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Kommentar zum Tage:
09. Oktober 2011
'In der Soiree werden Werk und Inszenierung
mit musikalischen Kostproben vorgestellt'
- aus einer E-Mail des
Staatstheaters Braunschweig.
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Sonntag
Okt
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Ankündigung
Staatstheater Braunschweig
18.00
Soiree zu »Tristan und Isolde«
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Beteiligte:
Silvana Dussmann, Isolde
John Uhlenhopp, Tristan
Selcuk Hakan Tirasoglu, Marke
Oleksandr Pushniak, Kurwenal
Christopher Hein, musikalische Erläuterungen und Begleitung bei den
musikalischen Kostproben
Operndirektor Jens von Enzberg, Moderation
Die Fahrt durch Deutschland aus dem fast äußersten
Süd-Osten des Landes in den Nord-Nord-Westen der Republik dauert ca. 5
Stunden, man fährt mit der Straßenbahn zum Theater, steht dann vor dem
Haus und findet an der Front zwar Schaukästen mit Szenenfotos, aber
keinen Spielplan, man weiß nicht, was aktuell am Abend gegeben wird. Nur
an Seitentüren hängen Leporellos.
Das Haus ist um 17.00 Uhr geschlossen, man fragt beim Pförtner am
Bühneneingang, der meint, es würde erst eine halbe Stunde vor Beginn
geöffnet. Dann ruft er irgendwo an und erhält den Hinweis, 'Wir haben
schon offen'.
Rechtzeitig vor der Veranstaltung also wartet man dann mit anderen im
Foyer auf den Einlass in den Zuschauerraum, der dann um 17.50 erfolgt,
da bleibt bis 18.00 Uhr genügend Zeit, sich einen Platz zu suchen, der
Ansturm der Interessierten hält sich stark in Grenzen.
Im Gespräch über Oper sei immer wieder die Frage zu
beantworten, wie könne man Oper inszenieren. In diesem Zusammenhang
stehe der 'Tristan', der als schwer aufführbar gelte, an besonderer
Stelle. Nie sei eine Produktion als gelungen bezeichnet worden.
Daher müsse alles im Zusammenhang mit der Frage gesehen werden, was
wolle das Musiktheater, was könne es beim Publikum erreichen, wie weit
könne man gehen, was dem Publikum zumuten?
Die einzigartige Koexistenz von Musik und Sprache als höchster
Ausdrucksform fordere bei diesem Werk besonders heraus, zumal Wagner
selber die höchsten Ansprüche an sein Theater gestellt habe. Die
Impulse, die man dem Werk entnehme, seien eben auch nur schwer
vermittelbar. Es müsse versucht werden, die Liebe als existentielle
Grenzerfahrung, darzustellen - man sei damit nie am Ende und man müsse
die Fragen, die sich aus dem Stück ergeben - wer bin ich, wo stehe ich,
wohin will ich - weiterverfolgen. Als Wagner-Anfänger hoffe man, in ein
paar Jahren die 'Handlung' noch einmal, dann mit mehr Lebenserfahrung
inszenieren zu dürfen.
Die Arbeit an den Rollen des Stückes sei sehr schwierig, da diese hohe
Ansprüche stellten, textlich, sängerisch und dann hinzukommend die
szenischen Notwendigkeiten. Die Umsetzung des Gelernten auf die Bühne
würde alle Beteiligten lange beschäftigen, auch über die jetzige
Produktion hinaus, da ein Erfassen der Intentionen des Komponisten und
Textdichters beim ersten oder gar einzigen Mal des Darstellens und
Singens der Partien dieses Werkes nicht erreichbar, da der Fragenkomplex
unerschöpflich, sei.
Hinzu kämen die Anforderungen an die Sänger, die langsam zu derartigen
Partien hin-wachsen müssten, erst die sängerische Erfahrung brächte auch
ein Erfühlen, dessen, was darzustellen und zu singen sei.
Etwa bei der vierten Produktion eines Stückes bekäme man langsam das
Ganze des Werkes zu sehen. Bei dem ersten Kennenlernen, einem
Gegenübertreten des/r Sänger/in mit der Rolle sei es nahezu unmöglich,
einen allumfassenden Eindruck für sich selbst zu erarbeiten und den dann
an das Publikum weiterzugeben.
Eine gute Textwiedergabe spiele hier eine große Rolle, ohne das, bleibe
alles unverständlich.
Im Übrigen habe Wagner ja immer das Belcantistische der musikalischen
Interpretation hervorgehoben, so dass diese für Sänger wie auch Publikum
ein Genuss sein und bleiben solle.
Bewegungsabläufe unterlägen in ihren Möglichkeiten der Problematik der
Anforderungen, die das Werk in Fülle an die Sänger/innen stelle, daher
sei allein aus physischen Gründen nicht alles möglich.
Das Packende an der Geschichte von 'Tristan und Isolde',
deren Quellen bis ins Mittelalter zurückreichen, sei der Anreiz, sie
immer wieder neu zu erzählen. Das ergebe sich nicht aus der äußeren
Handlung, sondern der Zugang sei über die Musik zu finden. Sehr
schwierig, Inhalte der Musik für das Publikum sichtbar zu machen und
dabei die Geschichte zu erzählen.
Isolde liebt Tristan, meint sich aber die Liebe nicht eingestehen zu
dürfen, sie lebe mit einem politischen Auftrag, sei Rächerin ihres
Verlobten. Ihrer Liebe sei sie geradezu ausgeliefert.
Tristan sei der Verlorene, der nach Geborgenheit strebe, ein zerrissener
Mensch, der seine Sehnsüchte nicht erfüllen könne.
Gerade der 'Tristan' behandle nicht nur eine - zwar in sich
problematische - Liebesgeschichte, aber eben nicht nur die Frage eines
Verhältnissen von zwei Menschen zueinander, sondern noch mehr darüber
hinaus.
Das Werk beschäftige sich mit den Fragen des Menschseins.
Wer kennt sich schon selber oder den anderen.
Man habe sich im Rahmen der Inszenierungsarbeit über
sieben Wochen mit einer 'Utopie der Liebe' auseinandergesetzt, mit einer
Liebe, die in dieser Welt nicht möglich sei. Tristan sei der erste, der
diese Liebe in Abrede stelle und sterben wolle. Diese Welt vertrage
diese Liebe nicht, für diese Liebe brauche man eine andere Welt.
Äußerlichkeiten wie Ruhm und Glanz wolle er vernichten, damit er die
wahre Liebe mit Isolde leben könne, in einer neuen Welt, in die
Gegenwart dringt dann König Marke ein mit der vorgegebenen äußeren
Ordnung.
Immer wieder seien die Theater auf der Suche nach einer Lösung für den
'Tristan'.
Fazit:
Analyse und Hermeneutik sind Sache der Wissenschaftler.
Die Umsetzung eines theatralen Werkes in Bild und Aktion sind Sache von
Bühnenbildnern, Regisseuren und Choreographen.
Diese Disziplinen zusammenfügen zu wollen, hat sich Frau Dr. Yona Kim
als Wagner-Anfänger-Regisseurin vorgenommen.
Warten wir ab, ob es ihr gelingt, analytisches und kreatives Denken zu
einem Ereignis vereinen zu können.
Glücklicherweise sind ja letztlich Sängerdarsteller mit der Hauptaufgabe
betraut, Richard Wagners Willen auszuführen, hinter dem jeder andere
zurückzustehen hat.
Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
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Ich verstehe diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik
um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.
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