aus der Partnerschaft mit
Nike Wagner auszusteigen. Ohne eine weitere
Erklärung „wechselte Eva Wagner ins andere Lager“. Etwas
später trafen sich die beiden Töchter Wolfgang
Wagners, die sich noch nie zuvor begegnet waren,
erstmals in ihrem Leben und reichten kurz darauf ein
Konzept unter dem Namen „Zukunft Bayreuth“ beim
Stiftungsrat ein, dessen Inhalt Schwerpunkte zukünftiger
Leistungen der Festspiele auflistete. Dieses Papier war
aber nicht das geistige Produkt der beiden
Bewerberinnen, sondern es war Monate zuvor von Nike
Wagner erstellt worden, als diese noch mit Eva
Wagner-Pasquier kandidierte.
Nike
Wagner ihrerseits erklärte auch sofort, an ihrer
Bewerbung festhalten zu wollen und zu gegebener Zeit
auch einen neuen, namhaften Partner präsentieren zu
können.
- 31 -
In
einem Brief an den Bayreuther Oberbürgermeister Dr. Hohl
(der, wie Herr Wenning auch Sitz und Stimme im
Stiftungsrat hatte) verwendete ich mich aus tiefster
Überzeugung für Nike Wagner, deren Qualifikation und
ihre bisherigen Leistungen im Bereich deutscher Kultur,
sie nach meiner Ansicht zur besten Kandidatin für die
Leitung der Festspiele machten. Herr Dr. Hohl antwortete
mir in einem kurzen Schreiben mit Datum vom 23. April
2008, das mit den Worten endete: ….... „Ich darf Ihnen
versichern, dass der Stiftungsrat die beste Lösung
finden wird“. Heute wissen wir, dass eine Entscheidung
längst gefallen war! Ich sollte nur „ruhig gestellt“
werden.
Am
15.04.2008 veröffentlichte dpa einen Brief Wolfgang
Wagners an den Stiftungsrat, der datiert ist auf den 8.
April 2008. Herr Wagner spricht in diesem Schreiben
jedes einzelne Stiftungsratsmitglied an und beginnt mit
den Worten: Sehr geehrter …....
Es ist daraus nicht
abzuleiten, ob Herr Wagner alle Stiftungsräte mit
diesem Schreiben beehrt hat. Zum Inhalt: Wolfgang
Wagner beruft sich eingangs auf das Ergebnis der
Stiftungsratssitzung von 06. November 2007, in der der
Stiftungsrat potenzielle Bewerber aus der Familie Wagner
auffordert, eine Bewerbung um die Festspielleitung
einzureichen. Danach verwendet er sich für ein
Dreierteam, bestehend aus Christian Thielemann, Peter
Ruzicka und Tochter Katharina. Danach begrüßt er, dass
sich seine beiden Töchter Katharina und Eva näher
kennengelernt haben und meint, dass auch diese zusammen
mit Christian Thielemann, eine gute Festspielleitung
abgeben könnten. Die beiden letzten Absätze zitiere ich
hier wörtlich:..... „Sowohl der erstgenannten Variante –
eine Bewerbung mit Christian Thielemann, Peter Ruzicka
und Katharina Wagner - , aber insbesondere auch einer
Bewerbung meiner beiden Töchter für die Festspielleitung
würde ich zustimmen. In beiden Fällen wäre ich bereit,
die Festspielleitung zu einem angemessenen, von mir zu
bestimmenden Zeitpunkt, abzugeben. Ich hoffe, dass ich
mit diesen wenigen Zeilen ein deutliches Signal setzen
konnte und baue am 29. April 2008 auf einen
entscheidungsfreudigen Stiftungsrat“. Ende des Zitates!
Zu
diesem Brief, dessen Echtheit von vielen bezweifelt
wird, besonders aber zu dem zitierten Absatz, wäre zu
sagen:
1) Wer Herrn Wagner
gekannt hat, hält es mit größter Wahrscheinlichkeit für
nahezu unmöglich, dass er sich mit einem solchen
Schreiben an den Stiftungsrat gewandt hat, den er seit
Jahren zutiefst verachtet. Es ist auch nicht sein
Briefstil.
2)
Was ist
eigentlich aus seiner seit Jahrzehnten fanatisch
gepredigten Ansicht, …... er sehe niemand im
Familienkreise, der die Fähigkeiten mitbringe um die
Festspiele zu leiten, …. geworden? Hat er das vergessen
oder sind seine Töchter plötzlich Ausnahmen dieser Regel
geworden?
3)
Herr Wagner
war im April 2008 bereits gesundheitlich so schwer
angeschlagen, dass er seine Tochter Eva beim ersten
- 32 -
Wiedersehen nach vielen
Jahren zunächst nicht erkannt hatte.
4)
Wurde nicht
immer wieder behauptet, Herr Wagner habe keine
Bedingungen für seinen Rückzug gestellt?
Im
Internet ist dieser Vorgang heute unter WIKIPEDIA
folgendermaßen nachzulesen:
Wolfgang Wagner erklärte sich im April 2008 bereit, zu
Gunsten seiner Töchter Katharina und ihrer
Halbschwester Eva
Wagner-Pasquier vom Posten des Festspielleiters zurück
zu treten.
Kein
Wort von Beratungen des Stiftungsrates über
insgesamt zwei vorliegende Bewerbungen und eine
demokratische
Abstimmung. Was kam da auf uns zu?
Der
Deutsche Kulturrat forderte – so zu lesen in einer Notiz
des Nordbayerischen Kuriers vom 17.04.2008 - ein
„transparentes Auswahlverfahren“ bei der Entscheidung
über die künftige Leitung der Bayreuther Festspiele. Es
müssten dieselben Spielregeln gelten wie in jeder
anderen Kultureinrichtung, die durch öffentliche Mittel
mitfinanziert würde. Der Vorsitzende das Kulturrates
Olaf Zimmermann meinte, wenn eine solche Entscheidung,
wie sie von Wolfgang Wagner vorgeschlagen worden war, in
Bayreuth gefällt werden würde, dann würde dies ein
schlechtes Licht auf den gesamten Kulturbereich in
Deutschland werfen. Die Bevölkerung müsse den Eindruck
erhalten, dass „vordemokratische Auswahlverfahren“ in
unserem Lande gang und gäbe seien. Solche Ermahnungen
kümmerten den Stiftungsratsvorsitzenden Toni Schmid
überhaupt nicht!
Der
nächste Schritt war nun, Wolfgang Wagner zur Kündigung
seines auf Lebenszeit befristeten
Festspielleitervertrages zu bewegen. Die Kündigung
musste bis 30. April bei der Stiftung eingehen, damit am
1. Mai 2008 die in der Stiftungssatzung verankerte
Bewerbungsfrist für die Kandidatur um den
Festspielleiterposten beginnen konnte, denn die Wahl des
neuen Festspielleiters war für den 31. August 2008
vorgesehen. Mit dieser Kündigung tat sich Wolfgang
Wagner bekannterweise schwer. Der Nordbayerische Kurier
meldete am 28. April, ein Kündigungsschreiben sei bis
heute nicht bei der Richard-Wagner-Stiftung eingegangen.
Erstaunlicherweise teilte nur einen Tag später - also am
29. April - der Stiftungsratsvorsitzende Schmid mit,
„die Kündigung sei in München“ eingetroffen. Wieso in
München, der Sitz der Stiftung ist doch Bayreuth? Oder?
Hatte Herr Schmid da auch wieder dran gedreht? Am
gleichen Tage war auch noch Stiftungsratssitzung in
Bayreuth, während der natürlich keine Entscheidung über
die Nachfolge Wolfgang Wagners fallen konnte. Die
nächste Sitzung wurde dabei auf den 11. Juni 2008
festgelegt.
- 33 -
Ende
Mai und Anfang Juni meldeten sich noch zwei gewichtige
Stimmen zur Nachfolgefrage, es waren dies der Direktor
der Wiener Staatsoper Ioan Holender und der Intendant
der Bayerischen Staatsoper, Peter Jonas. Zusammengefasst
meinten beide, Bayreuth müsse wieder die Vorbildfunktion
in Sachen Inszenierung Wagnerscher Musikdramen
übernehmen, man sollte auch Wagners Frühwerke in den
Spielplan aufnehmen, es sollten nur renommierte
Regisseure beschäftigt werden und keine Anfänger – das
Gleiche gelte für Dirigenten. Peter Jonas meinte sogar,
wenn Richard Wagner wieder auferstehen würde, er würde
gleich aus diesem Theater aussteigen.
Jeder
Beobachter der Szene hatte in den Jahren 2007/2008 ja
die Information, dass – wenn es soweit sei und der
Nachfolger Wolfgang Wagners gefunden werden müsste – der
Stiftungsrat diesen Festspielleiter (möglicherweise
unter mehreren Bewerbern) suchen, prüfen und in
demokratischer Abstimmung wählen würde.
Es
bleibt keine andere Option übrig als anzunehmen, dass
das Ehepaar Wagner in seinen Überlegungen längst
(vielleicht auch auf Drängen Gudrun Wagners) von dieser
Herangehensweise abgerückt war, weil damit keine
absolute Sicherheit bestand, dass ein Mitglied der
Familie Wolfgang Wagners die Festspielleitung sicher
hätte übernehmen können.
Von
der Stiftung bzw. vom Stiftungsrat war in diesen
Sommermonaten des Jahres 2008 nichts zu hören oder zu
sehen.
Nein,
Herr Schmid und seine Helfer (Herr Wenning und Herr Dr.
Hohl) benötigten die Sommermonate um allen
Stiftungsrats-mitgliedern (außer denen, die der Familie
Wagner angehörten) „einzutrichtern“, dass bei der
Abstimmung nur um Zustimmung zum Team I: Katharina
Wagner und Eva Wagner-Pasquier gebeten werde, da deren
Wahl „alternativlos“ sei. Diese Vor-gehensweise wurde
später von einem Stiftungsratsmitglied, das selbst an
der Abstimmung teilgenommen hat, gegenüber einem
Mitglied der Familie Wagner absolut glaubwürdig
bestätigt.
Mitte
August 2008 präsentierte Nike Wagner ihren Partner, der
mit ihr zusammen eine Bewerbung um die Leitung der
Festspiele eingereicht habe. Es handelte sich bei dieser
Person um den weltbekannten belgischen Theatermanager
Gerard Mortier.
- 34 -
Ganz
kurz muss hier auch auf die Qualifikation und die
bisherigen Leistungen der beiden Bewerberteams
eingegangen werden.
Team I:
Katharina Wagner hatte keinen Studienabschluss in
irgendeinem Kunstfach, was ihr bei der Bewältigung
dieser doch mit hohem Kunstanspruch versehenen Tätigkeit
als Festspielleiterin geholfen hätte. Sie hatte
keinerlei Erfahrung in der Leitung eines großen
Operntheaters. Einige nicht besonders erfolgreiche
Regie-Versuche zeigten alle Tendenzen zum in Mode
gekommenen Regie-Theater.
Eva Wagner-Pasquier hatte den sehr ehrenvollen Beruf einer Kindergärtnerin erlernt. Dann
hatte sie neun Jahre als Assistentin ihres Vaters im
Festspielhaus „gedient“, ohne allerdings eine feste
Aufgabe zu haben. Nach der „Verbannung“ aus der Familie
und aus dem Festspielhaus war sie an verschieden
Opernhäusern im künstlerischen Betriebsbüro oder anderen
der Organisation dienenden Bereichen von Opernhäusern
tätig gewesen, ohne irgendwo länger sesshaft zu werden.
Team II:
Nike Wagner hatte sich eigentlich seit über 30
Jahren auf die Übernahme der Verantwortung bei den
Bayreuther Festspielen vorbereitet, sie sah sich dort in
der Nachfolge ihres Vater Wieland, der als der große
Erneuerer von Bayreuth gilt.
Nike Wagner hat über
einen längeren Zeitraum zahlreiche verantwortungsvolle
Aufgaben bei hochrangigen Kultureinrichtungen
übernommen. 2002/2003 begleitete sie als Dramaturgin die
„Ring“-Inszenierung von Herbert Wernicke und David Alden
an der Bayerischen Staatsoper. 2004 übernahm sie die
Gesamtleitung des Kunstfestes Weimar. In ihrem Buch
„Wagner-Theater“ setzt sie sich mit dem Werk Richard
Wagners auseinander bzw. sie entwickelt eine komplexe
Dramaturgie zu den Werken ihres Urgroßvaters.
Der belgische
Theatermanager Gerard Mortier ist ein
Weltbegriff. Er leitete viele Jahre erfolgreich die
Salzburger Festspiele und die Pariser Oper. Er war wohl
der beste Branchenkenner und hatte Kontakte zu allen
wichtigen Opernhäusern, Intendanten, Dirigenten,
Regisseuren, Bühnenbildnern sowie zu Sängerinnen und
Sängern. Für seine Leistungen erhielt er zahlreiche
Auszeichnungen, hier einige davon: Ehrendoktorwürde der
Universität Salzburg, Großes Bundesverdienstkreuz der
Bundesrepublik Deutschland, Ritter der Ehrenlegion in
Frankreich, Erhebung in den belgischen Adelstand eines
Barons, Kommandeur des Kronenordens in Belgien u.v.a.m.
Gerard Mortier war auch Mitglied der Akademie der Künste
in Berlin.
In
Sachen Qualifikation und bisher erbrachte Leistungen war
Team II ganz eindeutig und haushoch
Favorit für die
Nachfolge Wolfgang Wagners als Leiter der Festspiele.
- 35 -
Dem
Leser dieser Seiten ist es sicher schon aufgefallen,
dass – wenn von Team I die Rede ist - zu keinem
Zeitpunkt mal von der Notwendigkeit, einen
künstlerischen Neuanfang zu beginnen, gesprochen worden
wäre. Stimmt, die Presse dieser Monate der Jahre
2007/2008 enthält keinerlei Notizen dieser Art, denn
solche Informationen hätten ja aus der Presseabteilung
der Festspiele kommen müssen.
Die
nächste Stiftungsratssitzung am 11. Juni 2008 behandelte
nur Themen, die mit der Festspielleiterwahl nichts zu
tun hatten. Herr Schmid brauchte nur dafür zu sorgen,
dass die Stiftungsratsmitglieder erst gar nicht in die
Versuchung kommen würden, z.B. nach den Plänen des Teams
II zu fragen, eine Diskussion über die Vorzüge oder
Nachteile des einen oder anderen Bewerbers zu
beantragen, oder eine umfassende Aufklärung über den
Stand der Vorbereitungen der Wahl zu fordern..
Die Festspiele des Jahres
2008 eröffneten mit einer Neuinszenierung des
„Parsifal“. Regie führte Stefan Herheim, das Bühnenbild
schuf Heike Scheele, die Kostüme steuerte Gesine Völlm
bei. Dirigent war der Italiener Daniele Gatti. Die
musikalische Seite können wir vernachlässigen, denn
insgesamt wurden gute Solisten eingesetzt, die trotz der
ungewohnten Regie auch darstellerisch gute Akzente
setzen konnten. Auch Chor und Orchester boten die
erwartete Qualität. Aber das, was auf der Bühne zu sehen
war, war nicht „Parsifal“, ein ganz anderes Stück,
sowohl im Bühnenbild – das Ganze spielt innerhalb
Wahnfrieds und im Wahnfried-Garten. Es ist die
Dramaturgie und das Vorhandensein von drei übereinander
liegenden Handlungen, es ist einfach die Regie, die
diese Inszenierung ganz eindeutig der Unsitte „Regie“-Theater“
zuordnet. Man weiß als Zuschauer dieser Inszenierung
überhaupt nicht wo man sich befindet. Sind da Reste der
ursprünglichen „Parsifal“-Handlung zu erkennen, zeigt
das Stück die Geschichte des Hauses Wahnfried oder sind
wir im Laufe der deutschen Geschichte im Deutschen
Bundestag gelandet? Das Ganze wird zusätzlich verwässert
durch die Einspielung von stummen Videos, die teilweise
nicht einmal etwas mit den aufgezeigten Themen zu tun
haben. In dem Ganzen geht natürlich die Musik vollkommen
unter und die Kostümierung macht alles nur noch
lächerlicher. Manchmal glaubt man, sich auf seinen
Kostümball im Wien der 1890er Jahre wiederzufinden, dann
befindet man sich in einem Bordell, gleich darauf im
Krankenzimmer eines Armee-Lazaretts. Ich frage mich
schon, warum die Regisseure innerhalb eines Jahrzehnts
in Bayreuth nun schon zum zweiten Male so rüde mit
Wagners letztem Bühnenwerk umgehen? Die Ära Wolfgang
Wagner endete mit einem „Regie“-Theaterstück. Was würde
zukünftig auf uns zukommen?
- 36-
Erstmals 2008 wurde eine
Vorstellung aus dem Festspielhaus live auf dem
Volksfestplatz in Bayreuth übertragen. Im Rahmen des
sogenannten Publik Viewing (gemeinschaftlich sehen),
hatten die Besucher dort die Möglichkeit die Vorstellung
der „Meistersinger von Nürnberg“ auf einer riesigen
Bildwand und mit Unterstützung einer großen
Lautsprecheranlage mit zu erleben. Die Presse berichtete
anderntags, dass während der fast siebenstündigen
Übertragung fast 35.000 Menschen (viele eben nur
teilweise) diese Veranstaltung besucht hatten. Für viele
Menschen war das die erste Begegnung mit Wagner. Die
Zustimmung oder Ablehnung dieser Art, des großen
Komponisten Wagners Werke zu erleben, war gemischt.
Einige meinten, es fehlte einfach das Fluidum des
Zuschauerraumes mit seiner herrlichen Akustik, die
anderen meinten, sie hätten sich die „Meistersinger“
ganz anders vorgestellt, im Opernführer würde die
Handlung ganz anders beschrieben, wieder andere meinten,
wenn ein solches „Event“ im kommenden Jahr wieder
veranstaltet würde, kämen sie wieder. (Es gab ja auch
reichlich Bier und Bratwürstchen).
Am
Vormittag des 28. August 2008 wurde Wolfgang Wagner von
der Belegschaft der Bayreuther Festspiele und vielen
auswärtigen Gästen aus Politik, Kultur und früheren
Weggefährten aus seinem Amt als Festspielleiter
verabschiedet. Diesem würdevollen Abschied hatte er
zweifellos verdient. Aber es war eine Tortur für Herrn
Wagner, dessen Gesundheit so schwer in Mitleidenschaft
gezogen war, dass er kaum noch gehen oder stehen konnte.
Seine Stimme war ganz ausgeschaltet, er selbst hat kein
Wort mehr sprechen können. Trotzdem, seine Verdienste um
die Festspiele wurden in zahlreichen Beiträgen sehr gut
gewürdigt. Immerhin hatte Wolfgang Wagner die Festspiele
(die ersten 15 Jahre mit seinem Bruder Wieland
gemeinsam) insgesamt 57 Jahre geleitet. Zum Ende der
Veranstaltung wurde er im Rollstuhl in sein Wohnhaus
zurück gebracht und niemand hat ihn seit diesem Tage –
außer den Familienmitgliedern, den Ärzten und dem
Pflegepersonal – noch einmal lebend gesehen. Er starb
still und friedlich, nur umgeben von Familienmitgliedern
am 21. März 2010 in seinem Hause.
Dann
war er gekommen, der 31. August des Jahres 2008, der Tag
an dem die neue Festspielleitung gewählt wurde. Der
Kultur-Fernsehsender 3sat sendete live aus dem
Bayreuther Rathaus, dort wurde die Wahl durchgeführt.
Beide Bewerberteams waren vor Ort, der Stiftungsrat
vollständig vertreten. Herr Toni Schmid eröffnete als
Vorsitzender dieses Gremium die Sitzung. Team
I,(Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier) deren
Programm-Papier „Zukunft Bayreuth“ dem Stiftungsrat
vorlag, wollte keine Erklärung abgeben. Team II (Nike
Wagner und Gerard Mortier) trugen ihre Pläne einer
zukünftigen Festspielleitung in mündlicher Form vor.
Wie mir der Bayreuther OB, Dr. Hohl zwei Jahre später
während eines Gespräches über das Thema Bayreuther
Festspiele mitteilte, habe Herr Mortier in einem
fulminanten Vortrag die Pläne und Ziele von Team II.
dargelegt!
- 37 -
Es
waren seit Eröffnung der Sitzung gerade mal 20 Minuten
vergangen, Nike Wagner und Gerard Mortier hatten ihr
Konzept vorgetragen, irgend welche Fragen dazu wurden
nicht gestellt, eine Diskussion fand auch nicht statt,
da meinte der Stiftungsratsvorsitzende Toni Schmid, wer
dafür sei, dass das Team I – Katharina Wagner und Eva
Wagner-Pasquier - die Festspielleitung übernehmen solle,
der möge die Hand heben. Und damit wurde die
schreckliche Befürchtung amtlich: Mit 22 Ja-Stimmen und
zwei Enthaltungen wurden die Töchter Wolfgang Wagners
zu Festspielleiterinnen ernannt. Sie stiegen in den
zu diesem Zeitpunkt noch gültigen alten Mietvertrag für
das Festspielhaus ein, den ihr Vater 1990 mit der
Richard-Wagner-Stiftung abgeschlossen hatte. Und
damit erhielten sie auch „künstlerische Freiheit“!
In einem einzigen Punkt hatte man möglicherweise – so
schien es damals – richtig gedacht: Nach Ansicht des
damals im Bundeskanzleramt für Vertrags-angelegenheiten
zuständigen Beamten, Herrn Knut Nevermann, sollten die
beiden Festspielleiterinnen einen ersten Vertrag über
fünf Jahre erhalten. (Es wurden dann sieben Jahre
daraus) Während der Laufzeit dieses Vertrages sei man
dann ja frei zu ent-scheiden, ob der Vertrag verlängert
wird oder ob man sich um eine neue Leitung kümmern muss,
so Knut Nevermann im Jahre 2008. Genau darum wird es im
letzten Kapitel meines Berichtes gehen. Festspiele GmbH
oder Stiftung? Wer hat hier das Sagen, wir bestimmt oder
wählt den Festspielleiter?
Nach
Abschluss der Sitzung gab es eine Pressekonferenz, auf
der die beiden Gewählten nicht Neues zu verkünden
hatten. Sie teilten lediglich mit, dass Eva
Wagner-Pasquier für die Besetzungen sorgen und für
künstlerische Belange zuständig sein soll, natürlich
immer in Absprache mit ihrer Halbschwester, Katharina
würde sich um Marketing, Presse und
Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Eine Einladung des
Fernsehsenders 3sat vor die Kameras zu treten, schlugen
sie aus, weil dort auch die Kulturkritikerin der FAZ,
Frau Julia Spinola erscheinen würde, deren Anwesenheit
sie nicht mochten, weil sie gelegentlich unangenehme
Fragen stellte. Statt dessen erschienen dort der
damalige Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde von
Bayreuth, Herr Karl Gerhard Schmidt und der Bayreuther
Oberbürgermeister Dr. Hohl, Geschäftsführer der
Richard-Wagner-Stiftung. Beide Herren hatten auch Sitz
und Stimme im Stiftungsrat. Sie berichteten darüber,
dass der Stiftungsrat nach dem Vortrag von Herrn Mortier
eine Stunde lang beraten habe, welchem Team die
Festspielleitung übertragen werden sollte. Man habe sich
dann für die beiden Töchter Wolfgang Wagners
entschieden. Eva Wagner habe große Opernerfahrung,
außerdem habe sie ja viele Jahre mit ihrem Vater im
Festspielhaus gearbeitet. Katharina Wagner kenne das
Werk Wagners und den Festspielbetrieb. Dazu wäre zu
sagen: Katharina Wagner hat nicht einmal den Auftrag der
Stiftung verstanden. Sie kennt auch das Werk nicht, da
sie „nicht in der Historie des Unternehmens zu Hause
ist“. Der Beweis für meine Behauptung ist die Berufung
der Regisseure, die sie in den dann folgenden 13 Jahren
ihrer bisherigen Leitungs-Verantwortung verpflichtet
hat. Darüber wird noch zu berichten sein. Es tut mir
- 38 -
leid sagen zu müssen,
dass die Herren Schmidt und Dr. Hohl wirklich
keinerlei Wissen über die Abläufe in einem Operntheaters
haben. Von der Moderatorin befragt, beteuerten beide,
dass das Ergebnis der Wahl sie selbst überrascht
habe und sie wiesen die Vermutung, das dieses Ergebnis
abgesprochen sei, weit von sich. Zum Schluss meinte
Herr Dr. Hohl, jetzt würde in Bayreuth alles besser
werden. Anmerkung: Was alles in Bayreuth hätte besser
werden sollen, haben wir bis heute nicht erfahren. Die
wohl wichtigste Verbesserung, eine künstlerische
Erneuerung war wohl nicht eingeplant, denn davon war nie
die Rede.
Abschließend erschienen
vor der Kamera der Münchener Theaterwissenschaftler und
Autor verschiedener Bücher über Wagner und Bayreuth,
Jens Malte Fischer und die schon angesprochene
FAZ-Journalistin Julia Spinola. Beide hielten den
Wahlausgang zu Gunsten der beiden Töchter Wolfgang
Wagners für kein gutes Omen für das zukünftige
Erscheinungsbild der Festspiele, Jens Malte Fischer war
aufgefallen, dass in allen Verlautbarungen nur die Rede
von Öffentlichkeitsarbeit, von Sponsoring und Marketing
die Rede war, die Worte Dramaturgie (die berühmte
„Bayreuther Dramaturgie“) oder künstlerischer Neubeginn
dagegen überhaupt nicht vorkamen. Herr Fischer meinte
sogar, wer Gerard Mortier zurückweise, brauche schon
sehr gute Argumente. Nike Wagner, die Mitunterlegene
hielt die ganze Veranstaltung für ein äußerst
„unwürdiges Procedere“, wünschte aber ihren Cousinen
trotzdem viel Glück bei der Bewältigung der großen
Anforderungen und sagte abschließend: „ Ich bin zwar
traurig über die Niederlage, aber verloren hat vor allen
Dingen Bayreuth.“ (Eine weise Voraussage).
Die
Kritik am Ausgang der Wahl war vielfältig. So äußerte
sich z.B. der Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan
Holender: „Der Stiftungsrat habe in einer
„Geschlossenheit wie das Zentralkomitee der
nordkoreanischen KP“ abgestimmt. Holender nannte das
gesamte Auswahlverfahren samt Konzepteinreichung und
20minütiger Vorsprache „lächerlich“ und sowohl für die
Kandidaten als auch für die Bayreuther Festspiele
„entwürdigend“.
Um es auf den Punkt zu
bringen: Für Bayreuth und seine Festspiele war dieses
Ergebnis der absolute SUPER-GAU !
Die Politik hatte sich
eingemischt und über die Kultur gesiegt. Toni Schmid,
der Eindringling aus München hatte alles zerstört!
Nach den Richtlinien
der Stiftungssatzung war die Entscheidungsfindung Betrug
und das Ergebnis im Sinne
dessen,
dass bei
der Wahl die bestmögliche
Festspielleitung beauftragt werden sollte,
eine krasse Fehlentscheidung!
Hier
stand die eigentlich völlig
überflüssige Dort
die kaltgestellte Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth,
und in Sachen Leitung
eines
Theaterbetriebes
die durch Mitverschulden ihres Vorstandes und ihrer
-39 -
unerfahrene Bayreuther
Festspiele GmbH
Geschäftsführung um das Recht, den Festspielleiter
+ die
BF-Medien
GmbH
demokratisch zu wählen, betrogen worden war.
Beide
Institutionen wurden kontrolliert und manipuliert durch
ein und dieselbe Person, Herrn Toni Schmid.
Hier war
Toni Schmid Vorsitzender des Verwaltungsrates
Dort war er
Stiftungsratsvorsitzender
Betrogen hat er beide Parteien mit Hilfe der
Ämterhäufung, durch Untreue und Satzungsbruch
Und
nun standen sie da, die unerfahrenen und völlig
überforderten Festspielleiterinnen, am Tag nach der
Wahl, ohne richtiges Programm, ohne eine wohldurchdachte
Prioritätenliste und ohne künstlerische Visionen. Dafür
aber hatte ihnen Toni Schmid bereits den ersten Auftrag
erteilt: Sie sollten fleißig neue Sponsoren gewinnen.
Das aber – so sollte sich herausstellen – ist leichter
gesagt als getan. Im Gegenteil: auf diesem Gebiet traten
bald erste schwere Rückschläge ein. Siemens stieg aus
der Festspielförderung 2012 aus, Audi wenige Jahre
später. Damit fehlten im Budget bereits 1,6 Mill. Euro.
Katharina
Wagner eilte am 1. September 2008 nach Bremen um einen
Regie-Auftrag (die Oper Rienzi, ein Jugendwerk ihres
Urgroßvaters) zu beginnen und – wie sich bald zeigte –
ihren insgesamt sechsten Inszenierungs-Flop hinzulegen.
Ihre Halbschwester Eva
begann ihren Dienst im Festspielhaus, in dem sie zuletzt
vor 32 Jahren einmal die Assistentin ihres Vaters
gewesen war.
Mit
Datum vom 4. Sept. 2008 erschien ein Gespräch mit
Katharina Wagner im Nordbayerischen Kurier, das sie mit
der Zeitung Berliner Morgenpost geführt hatte. Ein sehr
aufschlussreiches Gespräch. Zu Beginn stellt sich aber
doch die Frage, warum nicht mit beiden
Festspielleiterinnen gesprochen wurde, es betraf doch
die Aufgaben beider Leiterinnen ?
Einleitend kündigte
Katharina Wagner „eine flexible, weniger
patriarchenhafte“ Festspielleitung an. Es wird in
Bayreuth jetzt auch „keine Nacht der langen Messer
geben“, fügte die erst 30 jährige Urenkelin Richard
Wagners noch hinzu. Hierzu wäre zu sagen: Sie kündigte
einigen, sehr wichtigen Mitarbeitern, deren Rat für die
reibungslose Übernahme der Festspielverantwortung sie
sehr dringend bedurft hätte. Um diese Leute los zu
werden, musste sie Ablösesummen von insgesamt fast
300.000 Euro
- 40 -
hinblättern. Sie
kündigte eine größere Öffnung der Festspiele in die
Medienöffentlichkeit an. Ihre Worte: „Ich bin für
Transparenz total“. Bayreuth soll ein „sympathisches“
Festival werden. Auch hierzu: Weniger Öffentlichkeit ist
fast nicht mehr möglich. Die Abkapselung ist sogar
optisch wahrnehmbar. Als Folge einer (angeblichen)
Bombendrohung ließ Frau Wagner um den gesamten Bereich
der Nebengebäude einen stabilen Metallzaun errichten.
(Das Dorf in der Stadt).
Die
bisherigen Publikationen, wie z.B. das große
Festspielbuch entfiel ab 2008. Lediglich die
Programmhefte, die bis auf ein paar mittlerweile
großformatige Fotos der Inszenierungen keinen
künstlerischen Wert besitzen (man kann sie nicht einmal
aufgeklappt hinlegen), sind geblieben. Am Jahresende gab
man nun ein dünnes Heftchen heraus, indem zwar
nichtssagend der nächstjährige Spielplan und die
voraussichtlich mitwirkenden Künstler des kommenden
Jahres zu finden waren. Dann gab es aber noch eine
DVD-Beilage mit „Beiträgen aus dem Festspiel Podcast des
abgelaufenen Jahres“. Als dafür verantwortlicher
Pressechef hätte ich mich geschämt, diese – von
ständiger Werbung unterbrochene Informationen – als von
den „Bayreuther Festspielen stammend“ auszugeben. Mehr
Informationen gibt es bisher nicht. Mittlerweile wird
zur Festspielzeit nicht mal mehr ein
Mitwirkenden-Verzeichnis heraus gegeben. Auch das Thema
„Aufarbeitung der Familiengeschichte – welche
Verbindungen hatte die Familie Wagner zu den Nazi-Größen
– wurde angeschnitten. Hier versprach Frau Wagner
Bewegung. Geschehen ist bis heute nichts, es ist auch
mittlerweile fast überflüssig.
Katharina
Wagner räumte ein, dass die Besetzungen hochklassiger
werden müssten. So z.B. verhandle man für die
Lohengrin-Inszenierung im Jahre 2010 noch mit dem
„Traum-Schwanenritter“. Anmerkung: Der
„Traum-Schwanenritter“ war Jonas Kaufmann, er kam auch,
sang drei Vorstellungen, meldete sich krank und wurde
mit Bayreuth bis heute nie mehr in Verbindung
gebracht.
Man
sprach auch über den Regisseur der nächsten
Ring-Inszenierung im Jubiläumsjahr 2013. Da sei noch
keine Entscheidung gefallen. Sie nannte ein paar Namen,
die alle nicht in Frage kämen, verschwieg aber, dass mit
Wim Wenders verhandelt würde. Das aber zerschlug sich
wegen geringfügiger finanzieller Differenzen. Gerade mit
Wim Wenders, der parallel zur Ring-Inszenierung noch
einen großen Film drehen wollte, hätte Bayreuth einen
künstlerischen Erfolg und eine weltweite, kostenfreie
Werbung für die Stadt verbuchen können. Statt dessen
musste Frank Castorf erscheinen, darüber wird man noch
sprechen müssen. Sie fügte aber noch an, dass
Bayreuth bis 2013 wieder der „unstrittige Mittelpunkt
der Wagner-Welt sein würde. Welche Naivität
steckte in dieser Aussage? Hätte sie da bloß
Recht behalten, dann müsste ich diesen ganzen Artikel
nicht schreiben! Ich füge noch an, dass Katharina
Wagner einfach keinen Zugang zur Branche hat. Wieland
und Wolfgang Wagner luden jeweils die besten Sänger für
die zu besetzenden Partien ein – und sie kamen, um mit
ihresgleichen jede einzelne der
- 41 -
Vorstellungen zu etwa
ganz Besonderem zu machen.
Katharina
Wagner kam also im September aus Bremen zurück und hat
sich gleich daran gemacht, alles „über den Haufen zu
werfen“, kein Stein blieb auf dem anderen. Und dadurch
sind dann Probleme entstanden, die teilweise bis heute
nicht behoben sind. Für 2009 war keine Neuinszenierung
vorgesehen, was hätte man in diesem Jahr nicht alles
sinnvoll verändern, ergänzen, verbessern können. Sie
übernahm einen strukturierten und organisierten
Opernbetrieb (sofern man das von einem Operntheater
behaupten kann, das nur drei Monate pro Jahr betrieben
wird und dessen künstlerischer Betrieb immer wieder neu
hochgefahren werden muss).
Die
Festspiele hatten zu dieser Zeit ca. 6o Fachkräfte (sehr
verschiedener Berufe, Verwaltungs-Angestellte,
Handwerker mit jahrelanger Theater-Erfahrung,
Presseleute, Reinigungspersonal usw.) in Festanstellung.
Auch waren einige Vorstände wie z.B. die Leiter der
Kostümabteilung und der Maskenbildnerei, sowie ein
Assistent der Festspielleitung vertraglich gebunden. Was
hätte näher gelegen, einmal Bilanz zu ziehen und alle
die nützlichen Dienste in die neu zu strukturierenden
Abläufe zu integrieren? Es kamen aber keine neuen
Strukturen. An Motivation hat es dem Personal nie
gefehlt, das weiß ich noch aus eigener Erfahrung.
Die
zuvor genannte Aufgaben-Teilung der beiden
Festspielleiterinnen ist in dieser Form - wie sie bei
der Pressekonferenz am
8. Sept. 2008 angekündigt
worden war - nie in Gang gekommen. (Eva Wagner-Pasquier
hatte nicht den Mut, sich durch zu setzen, sie stand
sehr stark unter dem dominanten Einfluss ihrer
Halbschwester). Die beiden Damen hatten auch niemanden,
den sie mal um Rat hätten fragen können. Die Mitglieder
des Verwaltungsrates waren entweder nicht vor Ort oder –
wie Herr Schmid – hatten keine Ahnung von
Opernbetrieben. Außerdem: Rat von anderen anzunehmen,
ist Katharina Wagners Stärke nicht! Es wurde also munter
drauflos gewirtschaftet. Die Presse, die das zum Teil
mitbekam, berichtete über jeden erkannten Fehler, ja,
sie walzte ihn richtiggehend aus. Katharina Wagners
Hauptsorge in den ersten beiden Jahren galt ohnehin dem
Erfolg der Tochtergesellschaft BF-Medien GmbH, weiß ein
ehemaliger Mitarbeiter zu berichten.
Ursprünglich
wollte ich an dieser Stelle eine Reihe von
Entscheidungen auflisten, die die beiden
Festspielleiterinnen im Laufe der Jahre ab 2009
getroffen hatten und die fast alle nichts zu einer
Verbesserung der Arbeitssituation bzw. des auf der Bühne
bei den kommenden Vorstellungen sichtbar gewordenen
Ergebnisses beigetragen haben. Nach Sichtung und
Priorisierung dieser ungezählten Fehlschläge (sie würden
weitere sieben bis acht Blätter füllen) verzichtet ich
darauf, zumal dies schon x-mal
geschehen ist. Auf Wunsch
kann eine solche Auflistung an dieser Stelle hinzu
gefügt werden.
- 42 -
Die
Festspiele von 2010 bis 2019
Wer
geglaubt oder gehofft hatte, mit dem Wechsel der
Festspielleitung würde die Nachfrage nach
Eintrittskarten wieder steigen, wurde sehr enttäuscht,
denn der Winkel in der Abwärtsbewegung blieb
gleichbleibend steil. Gestiegen sind nur die
Eintrittspreise.
Die
Festspielleiterinnen hatten – jedenfalls nach außen hin
– nichts Sichtbares oder Spürbares positiv verbessert,
Herr Toni Schmid zog die Fäden und damit erschien dann
im Juli 2010 die erste Neuinszenierung ihrer
Regentschaft mit der romantischen Oper „Lohengrin“.
Diese Inszenierung war die erste von insgesamt 13 Werken
(die vier Ring-Opern einzeln gerechnet) die auf den
Spielplänen, den Eintrittskarten, den Programmheften
oder dem Tagesbesetzungsblatt usw., die Aufschrift eines
Wagnerschen Bühnenwerkes trugen, dass aber auf der Bühne
gar nicht stattfand. Nein, sehr geehrte Leser, Sie haben
sich nicht verlesen!
In diesem zweiten
Jahrzehnt ist auf der Bayreuther Bühne bis heute kein
Musikdrama von Wagner aufgeführt worden.
Den Gesamtkunstwerken fehlen
die zu den Texten und zur Musik gehörenden Handlungen.
Was
Sie dort erleben, sind die jetzt in Mode gekommenen „Regie“-Theaterinszenierungen
– Fantasiegeschöpfe!
Was der Zuschauer jetzt
zu sehen bekommt, sind die Ausgeburten von
Jungregisseuren, von Profilierungssüchtigen oder puren
Angebern, denen von der Festspielleitung die Gelegenheit
gegeben wird, ihre kranken Fantasien auszuleben. Nein,
ich habe mich nicht geirrt und die einigen
hunderttausend Besucher der letzten Jahrzehnte, die
immer alles daran gesetzt haben, eine der begehrten
Karten für eine Vorstellung in Bayreuth zu ergattern
sind maßlos enttäuscht und kommen nicht mehr.
Bis
jetzt habe ich ja nur meine Gedanken in chronologischer
Reihenfolge niedergeschrieben, ab hier spreche ich
Sie,
Sehr geehrte,
oberste Entscheidungsträger der Gesellschafter, Sie
Sehr
geehrte Mitglieder des Vorstandes der
Richard-Wagner-Stiftung und dessen Geschäftsführer, und
Sie
Sehr geehrte Mitglieder
des Verwaltungsrates der Bayreuther Festspiele GmbH,
direkt an!
Ich
bitte Sie sehr, fühlen Sie sich ruhig angesprochen, denn
ab hier wird – und das extra zu Ihrer absoluten
Verständlichkeit – Klartext geschrieben:
- 43 -
Wer
auch immer Herrn Toni Schmid beauftragt hat, die
Festspielleitung – so wie sie sich heute präsentiert -
zu installieren, wer geduldet oder gefördert hat, dass
der Stiftungsrat entmachtet wurde, der hat es sich sehr
leicht gemacht mit dieser Entscheidung, da er nichts von
dem verstanden hat, was ca. seit dem Beginn des 21.
Jahrhunderts mit den Bayreuther Festspielen geschehen
ist.
Was
hat sich Herr Schmid, der in seiner Funktion als
Stiftungsratsvorsitzender - mit diesem Gremium zuständig
für die Wahl des Festspielleiters – dabei gedacht, als
er zunächst zusammen mit dem Vorstand und der
Geschäftsführung der Richard-Wagner-Stiftung dafür
gesorgt hat, dass der Stiftungsrat gar nicht erst in
Erscheinung trat, um dann in maßloser
Selbstüberschätzung die „alternativlos“ und „einzig
dafür geeigneten“ Töchter Wolfgang Wagners mit der
Festspielleitung zu beauftragen? Wie hat Herr Schmid
denn diese Eignung festgestellt? Hat er sich denn die
Mühe gemacht zu ergründen, wie der dringend
erforderliche künstlerische Neuanfang bewerkstelligt
werden sollte?. Es war doch schon 2008 klar erkennbar,
dass das Stammpublikum in steigendem Maße von Bayreuth
ab rückte. Hat Herr Schmid gewusst, wie die
Inszenierungen ab 2010 aussehen würden? War er sich
darüber im Klaren, was die beiden Festspielleiterinnen
mit der ihnen gewährten „künstlerischen Freiheit“
anfangen würden?Wenn ja, dann wusste er, dass die
Besucher zukünftig nicht mehr Wagners Werke – so wie sie
uns der Komponist überlassen hat – zu sehen bekommen?
Hat er die bis 2008 schon sehr stark nachlassende
Kartennachfrage berücksichtigt?
Kurz
vor der am 31. August 2008 stattgefundenen
„Festspielleiter-Bestimmung“ war die schon bestehende
Bayreuther Festspiele GmbH von einem auf vier
Gesellschafter erweitert worden. Haben sich die
zuständigen Entscheidungsträger dieser nun erheblich
vergrößerten und mit gewaltigen Aufgaben betrauten
Gesellschaft denn gar nicht mal darum gekümmert, wie das
in Bayreuth nun zukünftig ablaufen soll (oder würde)?
Wie konnte es geschehen, dass zwei sich bewerbende Teams
nicht qualitativ bewertet wurden, bzw. dass nicht
erkannt wurde, dass jedes Opernhaus der Welt, Bayreuth
um Nike Wagner und Gerard Mortier beneidet hätten, wären
diese beiden Theater-Fachleute aus dem Vergleich der
Bewerber als Sieger hervorgegangen? Wie war es möglich,
dass nicht der Stiftungsrat den Festspieleiter
demokratisch ermittelt und gewählt hat, sondern dass
Herr Schmid mit seinen Helfern (wie schon auf den Seiten
35-37 geschildert) die Geschäftsführerin der Bayreuther
Festspiele GmbH, Katharina Wagner einfach so zur
Festspielleiterin bestimmte? War er sich tatsächlich
nicht der Konsequenzen bewusst, die da auf die
Außen-darstellung der Festspiele zukommen würden?
- 44 -
Kehren
wir zurück zum „Lohengrin“ des Jahres 2010, der
dramaturgisch in den Betrieb eines Ratten-Versuchslabors
um- geschrieben wurde, sehen wir uns den „Tannhäuser“
des Jahres 2011 an, der uns in der neuen Handlung in
eine Biogas-Anlage entführte (einschließlich der
stinkenden Gerüche) und berücksichtigen wir mal den
„Fliegenden Holländer“ des Jahres 2012, der den Betrieb
einer Packstation eines Ventilator-Herstellers
schildert, der seinen Betrieb in einer von glitzernden
Stahlrohren umgebenen Halle aufgebaut hatte, und fragen
wir mal Herrn Schmid, ob er nicht spätestens nach diesen
drei totalen Fehlschlägen hätte zur Einsicht kommen
müssen, dass die Berufung der beiden Wagner-Töchter eine
Fehlentscheidung war?
Wir
befinden uns jetzt im Herbst 2012. Wäre jetzt nicht
zwingend notwendig gewesen, die nötigen Schritte zu tun,
um ab 2015 einen besseren Festspielleiter zu
präsentieren? Hatte Herr Schmid nicht längst vernommen,
dass mit dem im Jahre 2013 auf uns zukommenden „Ring
des Nibelungen“ in der Inszenierung durch Frank Castorf
die nächste Katastrophe ins Haus stand? Hatte er nicht
mitbekommen, was die Festspielleiterin einem
Journalisten 2011 geantwortet hatte, der bei der
Bekanntgabe, Herr Castorf werde den Ring 2013
inszenieren, folgende Frage gestellt hatte: „Herr
Castorf hat noch nie eine Oper inszeniert und Noten kann
er auch nicht lesen. Wie soll dieser Mann sich mit
seiner Regie durch die Partitur hindurch arbeiten, wenn
er die Musik nicht kennt?“ Katharina Wagner antwortete:
„Ach, mit der Musik wird er schon irgendwie
zurechtkommen!“ Das ist die Antwort der
Festspielleiterin der bedeutendsten und ältesten
Musikfestspiele der Welt, selbst ein Mitglied der
Familie Wagner!
Hätte
Herr Schmid nicht schon im Herbst 2012 – wie von
verschiedenen Personen laut angedacht – die
Festspielleiterstelle ausschreiben können? Warum musste
sich Bayreuth mit der schlechtesten Lösung weiter herum
schlagen? Ich selbst habe 2010 mit Herrn Dr. Hohl und
Anfang 2013 mit Herrn Wenning genau über dieses Thema
gesprochen. Sie hätten doch die Notbremse ziehen können.
Gewiss es hätte einen riesigen Aufruhr bedeutet, aber es
wäre um die Qualität der Aufführungen und um die
Glaubwürdigkeit der handelnden Gremien gegangen. Längst
hätte der Stiftungsrat „grunderneuert“ werden müssen, so
wie z.B. von Frau Iris Wagner, Stiftungsratsmitglied und
Vertreterin der Stifterfamilie Wieland Wagner schon 2012
in einem Brief an Herrn Wenning angeregt hatte, den ich
hier – auszugsweise - noch einmal wörtlich zitiere:
…. Die Aufgabe und
Darstellung der Stiftung ist von nationaler Bedeutung,
die nur durch ein leidenschaftliches und
kompetentes Engagement aller Stiftungsratsmitglieder
angemessen zu bewältigen ist. Die Stiftung bedarf der
personellen und strukturellen Erneuerung. Nicht
schweigendes Desinteresse von beamteten
Funktionsträgern, sondern der Diskurs von
Kulturfachleuten sollte in künftigen
Stiftungsratssitzungen vorherrschen..... Ende
des Zitates.
- 45 -
Um
es auf den Punkt zu bringen: Es wurde nicht einmal
versucht, alle Stifter, Gesellschafter und Förderer, die
im Stiftungsrat vertreten sind dazu zu bewegen,
Vorschläge für eine fachlich bessere personelle
Vertretung im Stiftungsrates einzuleiten. Es wurde von
Herrn Schmid auch keine Ausschreibung der
Festspielleiterstelle veranlasst, es wurde weder die
Ämterhäufung (Mitglied im Verwaltungsrat und
gleichzeitig auch Mitglied des Stiftungsrates) behoben,
noch wurde Herr Schmid in seine Schranken verwiesen.
Nein, statt dessen konnte er – in wessen Auftrag auch
immer - in aller Ruhe einen Folgevertrag mit Katharina
Wagner für die Jahre 2015 bis 2020 aushandeln und auch
hier kam ein beratender Stiftungsrat nicht zum Zuge. Wer
hat diesen Vertrag eigentlich unterschrieben? Es ging
ausschließlich um den Machterhalt für die Nachfahren der
Familie Wolfgang Wagners.
Der
Jubiläums-Ring des Jahres 2013 hatte selbstverständlich
mit Wagners (in mytischen Zeiten spielendem) Ring
nichts gemeinsam und der Stiftungsrat wurde auch
diesmal nicht zu Beratungen eingeschaltet. Außerdem
äußerte sich Herr Schmid in einem Interview zur Wahl des
Festspielleiters folgendermaßen: „Die Bayreuther
Festspiele GmbH hat mit der Richard-Wagner-Stiftung
nichts zu tun, die Stiftung vermietet lediglich das
Festspielhaus, das ist alles!“
Um
diesen Machterhalt zu vereinfachen, strengte Herr Schmid
den Abschluss eines neuen langfristigen Mietvertrages
für das Festspielhaus zwischen der Eigentümerin, der
Richard-Wagner-Stiftung und der Festspiele GmbH an. Mit
dem Abschluss dieses Vertrages wäre man dann über eine
Generation hinweg von der Frage nach der Anmietung des
Festspielhauses befreit. Nach einigem Gerangel ist es
ihm auch gelungen, einen Mietvertrag über eine Laufzeit
von 20 Jahren (beginnend 2020) durch zu setzen, indem
der Vermieter über die gesamte Laufzeit kein
Kündigungsrecht hat. Begründet wurde die Notwendigkeit
der langen Laufzeit mit der Gestellung von Sicherheiten
für die hohen Kosten der Sanierung der Festspielgebäude.
(Kosten, deren endgültige Höhe bis heute nicht genau
ermittelt sind), außerdem könnte die Festspiele GmbH
solche hohen Summen niemals garantieren). Ein Einspruch
der Nachfahren Wieland Wagners gegen diesen Vertrag wies
das Landgericht Bayreuth ab.
Im
Jahre 2014 gab es keine Neuinszenierung, 2015
dann eine Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“,
Regie Katharina Wagner. Christian Thielemann der
Dirigent dieser Inszenierung, wurde nun zusätzlich
vertraglich Musikdirektor der Festspiele. Einmal eine
gute Entscheidung. Herr Thielemann ist ein erfahrener
Operndirigent der zum Thema Besetzungen sicher gute
Ratschläge geben kann. Weiter ging es 2016 mit
einer „Parsifal“-Inszenierung, 2017 dann mal
wieder eine Neuinszenierung der „Meistersinger von
Nürnberg“, Regie Barrie Kosky, 2018 dann ein
neuer „Lohengrin“ und 2019 der „Tannhäuser“ in
der
- 46 -
Inszenierung von Tobias
Kratzer.
Die
Bühnenhandlungen auch dieser Inszenierungen haben mit
Wagners Überlieferungen nichts zu tun. Man muss nur die
Dramaturgen in Ruhe machen lassen, sie erfinden neue
Krimis, die dann – unpassenderweise – mit Wagners Texten
versehen werden. Damit wird der Schaden nur noch größer,
weil die nicht passenden Handlungen durch den Gebrauch
der Wagnerschen Texte direkt lächerlich wirken. Eine
Besprechung dieser Aufführungen ist nahezu unmöglich, es
gibt keine Bezüge zu Wagners Werken, keine Vergleiche,
es macht einfach nur betroffen und hoffnungslos.
Nur
wenige Bemerkungen zu den Aufführungen von 2015 bis
2019:
Katharina
Wagners „Tristan und Isolde“ wurde von der
Premiere 2015 bis zur letzten Aufführung 2019
vorwiegend mit Buhrufen bedacht. Das menschliche Drama
dieser drei in enger Beziehung stehenden Hauptpersonen
erstickte in Technik und Licht. Kaum war die
Premierenvorstellung vorbei, als auch schon verkündet
wurde, Toni Schmid bereite schon wieder einen neuen
Vertrag mit Katharina Wagner von 2020 bis 2025 vor. Auch
diesmal keine Beratung des Stiftungsrates, keine andere
Person, die sich beworben hätte. Und wieder meldet
sich keiner der Gesellschafter um mal zu prüfen,
warum ….. Auch der Vorstand der
Richard-Wagner-Stiftung erhebt keinen Einspruch
dagegen, dass der Stiftungsrat schon wieder nicht
beteiligt wird.
Das
große Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ wurde in der
Inszenierung von 2016 zur Kammeroper
herabgestuft.
Ganz
schlimm wurde es bei den „Meistersingern von
Nürnberg“ 2017. Wieder einmal eine Inszenierung die
mit einem Vorspiel begann, dem eine Handlung zugewiesen
wurde, obwohl Wagner keine überliefert hat. Außer, dass
diese Vorspielhandlung die Entstehungsgeschichte der
Oper abbilden sollte, (sie spielte im großen Saal des
Hauses Wahnfried) diese aber zeitlich der falschen
Epoche zugewiesen wurde, nimmt man dem Zuschauer die
Möglichkeit, sich genussvoll und besonnen in die
musikalische Thematik der Komposition ein zu hören. Zum
ersten Akt bleibt das gleiche Bühnenbild bestehen, was
wiederum falsch ist, weil der erste Akt in der
Katharinenkirche spielt, der 2. und der 3. Akt spielen
dann im Gerichtsaal Nr. 600 des Nürnberger
Amtsgerichtes, in dem die Kriegsverbrecherprozesse der
alliieren Siegermächte des 2, Weltkrieges durchgeführt
wurden. Eine Geschmacklosigkeit! Bis heute habe ich noch
niemanden getroffen, der für diesen widerlichen Einfall
eine einleuchtende Erklärung gefunden hat. Die ganze
Poesie des Wahn- oder Fliedermonologs sind dahin und zum
Schluss singt dann Hans Sachs auf leerer Bühne – dem
Publikum zugewandt - „Verachtet mir die Meister nicht
und ehrt mir ihre Kunst“ …... ! Ein Mitglied des
Verwaltungsrates der Festspiele GmbH, mit dem ich
schriftlichen und telefonischen Kontakt hatte,
bezeichnete die Inszenierung als einen großen Erfolg.
Meine Frage, wie er zu dieser Einschätzung gelangt sei,
beantwortete er mit den Worten: „In der Generalprobe
geschah etwas, das es bei den Festspielen noch nie
gegeben hatte. Die Zuschauer standen nach dem
- 47 -
Schließen des
Schlussvorhanges auf, wendeten sich dem Regiepult in der
Saalmitte zu und applaudierten dem Regisseur“. Dazu
konnte ich nur sagen,
dass dies die wenigen Besucher waren, die keine
einzigartige Vorstellung sehen wollten, sondern
lediglich ein „Event“ besuchten. Je wilder die Regie,
umso besser! Ist das nun das Bayreuth, an welches man
sich gewöhnen muss?
Kommen
wir zum „Lohengrin“ von 2018: Vor einem
über das ganze Stück erhaltenen blauen
Hintergrundprospekt wird mit Möbeln, technischen
Vorrichtungen und obskuren Requisiten herum hantiert,
die mit der romantischen Oper Lohengrin nichts zu tun
haben. Schwere Entgleisungen in der Regie und ein
Brautgemach, ausgestattet als Folterkammer, verderben
dem Besucher die ganze Freude am Besuch dieser Oper. Ein
einziger Lichtblick: Piotr Beczala, der polnische Tenor
in der Rolle des Lohengrin, ein wahrer Genuss. Er war
der Ersatzmann für den vorgesehenen Roberto Alagna, der
nicht rechtzeitig mit der deutschen Sprache zurecht kam.
Das
Jahrzehnt der Entgleisungen endet 2019 mit einer
neuen „Tannhäuser“-Inszenierung von Tobias
Kratzer. Hierzu findet man kaum noch Worte. Vom ersten
Takt des Vorspiels, das selbstverständlich auch wieder
eine absurde Handlung erhielt bis zum endgültigen
Schluss der Oper – eine einzige Aneinanderreihung von
Blödsinn. Der Regisseur baute auch zwei stumme
Mitwirkende ein (ein kleinwüchsiger Mann und einen
Transvestiten schwarzer Hautfarbe) , die beide - wie
Falschgeld - durch das ganze Stück wieseln. Ich weigere
mich, dazu in die Details zu gehen und ich verstehe auch
die Welt nicht mehr, dass diese Fehlleistung des
Regisseurs mit dem Titel „Regie des Jahres“
ausgezeichnet wurde.
Die
Corona-Pandemie verhinderte in Jahr 2020
die Durchführung der Festspiele. Der Vertrag mit
Christian Thielemann als Musikdirektor wurde nicht
verlängert. Ich bedauere das sehr. Gründe wurden – wie
immer nicht genannt. Die Festspielleiterin erkrankte im
Frühjahr schwer, hat sich aber erstaunlich gut erholt.
Fern von Bayreuth hat sie ihren bisherigen Stress einmal
ablegen können. Hätte man hoffen dürfen, dass sie sich
bei der Gelegenheit mal in aller Ruhe Gedanken zum
Zustand und zur Zukunft der Festspiele machen würde?
Vermutlich hat sie das nicht getan, denn …...
…... es ging im Jahr
2021 genau so weiter wie bisher, zu Beginn schon
wieder mit einer Inszenierung, die unter dem Namen
„Der fliegende Holländer“ verkauft wurde, mit diesem
aber nun gar nichts mehr gemeinsam hatte. Das ganze
Stück, angefangen schon wieder mit einer zum Vorspiel
erfundenen Handlung, besteht ausschließlich aus dem Hin-
und Hergeschiebe von vier Betonklötzen, die in ständigem
grau-grünem Licht die Häuser eines Dorfes in Norwegen in
Ufernähe darstellen sollen. Kein einziger Hinweis auf
ein Seefahrerstück, kein Schiff, keine Segel, keine
Poesie im Duett des Holländers mit Senta, nichts was
einen an irgend etwas aus diesem großartigen Jugendwerk
Wagners erinnern würde. Ganz schnell abhaken und
vergessen! Der
- 48 -
Rest der Spielzeit 2021
bestand aus Wiederaufnahmen des „Tannhäuser“ und der
„Meistersinger von Nürnberg“, zwei Konzerten des
Festspielorchesters unter Andris Nelsons, einem
sogenannten „Parsifal“-Konzert (Dirigent: Christian
Thielemann) und aus drei konzertanten Aufführungen der
„Walküre“, bei der die Solisten an der Rampe sangen und
der Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch riesige
Leinwände mit Farbe beschmierte, wodurch er seinen von
der Walküre getrübten Weltblick beschrieb. So etwas
gehört, gemäß alter Traditionen, nicht auf die Bühne
des Festspielhauses. Wenn ich richtig informiert bin
will die Stadt Bayreuth die Farb-„Kunstwerke“ kaufen.
Meine
Hoffnung, dass sich nach einem Jahr Pause und nach
mittlerweile 13 „Regie“-Theater-Inszenierungen irgend
etwas ändern würde und dass in Zukunft in Bayreuth
wieder Wagner gespielt und gesungen würde, so wie uns
der Komponist seine Werke hinterlassen hat, hat sich mit
dem Erscheinen dieser „Holländer“-Inszenierung restlos
zerschlagen. Katharina Wagner hat mit Hilfe der
Ränkespiele von Politikern und Beamten alles
zerschlagen, was ihre Vorfahren in mehr als 130 Jahren
aufgebaut hatten.
Die berühmtesten und
ältesten Opernfestspiele haben ihrem hohen Rang und ihre
Vorreiterrolle bei der Interpretation der Wagnerschen
Musikdramen endgültig eingebüßt. Bayreuth ist sehr tief
gesunken. Die Kartennachfrage unterschreitet
mittlerweile das Platzangebot und die Eintrittspreise zu
den Vorstellungen haben Rekordhöhen erreicht.
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Die
Strukturen und die Finanzen unter dem nun strengeren
Blick
der Gesellschafter
und
Überlegungen zur Änderung der Stiftungssatzung auf
Betreiben der Festspiele GmbH
Anfang
Juli 2021, also kurz bevor uns die Neuinszenierung des
„Fliegenden Holländer“ erneut enttäuschte, erreicht uns
die Pressemitteilung, z.B. auf BR 24 vom 02.07.2021, die
lautete: „Katharina Wagner kündigt Reformen bei
Bayreuther Festspielen an“, oder bei RP
Online vom 12.07.2021, „Bayreuths Finanzen kommen
unter die Lupe“.
Ganz
neu ist diese Aktion ja nicht, denn die
Kulturstaatsministerin Frau Prof. Grütters hatte schon
zum Jahresanfang 2021 mitgeteilt, dass sie sich die
Strukturen auf dem Grünen Hügel vornehmen werde und ab
sofort auch mal mehr aufs Geld schauen will! Ich muss
gestehen, das findet meine volle Zustimmung. Nun will
auch der Freistaat Bayern mehr aufs Geld schauen und
„die Interessen der öffentlichen Hand im Blick haben“!
Freilich,
ein großer Posten sind die Betriebskosten. Wie Sie auf
Seite 21 lesen konnten, belief sich das Jahres-Budget
der Festspiele im Jahre 1997 auf 21 Mill. DM
(umgerechnet mit dem Faktor 1,96 = 10,7 Mill. Euro). In
diesem Jahre liegen die Budgetkosten bei 32,5 Mill.
Euro, fast dreimal soviel wie 1997. Sind die Festspiele
um soviel besser geworden? Man muss dabei auch bedenken,
dass die Personalkosten davon bei ca. 8o% liegen. Zudem
wird seit 2010 immer mehr Personal eingesetzt.
Für
2016 habe ich einmal einen Vergleich der Personalstärke
zum Jahre 1994 angestellt, mit dem Ergebnis: Die
Abteilungen Beleuchtung / Videooperateure /
Elektroakustiker, Bühnentechnik, Maske, Kostüm- incl.
Ankleider und Ankleiderinnen, Presse / Medien /
Publikation und Türsteherinnen, beschäftigten die
Festspiele jetzt durchschnittlich 60 % mehr Personal.
Wie ist das
- 50 -
möglich? Sind die
Vorstellungen um 60 % besser geworden? Nein! Der zweite
große Posten ist die Sanierung der Festspielgebäude: Der
Bund hat im vergangenen Jahr dafür 84,7 Mill. Euro zur
Verfügung gestellt, Bayern will noch einmal soviel dazu
tun. Dass hier also einmal richtig hingeschaut werden
soll ist mehr als verständlich!
Nun
aber kommt ein großes Ärgernis hinzu: Wieder einmal ist
das Thema „Reform der Satzung der
Richard-Wagner-Stiftung“ auf der Tagesordnung des
Stiftungsrates aufgetaucht und das ist nun ein sehr
schwieriges und vielschichtiges Thema. Zunächst stelle
ich fest, der Wunsch, über Änderungen der Satzung
nachzudenken kommt aus dem Stiftungsrat, genauer gesagt
hat ihn die neue Vorsitzende des Stiftungsrates Frau
Angelika Kaus auf die Tagesordnung gesetzt. Das ist ja
nicht neu, denn schon Ende 2013 hat Toni Schmid dieses
Thema favorisiert, ist damit aber nicht weiter gekommen.
Ersatzweise hat sie Herr Schmid damals dem Thema
„langfristiger Mietvertrag für das Festspielhaus“
zugewandt ,mit dem er ja dann auch „erfolgreich“ war.
Jetzt
ist ein neuer Arbeitskreis gegründet worden, der sich
mit dem Thema Stiftungssatzung beschäftigen und der
Vorschläge zur Änderung der Satzung ausarbeiten soll. In
der Pressemitteilung von RP Online ist zu lesen, dass es
der Arbeitsgruppe nach Ministeriumsangaben „um die
Stiftung selbst sowie deren Leistungsbeziehungen zur
Bayreuther Festspiele GmbH als Mieterin des
Festspielhauses und Festspielunternehmerin“ geht.
Erlauben Sie mir bitte
die Frage: „Lese ich das richtig, soll nun der
Stiftungsrat über seine eigene Entmachtung nachdenken?
Weiter
ist in dieser Pressemitteilung zu lesen: „Mit welchen
Punkten sich der Arbeitskreis genau beschäftigen soll,
ist unbekannt; auch das Ministerium wollte sich dazu
nicht konkret äußern: „Die Tätigkeit der von der
Richard-Wagner-Stiftung eingesetzten Arbeitsgruppe soll
nach Möglichkeit nicht durch eine breite öffentliche
Diskussion beeinflusst werden. Wir bitten daher um
Verständnis, dass wir zu den von der Stiftung als
rechtlich selbstständig handelnden juristischen Person
zu bearbeitenden Handlungsfeldern keine näheren Aussagen
machen“, teilte eine Sprecherin des Kunstministeriums
mit.
Den letzten Absatz halten
wir zunächst einmal fest!
-
51 -
Weiter
heißt es dann in der Pressemeldung: Nicht zuletzt vor
dem Hintergrund, dass das Festspielhaus als
Privatvermögen der Familie Wagner in die
Richard-Wagner-Stiftung eingebracht wurde und zum
unveräußerlichen Grundstockvermögen dieser Stiftung
zählt, kann hier eine Neustrukturierung nur unter
Würdigung der Interessen aller Beteiligten erfolgen,
zumal auch wesentliche Regelungen der Stiftungssatzung
bis auf Weiteres nicht gegen die Stimmen der Familie
Wagner geändert werden können“, heißt es aus dem
Kunstministerium. „Es wurden ausdrücklich alle
Mitglieder des Stiftungsrates zur Mitarbeit
beziehungsweise Entsendung von Vertretern in diese
Arbeitsgruppe ermuntert“.
Zu dem gesamten Thema nun
einmal ein paar grundsätzliche Anmerkungen. Wenn diese
verständlich und in der richti-gen Reihenfolge
aufgelistet werden, könnten sie – so meine Ansicht – ein
Beitrag zur Diskussion der Arbeitsgruppe sein:
Der
Stiftungsrat hatte bereits Anfang 2014 eine
Arbeitsgruppe gebildet, die aber nur einmal zusammen
getreten ist. Den Vorsitz dieser Gruppe hatte seinerzeit
Herr Martin Eifler vom Staatsministerium für Kunst und
Medien in Berlin übernommen. Liest man das Protokoll
dieser Sitzung, dann erkennt man unschwer: Es geht
vorwiegend darum, den §8 zu verändern oder zu streichen.
Nike
Wagner sprach Ende Februar 2013 auf einer Tagung in
Wiesbaden über das Warum und Wie die
Richard-Wagner-Stiftung seinerzeit in Bayreuth gegründet
worden war. Frau Wagner erklärte in diesem sehr
ausführlichen Vortrag Sinn und Zweck der Stiftung.
Abschließend erkannte sie Verbesserungsbedarf an und
erklärte: „Es besteht Handlungsbedarf bei der
Richard-Wagner-Stiftung. Das setzt aber einiges an
Erkenntniswillen und Engagement der beteiligten Gremien
und Beamten voraus“. Sie schloss ihren Vortrag mit den
Worten: „Die Richard-Wagner-Stiftung ist eine der
bedeutendsten Kulturstiftungen Deutschlands und es ist
angesichts ihrer internationalen Bedeutung vollkommen
inakzeptabel, dass so viele ungeklärte Verhältnisse –
auf Grund einer juristisch fragwürdigen, handwerklich
schlecht gemachten, faktisch nicht praktikablen und
völlig unzeitgemäßen Stiftungssatzung – die
Zukunft dieser weltbedeutenden Kultureinrichtung weiter
paralysiere. Wir sind es dem Gründer der Bayreuther
Festspiele und seinem Vermächtnis schuldig“.
Der
Vorstoß zur Satzungsänderung kommt wieder aus den Reihen
der Festspiele GmbH. Herr Schmid ist in Pension, jetzt
greift die amtierende Vorsitzende des Stiftungsrates
dieses Thema wieder auf. Nun wurde bereits ein
Arbeitsausschuss gegründet, der Vorschläge zur Änderung
der Satzung erarbeiten soll. Aus dem Kunstministerium
kommt aber gleichzeitig die Mitteilung, dass
- 52 -
der Arbeitsausschuss
ungestört arbeiten soll und dass es deshalb keine
öffentliche Diskussion geben soll. Mit anderen Worten:
Nachrichtensperre!
Zensur, weiteres Gemauschel? Im gleichen Absatz wird der
Stiftung aber auch bestätigt, dass sie eine „rechtlich
selbstständig handelnde juristische Person“ ist. (Bürger
haben ein Anrecht darauf; Fragen zu einer „rechtsfähigen,öffentlichen
Stiftung bürgerlichen Rechts“ beantwortet zu bekommen.)
Das
Vorhandensein der Richard-Wagner-Stiftung ist der Dorn
im Auge der Festspiele GmbH.
Das
geht auch aus verschiedenen Äußerungen von
Stiftungsratsmitgliedern hervor, die in verschiedenen
Sitzungsprotokollen nachzulesen sind. So regte vor
Jahren der damalige stellvertretende Vorsitzende der
Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, Herr Dr. Wolfgang
Wagner in einer Diskussion über den Haushaltsplan für
das Richard-Wagner-Museum an, das Museum zu schließen
und die „Stiftung aufzulösen“! - Wenn das so einfach
ginge! Katharina Wagner riet der Stiftung sogar
„Insolvenz anzumelden“. Während einer anderen Sitzung
äußerte sie sich folgendermaßen: „Wenn die Stiftung kein
Geld hat, kann man sie ja gleich auflösen“! Auch warf
sie mal die Frage in die Runde, ob die Stiftung
überhaupt noch lebensfähig sei?
Herr
Eifler, der selbst Mitglied des Verwaltungsrates der
Festspiele GmbH ist, hat ja schon häufig den Begriff
verwendet, dass die Stiftung große Probleme habe,
die es zu beseitigen gelte. Ich glaube eher: Die
Bayreuther Festspiele GmbH sind selbst das eigentliche
Problem. Überspitzt formuliert sehe ich das
folgendermaßen:
Die
Bayreuther Festspiele GmbH und ihr Tochterunternehmen
BF-Medien GmbH haben ihr Unternehmensziel nicht
erreicht. Das Hauptprodukt, die
Festspiel-Inszenierungen, sind längst nicht so gefragt,
wie man sich das vorgestellt hatte. Auch der erhoffte
Werbeeffekt durch die Verbreitung dieser Inszenierungen
im Fernsehen oder die Übertragung der
Premieren-Vorstellung in die deutschen Kinos war nicht
so erfolgreich wie ursprünglich erhofft. Der mäßige
Absatz von CDs oder DVDs ist auch kein Geschäft. Um
sich nicht zu blamieren, wird jetzt abgelenkt indem man
erneut Änderungen an der Stiftungssatzung verlangt.
Die Stiftung hat mit
Sicherheit kein Verschulden, wenn die GmbH Probleme hat.
Die Stiftung hat sich auch nie in die Geschäfte der GmbH
eingemischt. Nach den Worten von RP Online klingt das
aber so. Dort heißt es, gehe es bei der Reform
der Stiftungssatzung um „die Stiftung selbst sowie
deren Leistungsbeziehungen zur Bayreuther Festspiele
GmbH“. Hier möchte ich gerne noch einmal etwas
unmissverständlich klären: Das Wort Leistungsbeziehungen
stößt mir gewaltig auf:
Die Richard-Wagner-Stiftung schuldet der Bayreuther
Festspiele GmbH nichts.
- 53 -
Die
Richard-Wagner-Stiftung ist der Inhaber und
Rechtsnachfolger des materiellen und ideellen Besitzes
der vier Zweige der Familie Wagner in der Erbfolge
rückwärts über Siegfried zu Richard Wagner. Die
Stiftungsurkunde und die Stiftungssatzung drücken den
Stifterwillen aus, die Satzung hat Gesetzeskraft.
Ein wichtiger Paragraph der Stiftungssatzung ist der mit
der Nr. 8. Er sagt aus, dass der Festspielunternehmer
(gemeint ist damit der künstlerische Leiter der
Festspiele) vom Stiftungsrat gewählt wird. Dieser
Paragraph ist schlecht abgefasst, nicht eindeutig
formuliert und bedarf einiger Richtigstellungen, schon
der Begriff Festspielunternehmer ist stark umstritten.
Auch fehlt eine eindeutige Aussage über welchen
(begrenzten Zeitraum) eine Amtsperiode des gewählten
Festspielleiters andauert, wie sie verlängert werden
kann oder ob die Stiftung beschließt einen neuen
Festspielleiter zu suchen, (z.B. über eine Ausschreibung
o.ä.). Ein Festspielleiter auf Lebenszeit soll es ja
nicht mehr geben!
In
der Pressenotiz von RP Online äußert sich auch Daphne
Wagner, die den Familienzweig Wieland Wagners im
Stiftungsrat vertritt: Daphne Wagner erkennt an, dass
die Satzung veraltet ist und dass ihre Überholung ein
„langwieriger Prozess werden könnte“. Es ist ihr
besonders wichtig zu betonen, „dass die Familie nicht
einfach rausdividiert werden kann, immerhin sind wir die
Stifter-Familie“. Auch – so betont sie besonders - muss
das Festspielhaus ausschließlich der Aufführung der
Werke ihres Urgroßvaters vorbehalten bleiben.
Und
noch etwas: Die Richard-Wagner-Stiftung wurde 1973
gegründet, sie war also schon vorhanden als an eine zu
gründende GmbH noch niemand einen Gedanken
verschwendete. Ihre Satzung hat Gesetzeskraft, ihr Text
ist verbindlich!
Die
eigentlich völlig überflüssige Bayreuther Festspiele
GmbH wurde (offiziell) gegründet um die Festspiele
zu veranstalten, tatsächlich aber diente (und dient) sie
der Machterhaltung der Familie Wolfgang Wagners, der mit
Vertrag auf Lebenszeit die Festspiele leitete und der
erst von seinem Posten als Festspielleiter zurück
getreten ist, nachdem er die sichere Gewissheit bekam,
dass seine beiden Töchter die Festspielleitung
übernehmen werden. Hier geht es ganz eindeutig um eine
Vererbung des Festspielleiterpostens und nicht um eine
demokratische Wahl. Außerdem ist Wolfgang Wagner von
seiner lange Jahre geäußerten Ansicht, dass „niemand im
Familienkreise die Festspiele leiten könne“ (aus ganz
egoistischen Gründen) abgerückt. Und – damit das in
Zukunft so weitergehen kann - muss der §8 / Wahl des
Festspielleiters geändert oder – so die Absicht der
Festspiele GmbH – (möglichst) aus der Stiftungssatzung
entfernt werden. In der jetzigen Fassung der
Stiftungssatzung hat die Familie ein Erstrecht auf die
Besetzung des Festspielleiterpostens. Wenn dieser
Paragraph verschwindet, ist die Familie ihrer Rechte
beraubt! Es wird allerhöchste Zeit, dass die Festspiele
GmbH das Recht des Stiftungsrates, den Festspielleiter
zu wählen, anerkennt und auch nicht
- 54 -
erneut versucht, den
Stiftungsrat auszuschalten. Herr Toni Schmid hat den
Stiftungsrat 2008 – mit Duldung bzw. Mithilfe des
Vorstandes und der Geschäftsführung der Stiftung,
kaltgestellt,. Das ist Satzungsbruch, das
Gremium, dem er vorstand, hat er um das Recht, den
Festspielleiter zu wählen betrogen, das ist Untreue.
Als
allerspätestens 2013 feststand, dass die Festspiele
unter der Leitung von Katharina Wagner und ihrer
Halbschwester schweren Schaden nehmen, hat er trotzdem
einen neuen Vertrag mit Katharina für den Zeitraum 2015
bis 2020 abgeschlossen. Und wieder ist ihm niemand in
den Arm gefallen, um das zu unterbinden. Und weil
das ja zweimal so gut gelaufen ist, hat er – ehe er
pensioniert wurde – das Ganze ein drittes Mal für die
Jahre 2020 bis 2025 durchgezogen.
Die
Anzahl der Kartenwünsche ist weiterhin gefallen. Seit
2015 gibt es zu den meisten Vorstellungen noch Karten an
der Abendkasse (vorwiegend natürlich die der teuren
Segmente).
Zukünftig
will also weiterhin die Festspiele GmbH – so deren Pläne
- die Festspiele veranstalten, mit der
Tochtergesellschaft die mangelhaften Produkte (die
Festspielaufführungen) meistbietend verscherbeln, damit
gleichzeitig die schlechtest mögliche Werbung betreiben
und dann auch noch den Festspielleiter wählen, obwohl
sie dafür (z.B. mit den Herren v. Waldenfels oder Herrn
Martin Eifler) über keine kompetenten Fachleute verfügt.
Kann man sich eigentlich noch mehr blamieren?
Es
ist äußerst bedenklich, dass Herrn Schmids Nachfolge in
der Position des Stiftungsratsvorsitzenden, eine Beamtin
aus dem gleichen Ressort angetreten hat. Ich möchte
allerdings versichern, dass ich Frau Angelika Kaus
nicht unterstelle, dass sie jetzt Ähnliches plant.
Gerne hätte ich mit Frau Kaus einmal telefoniert, das
kam leider nicht zustande. Selbst der bayerische
Kunstminister Sibler hat sich da nicht für mich
verwendet. Selbst eine Dienstaufsichtsbeschwerde über
Frau Kaus – eingereicht beim bayerischen
Ministerpräsidenten Söder - wurde weitergereicht an das
Personalreferat des Kunstministeriums, das mir
bestätigte (nach einer Rücksprache mit Frau Kaus), „dass
ein Fehlverhalten der Beamtin nicht festgestellt werden
konnte“! Es ist sehr schade, dass man mit den
zuständigen Sachbearbeitern nicht einmal telefonisch
Kontakt bekommt, wenn man zu diesem Themenpaket etwas
Substanzielles beizutragen hat.
Zurück
zu den angestrebten Änderungen der Stiftungssatzung:
Gewiss es gibt Dinge in
der Satzung bzw. ungeschickte Formulierungen darin, die
einer Änderung bedürfen. So zum Beispiel die Überschrift
des §8, der heute lautet: „Vermietung des
Festspielhauses an den Festspielunternehmer“. Das ist
irreführend. Die Überschrift müsste lauten: „Wahl des
Festspielleiters und Vermietung des Festspielhauses an
den gewählten Festspielleiter für die Dauer seines
Festspielleiter-Vertrages“.
- 55 -
Die
Wahl des Festspieleiters ist eine künstlerische
Entscheidung. Das geht ganz eindeutig aus dem Text des
§8 (3) hervor, der sich ausdrücklich mit Fragen der
Qualifizierung eines Kandidaten, der sich für den
Posten des Festspielleiters bewirbt, ergibt.
Als Änderung wäre auch
das Hinzufügen der Laufzeit der Festspielleiter-Verträge
sinnvoll. Wenn die spätere Leistung des gewählten
Festspielleiters nicht überzeugt, dann ist es die
logische Folge und die Pflicht und das Recht des
Stiftungsrates einen neuen Festspielleiter zu wählen!
Dies wiederum ist die einzige Möglichkeit, einen
Missbrauch der künstlerischen Freiheit (die nachweislich
zur schweren Schädigung der Bayreuther Festspiele
führt), durch eine Nichtverlängerung seines laufenden
Vertrages, bzw. durch die Wahl eines neuen
Festspielleiters, dauerhaft abzuwenden.
Und
noch ein Aspekt in diesem neuen Versuch, die Stiftung zu
schwächen, ist folgender:
Die Stiftung hat ja nicht
nur das Festspielhaus und seine Nebengebäude übernommen,
sowie die Verpflichtung den Festspielleiter zu wählen
und ihm das Haus zu vermieten. Daneben geht es ja auch
noch um das Haus Wahnfried bzw. heute also um des
Richard-Wagner-Museum mit Nebengebäuden und Park, um das
Siegfried-Wagner-Haus und um das Richard-Wagner-Archiv
(einschließlich Bibliothek und Zubehör).
Ich
kann mir sehr gut vorstellen, dass die Festspiele GmbH –
sollten sie das Recht erhalten selbstständig den
Festspielleiter zu wählen oder seinen Vertrag beliebig
zu verlängern - sehr schnell das Interesse an einer
Mitwirkung im Stiftungsrat verlieren, denn ihre
Geschäftsgrundlage ist ja einzig die Durchführung der
Festspiele und die Gewinnerzielung mit Hilfe der
BF-Medien GmbH.
Der
Rest der Stiftung bzw. des Stiftungsrates kann sich dann
ja mit diesen umfangreichen und wirklich schwierigen
Problemen des Museums, des Archivs usw. herumschlagen.
Auch dazu könnte ich eine Stichpunkte-Sammlung zur
Verfügung stellen.
Und
so stehen die Festspiele, ein Jahr nach Corona und
ein Jahr vor der nächsten Ring-Inszenierung fast
ohne Zuschauer da. Sie meinen, ich übertreibe! Bestimmt
nicht: Für die 25 Vorstellungen dieses Jahres standen
22.775 Karten zur Verfügung. Nicht einmal die konnten
alle verkauft werden. Sagen Sie bitte nicht, das würde
nicht stimmen. Ein Bekannter von mir war außer am
Eröffnungstag täglich im Kartenbüro und an allen diesen
24 Tagen waren noch Karten zu haben. Erinnern Sie sich
noch? Im Jahre 1997 hätten 357.513 Karten verkauft
werden können, und nun dieses Ergebnis.
- 56 -
Ein
Blick in die nahe und mittelfristige Zukunft der
Festspiele
Meine
Bayreuth-Freunde und ich gehen nun von der Voraussetzung
aus, dass sie alle (die Stiftung mit ihren Organen, die
Festspiele GmbH und deren Verwaltungsrat, sowie die
Gesellschafter der Festspiele GmbH), mitbekommen haben,
dass die Bayreuther Festspiele auf der Rangliste der
besten Wagner-Aufführungs-Opernhäuser nicht mehr zu
finden sind. Mit anderen Worten: Die Festspiele GmbH mit
Ihrer Leiterin haben weder künstlerisch noch
kaufmännisch ihr Unternehmensziel erreicht. Zudem haben
Sie ihr Stammpublikum von ca. 500.000 Besuchern nahezu
vollständig verloren. Erschwerend hinzu gekommen ist,
dass die Eintrittspreise im Durchschnitt niemand mehr
aufbringen kann. Dazu kommt die miserable Werbung durch
die Übertragung der Inszenierungen in die deutschen
Kinos und im Fernsehen. Nun werden dafür Schuldige
gesucht und man hat auch gleichen einen gefunden, die
Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth und die soll nun durch
eine Änderung der Stiftungssatzung dafür büßen.
Jetzt
haben Sie gelesen, wie sich das außerhalb der Festspiele
und ihrer Organe und Gremien darstellt. Es ist jetzt an
der Zeit, dass Sie alle, ob Sie nun daran mitgewirkt
haben oder ob sie nur duldender Zuschauer waren, dass
Herr Toni Schmid und die von ihm erkorene, äußerst
schwache Festspielleiterin seit 13 Jahren diesen
Notstand herbeigeführt haben, dass Sie jetzt
zusammenstehen um diesen Missstand auf Dauer zu
beseitigen. Das ist nur möglich, wenn Sie bereit sind zu
akzeptieren, dass zukünftig die Bereiche innerhalb der
Festspiel-Organisation die Aufgaben und Zuständigkeiten
erledigen, die ihnen von jeher zugewiesen waren, d.h.
als Erstes: Der Stiftungsrat wählt den Festspielleiter.
Also,
wir wünschen uns, dass sich die Stiftung mit neuem
Selbstbewusstsein aufrappelt und zunächst im Sinne
von Iris Wagners Appell an Herrn Wenning im Jahre 2012
(Sie erinnern sich auch daran?) alles in die Wege
leitet, um einen personell hochwertigen Stiftungsrat
mit neuen, den Festspielen und Bayreuth verbundenen,
vielleicht sogar mit Fachwissen ausgestatteten Personen
zu installieren, die loyal zu Bayreuth und seinen
Festspielen stehen und die dann, wenn der neue,
24köpfige Stiftungsrat gebildet ist, aus deren Mitte
einen Vorsitzenden zu wählen, der ebenso loyal zur
Stiftung und zum Stiftungsrat steht. Zukünftig sollen im
Stiftungsrat keine Personen mehr vertreten sein, die
schon in einem anderen Workungskreis der Festspiele
arbeiten.
Das umzusetzen ist eine
echte Aufgabe und sie kostet Zeit. Das bedarf einiger
zusätzlicher Sitzungen für Diskussionen, Befragungen von
Bewerbern, Abwägungen und Beschlüssen, bis zum Schluss –
in demokratischer Abstimmung ein neuer
- 57 -
Festspielleiter gewählt
wird, von dem man schon zuvor erfahren hat, wie er die
Festspiele zu leiten gedenkt. In Abänderung eines
bekannten Spruches würde ich sagen: Vertrauen ist gut,
Wissen ist besser. Bestimmte Parameter sollten schon im
Vertrag verankert sein, dann hat man bei der Vergabe der
„künstlerischen Freiheit“ ein ruhigeres Gewissen.
Ein neues
Selbstbewusstsein muss in der Stiftung bzw. auch im
Stiftungsrat herrschen. Dieses Gremium darf nicht länger
am Gängelband der Festspiele GmbH hängen, sein
Vorsitzender muss loyal zur Stiftung und zum
Stiftungsrat stehen.
Sorgen
Sie dafür, dass diese Maßnahmen umgehend in Angriff
genommen werden, denn nach 13 Inszenierungspleiten in
den letzten Jahren, haben Sie von Katharina Wagner
nichts Besseres mehr zu erwarten. Die Festspiele
benötigen (spätestens zum
1. September 2025) als
neuen Leiter einen erfahrenen Künstler mit
Führungskraft, mit Kenntnis des Wagnerschen Werkes, der
auch umfassende Kontakte zur Branche besitzt. Nur so
kann gewährleistet werden, dass wieder hochwertige
Besetzungen und die besten Dirigenten die Festspiele
qualitativ an die Leistungen der 1950er /60er und 70er
Jahre und damit auch wieder an die Weltspitze
heranführen können.
Schaffen
Sie neue Strukturen, nehmen Sie bewährte Traditionen
wieder auf , erwecken Sie die berühmte „Bayreuther
Dramaturgie“* (siehe Seite 58, unten) zu neuem Leben,
sorgen Sie für gute Abteilungsleiter, die mit großem
Engagement ihre Bereiche führen, machen Sie Kassensturz
und senken Sie die Eintrittspreise und - last but not
least - ermöglichen Sie wieder unvergleichliche und
einzigartige Vorstellungen, Sie werden sehen, wie die
Festspiele wieder aufblühen!
Wenn
sich jetzt immer noch nichts tut (weil vielleicht
München das so will) dann sieht die nahe und die
mittelfristige Zukunft der Bayreuther Festspiele noch
düsterer aus als zur Zeit. Und damit hätten sich auch
meine Sorgen um diese einstmals so großartige
kulturelle Einrichtung
leider bestätigt. Ich will es nicht glauben, dass es
so kommt, denn ich hoffe auf mutige Entscheider.
Zum
Schluss also noch einige wenige Hinweise, die sich
bisher nicht in die vorangegangenen Sachthemen
einarbeiten ließen:
Sorgen
Sie bitte dafür, dass der Stiftungsauftrag ernst
genommen und erfüllt wird!
Die
Handlungen der Wagnerschen Musikdramen gehören ebenso
zum Gesamtkunstwerk wie der Text, die Musik oder der
- 58 -
Orchesterklang. Eine
zukünftige Festspielleitung sollte bei einem
Inszenierungsauftrag unbedingt darauf achten!
Wieland
Wagner, der aus der Partitur heraus inszeniert hat, der
z.B. die Poesie die im Text und in der Musik vereinigt
sind, in Bühnenbilder, in Licht, Formen und Farben
umgesetzt hat, er hat Bayreuth groß gemacht. Künftige
Regisseure und Bühnenbildner mögen ihm nacheifern.
Der
Stiftungsauftrag
(der durch einen Vertrag an den gewählten
Festspielleiter) vergeben wird, beinhaltet auch einen
gewissen Bildungsauftrag. Stiftungsurkunde und
Stiftungssatzung enthalten diesen Auftrag in § 2 /
Stiftungssatzung, Punkt 3 und 4:
§2 / Stiftungszweck:
„Der Zweck der Stiftung ist es, im Sinne des
gemeinschaftlichen Testamentes von Siegfried und
Winifred
Wagner vom 8.März 1929 …........
Punkt 3: Die
Richard Wagner Forschung zu fördern, und
…..................
Punkt 4: …...
das Verständnis für die Werke Richard Wagners
insbesondere bei der Jugend und beim künstlerischen
Nachwuchs zu fördern.
Als sehr schmerzlich
empfunden wird das jegliche Fehlen von Publikationen der
Bayreuther Festspiele die – die Festspiele begleitend –
Themen aufgreifen, die mittelbar oder unmittelbar mit
der Geschichte der Festspiele, ihren Aufführungen, den
Künstlern, die verpflichtet werden oder anderen
interessanten Ereignissen drumherum zu tun haben. Da mit
hinein gehört auch eine sofortige Qualitätssteigerung
der Programmhefte, die ein Niveau erreicht haben, dass
unter dem eines Kinoprogramms liegt.
Eine Wiederauflage des
„großen Festspielbuches“ und ein interessantes Heft mit
Vorschau zum Jahresende, werden schmerzlich vermisst.
* Bayreuther Dramaturgie:
Und
damit komme ich zur Erklärung, was ist (oder was war)
die „Bayreuther Dramaturgie“?
Wieland Wagner begründete
sie in der Epoche von Neubayreuth (also ab 1951) und gab
ihr auch ihren Namen.
Wieland Wagner war der
Vordenker, seine Inszenierungen standen für Innovation,
sie waren richtungsweisende Interpretationen, Vorbild
und Diskussionsgrundlagen für die Wagner-Deutung,
allgemein und weltweit. (streng nach Oswald Georg Bauer)
Dem gemäß enthielten die
Publikationen Bayreuths (z.B. das große Festspielbuch)
Beiträge bedeutender Schriftsteller, Theater-
- 59 -
wissenschaftler, Musiker
oder Philosophen usw. zu Parallelthemen zu den jeweils
auf dem Spielplan erscheinenden Musikdramen oder
Beiträge zu aktuellen kulturellen, politischen oder
gesellschaftlichen Themen der Gegenwart. In diesen
Beiträgen wurden auch die Erfahrungen mit den
Festspielen in über einhundert Jahren verarbeitet.
Ebenso wurde mit den Programmheften oder den kleinen
Heften zum Jahreswechsel verfahren, die immer gern
gelesene Beiträge enthielten.
Bleibt meine Frage: Warum
wird dieser Reichtum Bayreuths nicht wieder
hervorgeholt? Warum wird nicht z.B. in Zusammenarbeit
mit der Universität Bayreuth eine „neue Bayreuther
Dramaturgie“ entwickelt?
Und
wenn jetzt immer noch Zweifel bestehen, wie die
Musikdramen Wagners in Bayreuth aufzuführen sind, der
sollte sich an Richard Wagners Ausspruch erinnern, der
da lautet: „Gar nichts liegt mir daran, ob man meine
Sachen gibt: mir liegt einzig daran, dass man sie so
gibt, wie ich`s mir gedacht habe, wer das nicht will und
kann, der soll`s bleiben lassen“!
Richard Wagner schrieb
dies in einem Brief im Jahre 1852 an Ferdinand Heine.
Schließen
möchte ich mit einem Ausspruch Christian Thielemanns,
den dieser häufig in Gesprächen über die Bayreuther
Festspiele, ihre Mitwirkenden, ihre speziellen
Eitelkeiten oder ihre Allüren benutzte.
Er lautet:
In diesem Hause
gibt es nur einen Star – und der ist 1883 gestorben.
Malente, im November 2021
Heribert A. Bludau
30.1.2022 hgh