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15.01.2006
"Womöglich doch nur Klatsch und Tratsch"
Referenten:
Dramaturg Rolf Ronzier
Regisseur Georg Mittendrein,
Bühnenbildner Bernhard Kilchmann
Dirigent Georgios Vranos
Schauspieler Michael Heuberger
Schauspieler Valentin Stroh
.
Ein Regisseur, der die Welt gesehen hat - zumindest die im Osten der
Deutschen Republik - Georg Mittendrein.
War u.a.
Intendant des Landestheaters Altenburg,
Intendant der
Vereinigten Bühnen Bozen,
Intendant des Theaters Plauen-Zwickau,
fester Regisseur am Opernhaus Halle und nun Intendant der 'Clingenburg
Festspiele' in Klingenberg am Bayerischen Untermain.
Gearbeitet hat
er in acht Ländern auf zwei Kontinenten - in elf der 16
Bundesländer, in fünf der östlichen Bundesländer hat er in vier
inszeniert, in drei war er Intendant.
Georg Mittendrein findet, es klänge schrecklich, diese
Aneinanderreihung seiner 'künstlerischen Leidensstationen'.
Er schied aus Wien im Unfrieden - findet es erstaunlich, welchen
künstlerischen Ruf die Stadt hat, er selber habe anderes erlebt, wie
eben in Österreich und vornehmlich in Wien mit Künstlern umgegangen
wird.
Im Rahmen einer Politiker-Endversorgung habe man jetzt einen
ehemaligen Stadtrat nun als Intendanten für das Mozart-Jahr
eingesetzt.
Ihm selber sei es widerfahren, dass eine Stadträtin ihm - damals war
er 36 / 38 Jahre alt - mitteilte: "Herr Mittendrein, Sie haben den
Plafond erreicht."
Nun ist er in Regensburg und führt Regie bei 'Amadeus'.
In Shaffers 'Amadeus' werden mehrere Zeitebenen berührt, 1781 bis
1791 und dann 1823 - Jahre nach dem Tod Mozarts und zwei Jahre vor
dem Ableben Salieris.
Die Selbstbezichtigung Salieris, er habe Mozart zu Tode gebracht,
kann wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden, auch wenn immer
wieder behauptet werde, es gäbe sogar ein schriftliches Geständnis
Salieris, das im Vatikan verwahrt werde.
Mit dem Papst aus Pentling müsste es doch ein leichtes sein, diesen
Aktenvermerk der Regensburger Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Als Mörder käme auch Franz Xaver Süßmayr, der Schüler Mozarts in
Frage, der angeblich ein Verhältnis mit Frau Constanze hatte oder
Franz Hofdemel, dessen Frau Schülerin und evtl. auch Geliebte
Mozarts war. Immerhin ging Hofdemel am Tag nach Mozarts Tod mit
einem Rasiermesser auf seine Frau los, beging dann aber Selbstmord.
Verdächtigt wurden auch die Freimaurer, weil Mozart deren Riten in
der 'Zauberflöte' offenbarte.
Die Weiterverbreitung des Mord-Gerüchts war und ist nach Meinung von
Herrn Mittendrein in Wien besonders gut möglich. Klatsch und Tratsch
ausufere im Österreich und Wien außerordentlich gut. Fast kann der
Eindruck entstehen, er, Mittendrein litte genauso wie Thomas
Bernhard unter Österreich.
Intrigenwirtschaft in Wien mit dem Gift, das aus derartigen
Verhaltensweisen resultiert, führt zum Miss-Verhältnis Salieri /
Mozart in Peter Shaffers Werk.
Salieri sei aufgrund seiner Art zu leben, sich zu geben und seiner
künstlerischen Leistung der Favorit des Hofes gewesen und so in gut
dotierte Stellung wie die des Hofkapellmeisters aufgestiegen,
während Mozart sich das Publikum erst erobern musste.
Mozart sei es erst bei Glucks Tod gelungen, eine feste Position als
Kammermusikus zu erlangen, wenn auch nicht mit der Bezahlung wie sie
Gluck für sich in Anspruch nehmen konnte.
Dass 'Figaros Hochzeit' beim Publikum und bei Kaiser Joseph II nicht
gut an kam, wurde Salieri - vor allem von Mozarts Vater -
angelastet. Verständlich, wenn in der Zeit von 1781 bis 1791 in Wien
163 Opern Salieris und nur 63 Opern Mozarts zur Aufführung gekommen
sein sollen.
Dass Salieri nicht gerade 'happy' gewesen ist, einem 'Kind'
Genialität zu attestieren, die sein eigenes umfassendes Gesamtwerk
in den Schatten stellte, ist nur mehr als verständlich.
Gesichert ist nicht, dass es offene Rivalitäten zwischen Salieri und
Mozart gegeben habe, immerhin unterrichtete Salieri Mozarts Sohn.
Peter Shaffer lehne sich nach Dramaturg Rolf Ronzier mehr an
bekannte Gegebenheiten an, als dass er frei dichte. So fühlt sich
Salieri von Gott verraten, dem er sein Leben widmete und von dem er
Erfolg erwartete. Success wurde ihm als Handwerker gegeben,
allerdings gab Gott Mozart Unsterblichkeit durch das Talent. Salieri
werde als Gotteslästerer und Intrigant gezeigt, wobei ersteres
sicher nicht der Wahrheit entspreche.
Die Geschichte stimme zwar nicht, aber sie sei gut erfunden.
Laut Dramaturg Rolf Ronzier habe Shaffer einen Hang zur analytischen
Enthüllung, für die Aufdeckung von Hintergründen, wofür er die Form
der Beichte benutzt, die er auch für Salieri verwendet.
Er verflechte die Gerüchte mit den Tatsachen und verbinde sie zu
einer eigenen Geschichte, einer Begegnung von Mittelmaß und
Genialität, eine Schilderung historischer Gegebenheiten und auch ein
Kriminalstück. Nicht zuletzt ist es Unterhaltungstheater, das in
seiner Sinnlichkeit zur Musik Mozarts führt - es ermöglicht, Mozarts
Kompositionen zu begreifen.
Eine eindeutige Gattungsbezeichnung für 'Amadeus' zu formulieren, ob
Tragödie oder Komödie, sei schwierig, allenfalls könne man es nach
Regisseur Mittendrein feststellen, das Stück habe Bildungswert und
im weiteren Sinne einen unterhaltenden Wert mit zwei Sterbeszenen.
Um die Wiener Gerüchteküche darzustellen, greift man im Regensburger
Stadttheater auf Damen des Ensembles zurück, die 'Venticelli' zu
verkörpern. Damen, weil Herren aus dem Ensemble nicht zur Verfügung
stehen. Dem Regisseur genügten die beiden Damen nicht, so verlangte
er eine dritte Dame (Analogie zur 'Zauberflöte'?). Um nun nicht
Klatsch und Tratsch im Stück ganz in die Hände von Damen zu legen,
erhält er Statisten zugewiesen - von diesen sechs sind wenigstens
drei mit Männerstimmen.
Karikaturen, die Hofschranzen von Strack, Graf Orsini-Rosenberg,
Baron van Swieten sind nur dramaturgische Stichwortgeber, um die
jeweilige Situation für die Protagonisten herzustellen. Ähnlich sei
dies in Büchners Woyzeck zu beobachten. Dort sei der Andres die
Mittlerfigur.
Gerade diese Aufgabe, das Stück durch die Rolle und die eigene
Einbringung in dieselbe, sei darstellerisch oft nur schwer zu
erfüllen.
Der Bühnenbildner gibt Auskunft über die Szenerie. Da der
Schnürboden im Velodrom nicht über ausreichende Höhe verfügt, werden
für die schnellen Szenenwechsel Dekoteile in sich gerafft nach oben
gezogen. Bauten werden in sich gedreht und zeigen mal dies mal
jenes.
Die Kostüme - im Stil der Zeit des Stückes - sind zwar noch nicht
alle zur Verfügung, aber zur Premiere am 20. sei ja noch fünf Tage
Zeit.
"Das wird schon" - war in solchen Fällen die Meinung des früheren
Oberspielleiters Schauspiel Rudolf Zollner.
Salieri oder Mozart - zwei prallen mit Positionen und Talent
aufeinander. Mozart noch unverstanden von der Welt, Salieri
etabliert im Rahmen seiner handwerklichen Möglichkeiten.
Er - wissend der Schwächere zu sein - lässt Mozart, der an seinem
Image kratzt, nicht zu.
Wie auch Intendanten glauben, die Position schütze sie. Ein Kurt
Hübner dagegen ließ Zadek, ließ Minks, ließ Stein an seinem Bremer
Theater zu.
Regisseur Mittendrein meinte, Regensburg verfüge über ein gutes
Theater, alles funktioniere bestens.
Hat der 'ne Ahnung. Nach sechs Wochen das so beurteilen zu wollen.
Aber der Herr Regisseur will wohl wiederkommen dürfen.
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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