Damals in Regensburg

28.10.2005

 
      Theater Regensburg
 
'Unsel'ger, was verblendet dich? Halt ein!'

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   Repertoire-Vorstellung 'Der fliegende Holländer'

 

Die neue, am 23. September 2005
Oberpf._Metropol-Theater_Kritik_'Der_fliegende_Hollaender'

vorgestellte Produktion vom 'Holländer' ist ja nun schon einige Male am Theater Regensburg gezeigt worden. Da anzunehmen ist, dass es sich immer wieder um neue Gäste handelt, die schauen und hören, so ist nicht verwunderlich, dass am Ende der Vorstellung das Publikum immer noch sprachlos dasitzt 'ja, ist’s denn jetzt zu Ende'.
Aber auch der Unbedarfteste musste feststellen, Senta hat sich erschossen, der Holländer ist weg, der Chor schaut betreten drein. That’s all.


Wie gut, wenn der verehrte Zuschauer und die verehrteste Zuhörerin den Text Richard Wagners nicht kennen. Glücklicherweise ist auch die Übertitelungsanlage nicht 'in use', so dass der zahlende Gast dem Dargebotenen folgt, ohne zu erkennen, um was es sich handelt. Kennte er den Text und Richard Wagners Intentionen, er griffe sich besorgt an den Kopf.

Der Vorhang öffnet sich, Steuermann und Kapitän Daland mit Regenschirmen bewaffnet, stellen sich Wind und Wetter, der Chor in seinen grauen Friesennerzen trotzt den Elementen. Dass aber ein Schiff, offensichtlich ausgestattet mit Navigationsgeräten – entsprechende Antennen weisen auf GPS oder wenigstens Decca-Navigation hin, sieben Meilen vom sichren Port treibt, der ja mit seinen Hochhäusern im unmittelbaren Hintergrund zu sehen ist, spricht nicht für die Navigationskünste des Norwegers. Immerhin erkennt er auf Sicht Sandwike als seine 'homebase' in der Nähe.

Der Herrenchor verschwindet durch einen Schiffsaufbau; der das Theater Regensburg verlassende Steuermann Brent L. Damkier schläft mit dem Gedanken an sein Mädel ein. Dieses nutzt der Holländer, mit Hilfe eines Lifts – bestehend aus dem H wie Holländer bzw. des Schiffsnamens SC-H-IFF'S, rückwärtig zu erscheinen und aufzutreten, der Monolog, wonach die Frist um ist, schließt sich an.

'Endlich Adam Kruzel' darf gesagt werden, seine Stimme, die das Theater Regensburg aus der Provinzialität heraushebt. Es dürfen René und Mandryka mit Spannung erwartet werden. Dass Adam Kruzel in einem indiskutablen Superman-Kostüm dem Publikum dargeboten wird, geht auf das Konto des ach so erfahrenen Regensburger Theaterdirektors Ernö Weil. Wie würde der wohl in dem Fummel aussehen. Aber hier geht es ja nur um den ersten Bariton des Hauses, den kann der Theaterdirektor ja ruhig der Lächerlichkeit preisgeben.

Aber Achtung:
'Mich dünkt ich seh' den Kapitän'

– Daland hat den Superman rechts vorne ausgemacht und stellt fest:
'so trieb auch dich der Sturm an diesen nackten Felsenstrand'

Mit letzterem sind wohl die Plattenbauten im Hintergrund gemeint mit ihren illuminierten Festerhöhlen.
Da der Holländer sich hier auf einem fremden Schiff - nämlich dem Dalands - befindet - hat er natürlich nicht Kisten und Kasten mit Perlen und Geschmeide zur Hand, um Daland zu beeindrucken, auch nicht den Vertreterkoffer bei sich wie weiland am Bundestagswahlabend 2002 beim Würzburger Holländer in der Inszenierung von 'Katrinchen Wagner'. Geschickt zieht er in Regensburg Ringe aus den Taschen, steckt diese sich an die Finger und lässt sie sich gleich von Daland abziehen und entwenden. Interessanter Regieeinfall.

'Das Wetter hat sich völlig aufgeklärt'
– heute würde man sagen: der Himmel hat aufgeklart -  gibt Richard Wagner vor und auch dass der Norweger Daland auf Geheiß des Holländers schon mal vorausfahren solle, er selber habe ein schnelles Schiff
'es holt dich sicher ein'

Der Holländer geht nach hinten ab. Aber Schiff bleibt Schiff, auf dem - nach dem Abgang durch den Deckaufbau auch der Matrosen - nach dem von den Regensburger Herren prächtig gesungenen
'Durch Gewitter und Sturm' 

- gleich die Chordamen erscheinen. Weiß gewandet, adrett mit Schürzchen, rot behandschuht und mit dem Putzeimer in gleicher Farbe.

Sie singen nicht mit dem Summen des guten Rädchens, sondern wischen und moppen um sich herum. Hier wäre doch nun die Gelegenheit gewesen, eine Werbung einzuschieben:
'die Fußbodenwischer wurden freundlicherweise von der Firma 'Life-Heut' zur Verfügung gestellt.'
Leider lässt die Theaterleitung die Gelegenheit ungenutzt vergehen, sei doch an ähnliche Möglichkeiten erinnert: Bierkasten einer hiesigen Brauerei in 'Mahagonny' oder der Jeep mitsamt weithin sichtbarem Namensaufkleber eines Autohauses am Sarchinger Weiher in der Bleiziffer-Inszenierung vom 'Besuch der alten Dame'.

Frau Mary, nach rotem, dem Programmheft beigelegten, Besetzungszettel, nach wie vor die Amme Sentas – wie das altersmäßig gehen soll, bleibt ungeklärt. Frau Fichtl kann Dalands Tochter kaum jemals die Flasche, denn die Brust gereicht haben – nun denn, es sei, Wichtigeres bereitet sich vor: Senta wird die Ballade vortragen, da ihre Aufforderung
'Frau Mary singt uns die Ballade',
seitens Frau Fichtl mit einem

'Bewahre Gott! Das fehlte mir'
kategorisch abgelehnt wird. Allein diese Stelle muss man mal von Anny Schlemm gesungen und dargestellt, gehört und gesehen haben. Da braucht in den meisten Fälle die Senta erst gar nicht mehr anzufangen.
Frau Fichtl jedenfalls macht's richtig, denn ihre Altstimme wäre für das Unternehmen
'Traft ihr das Schiff im Meere an'

wegen der hohen Lage nicht geeignet. Dagegen macht diese Piece Gail Sullivan richtig Freude, liegt ihr die ganze Partie gut. Auch an diesem Abend, keine Probleme und gerade mit den hohen Tönen nicht. Diese werden dem Publikum mit Sicherheit präsentiert, was sich dann letztlich im Schlussbeifall zeigt, den Frau Sullivan lächelnd entgegennimmt.

Die Chordamen gehen durch die einzige Luke ab, durch die gerade eben 'Erik, ein Jäger' aufgetreten ist. Ünüsan Kologlu ist als Gast aus der Türkei nach Regensburg gekommen, um sich der - wegen der hohen Tessitura - undankbaren Rolle des verschmähten Liebhabers anzunehmen.

Einem Gespräch mit Erik will Senta sich nicht stellen, sie will hinaus, 'den Vater zu begrüßen!
Wenn nicht wie sonst an Bord die Tochter kommt,
- wird er nicht zürnen müssen?'


Hier nun zeigt sich um ein weiteres Mal die Nicht-Stimmigkeit der Inszenierung, denn Senta befindet sich ja an Bord von Vaters Schiff. Wohin also soll sie sich wenden?
"Am besten ab!" Aber nein.
Erik, eigentlich schon dabei, sich durch mitgebrachte Pistole zu entleiben, denkt er doch schon an die später auf ihn zukommende schwere Stelle des
'Willst jenen Tags du nicht dich mehr entsinnen'

Er unterlässt den Suizid und
'stürzt voll Verzweiflung und Entsetzen' durch den Deckaufbau ab, durch den auch – etwas anderes als dieses Bremserhäuschen gibt es ja nicht auf diesem Kahn nicht, denn rings tobt ’der blanke Hans’ - also bleibt auch für den Holländer und Daland nichts, als hier auf die Bühne zu kommen.

Plötzlich hat Senta den Superman aus ihrem Comic-Heft leibhaftig vor Augen. Nachdem Daland den im Plus befindlichen Kontostand des Holländers seiner Tochter Senta in glühenden Farben geschildert hat, fühlt er, dass er lästig ist, lässt die beiden mit den besten Wünschen und entsprechende Gebärden, wie Daumen drücken, allein.
Johann Smarí Saevarsson – auch das Theater Regensburg einen ondit zufolge verlassend – überzeugt stimmlich wie darstellerisch, Höhe wie Tiefe machen keine Probleme – der Geld freudig entgegensehende Daland liegt ihm, schade, dass er bald nicht mehr mitspielt. Er hatte sich nach seinem 'Ochs' so gut entwickelt.

Der sich nun entspinnende Dialog Senta – Holländer findet im Meer statt, denn Senta öffnet die Reling, die Bühne als Schiffsdeck fährt herunter und die Liebenden können über den schwarz spiegelnden Bühnenboden schreiten, also übers Wasser gehen. Dass sich die Bühne dann dreht - soll wohl die emotionale Irritation diese Karussellfahrt andeuten. Schwer auszumachen, der Hintergedanke des Regisseurs aus Prag.

Zum Treueschwur mit dem für Senta hohen H am Ende der Szene ist man wieder an Deck, der Holländer schließt vorschriftsmäßig die Reling durch Vorlegen eines Riegels – später steigt ja Senta auf diese Barrikade und wäre das Gitter nicht gesichert, sie könnte böse fallen - und Daland verkündet, dass sich heute alles freuen werde.
Der auftretende Norweger-Chor nimmt dies bewegt auf und erquickt seinerseits das Publikum mit einem prachtvollen
'Steuermann! Laß die Wacht!'

Die Damen kommen hinzu, mit Häubchen auf dem Kopf, dass es aus der zweiten Reihe, zweiter Rang – immerhin für diesen Hocker 27 Euro die Karte – so aussieht, als hieße es: 'Frau Antje bringt Käse aus Holland'.

Nach dem vom Band ertönenden Chor des Holländer-Schiffes – schwierig in das spielende Orchester einzubinden – hat der Jäger Erik die undankbare Aufgabe, eben das oben schon erwähnte
'Willst jenen Tags'

Ekelhaft hoch, die ganze Cavatine, dann und auch noch 'dolce' das hohe B beim
'mir Liebe nicht auf’s Neu'

Was ist Richard Wagner da nur eingefallen, wer soll heute, wo die Orchesterstimmung um so viel höher liegt, als vor 150 Jahren, das noch singen? Eine einzige Quälerei – auch für Herrn Kologlu aus der Türkei.
Und für diese Partie hat Charles Hens, der derzeitige Paganini, einen Studierauftrag. Hoffentlich geht der Kelch des Erik an ihm vorbei, der José langt schon. Heute wusste das KBB noch nicht mit Sicherheit zu sagen, wer die Rolle in der Wiederaufnahme 'Carmen' am 3.12. singen wird.

Statt nun Mitleid mit dem armen Jäger Erik zu haben, tritt von hinten "leise, ganz leise" der Holländer hinzu und gibt alles und sich
'Verloren! Ach! Verloren'.

Nun hat er ja nicht mit Senta gerechnet, sie bleibt bei dem, was sie versprochen hat:
'treu (auf dem hohen H -) bis in den Tod',

auf dass auch sie damit Richard Wagners Lebensthema gerecht werde, dass eine Frau, einen Mann nun einmal durch den eigenen Tod zu erlösen habe.
Der Holländer zieht sich zurück, Senta eilt auf das Hinterdeck, legt Hand an sich und der Chor wendet sich befremdet ab.

Der Vorhang fällt – das Publikum ist wieder einmal ratlos, ob des Gesehenen, entschließt sich dann aber doch zu einem Applaus.
Und zu diesem erscheint GMD Raoul Grüneis – hatte er wirklich den Kragen seines Frackhemdes offen?
Sind das die neuen Sitten, reicht nicht, dass aktive Orchestermitglieder in den Pausen ihre Lieben im Foyer begrüßen?

 

 

DH