1964
Premiere des Fernseh-Dokumentarspiels 'In der Sache J. Robert
Oppenheimer'. Das Stück wird auch als Bühnenfassung in West- und
Ost-Deutschland ein Erfolg. Grundlage ist das Protokoll der
Vernehmung des 'Vaters der Atombombe', Robert Oppenheimer, durch den
Sicherheitsausschuss der US- Atomenergiekommission. Der Schwerpunkt
liegt auf der Frage nach der Verantwortung des Wissenschaftlers für
das Vernichtungspotential von technisch, chemischen Entwicklungen.
Von Friedrich Dürrenmatt bereits 1962
bei 'Die Physiker' verarbeitet, nimmt Kipphardt dies zwei Jahre später
als Grundlinie für sein Stück 'In der Sache J. Robert Oppenheimer'.
Kipphardt setzt Oppenheimer dem Kontrollorgan des US-amerikanischen
Senats und McCarthy aus, der dem Physiker vorwirft, mit den
Kommunisten im Bunde zu sein, die Entwicklung der Nuklearwaffen zu
behindern, somit den Russen in die Hände zu arbeiten.
Dürrenmatt lässt seine Figur Möbius sich ins Irrenhaus absetzen, in
dessen Sorge, die Menschheit könne mit den Konsequenzen seiner
Entdeckungen nicht umgehen.
Kipphardt hat sich Fakten zu Nutze gemacht, die Protokolle der
Befragungen in den US-Untersuchungsausschüssen aufzuarbeiten.
In beiden Fällen geht es um das Bestehen oder Vergehen der
Menschheit.
Und in beiden fällen geraten die Entwicklungen außer Kontrolle.
Dürrenmatt nutzt die Form der Farce, ein bedrückendes Problem, über
das Theater aufzuklären.
Möbius ist von zwei anderen Insassen umgeben, genauso wie er, nicht
irre. Alles sind nur Ablenkungsmanöver, der eine gibt vor, Newton zu
sein, der andere Einstein, alle drei versuchen, sich zu tarnen und
ihre Identität nicht preiszugeben. Sie schrecken selbst aus Angst
vor Aufdeckung vor Mord nicht zurück und so meuchelt jeder für sich
auch eine der Krankenschwestern.
Neben diese beiden Werke 'Die Physiker' und 'In der Sache J. Robert
Oppenheimer' könnte Brechts 'Das Leben des Galilei' gestellt werden.
Galileo schreibt über die zwei wichtigsten Weltsysteme, das
Ptolemäische und das Kopernikanische und muss sie und sich der
Kirche gegenüber verantworten. Das alte Prinzip der Scheibe ist
überholt, die Erde ist nicht mehr der Mittelpunkt des Sonnensystems.
Er widerruft seine Thesen unter dem Druck der Kirche, der seine
Tochter hörig ist.
Erst nach 500 Jahren ist die Kirche in der Lage, ihre
Fehleinschätzung zuzugeben und sich 'zu entschuldigen'.
Nicht zu vergessen: die Gentechnik und nicht zu vergessen, neben den
genannten Werken: Das Schauspiel 'Ich' von Rainer Lewandowski
- in der Spielzeit 2003/2004 in Regensburg uraufgeführt.
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'Ich'
von Rainer Lewandowski
Uraufführung
Theater Regensburg 05.12.03
'... und treiben mit
Entsetzen Scherz'
Ein hochrangiger Ethikrat beschäftigt sich mit der Frage
der Gentechnik - weg mit den alten Skrupeln - und ob die
EU mit Geldern, die auch aus Deutschland zur Verfügung
stehen, diese Forschung unterstützen darf, obwohl
hierzulande Bedenken bestehen.
Darf also der Autor Rainer Lewandowski die Problematik
in dieser leichten Form abhandeln, nur um ein weiteres
Stück seit seiner Zeit 'als Dramaturg noch in Hannover'
auf die Bühne zu bringen und um unbedingt aktuell zu
sein?
Lässt man das Thema beiseite, so zeigt Volkmar Kamm eine
leicht-füßige Inszenierung in den leicht beweglichen
Bauten von Tina Kitzing, die das Tempo noch erhöhen, in
denen aber auch 'Meine Schwester und ich' gespielt
werden könnte. Mit Barcodes auf gestapelten
Schuhschachteln.
Ständig wird von den Darstellern aufgebaut, umgebaut,
abgebaut, damit assoziiert: neues Leben schaffen,
verwerfen, vernichten und wieder neues kreieren.
Die abrupten Lichtwechsel von Klaus Herbert Welz
intensivieren zudem den Eindruck eines hastigen Ablaufs.
Alle Darsteller, Peter Heeg als Professor;
Peter Papakostidis als Doktorand und geklonter Sohn;
Arthur
Werner, der Assistent und Silvia Schuh, die junge
Wissenschaftlerin können dieser Vorgabe '... steigernde
Wirkung durch Beschleunigung des Tempos ...' kaum
entrinnen, um dem Stück mehr Tiefe durch ruhige Passagen
zu geben. Bei Frau Schuh zeigt sich außerdem deutlich,
wie eine Geschwindigkeitsüberdrehung der Sprache zu
Wortausfällen bis zur Unverständlichkeit des Textes
führt.
Außerdem ist es kaum vorstellbar, dass es in einem
wissenschaftlichen Institut derartig turbulent zugeht.
Die flott in Szene gesetzten zum Teil flapsigen Dialoge
des Stückes werden der Sache, über die die Welt
streitet, nicht gerecht. Und der Autor selber gibt vor:
'Ich bewundere sie, wie sie bei einem so heiklen Thema,
so locker scherzen können.'
Hätte mehr Ernsthaftigkeit geherrscht, wäre auch diese
Art von 'lieto fine' deutlicher zur Geltung gekommen.
So bleibt nur:
'Das Ganze war halt eine Farce und weiter nichts.'
(DH)
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Drei Wissenschaftler in einem
Schweizer Sanatorium im geschlossenen Teil unter Aufsicht einer
Ärztin:
Der eine von ihnen, geflohen vor der Welt mit seiner Formel, um die
Welt vor sich selber und seiner Erkenntnis zu schützen, die beiden
anderen hinter ihm her, um ihm seine Formel der Erkenntnis für die
Weltmächte zu entreißen. Drei Krankschwestern nähern sich den drei
Herren, verlieben sich in sie und müssen sterben, weil das Inkognito
in der Narretei sonst entlarvt würde.
Drei spielen eben die Narren, der eine sei Newton oder der andere
soll Einstein sein oder es erscheint dem letzten der König Salomon.
Sie entdecken sich selber den Miteinsitzenden - wissen, dass sie
durch die Morde dem Irrenhaus nicht entfliehen dürfen, würden sonst
angeklagt und die Welt ginge unter, denn 'alles was einmal gedacht
wurde, kann nicht zurückgenommen werden.'
Also lieber verrückt und gleichzeitig weise.
Die Leiterin des Sanatoriums jedoch durchschaut das Spiel, nimmt die
Weltformel an sich und will die Welt beherrschen.
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Theater Regensburg
27.10.06
Die Physiker |
'Die
Schwarzen' |
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Inszenierung |
Michael
Bleiziffer |
Bühne / Kostüme |
Frank
Lichtenberg |
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Die Personen
und ihre Darsteller, der am 27. Oktober 2006 besuchten
Vorstellung
gemäß Besetzungsaufstellung im Internet
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Fräulein Doktor
Mathilde von Zahnd |
Doris Dubiel |
Marta Boll |
Martina Mann |
Monica Stettler |
Anna Dörnte |
Uwe Sievers,
Oberpfleger |
Stefan Gad |
Herbert Georg
Beutler, genannt Newton |
Michael Haake |
Ernst Heinrich
Ernesti, genannt Einstein |
Hubert
Schedlbauer |
Johann Wilhelm
Möbius |
Oliver Severin |
Missionar Oskar
Rose |
Heinz Müller |
Frau Missionar
Lina Rose |
Silke Heise |
Richard Voß,
Kriminalinspektor |
Martin Hofer |
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Eine Herausforderung für jeden
Darsteller, jeden Regisseur, jeden Bühnenbildner - diese Story dem
Publikum darzubieten.
Die vernünftigen Spione, der vernünftige Forscher, alle verrückt
spielend, die normale Ärztin - in Wirklichkeit machtgierig und damit
verrückt.
Leider wird keiner der Darsteller dieser Forderung gerecht.
Der Zuschauer kommt sich vor, als nehme er an einer Leseprobe teil,
bei der die Darsteller schon etwas gestalten, ansonsten aber mit dem
Text beschäftigt sind.
Oliver Severin als der vernünftige, verantwortungsbewusste Forscher
Möbius mit dem Salomon-Tick - so schnell im Wort, zu agil, zu wenig
'malad' im Kopf - niemand nimmt ihm das geistige Siechtum ab.
Die Pause für ihn, das Überlegen, der Entschluss zum Mord an der
Krankenschwester - nicht erfasst und nicht 'rüber gebracht'. Die
Dame wird einfach so auf die Schnelle - ohne Vorbereitung -
abgemurkst.
Er hätte so viele Möglichkeiten, aus dem Text, Farben auszuspielen,
dem Zuschauer mit einem Augenzwinkern deutlich machend, er weiß
alles und versteckt sich im entscheidenden Moment hinter König
Salomon.
Ähnliches gilt für
Michael Haake - zwar bemüht er sich noch um einen
Wechsel zwischen gespieltem Irrsinn und der Normalität - aber auch er
nutzt die Möglichkeit nicht, über die Sprache die Farbe der Figur zu
verdeutlichen.
Befleißigte er sich als 'Licht' eben über die Diktion den
verschlagenen Kenner der Gerichtsszene darzustellen, bleibt er dies
als gespieltem Newton schuldig.
Auch Hubert Schedlbauer wird der Aufgabe als vorgegebenem Einstein
nicht gerecht, versucht er zwar über den Gang und die Körperhaltung
den Eindruck zu vermitteln, er sei der alternde große Physiker,
gelingt ihm die Abstufung über des Dichters Wort nicht.
Auch er zu normal, zu wenig das Normale dem 'Verrückten'
entgegensetzend.
Besonders deutlich wird das Nichterfüllen der Rolle bei
Doris Dubiel
- sie ist sie, wie sie ist.
Ob 'Courage', ob 'von Zahnd', ob 'Marte
Rull' - die Dubiel. Einzig 'die Tödin' in Taboris 'Mein Kampf' fiel heraus.
Bei der Ärztin gäbe
es Möglichkeiten die Menge, den Zuschauer an der Nase herumzuführen
und ihn dann mit dem Aufdecken der Anderen, durch die kopierte
Weltformel als Weltbeherrscherin zu erschrecken.
Der Text wird abgeliefert wie er im Büch'l steht, ohne eine Regung.
Martin Hofer als Kriminalinspektor Voß irritiert die Zuschauer
geradezu durch seinen Schweizer Dialekt, den kaum jemand schon wegen
der halsigen Tongebung und zusätzlich wegen des Sprach-Sing-Sangs
der Worte und ihrer Aussprache versteht. Es ist klar, dass der die
Mord-Fälle nicht klären wird.
Anna Dörnte - die Schwester Monica - plötzlich und mit Vehemenz zu
Möbius in Liebe entflammt - das nimmt ihr der Zuschauer nicht ab -
sie spricht 'Worte, nichts als Worte.'
Einzig die Szene mit der geschiedenen Frau Möbius, ihrem neuen
Ehemann und den drei Halbwüchsigen gelingt - wird sie auch dem
Anspruch gerecht, hier einer Komödie beizuwohnen, ohne dass nun
Lachstürme das Haus durchtoben müssten und sich das Publikum auf die
Schenkel klopft.
Silke Heise ist die verklemmte und doch aufgedrehte, nun
Pfarrersgattin Lina Rose - so eine Art 'Marlene Jaschke' mit dem Handtäschchen, einer
Frisur wie deren Kapott-Hütchen und dem typischen Getue der
Starfigur des Hamburger Tivoli-Theaters.
Neben ihr Heinz Müller mit seinem Mini-Text überzeugt als der verklemmte
Missionar Rose auf dem Weg in den Indischen Ozean.
So bleibt alles gestützt auf die Spieler der Nebenrollen - auch die
drei halbwüchsigen Möbius-Söhne charakterisieren das Elternhaus -
erst des Wissenschaftlers, dann des Pfarrers.
Alle drei verklemmte Existenzen - wahrscheinlich später im Leben -
Scheinheilige.
Dass man den neuen Wärtern im Hause Zahnd das Halbschwergewicht
abnehmen soll, kann nur der Wunsch des Regisseurs sein.
Zackig wie 'ein neuer Rechter' - Stefan Gad als Oberpfleger Sievers.
Außer bei ihm denkt der Zuschauer sich, ja, da muss ein anderer
kommen, mich mit Kraft zu hintergeh'n.
Auch wenn das Velodrom für Frank Lichtenberg als Bühnenbildner wenig
Möglichkeiten zur Verfügung hat, ist hier doch die frühere Zahnd'sche Villa - nun Sanatorium - nur ein Kasten mit Türen - im
Hintergrund die gemalte Alpenlandschaft - 'Oh Täler weit, oh Höhen
.... '
Regisseur und Oberspielleiter Schauspiel, Michael Bleiziffer, liebt die Massen auf
der Bühne und kann mit ihnen umgehen: 'Orestie', 'Faust', 'Peer
Gynt' und nicht zu Vergessen die 'Aida' am alten Kornmarkt -
Stücke wie 'Raub' oder 'Krug' fallen ihm schwer. So auch
hier wieder zu beobachten.
Eine deutliche Rollen-Charakterisierung bei vorgegebener
Wechselwirkung zwischen Normalität von Wissenschaftlern, die sie ja
alle, einschließlich des Fräulein Dr. von Zahnd, sind - und dem
Versteckspiel durch Überstülpen einer historischen Figur kann er vor
allem über die Sprache mit seinen Darstellern nicht erarbeiten.
Achtet man auf wechselnde und Zwischen-Töne - niemand hört sie.
Alles bleibt im Arrangement stecken
Aber die Regensburger fanden es trotzdem nett und applaudierten an
diesem Samstag lange.

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