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Regensburg
- Theater am
Haidplatz
Gotthold Ephraim
Lessing
Nathan der Weise
Regie: Gudrun Orsky
Bühne und Kostüme: Karlheinz Beer |
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Gotthold Ephraim Lessing
- geboren 1729 in Kamenz, 1791 in Braunschweig gestorben -
schuf als Begründer des deutschen klassischen Theaters mit 'Miß
Sara Sampson' ein Schauspiel, in welchem er
der Lichtgestalt
Sara erstmalig einen fraulich-reifen Chraktertypus in der
Marwood entgegenstellt und die Emilia sieht sich in 'Emilia
Galotti' der Gräfin Orsina gegenüber.
Schiller übernahm in 'Kabale und Liebe' dieses Schema. Er
konfrontierte Luise Miller mit der Lady Milford und Goethe
kreierte das gegensätzliche Frauen-Paar Maria / Adelheid.
Das Hell-Dunkel-Schema fand Einzug in die Opernlibretti. Bei
Carl-Maria von Werbers 'Euryanthe' muss sich die Titelfigur mit Eglantine auseinandersetzen und Richard Wagner sieht die
Venus als Counterpart zur Elisabeth im 'Tannhäuser' und im
'Lohengrin' die Elsa der Ortrud gegenüber gestellt.
Von 1767 war Gotthold Ephraim Lessing
Dramaturg am Hamburger Nationaltheater bis ihn der
Braunschweiger Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand 1770 als
Bibliothekar nach Wolfenbüttel berief.
Lessings 'Minna
von Barnhelm' wurde in Hamburg uraufgeführt und es entstand
die Mitschrift der Vorstellungen als 'Hamburger Dramaturgie'.
Im Laufe dieser Hamburger Zeit machte Lessing Bekanntschaft mit
Klopstock, Herder, Claudius und Hermann Samuel Reimarus -
einem Professor für orientalische Sprachen.
Dessen Kinder überließen beim Tod des Vaters Lessing eine
Sammlung von mehr als 1.000 Blättern aus Schriften, die
Lessing nach der Annahme der Stelle eines Bibliothekars an
der Wolfenbütteler 'Bibliotheka Augusta' unter ‘Fragmente eines Ungenannten’
veröffentlichte.
Reimarus hatte sich in seinen Schriften mit Fragen der
Religion auseinandergesetzt und unter dem Zeichen der
Vernunft und der Aufklärung Aussagen auch des Alten
Testaments in Frage gestellt.
Lessing gab diese Texte heraus unter den Titeln:
- Von der Verschreiung der Vernunft
auf den Kanzeln
-
Unmöglichkeit einer Offenbarung, die alle Menschen auf eine
gegründete Art glauben können
-
Durchgang der Israeliten durch rote Meer
-
Dass die Bücher des A.T. nicht geschrieben wurden, eine
Religion zu offenbaren
-
Über die Auferstehungsgeschichte
Nach Reimarus sollte der Vernunft ihr Recht
widerfahren und alles unter den Gesichtspunkten der Vernunft
überprüft werden - auch die Bibel. Der Vernunft-Glaube will
die Leicht-Gläubigkeit ersetzen durch einen denkenden
Glauben. Die biblischen Wunder seien weder Beweise, noch
Mysterien des Glaubens, sie ließen sich natürlich bzw.
vernünftig erklären, man sollte sie nicht länger als Stützen
des Glaubens aufbrauchen.
Wie das Wunder der Auferstehung mit Vernunft nicht zu
erklären ist. Handelst es sich dabei doch um ein
Betrugsmanöver der Apostel.
Oder - um etwas aus der heutigen Zeit anzusprechen - in
wieweit lässt sich das Dogma von der leiblichen Himmelfahrt
Marias vernünftigen Menschen fassbar machen.
Über diese Veröffentlichungen Lessing entspann sich ein
jahrelanger in Publikationen ausgetragener Streit zwischen
Lessing und einem Pastor Götze in Hamburg, der um die
Fundamente des Glaubens fürchtete.
Gotthold Ephraim Lessing
*1729 in Kamenz
*1781 in Braunschweig
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Da diese Diskussion eskalierte und der
Erbprinz um seine Reputation fürchtete, verbot dieser seinem
Bibliothekar weitere Schriften. Zunächst ließ Lessing im
Ausland in Hamburg und Berlin seine Repliken auf die anwürfe
eines Pastors der Hamburger Katharinenkirche, Johann
Melchior Goeze, drucken, dann aber wurden auch diese
ortsfremden Veröffentlichungen untersagt.
Es standen sich zwei unversöhnliche Parteien gegenüber - die
orthodoxe Buchstabengelehrsamheit des Pastors Goeze, die
stur auf den Machtinteressen von Staat und Kirche beharrte
und aufseiten Lessings die Verfechter einer kritisch
gebrauchten Vernunft, die als einzige Autorität nur sich
selbst verpflichtet ist und der sich auch Staat und Kirche
nicht entziehen können.
Wohl gibt es keine einzig wahre Religion und die
Überlieferungen basieren nicht oder nicht nur auf einer
historisch-realen Handlung, damit seien die Evangelien
ausschließlich symbolhafte Leitfäden für eine spirituelle
Entwicklung, in denen unterschiedliche antike Mythen, Motive
des alten Testaments und möglicherweise Fragmente
unterschiedlicher Lebensgeschichten eingearbeitet wurden.
Lessing suchte nach einer Möglichkeit, die dem Pastor Götze
mit Predigten von seiner Kanzel gegeben war, sich zu äußern
und fand sie im Theater.
Am 11. August 1778 schreibt er an seinen Bruder Karl:
„[...] Ich habe vor vielen Jahren einmal ein Schauspiel
entworfen, dessen Inhalt eine Analogie mit meinem
gegenwärtigen Streitigkeiten hat, die ich mir damals wohl
nicht träumen ließ.
[...] Ich möchte zwar nicht gern, daß der eigentliche Inhalt
meines anzukündigenden Stücks allzufrüh bekannt würde; aber
doch , wenn Ihr, Du und Moses, ihn wissen wollt, so schlagt
das Decamerone des Bocaccio auf: Giornata I. Nov. III
Melchisedeh Giudeo. Ich glaube, eine sehr interessante
Episode dazu erfunden zu haben , daß sich alles sehr gut
soll lesen lassen, und ich gewiß den Theologen einen ärgeren
Possen damit spielen will, als noch mit zehn Fragmenten.
[...]“ (LSS XVIII, 285f.)
In seinem letzten Lebensjahrzehnt widmete
sich Lessing vornehmlich dem Kampf gegen den Dogmatismus der
Kirche und die Einmischung der Theologen in alle Bereiche
des Lebens.
Deutlich wird dies auch in einem Brief an Karl Lessing vom
18. April 1779:
"Es kann wohl seyn, daß mein Nathan im Ganzen wenig
Wirkung thun würde, wenn er auf das Theater käme, welches
wohl nie geschehen wird. Genug, wenn er sich mit Interesse
nur lieset,
und unter tausend Lesern nur Einer daraus an der Evidenz und
Allgemeinheit seiner Religion zweifeln lernt." (LSS
XVIII, 304)
1783 - zwei Jahre nach seinem Tod - wird Lessings Nathan in
Berlin uraufgeführt.
Kant veröffentlicht im selben Jahr seine ‘Kritik der reinen
Vernunft’, Schillers Räuber werden in Mannheim dem Publikum
vorgestellt, in Wien geht Mozarts ‘Entführung aus den
Serail’ zum ersten mal über die Bühne.
Besetzung 08.10.04 -
Theater Regensburg |
Nathan |
Peter Heeg |
Recha |
Anna Dörnte |
Daja |
Silvia van Spronsen |
Saladin |
Oliver Severin |
Sittah |
Silvia Schuh |
Derwisch |
Huber Schedlbauer |
Patriarch |
Heinz Müller |
Klosterbruder |
Christian Ballhaus |
Tempelherr |
Arthur
Werner |
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Die
Inszenierungen
Gerade nach 1945 erhielt Lessing's Nathan einen besonderen
Stellenwert, als die Gräuel des deutschen Rassenwahns noch
gar nicht richtig, eben erst langsam, erfassbar wurden.
Problematisch hier die Gefahr, über ein Schauspiel die
Bewusstmachung und Verarbeitung von Schuld nur zu
verdrängen. Spricht Nathan von Gath als der Stätte seines
Unglücks, wo Christen ihm die Familie ermordeten, so weiß
jeder - heute mehr noch als am 7. September 1945 als der
71-jährige Paul Wegener in der Regie von Fritz Wisten am
Deutschen Theater in Ost-Berlin den Nathan spielte - dass
hinter diesem Ort Theresienstadt, Auschwitz oder Flossenbürg
stehen und die Worte des Patriarchen: "Tut, nichts, der Jude
wird verbrannt" eben weil er ein Jude ist, die das Grauen
noch verdeutlichen.
Legt man den aktuellen Spielplan der deutschen Theater zu
Grunde, so kann der Nathan z.B. in Wilhelmshaven wie auch in
Münster besucht werden. Wie nun die Theater Lessing's Stück
auf die Bühnen bringen, ist auf die unterschiedlichste Weise
möglich. Es kann wie ein Märchen aus 1001-er Nacht, oder
ohne jeden historischen Background gegeben werden, es kann
heute spielen - mit einem Nathan als Mahner eingedenk der
Judenvernichtungen im 3. Reich, oder mit einer Verbindung
zum jetzigen Jerusalem als Anklage.
1981 versuchte Wiesbaden, den Nathan als boulevard-nahe
Verwechslungskomödie einzurichten. Im gleichen Jahr
inszenierte Claus Peymann den Nathan bildstark, was von der
Kritik als Effekthascherei bezeichnet wurde. Ein Laufsteg
von der Bühne in den Zuschauerraum, an dessen Ende Lessing
als Puppte saß.
In Stuttgart wurde 1982 auf den Zeitgeschmack Rücksicht
genommen, als die Darsteller in Punk- und
Hippie-Kostümierung auftraten und in Essen wurde 1986 die
Härte der Sicht gepriesen, da nach Auschwitz zu diesem Thema
kein Lustspiel mehr möglich sei.
In der letzten Zeit setzte sich der Trend einer auf das
historische Fundament aufgebauten Realisierung durch.
Verfremdungen oder das Aufsetzen von Ergänzungen wie in 1988
in München, wo eine Gruppe Schwarzgewandeter die
Schauspieler mit Judenstern auf die Bühne jagten, wurden als
Übertreibungen und als unnötiges Beiwerk verurteilt.
Ernst von Kraus -
ehemals Schauspieler am
Theater Regensburg
als Nathan
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20:45
/
Israelische Soldaten töten zwei Extremisten und elfjähriges
Mädchen
16:41 /
30 Tote bei Bombenterror gegen Israelis in Ägypten
12:40 /
Sechs Palästinenser im Gazastreifen getötet
10:00 /
Bombenterror gegen Israelis im Touristenparadies
Das sind
die Facts am Tage der Premiere des Nathan in Regensburg.
Will das Publikum die Mahnung Lessings nicht mehr hören,
lacht es über dessen Worte, waren es Übersprungreaktionen
oder war das Publikum gerademal und irgendwie verkichert.
Die Situation, die Problematik des Stückes konnte jedenfalls
nicht vermittelt werden.
Die Leute amüsierten sich einfach nur.
Natürlich kommt die Auflösung der Handlung - wer ist wer und
wer mit wem - Figaros Hochzeit (3. Akt, 5. Szene) und den
Stücken dieser Zeit nahe und ist ähnlich.
Gerade dies ist heute schwer nachvollziehbar.
Das Bühnenbild von Karlheinz Beer mit der Wand voller
Konterfeis und dem Wohnzimmer als Stuhllager reißt das Werk
zusätzlich noch in eine undefinierte Zeit und hat weder mit
der einer Kreuzritterperiode noch sonst etwas zu tun.
Warum diese krampfigen Aktualisierungen beim Bühnenbild?
Halbheiten führen zu nichts, wenn nicht zu
Missverständnissen bei den Zuschauern.
Es sei denn, alles wird so deutlich ins heute mit dem
Kreuzzug von George Bush übertragen. Dann müssten die Bilder
wie auch die Kostüme massiver martialisch wie auch die Gänge
der Darsteller heftiger sein. Dann würde die Freude dem
Publikum im Halse stecken bleiben.
Oder eben, um dem Stück eine Chance zu geben, Bühne und
Kostüme in der Zeit Lessings, in der der Handlung oder eben
überzeitlich, für diese stets gültige Mahnung.
Die Figuren, von der Regisseuren Gudrun Orsky
heruntergebrochen aufs Normale, vermitteln nicht den
Eindruck, etwas Außergewöhnliches zu sein.
Jeder wie er geht, wie er steht wie im wirklichen Leben.
Sprache, Gänge, nichts, was die einzelnen Charaktere der
Figur hervorheben könnte. Von Poesie, von fünfhebigem Jambus
auch keine Spur. Der Text gekürzt, das Spiel fokussiert auf
den kleinen Haiplatz-Raum hätte dem Stück Dichte bringen
können, die sich in atemlosem Staunen ob dieses ewigen
Sinngedichts äußert.
Das Gegenteil ist der Fall.
Silvia van Spronsen als Dajah erntet Lachsalven, wenn
sie mit dem ihr eigenen Sing-Sang in der Wortgebung, den
Text vorträgt. Auch hier wieder - es war schon mal gesagt
bei 'Hase-Hase' - "je schrulliger, desto van Spronsen".
Sie hebt den Rahmen von Lessings dramatischem Gedicht auf.
Mit ihrem Auftritt - und das somit von Anfang an - ist der
Bann gebrochen, es kann auftreten, wer will, alles wird vom
Publikum als Jokus aufgefasst. Der Zugang zum Werk der
Aufklärung ist verstellt. Das Ensemble versucht auch gar
nicht, dagegen anzuspielen.
Ernst Deutsch als Nathan |
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Heinz
Müller / der Patriarch im Gewand von Pius XII trippelt
einher, wie sonst auch. Sein Auftritt, seine Aussage: "der
Jud' muss brennen" wird mit Gelächter aufgenommen. Der
Hinweis, nur was der Kirche nützt, ist erlaubt, kommt beim
Publikum außerordentlich gut an, erntet einen
Heiterkeitserfolg.
Beschaulich, bescheiden, in seinem Ganzen: Peter Heeg
als Nathan. In der Sprache ein gemütlicher Parabelerzähler.
Die Ausstrahlung eines Menschen, der sich über Ressentiments
hinwegsetzt, sucht man.
Der junge Tempelherr / Arthur Werner kann mit sich
nicht viel anfangen und schon gar nicht, in der Szene der
Auflösung und Erkenntnis, dass er auch noch der Bruder der
Recha ist. Kein momentanes Erschrecken über diese Tatsache
oder Resignation. Eher: 'Na gut, dann ist sie eben meine
Schwester.'
Der ewig bankrotte Sultan - Oliver Severin - brav
sagt er seinen Text auf und führt sein schönes Gewand
spazieren. Hubert Schedlbauer, darf mit seine
'nackerten Füß' auf einen Stuhl und im Kreuzsitz darauf
Platz nehmen, das ist dann der Derwisch. Entnommen scheint
er in der Darstellung dieser Rolle dem Tabori-Kampf.
Der Klosterbruder von Christian Ballhaus, ein Mönch,
wie sie halt so sind, den eigenen Vorteil nicht außer Acht
lassend. Seine Szene mit Nathan 'Du bist Christ' hebt sich
allerdings positiv von dem Übrigen ab.
Silvia Schuh - ganz des Fürsten Schwesterlein Sittah
- elegant, schön, neben Anna Dörnte als Recha, ein
Gretchen, lieb nett, jugendlich versponnen "in lichter
Waffenscheine ein Ritter nahte da".
Vehementer, lang anhaltender Beifall.
Erschreckt zurück zum Schreibtisch und nochmals gefragt, was
war da geschehen ?
Beginnt
die Menschheit einen Tanz auf dem Vulkan, ahnend, dass ihr
über kurz oder lang der Himmel auf den Kopf fallen kann ?
Kann sie alles
nicht mehr ernst nehmen ? Ist es Hysterie ? Wollte die
Regisseurin diese Linie - es wäre nicht zu glauben.
Unabhängig von allem nicht Fassbaren - mit seinem Licht
zauberte Sebastian Ahrens wechselnde Bilder und Stimmungen
in den Bühnenraum.
Man hätte es dabei belassen sollen und nicht Lessing's
Nathan zu Feydeau's 'Floh im Ohr' machen. Das ist das
Ergebnis, wenn kleine Regisseure große Werke klein machen,
um selber groß zu erscheinen.
In dem Zusammenhang sei erinnert an die missglückte
Orsky-Inszenierung von 'Freunde, das Leben ist lebenswert.'
DH
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