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Thema des Tages:
'Fräulein Julie'
... am 14. März 1889 in Kopenhagen uraufgeführt.
August Strindberg beschäftigte sich in seinen Werken immer wieder mit
der Situation der Gesellschaft im 19. Jahrhundert - besonders
herausgestellt:
Der Geschlechterkampf, der Kampf zwischen Männern und
Frauen, die nach Strindberg eigentlich nicht zueinander passen, was -
bezogen auf die immerwährende Gültigkeit - auch Vicco von Bülow
konstatiert.
Der schwedische Dichter revolutionierte das Drama, indem er die
Schauspieler eine natürliche Umgangssprache verwenden ließ.
Die Handlung in seinen Stücken bewegt sich typischerweise in einer
historischen Umgebung und veranschaulicht Klassenkampf und
psychologischen Stellungskrieg.
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Strindberg gilt als einer der Wegbereiter des modernen europäischen
Theaters im 20. Jahrhundert, vor allem durch seine Dramen 'Fräulein
Julie' und der Trilogie 'Nach Damaskus'.
Damit ist er im gleichen
Atemzug mit dem norwegischen Schriftsteller Henrik Ibsen und dem Russen
Anton Tschechow zu nennen.
Im deutschsprachigen Raum nahm er aufgrund seiner sozialkritischen Themen und der Erfindung
des Stationendramas Einfluss auf die Literatur.
Während Strindbergs Frühwerk dem Naturalismus zuzuordnen ist, gehören
seine späteren Werke dem Expressionismus an.
In der Sekundärliteratur
wird sein literarisches Schaffen entsprechend in eine naturalistische
und eine expressionistische Phase unterteilt.
Antonio Bibalo
nach Strindberg
'Fräulein Julie'
Bayerische Theaterakademie
12.06.04
Bayerische Theaterakademie
12.06.04
"Immer an der Wand lang"
Die kompositorische Bearbeitung von Strindbergs Schauspiel, 1890
uraufgeführt - fest steht, dieses benötigt keine Musik von Herrn Bibalo
- fand 1975 und 1984 in zwei Versionen den Weg auf einzelne Bühnen. So
nun auf die der Theaterakademie in München.
Hier durfte Dina Keller, Studentin in der Klasse von Cornel Franz,
Antonio Bibalos Oper ’Fräulein Julie’ inszenieren.
Dass eine Studentin keine perfekte Leistung abliefern kann, ist
verständlich. Es fehlt bei allem Einfallsreichtum die Erfahrung oder das
überragende Talent, aus diesem Manko heraus, quasi unbedarft ein
stimmiges Konzept für szenische Abläufe zu entwickeln. Problematisch
wirkt sich die fehlende Menschenkenntnis dann allerdings bei der
Personenführung aus.
So auch hier in MUC. Frau Keller quält die Sänger mit aufgesetzten
Choreographien – drei Schritte vor, ein halber zur Seite, ein Rumpfbeuge
nach links, der dramatische Arm nach vorne ausgestreckt, das linke
Lid um die Hälfte des Augapfels gesenkt - versäumt aber – wohl weil sie
die Durchdringung der Charaktere nicht erfasst – das Spiel der
handelnden Personen. Die hampeln aneinander vorbei, finden weder zu
sich, noch zu dem/der anderen. Die Problematik im gesellschaftlichen
Gefälle von ’Fräulein Julie’ der Grafentochter zu Jean dem Diener und
zur Kristin der Wirtschafterin wird nicht deutlich. Dass die Regisseurin
’Fräulein Julie’ einen das Spiel hindernden Kokon wie den einer
schlüpfenden Raupe umhängt, dokumentiert zwar die hormonellen Umstände
einer Pubertierenden, macht aber im Spiel nicht deutlich wie sehr sich
die Grafentochter dem Butler zugeneigt fühlt. Jean – hier ein absolut
unerotisches Zigarettenbürscherl – hat nicht im Entferntesten die
Ausstrahlung, eine junge, aus gutem Hause stammende Jungfrau auf den
Gedanken bringen zu können, sich nun ausgerechnet ihm hingeben zu
wollen. Von Knistern keine Spur. Und der will nach oben, ein Hotel in
der Schweiz aufmachen - zum Lachen.
Dass Kristin angeblich etwas mit Jean hat, bleibt völlig ausgeblendet.
Die kocht unbeteiligt Nudeln, spült oder kramt sonst wie in ihrer Küche
rum. Von Eifersucht oder Angst vor dem Verlust des Geliebten an das
höhere Fräulein, oder sonstige Einflussnahmen - nichts zu bemerken.
Die von der Regisseurin angewiesenen Choreographien lassen zwar ein
Zusammenspiel ahnen, allerdings wird die Spannung zwischen den Figuren
vermisst. Oder konnten die Darsteller nicht miteinander ? Dann
allerdings fehlt hier Professionalität, einen solchen Zustand mit Hilfe
der Regisseurin zu überwinden. So werden nur Bewegungsabläufe
vorgegeben, aneinander vorbei rum gerannt, Türen des Wandschrankes
geöffnet und geschlossen, Requisiten rausgeholt, wieder reingestellt
oder auf den Boden geworfen, wo sie dann bei jedem Schritt im Wege sind.
Leerer Aktionismus pur. Die Beziehung, besser Beziehungslosigkeit der
Akteure zu und untereinander interessiert die Regie nicht, wichtiger
scheint ein Hantieren, die Schaffung von ’Bildern’.
Zweifellos ist die Regisseurin durch die Vertonung des Strindberg’schen
Schauspiels gezwungen, die Bibalo’schen leeren Orchesterphrasen zu
überbrücken. Irgendetwas muss ja auf der Bühne passieren. Immerhin
lässt sie die nicht unmittelbar am Spiel Teilnehmenden am Rande
mitagieren, beweist damit, das ihr etwas einfällt, diese Darsteller
sichtbar und teilweise sinnvoll zu beschäftigen. So wird von Kristin
eine Wäscheleine gespannt, wahllos trockene Wäsche aufgehängt, oder es
werden die Betonwände der Reaktorhalle mit Kreide von den Tonlosen
beschriftet, meist aber schleichen diese in Drehchoreographien „immer an
der Wand lang“.
In den Passagen, da ’Fräulein Julie’ nicht durch ’action’ abgelenkt ist
und bei sich sein kann, füllt sie auch die Rolle, während ’Kristin’
immer nur die handfeste Hauhaltshilfe spielt. Der müsste es doch
gelingen, das Mantschkerl Jean bei sich zu halten. Unerklärlich das.
Zum Unverständnis für die Handlung trägt auch die Artikulation der
Sänger bei, Texte gehen im Überhall des Raumes verloren, so dass – wer
das Stück nicht kennt – kaum Zugang finden kann.
Es muss der Eindruck entstehen, dass die Aufsicht durch die
Semesterleiter fehlte. Erstens ist es nicht nachvollziehbar, dass ein
solches Stück für eine Semesterarbeit ausgewählt wird, wenn die Rollen
nicht mit entsprechenden Stimmen zu besetzen sind und zweitens ist
kaum anzunehmen, dass eine solche Regiearbeit unter Dr. Peter Kertz
jemals abgeliefert worden wäre.
Hinzu kommt, dass auch an der Aufnahme von Sängern zum Studium
gezweifelt werden muss. Was soll aus diesem Nicht-Sänger des Jean
werden. Was er zeigt, reicht nicht einmal für eine Chorstelle an einem
Provinztheater. Da ist nicht die Spur von Substanz, die eine Entwicklung
erahnen ließe und ein „ich höre da was“ wie es oft von einer Dozentin
einer renommierten Hochschule bei einer Aufnahmeprüfung dargelegt wurde,
reicht nicht für eine Sängerlaufbahn bei der internationalen Konkurrenz.
Wer also hat bei der Aufnahmeprüfung diesen jungen Mann
auf die falsche berufliche Bahn gelockt ? Hier reicht nicht einmal der
Tenorbonus als Argumentationshilfe für die Aufnahme an eine staatliche
Hochschule.
Wer bedenkt, dass für diese Produktion sechs Wochen probiert, ein
aufwändiges Bühnenbild mit Sandaufschüttungen, Bauten, technischen
Einrichtungen geschaffen wurde und dies alles in nur zwei Vorstellungen
zur Schau gestellt wird, muss sich fragen, was geschieht da an den
Hochschulen und Akademien in Deutschland.
Sind oft unqualifizierte, aber dafür hübsche, smarte Studenten/Innen nur
dazu da, die Klassen der beamteten Dozenten – meist ältere Damen und
Herren, die oft selbst niemals auf einer Bühne gestanden haben - zu
füllen ? Wie soll da ein adäquater szenischer Unterricht erfolgen ? Und
was und wohin dann mit den von diesen 'Fachkräften' ausgebildeten
darstellerischen Schwachmatikussen, bleiben die sängerischen Qualitäten
einmal ganz beiseite?
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