
Regensburg - Theater am Haidplatz
Im Jahre 1940
drehte Heinz Helbig in den Bavaria Studios München-Geiselgasteig den
Film 'Der Herr im Haus'.
Fritz Odemar - der Vater des ZDF-Kommissars Eric Ode - spielte das
Medium Menarek, ein Hochstapler, der auf seinen eigenen Vorteil
bedacht, unbescholtene Bürger mittels Séancen um ihr Geld brachte.
Er gaukelte während der Sitzungen Stimmen vor, die angeblich aus dem
Jenseits kamen.
Diesem Einfluss unterlag Kammersänger Wolfram Schellenberg, der dem
Menarek Geld zukommen ließ.
Der Schwindel flog auf, der Herr Kammersänger bekam sein Geld zurück
- ohne dass es Tote gab.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass heute sehr viele junge Leute
Gespräche über religiöse Dinge für unwichtig erachten, um so mehr
wenden sie sich dem Okkultismus zu.
Wissenschaftler sprechen bereits von einer Esoterisierung der
Bevölkerung vornehmlich der Jugendlichen. Kaum jemand von ihnen hat
sich nicht schon mit Übersinnlichem wie 'Tischlrücken', Pendeln
beschäftigt.
Groß im Geschäft sind bei den Privat-TV-Sendern die
Kartenlegerinnen, die per Telefon und für jedermann in der Sendung
sichtbar, Ratschläge geben. Was dabei herauskommt, ist Abzocke, denn
Scharlatanerie ist die Basis des Geschäfts.
Das Aufkommen des Okkultismus, als einem Teilbereich der Esoterik,
eine Lehre, die
sowohl Wissenschaft als
auch traditionelle Religionen als zu beschränkt ansehen, um die Welt
vollständig zu erklären, kann
bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts gesehen werden.
Okkulte Vereinigungen wie die
Theosophische Gesellschaft
mit dem Thema 'Blick und
Kontakt zum Jenseits', aber
auch die
anthroposophische
Festlegungen des Rudolf Steiner
entstanden in dieser Zeit.
Siegmund Freud (1856 - 1939), Begründer der Psychoanalyse und
Religionskritiker, beschrieb die Verbindungen der Seele mit dem
menschlichen Geist, grenzte allerdings zum Okkultismus ab und
bezeichnete diesen als Aberglauben.
Gian Carlo Menotti lebte gerade in der Zeit der späten 20er Jahre in
Österreich in einer großbürgerlich-snobistischen Welt, während
seines Kompositions-Studiums. Er machte Erfahrungen bei Séancen, die
er in St. Wolfgang miterlebte und beschrieb "[...] Obwohl ich nichts
Ungewöhnliches wahrnehmen konnte, wurde mir nach und nach klar, dass
meine Gäste, in dem leidenschaftlichen Wunsch zu glauben, ihre tote
Tochter Dodley [...] tatsächlich sahen und hörten. [...]"
Diese Begebenheit war auch der Auslöser für das Werk, 'Das Medium',
das 1946 in New York uraufgeführt wurde. Menotti hatte bereits 1936
in Österreich mit der Komposition seines ersten Werkes: 'Amelia geht
zum Ball' begonnen, die er 1937 am Curtis Institut in Philadelphia
abschloss. Dieses Konservatorium, deren Gründerin Mary Louise
Curtiss war, erhielt 1940 'Briefe von Richard Wagner', die sie Mary
Burell abkaufte, eben die so genannte 'Burell Sammlung' als Geschenk.

'Das
Medium' Theater-RBG
Bei dieser Produktion gibt Regensburgs Theaterdirektor
Ernö Weil einem jungen Team die Möglichkeit, sich
auszuprobieren - und das Ergebnis lässt sich sehen.
Doris Buske inszeniert das Werk auf der engen
Haidplatz-Bühne. Diese Fokussierung hat den Vorteil:
nichts zerfranst, alles bleibt im Blickwinkel des
Publikums.
Aber:
haben dann die Zuschauer die Protagonisten direkt vor
sich, kann ein intensives Spiel so unmittelbar
aufgenommen, befremdend wirken, sich belastend auswirken
und in der Reaktion des Publikums niederschlagen.
Frau Buske setzt das Werk in adäquate Aktionen um -
schielt nicht nach Mussbach, Konwitschny oder Hilsdorf.
Die Sänger folgen ihren Intentionen, erspielen sich und
dem Publikum die Vorgaben des Autors in sinnvoll
gestaltetem Bühnenbild und Kostümen von Sascha Gratza,
die im Licht von Wanja Ostrower den Rahmen für das Elend
einer ihrem eigenen Hokuspokus Verfallenen abgeben.
Silvia Fichtl, als Baba, in dieser Spielzeit die
Exaltation in Person, schon Mary oder Adelaide. Die
Möglichkeiten für eine tragende Rolle einer Altistin
sind stark eingeschränkt.
So nutzt sie die Gunst der Stunde, schlägt stimmlich zu
und darstellerisch um sich.
Gesche Geier - wie ein Schmalreh - die Monica, die dem
stummen Toby ein wenig die Liebe erklärt. Schon bei der
Zdenka fiel auf, dass die Stimme eine Entwicklung zeigt,
die auf starke Belastung hindeutet. Das natürliche
Vibrato beginnt, einem Tremolo zu weichen.
Maximilian Marufke spielt den pubertierenden Knaben -
wie sie halt so sind - eckig und verklemmt. Viele haben
als Butterfly- oder Wozzeck-Marie-Kind angefangen.
Das der Wahrsagerin geradezu verfallene Ehepaar Gobineau
wird von Melanie Schneider und dem für Yin-Ho Yo
eingesprungenen Young-Wook Kim überzeugend verkörpert.
Das Entsetzen, die Baba werde keine Seancen mehr
abhalten, nimmt ihnen den festen Lebens-Rahmen.
Mirna Ores als Mrs. Nolan - neu in diesem Kreis - muss
sich auch in das Ausfallen der spiritistischen
Zusammenkünften fügen, ihr waren 'die Kontakte' zur
toten Tochter von Anfang an suspekt.
Jari Hiekkapelto dirigierte das seitlich positionierte
Orchester unter für alle erschwerten Bedingungen.
Das Publikum dankte herzlich für die beklemmende
Sitzung. Allerdings war beim Applaus nicht feststellbar,
wer sich da von den Schwarzen verbeugte.
Vielleicht sollte man dem Abhilfe schaffen, dass nicht
die begleitende Dramaturgin evtl. Buhrufe - die
Inszenatoren meinend - abbekommt.
Begeisterungsakklamationen landen unter Umständen beim
Licht, obwohl das Bühnenbild gemeint ist.
Erfahrungen durfte der Interessierte, so bei der
Produktion 'Bajazzo/Cavalleria', am Theater Regensburg
sammeln und Absprachen für den Schlussapplaus im Rang
mithören:
"Gib halt Obacht, erscht kummt dera Chordirektor - bei
dem no net, dann kummt dera Dirigent - bei dem a no net
- ober glei - jetzt, do san's die boaden Weiber - Regie
und Bühne - jetzat konnst schreia: Buh, buh !"
Nicht immer gibt es solche Einflüsterer für den Applaus:
Kommen alle Schwarzen gleichzeitig raus, fragt sich das
Publikum: "Who is who ?"
Sinnvoll wären da große Namensschilder, so wie bei
Nummerngirls.
Der Anblick dieser nähme auch jeder soeben vorgestellten
Tragödie die Spitze.
Die Personen
und ihre Darsteller,
der am 04. Mai 2006 besuchten
Vorstellung
|
Madame Flora,
genannt Baba |
Silvia Fichtl - |
Monica, ihre
Tochter |
Gesche Geier - |
Mrs. Gobineau |
Melanie Schneider - |
Mr. Gobineau |
Young-Wook Kim - |
Mrs. Nolan |
Mirna Ores - |
Der stumme Toby |
Maximilian Marufke - |
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Regie |
Doris Buske |
Musikalische
Leitung |
Jari Hiekkapelto
|
Bühne und
Kostüme |
Sascha Gratza |
Dramaturgie |
Christina
Schmidt |
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veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine
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verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen, sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu
Geglücktem oder Misslungenem. Neben Sachaussagen enthalten die
Texte auch Überspitztes und Satire. Für diese nehme ich den
Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch. In die
Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare
herauszufordern. Dieter Hansing
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