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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

'Die Ratten'

 


   ... 13. Januar 1911 im Lessing-Theater in Berlin uraufgeführt

Prangerten schon 1892  'Die Weber' die Zustände in Deutschland aufgrund der Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts an, so stellte diese 'Berliner Tragikomödie' ein weiteres Glied in der Kette sozialkritischer Werke dar.

Hauptmann sah hier eine Fortführung dessen, was Lessing mit seiner 'Sarah Sampson', mit 'Emilia Galotti', was Schiller mit 'Kabale' einhundert Jahre vor ihm begonnen und Hebbel 1846 mit seiner 'Maria Magdalena' fortgeführt hatten.

Hauptmann wollte - wie die berühmen Vorgänger - den nach wie vor bestehenden Ständestaat, die Probleme der Mittelschicht und hier nun auf die des Proletariats erweitert dem Publikum vor Augen führen, auch wenn noch aus dem 18. Jahrhundert weitgehend die Regel bestand, tragische Verwicklungen nur mit Personen von Stand zeigen zu dürfen.

In der Mischung von Theaterdirektor Hassenreuthers Fundus auf dem Dachboden und dem realen Leben im Haus, zeigt hier eine Scheinwelt gegenüber der Realität, in der Ratten aus ihren Nestern in den abgelegten Theaterkostümen heraus das Haus unterminieren und für alle Beteiligten als Wohnung unerträglich machen.

Ratten als wimmelndes Ungeziefer wie im Neuenfels'schen 'Lohengrin' in BT.

 
 

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Gerhart Hauptmann war seit 1905 Mitglied der Gesellschaft, die sich für die Förderung der Rassenhygiene einsetzte und damit Vorschub leistete für die späteren Rassegesetze der Nazis.

Er stand dem System Hitlers nicht kritisch gegenüber, gab Loyalitätsbekundungen für die Reichsregierung ab, stellte 1933 den Antrag auf Aufnahme in die NSDAP und schwieg, wenn Freunde unter dem System zu leiden hatten.

Noch spät gratulierte er Goebbels in einem Telegramm zu einer Rede, die der Propagandaminister am 1. November 1944 gehalten hatte, sie sei ein Meisterwerk in Form, Inhalt und Vortrag gewesen.

Hauptmann genoss Vorteile durch sein Verhalten, die Nazis hofierten ihn, ließen ihm Versorgungsvorteile zukommen.

Auch die mit der Front von Osten hereinbrechenden Russen gingen pfleglich mit ihm um, kannten doch viele die Werke des Nobelpreisträgers, die von Problemen der 'Kleinen Leute' sprachen.
 

 
 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing