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Die neue, am
23. September 2005
Oberpf._Metropol-Theater_Kritik_'Der_fliegende_Hollaender'
vorgestellte Produktion vom 'Holländer' ist ja nun schon einige Male am Theater Regensburg
gezeigt worden. Da anzunehmen ist, dass es sich immer wieder um
neue Gäste handelt, die schauen und hören, so ist nicht
verwunderlich, dass am Ende der Vorstellung das Publikum immer
noch sprachlos dasitzt 'ja, ist’s denn jetzt zu Ende'.
Aber auch
der Unbedarfteste musste feststellen, Senta hat sich erschossen,
der Holländer ist weg, der Chor schaut betreten drein. That’s
all.
Wie gut, wenn der verehrte Zuschauer und die verehrteste
Zuhörerin den Text Richard Wagners nicht kennen.
Glücklicherweise ist auch die Übertitelungsanlage nicht 'in use',
so dass der zahlende Gast dem Dargebotenen folgt, ohne zu
erkennen, um was es sich handelt. Kennte er den Text und Richard
Wagners Intentionen, er griffe sich besorgt an den Kopf.
Der Vorhang öffnet sich, Steuermann und Kapitän Daland mit
Regenschirmen bewaffnet, stellen sich Wind und Wetter, der Chor
in seinen grauen Friesennerzen trotzt den Elementen. Dass aber
ein Schiff, offensichtlich ausgestattet mit Navigationsgeräten –
entsprechende Antennen weisen auf GPS oder wenigstens Decca-Navigation hin, sieben Meilen vom sichren Port treibt, der
ja mit seinen Hochhäusern im unmittelbaren Hintergrund zu sehen
ist, spricht nicht für die Navigationskünste des Norwegers.
Immerhin erkennt er auf Sicht Sandwike als seine 'homebase' in der
Nähe.
Der Herrenchor verschwindet durch einen Schiffsaufbau; der das
Theater Regensburg verlassende Steuermann
Brent L. Damkier schläft mit
dem Gedanken an sein Mädel ein. Dieses nutzt der Holländer, mit
Hilfe eines Lifts – bestehend aus dem H wie Holländer bzw. des
Schiffsnamens SC-H-IFF'S, rückwärtig zu erscheinen und
aufzutreten, der Monolog, wonach die Frist um ist, schließt sich
an.
'Endlich Adam Kruzel' darf gesagt werden, seine Stimme, die das
Theater Regensburg aus der Provinzialität heraushebt. Es dürfen
René und Mandryka mit Spannung erwartet werden. Dass Adam Kruzel
in einem indiskutablen Superman-Kostüm dem Publikum dargeboten
wird, geht auf das Konto des ach so erfahrenen Regensburger
Theaterdirektors Ernö Weil. Wie würde der wohl in dem Fummel
aussehen. Aber hier geht es ja nur um den ersten Bariton des
Hauses, den kann der Theaterdirektor ja ruhig der Lächerlichkeit
preisgeben.
Aber Achtung:
'Mich dünkt ich seh' den Kapitän'
– Daland hat den
Superman rechts vorne ausgemacht und stellt fest:
'so trieb auch dich der Sturm an diesen
nackten Felsenstrand'
Mit letzterem
sind wohl die Plattenbauten im Hintergrund gemeint mit ihren
illuminierten Festerhöhlen.
Da der Holländer sich hier auf einem
fremden Schiff - nämlich dem Dalands - befindet - hat er
natürlich nicht Kisten und Kasten mit Perlen und Geschmeide zur
Hand, um Daland zu beeindrucken, auch nicht den Vertreterkoffer
bei sich wie weiland am Bundestagswahlabend 2002 beim
Würzburger
Holländer in der Inszenierung von 'Katrinchen Wagner'. Geschickt
zieht er in Regensburg Ringe aus den Taschen, steckt diese sich
an die Finger und lässt sie sich gleich von Daland abziehen und
entwenden. Interessanter Regieeinfall.
'Das Wetter hat sich völlig aufgeklärt'
– heute würde man sagen:
der Himmel hat aufgeklart - gibt Richard Wagner vor und auch
dass der Norweger Daland auf Geheiß des Holländers schon mal
vorausfahren solle, er selber habe ein schnelles Schiff
'es holt
dich sicher ein'
Der Holländer geht nach hinten ab. Aber Schiff
bleibt Schiff, auf dem - nach dem Abgang durch den Deckaufbau
auch der Matrosen - nach dem von den Regensburger Herren
prächtig gesungenen
'Durch Gewitter und Sturm'
- gleich die
Chordamen erscheinen. Weiß gewandet, adrett mit Schürzchen, rot
behandschuht und mit dem Putzeimer in gleicher Farbe.
Sie singen
nicht mit dem Summen des guten Rädchens, sondern wischen und
moppen um sich herum. Hier wäre doch nun die Gelegenheit
gewesen, eine Werbung einzuschieben:
'die Fußbodenwischer wurden freundlicherweise von der Firma
'Life-Heut' zur Verfügung gestellt.'
Leider lässt die
Theaterleitung die Gelegenheit ungenutzt vergehen, sei doch an
ähnliche Möglichkeiten erinnert: Bierkasten einer hiesigen
Brauerei in 'Mahagonny' oder der Jeep mitsamt weithin sichtbarem
Namensaufkleber eines Autohauses am Sarchinger Weiher in der
Bleiziffer-Inszenierung vom 'Besuch der alten Dame'.
Frau Mary, nach rotem, dem Programmheft beigelegten,
Besetzungszettel, nach wie vor die Amme Sentas – wie das
altersmäßig gehen soll, bleibt ungeklärt. Frau Fichtl kann
Dalands Tochter kaum jemals die Flasche, denn die Brust gereicht
haben – nun denn, es sei, Wichtigeres bereitet sich vor: Senta
wird die Ballade vortragen, da ihre Aufforderung
'Frau Mary
singt uns die Ballade',
seitens Frau Fichtl mit einem
'Bewahre Gott! Das fehlte mir'
kategorisch abgelehnt wird. Allein diese
Stelle muss man mal von Anny Schlemm gesungen und dargestellt,
gehört und gesehen haben. Da braucht in den meisten Fälle die
Senta erst gar nicht mehr anzufangen.
Frau Fichtl jedenfalls macht's richtig, denn ihre Altstimme wäre für
das Unternehmen
'Traft ihr das Schiff im Meere an'
wegen der hohen Lage nicht
geeignet. Dagegen macht diese Piece Gail Sullivan richtig
Freude, liegt ihr die ganze Partie gut. Auch an diesem Abend,
keine Probleme und gerade mit den hohen Tönen nicht. Diese
werden dem Publikum mit Sicherheit präsentiert, was sich dann
letztlich im Schlussbeifall zeigt, den Frau Sullivan lächelnd
entgegennimmt.
Die Chordamen gehen durch die einzige Luke ab, durch die gerade
eben 'Erik, ein Jäger' aufgetreten ist. Ünüsan Kologlu ist als
Gast aus der Türkei nach Regensburg gekommen, um sich der - wegen
der hohen Tessitura - undankbaren Rolle des verschmähten
Liebhabers anzunehmen.
Einem Gespräch mit Erik will Senta sich nicht stellen, sie will
hinaus, 'den Vater zu begrüßen!
Wenn nicht wie sonst an Bord die Tochter kommt,
- wird er nicht zürnen müssen?'
Hier nun zeigt sich um ein weiteres Mal die Nicht-Stimmigkeit
der Inszenierung, denn Senta befindet sich ja an Bord von Vaters
Schiff. Wohin also soll sie sich wenden?
"Am besten ab!" Aber
nein.
Erik, eigentlich schon dabei, sich durch mitgebrachte Pistole zu
entleiben, denkt er doch schon an die später auf ihn zukommende
schwere Stelle des
'Willst jenen Tags du nicht dich mehr
entsinnen'
Er unterlässt den Suizid und
'stürzt voll
Verzweiflung und Entsetzen' durch den Deckaufbau ab, durch den
auch – etwas anderes als dieses Bremserhäuschen gibt es ja nicht
auf diesem Kahn nicht, denn rings tobt ’der blanke Hans’ - also
bleibt auch für den Holländer und Daland nichts, als hier auf
die Bühne zu kommen.
Plötzlich hat Senta den Superman aus ihrem Comic-Heft leibhaftig
vor Augen. Nachdem Daland den im Plus befindlichen Kontostand
des Holländers seiner Tochter Senta in glühenden Farben
geschildert hat, fühlt er, dass er lästig ist, lässt die beiden
mit den besten Wünschen und entsprechende Gebärden, wie Daumen
drücken, allein.
Johann Smarí Saevarsson – auch das Theater Regensburg einen
ondit zufolge verlassend – überzeugt stimmlich wie
darstellerisch, Höhe wie Tiefe machen keine Probleme – der Geld
freudig entgegensehende Daland liegt ihm, schade, dass er bald
nicht mehr mitspielt. Er hatte sich nach seinem 'Ochs' so gut
entwickelt.
Der sich nun entspinnende Dialog Senta – Holländer findet im
Meer statt, denn Senta öffnet die Reling, die Bühne als
Schiffsdeck fährt herunter und die Liebenden können über den
schwarz spiegelnden Bühnenboden schreiten, also übers Wasser
gehen. Dass sich die Bühne dann dreht - soll wohl die emotionale
Irritation diese Karussellfahrt andeuten. Schwer auszumachen,
der Hintergedanke des Regisseurs aus Prag.
Zum Treueschwur mit dem für Senta hohen H am Ende der Szene ist
man wieder an Deck, der Holländer schließt vorschriftsmäßig die
Reling durch Vorlegen eines Riegels – später steigt ja Senta auf
diese Barrikade und wäre das Gitter nicht gesichert, sie könnte
böse fallen - und Daland verkündet, dass sich heute alles freuen
werde.
Der auftretende Norweger-Chor nimmt dies bewegt auf und
erquickt seinerseits das Publikum mit einem prachtvollen
'Steuermann! Laß die Wacht!'
Die Damen kommen hinzu, mit
Häubchen auf dem Kopf, dass es aus der zweiten Reihe, zweiter
Rang – immerhin für diesen Hocker 27 Euro die Karte – so
aussieht, als hieße es: 'Frau Antje bringt Käse aus Holland'.
Nach dem vom Band ertönenden Chor des Holländer-Schiffes –
schwierig in das spielende Orchester einzubinden – hat der Jäger
Erik die undankbare Aufgabe, eben das oben schon erwähnte
'Willst jenen Tags'
Ekelhaft hoch, die ganze Cavatine, dann und
auch noch 'dolce' das hohe B beim
'mir Liebe nicht auf’s Neu'
Was ist Richard Wagner da nur eingefallen, wer soll heute, wo
die Orchesterstimmung um so viel höher liegt, als vor 150
Jahren, das noch singen? Eine einzige Quälerei – auch für Herrn Kologlu aus der Türkei.
Und für diese Partie hat Charles Hens, der derzeitige Paganini,
einen Studierauftrag. Hoffentlich geht der Kelch des Erik an ihm
vorbei, der José langt schon. Heute wusste das KBB noch nicht
mit Sicherheit zu sagen, wer die Rolle in der Wiederaufnahme
'Carmen' am 3.12. singen wird.
Statt nun Mitleid mit dem armen Jäger Erik zu haben, tritt von
hinten "leise, ganz leise" der Holländer hinzu und gibt alles
und sich
'Verloren! Ach! Verloren'.
Nun hat er ja nicht mit Senta gerechnet, sie bleibt bei dem, was
sie versprochen hat:
'treu (auf dem hohen H -)
bis in den Tod',
auf dass auch sie damit Richard Wagners Lebensthema gerecht
werde, dass eine Frau, einen Mann nun einmal durch den eigenen
Tod zu erlösen habe.
Der Holländer zieht sich zurück, Senta eilt auf das Hinterdeck,
legt Hand an sich und der Chor wendet sich befremdet ab.
Der Vorhang fällt – das Publikum ist wieder einmal ratlos, ob
des Gesehenen, entschließt sich dann aber doch zu einem Applaus.
Und zu diesem erscheint GMD Raoul Grüneis – hatte er wirklich
den Kragen seines Frackhemdes offen?
Sind das die neuen Sitten,
reicht nicht, dass aktive Orchestermitglieder in den Pausen ihre
Lieben im Foyer begrüßen? |