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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Tod von Ludwig II. von Bayern

 


   ... am 13. Juni 1886

Ein König wird zum Mythos

Wie sich ein Image verselbstständigt, wie die Person hinter das Bild, das wir von ihr haben, tritt, wird am Beispiel König Ludwigs II. exemplarisch deutlich.

Wie beispielsweise die Charaktere von Marilyn Monroe, James Dean, Mutter Theresa oder Lady Diana in der Imagination mit Aura und Charisma in eins verschmelzen und zur Projektionsfläche von Wünschen, Sehnsüchten und Idealen werden, so ist auch König Ludwig II. von Bayern die ideale Gestalt, um zum Mythos zu werden. Konservativ?
Rebellisch?

Gleichviel – Ludwig ist Identifikationsfigur für viele. Heute würde man „den Kini“ technikaffin nennen, er forcierte die Elektrifizierung (zumindest bei seinen Fantasiebauten), er war der erste König auf dem Kontinent, der Edgar Allan Poe las, er schickte Kundschafter nach Mallorca (für 50 Millionen Mark zu teuer!) Venezuela und Afghanistan, die eruieren sollten, ob sich dort seine anachronistische Idee vom absolutistischen Herrschertum verwirklichen ließe, und er führte nebenbei die Gepflogenheit des Bewerbungsfotos ein: bevor Lakaien, Adjutanten oder Gardisten eingestellt wurden, wollte sich Ludwig erst mittels Foto überzeugen, ob sie auch seinem Ideal entsprachen.

In der kleinen Ludwig II. gewidmeten Ausstellung der Staatlichen Bibliothek Regensburg, eine schöne Ergänzung zur pompösen Landesausstellung auf Schloss Herrenchiemsee, wurde der Fokus auf den Tod des Königs und die einsetzende Verehrung, seine Mystifizierung, gerichtet. Zu sehen gab es aus der „Sammlung Spangenberg“ Ludwigs Sterbebild, Fotografien von Heinrich Hoffmann (ein Onkel des später als Hitler-Fotograf berühmt gewordenen Lichtbildners) vom Leichenzug, ein Abguss von Ludwigs Totenmaske, Ansichtskarten, historische Presseartikel, Briefe, einen Splitter des Kahns, in dem die Leiche des Königs aus dem Starnberger See geborgen wurde, und Nippes mit Königs- bzw. Schloss-Berg-Motiv.

Die Staatsbibliothek stellte ein Exemplar der Tageszeitung vom 12. August 1871 aus, in der auf den Besuch Ludwigs in Regensburg eingegangen wird. Der König war – von einem kurzem Aufenthalt als Kind in der Königlichen Villa abgesehen – nur einmal, und zwar am 10. August 1871 in Regensburg. Weitere Exponate sind Plakate aller Biografie-Verfilmungen.

 

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Alles Theater? König Ludwig II. liebte die Fantasiewelten von Oper und Theater, das modernste Massenmedium seiner Zeit. Auch die Besucher der diesjährigen Landesausstellung erleben ein Drama des Landes und seines Königs, erzählt nach dem Muster der klassischen Tragödie.

Die spektakuläre Bühne: das Neue Schloss Herrenchiemsee, das Ludwig II. ab 1878 als Denkmal einer absoluten Herrschaftsidee entstehen ließ. 125 Jahre nach dem Tod des Königs werden erstmals die unvollendeten Zimmerfluchten geöffnet – für das Königsdrama im Ludwigschloss: „Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit“.

 

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Es war die Eilmeldung des Jahres, die am 14. Juni 1886 in den Extrablättern der Zeitungen veröffentlicht wurde: „König Ludwig II. ist tot“.

Seit dieser schockierenden Nachricht hat das öffentliche Interesse an dem menschenscheuen Monarchen nicht nachgelassen.
Das galt für das Jahr 2011 in ganz besonderem Maß, das Jahr, in dem sich sein Tod zum 125. Mal jährte.

Das wichtigste Ereignis des „Ludwigjahres“ 2011 war die bayerische Landesausstellung, die im Neuen Schloss Herrenchiemsee anlässlich des 125. Todestages des Monarchen gezeigt wurde.

Die Landesausstellung, gezeigt in den unvollendeten Räumen des Neuen Schlosses Herrenchiemsee, die nach der Restaurierung durch die Bayerische Schlösserverwaltung erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. In den Raumfluchten der Rohbauräume, die ihre Entstehung im industrialisierten 19. Jahrhundert nicht verleugnen, sahen die Gäste die kahlen Blankziegelwände, die sich auch noch heute hinter den Kulissen des Neubarocks in den Prunkräumen verbergen.

Die Besucher der Landesausstellung erlebten das Drama des Landes und seines Königs fast wie eine moderne Theaterinszenierung: wie Ludwig König wurde, Krieg führen musste, den deutschen Kaiser über sich gesetzt bekam, seine Gegenwelten mit Schlössern und im Theater schuf, wie er abgesetzt wurde, starb und zum Mythos wurde.

In einer szenografischen Abfolge unterschiedlicher Bühnenbilder tauchte man ein in die Welten um Ludwig II. und begegnete hierbei nicht nur Protagonisten wie Fürst Bismarck oder Prinzregent Luitpold, sondern ebenso den Ludwig-Darstellern O. W. Fischer und Helmut Berger.

Die Landesausstellung nutzte moderne Medien zur lebendigen Darstellung der Inhalte.
Junge Computerkünstler bespielten die Räume in heutiger Bildsprache, angeregt von den theatralischen, künstlichen Dekors der Gegenwelten Ludwig II.

In 3-D-Simulationen entstanden die ungebauten Träume des Königs:
Schloss Falkenstein, der Flug über den Alpsee oder ein chinesischer Palast inmitten der alpinen Bergwelt.

Anrührend – persönlich – modern
Neben modernen Inszenierungen waren anrührende, persönliche Gegenstände des Königs das Highlight der Ausstellung; sie zeichneten sein Leben von der Wiege bis zur Bahre nach. Hochrangige Kunstwerke aus verschiedenen deutschen und ausländischen Sammlungen brachten dem Besucher Ludwigs Streben nach dem Leben als Gesamtkunstwerk näher. Sein Königreich Bayern modernisierte sich zunehmend, Zukunftsindustrien begannen die Wirtschaft Bayerns zu prägen.
Dementsprechend nahm die Ausstellung nicht nur den König in den Blick, sondern auch sein Land. Bayern im Deutschen Reich – anders und fremd, katholisch und urwüchsig, bewundert und verachtet – fügte sich nur widerwillig in den uniformierten Einheitsstaat. Es war ein wenig wie sein König.

Eine Figur wie Ludwig II. ist schillernd und vieldeutig, sie lässt sich nicht auf einen Nenner, den des „Märchenkönigs“, bringen. Er fand die Vorbilder seines Herrscherideals in vergangenen Jahrhunderten. Der französische Absolutismus inspirierte seine Gegenwelten ebenso wie das byzantinische Hofzeremoniell und die Opern Richard Wagners.
Gleichzeitig war er ein Kind seiner Zeit. Ludwig II. förderte und nutzte den technischen Fortschritt für seine Schlossbauten, in die er sich mehr und mehr vor der Realität flüchtete.
Hier lebte er seinen eigenen Lebensentwurf, ganz anders als von der Außenwelt erwartet. Bis heute trifft diese kompromisslose Andersartigkeit einen Nerv der Zeit und zieht die Menschen in ihren Bann. Die bayerische Landesausstellung 2011 im Schloss Herrenchiemsee wurde zum einzigartigen Erlebnis der königlichen (Gegen-)Welten und der bayerischen Wirklichkeit. Sie zeigte ein zeitgemäßes Bild König Ludwig II.: faszinierend, 'anders' und neu.
Verpassen durfte man dieses Ereignis jedenfalls nicht.

Peter Lang im 'Kulturjournal Regensburg'
 

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Dieter Hansing