Regisseurin Angela Brandt stellte
'ruhig und besonnen' ihr Konzept der Neuproduktion des
'Don Giovanni' vor. Die Kardinalfrage, die bei
Werkeinführungen immer gestellt werde, das sei ja 'alles
schön und gut, was Sie da erzählen, aber wie sieht denn
das dann auf der Bühne aus. Wie modern wird es denn?'
(Gelächter im Publikum).
Hier habe Sie immer etwas Bauchschmerzen. Es komme auf
das Stück an. Es gebe Stoffe, die über die Jahrhunderte
immer aktuell geblieben seien, egal aus welcher Sicht
man sie betrachtet, von welcher Gesellschaftsschicht,
aus welcher politischen Sicht, aus welcher moralischen
Sicht - man fände immer interessante Punkte, die auf die
momentane, aktuelle Zeit zuträfen. 'Sonst wäre das Stück
schon längst in die Vergessenheit gerutscht.'
Man habe sich beim Theater Regensburg 'lange damit
abgequält wie wir es spielen werden'. Dann sei man zu
der Entscheidung gekommen, man wolle die
Allgemeingültigkeit erhalten und versuchen, einen
relativ zeitneutralen Raum zu finden. Dieser sei die
relativ nackte Bühne dieses Theaters, schwarz
ausgehängt, mit einem großen roten Feuerring dazu.
Da in diesem Hause eine wunderbare Technik funktioniere
- 'da kommen wir an einen neuralgischen Punkt, die aber
nicht immer funktioniert - haben wir uns entschlossen,
mit dieser wunderbaren Technik zu spielen.' Es werden
also die Hubpodeste benutzt, um mit diesen die schnellen
Verwandlungen, Auftritte und Abgänge zu ermöglichen und
um die vom Stück her vorgegebenen 'unnatürlichen
Räumlichkeiten' in diesem variablen Bühnenbild
darzustellen. Umbauten gäbe es kaum, der Vorhang müsse
für Szenenwechsel nicht fallen, was sonst ca. 30
Wartezeiten hervorriefe und was für das Stück tödlich
sei.
Das Rot des Feuerrings kehre in den Kostümen wieder, bei
den Damen rot/weiß/schwarz - Don Giovanni in weiß 'nicht
als die Unschuld'. Die Kostüme als solche seien schick
und an 'heute' orientiert, was sich in der Vermeidung
von Kosten niederschlage, da historische Gewänder pro
Person bis zu 3000 Euro kosteten, bei 24 Personen Chor
sowie acht Solisten, wobei jeder zwei Kostüme brauche,
hochgerechnet seien das 40 Kostüme - dies sei bei der
schlechten finanziellen Ausstattung des Theaters
Regensburg nicht darstellbar.
Die vom Publikum nicht gestellte Frage nach dem
'Steinernen Gast' wollte Frau Brandt auch gar nicht
beantworten, denn es solle eine Überraschung sein, wie
dies szenisch lösbar sei.
Gespielt werden solle zwar die Prager Urfassung, aber
man habe sich entschlossen mit dem 'Dalla sua pace' -
obwohl die Arie ja Teil der Wiener Fassung sei, 'wenn
der Tenor gesund wird.' Frage eines Abonnenten: 'und
wenn nicht?' - Antwort der Regisseurin, dann falle die
Arie heraus.
Sie selber sei wie die Sänger erkältet und das Wetter
tue das Übrige dazu - der eine Tenor - Herr Damkier -
könne zur Zeit überhaupt nicht singen 'wir wissen nicht,
ob er gesund wird zur Premiere, das ist momentan die
große Frage'.
'Wir haben einen neuen finnischen Kollegen engagiert,
der jetzt in Windeseile den Ottavio nachlernt, aber auch
erkältet ist.'
(Gelächter im Publikum. Offensichtlich sind die
Herrschaften sich nicht im Klaren darüber, dass sich
eine Erkältung für einen Sänger existenzbedrohend
auswirken kann oder lacht man darüber, dass der Tenor
jetzt erst die Rolle 'in Windeseile' lernt.)
Es stellt sich allerdings die Frage: Welche Arie meint
die Regisseurin: Wenn die Nr. 10 a - 'Nur ihrem Frieden'
(Dalla sua pace) schon ein Problem darstellt, was ist
dann mit der 21?
Weiter führt die die Frau Regisseurin aus: 'Und wenn
beide Sänger krank sind, werden wir diese Arie nicht
bringen, weil die wirklich stimmlich so eine
Herausforderung ist, dass man sie in dem kranken Zustand
nicht singen kann.' Man könne die Vorstellung wegen
Krankheit nicht absagen, dann verzichte man auf die
Arie, spiele die Prager Urfassung ohne die Arie.
Und der Abonnent fragt sich: Kommt aber die 21 b, dann
spielt das Theater Regensburg doch nicht die Prager
Ur-Fassung, denn die 21 b - 'Elvira-Rezitativ und Arie'
- komponierte Mozart am 30. April 1788 bei der Wiener
Aufführung für die Sängerin Caterina Cavalieri hinzu.
So wie es sich jetzt in Erwartung der Regensburger
Premiere am 10.2.06 darstellt, wird es mit der 21 b und
ohne den Tenören, somit ohne der 21, auf eine
'Regensburger Fassung' hinauslaufen.
Auf die Übertitelung habe Regisseurin Angela Brandt
keinen Einfluss genommen, sie vertraue da ganz auf die
Dramaturgin. Auf den Hinweis des Abonnenten, dass in
Regensburg z.B. bei der 'Carmen' auf der Bühne etwas
anderes ablaufe, als die Übertitelung anzeige, meinte
Frau Schmidt als verantwortliche Dramaturgin, es werde
wohl beim 'Don Giovanni' nicht solche Diskrepanzen
zwischen dem Geschehen auf der Bühne und der
Übertitelung geben wie bei der 'Carmen'.
Fazit: Regensburg und seine Bürger wie die im
kulturellen Einzugsgebiet haben ein besseres Theater
verdient, als das Theaterdirektor Ernö Weil auch wegen
des kümmerlichen Etats zu bieten im Stande ist.
Es nicht zu fassen:
Er engagiert einen Tenor, der den Ottavio - nach Aussage
der Regisseurin - zur Zeit - acht Tage vor der Premiere
- 'nachlernt'.
Dass diese Partie nicht nur notenmäßig erfasst werden,
sondern - gerade in Bezug auf die Arie Nr. 21 'Folget
der Heißgeliebten' - 'in den Hals geübt werden muss',
möge ihm doch vielleicht die erfahrene Mechthild
Gessendorf - die Gattin - verdeutlichen.
Der neue Ottavio - bedauernswerter Kalle Koiso-Kanttila
- 'da, spring und sing. Wenn's nicht geht - dann eben ex
und hopp'.
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Don Giovanni - 29. Oktober 1787 die Uraufführung in
Prag, 7. Mai 1788 die erste Aufführung in Wien - und
bereits am 15. Juni 1788 spielt Leipzig das Stück, noch
in italienischer Sprache, nach.
Bereits die Wiener Aufführung unterscheidet sich durch
die musikalischen Einschübe von der Uraufführung. Nichts
im Gegensatz zu dem, was Christian Gottlob Neefe
(Singspielkomponist, Hofkapellmeister in Bonn und Lehrer
Beethovens, später Theaterkapellmeister in Dessau) mit
seiner deutschen Fassung im gleichen Jahr - 1788 - aus
Mozarts /Da Pontes ‘Don Giovanni’ macht.
‘Don Juan, der bestrafte Wüstling oder
Der Krug geht solange zu Wasser bis er bricht’
'Eyn Singspiel in zwey Aufzügen'
Personen:
- Hans von Schwänkereich, ein reicher Edelmann
- Fräulein Marianne, Geliebte des Herrn von Fischblut
- Der Stadtgouverneur, Vater des Fräulein Marianne
- Fräulein Elvire aus Burgos, ein von Herrn von
Schwänkereich verlassenes Frauenzimmer
- Fickfack, Bedienter des Herrn von Schwänkereich
- Gürge, ein Bauer, Liebhaber von
- Röschen, einer Bäuerin
Wichtig an diesem Theaterzettel ist die Bezeichnung ‘Eyn
Singspiel’.
Im 18. Jahrhundert entsteht das Singspiel aus der
Vorlage der englischen Beggars Opera, beeinflusst durch
die französische Opéra Comique. Das Schauspiel mit
Musikeinlage, gelungen oder nicht, hing ab von den
stimmlichen Möglichkeiten der Schauspieler.
Die Tugend der Bürger wurde thematisiert, die ländliche
Unschuld gegenüber der Dekadenz der Höfe.
Am 13. März 1789 lässt der Intendant des Mainzer
Nationaltheaters Friedrich Karl von Dahlberg den 'Don
Giovanni' aufführen, am 3. Mai 1789 in Frankfurt in
einer deutschen Übersetzung nachspielen.
Diese stammt von Heinrich Gottlob Schmieder, er
übernimmt stellenweise die Vorlage von Neefe, mildert
den Text ins Sentimentale, und moralisiert erheblich.
Aus Molières ‘Don Juan’ übernimmt Schmieder die
Schauspiel-Szene mit dem Gerichtsdiener und die mit dem
Juwelier, dem Don Juan Geld schuldet.
In Mannheim wird am 27. September 1789 eine drastischere
Fassung von Neefe gespielt, zwischen beiden liegt die
Revolution in Frankreich, die sich z.B. darin
dokumentiert, Don Juan “[...] droht mit dem Stock [...]“
- also nicht mehr der herrschaftliche Degen, sondern ein
profaner Stecken.
Eine weitere Bearbeitung wird von Friedrich Ludwig
Schröder für den 27. Oktober 1789 für Hamburg mit
singenden Schauspielern vorgenommen. Aus dem 2-aktigen
Singspiel wird eine 4-Aktige Schauspielfassung, die
Figuren hervorhebend. So also im 1. Akt die Donna Anna,
Zerlina betritt erst im 2. Akt die Bühne, der 3. Akt
entspricht dem üblichen Ablauf, da hier alle Personen
auftreten, der 4. Akt beinhaltet die Friedhofszene.
Schröder schließt also jede ’Story’ personenbezogen ab,
ehe er eine neue beginnt - im Gegensatz zu Da Ponte /
Mozart, die Handlungsstränge miteinander verweben. Auch
bei Schröder wird der moralische Zeigefinder - wie im
Singspiel - erhoben. Das Schlusssextett erhält als
Mahnung die Übersetzung:
'Lebenslust fährt schnell dahin
Ewig währt der Tugend Gewinn.'
Das Publikum erhält so 'Don Giovanni's' lasterhafte Züge
noch einmal deutlich vor Augen geführt.
Schröders Fassung hält sich lange auf den Bühnen,
während die reinen Sängerfassungen Neefes und Schmieders
sehr bald in Vergessenheit geraten. Das straff geführte
Drama interessiert und packt die Menschen, die Musik ist
nur noch Beiwerk, dies um so mehr als nur wenige Theater
Sänger mit entsprechender Ausbildung und Orchester zur
Verfügung haben.
Auch Berlin spielt kurz darauf die Schröder’sche
Fassung, bei der noch eine Eremiten-Szene aus dem
Schauspiel eingefügt wird - Don Giovanni wird zum
Mörder, da er den ihn suchenden Don Ottavio ersticht.
Die Zuschauer erleben das Ende eines Verbrechers -
Furien peinigen ihn, ehe er zur Hölle fährt.
Mit diesem Finale entfällt das Schlusssextett. Die Oper
endet dramatisch und nicht mit dem einem Herrscherhaus
zur Besänftigung vorgeführten ’lieto fine’ - die
Auflösung des Dramas ins Heitere.
Breitkopf und Haertel bringen 1801 eine neue deutsche
Fassung von Johann Friedrich Rochlitz heraus, die weiter
einen gefühlsbetonten, bürgerlichen Gedanken in den
Vordergrund stellt, wonach diese Fassung als lyrisches
Drama bzw. - wird die Musik hinzugenommen - als
Singdrama bezeichnet werden könnte. Die Aktion aus der
Schauspielfassung wird wieder zurückgedrängt und in den
Vordergrund tritt die Gefühlsbewegung aus der Musik, die
eine Tätigkeit auslöst.
Entscheidend für die Aufführungspraxis des 'Don
Giovanni' wird die Bearbeitung vornehmlich der
Rezitative durch Richard Wagner für eine Aufführung 1850
in Zürich.
Waren unter Meyerbeer in Berlin am 19. November 1845 die
übliche Begleitung des Sprechgesangs durch Mozart-Flügel
oder Klavier durch ein Streichquartett - eine
Bearbeitung durch Samuel Schmidt - das Novum, so kehrt
diese Aufführung im Schweizer Exil zum accompagnierten
Rezitativ zurück.
Eine weitere entscheidende Veränderung in die Richtung
zum musikalischen Drama beginnt schon früher mit der
Übernahme der Rolle der Donna Anna durch die große
Sängerdarstellerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Sie
macht aus der Figur die Rächerin, sie übt Vergeltung am
Tod des Vaters und ihrer eigenen Schändung durch Don
Giovanni - wie sie E.T.A. Hoffmann 1814 in seine Novelle
‘Don Juan’ einbrachte.
In der Erzählung der nächtlichen Begebenheit in Nr. 10
verschweigt sie diesen Tatbestand und hält somit Ottavio
uninformiert. Da oftmals die zweite Arie Ottavios, die
Nr. 21, nicht gesungen wurde, Ottavio also nicht mehr
auftritt, bestand die Möglichkeit, die Figur der Donna
Anna weiter zu verändern, in dem die Nr. 23 als
Briefszene gespielt wurde - Donna Anna teilt sich Don
Ottavio schriftlich mit.
Die Romantik und Richard Wagner führen die Entwicklung
der Rächerin weiter und bringen den Gedanken der
Erlöserin ins Spiel - hier den Gegenpol zum ‘Verbrecher’
Giovanni - in der Figur der Donna Anna.
Für die Nr. 23 erhält sie auf der Bühne einen
Herrgottswinkel mit Betstuhl und ewiger Lampe - eine
Entsprechung zur Arie der Elisabeth im 3. Akt
'Tannhäuser'. Das Böse im Männlichen bedingt durch
Sinnlichkeit bei 'Don Giovanni' und 'Tannhäuser' wird
aufgelöst durch das Gute im Weiblichen der Donna Anna
und Elisabeth.
Die Überwindung der Körperlichkeit durch das Geistige -
Wolfram / Elisabeth gegen Venus und Tannhäuser, der
Holländer erlöst durch Senta, die Welt erlöst durch
Brünnhilde: '[...]So werf ich den Brand in Walhalls
prangende Burg.[...]'
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