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Gustaf Gründgens war nicht zu erreichen.
Während der Reichspropagandaminister seine 'Totale-Krieg-Rede' im
Berliner Sportpalast hielt, ließ sich GG von seinem Chauffeur durch
Berlin fahren.
Eigentlich sollte GG mit dabei sein - wie alle Größen im Staat: Politik, Kunst und all
die anderen, die Goebbels als Repräsentanten des Reiches ansprach.
Nachdem die Anwesenden benannt wurden, stellte der
Reichspropagandaminister ihnen – quasi als Stellvertreter des Volkes
– zehn rhetorische Fragen zum Vorhandensein der Kampfesbereitschaft,
die vom Publikum erwartungsgemäß jeweils mit einem lauten „Ja“
beantwortet wurden. Die Fragen begannen zum Teil mit angeblichen
Behauptungen der Engländer oder der Formel „Ich frage euch“, in
Kurzform hießen sie:
„Glaubt ihr mit dem Führer und mit uns an den endgültigen, totalen
Sieg der deutschen Waffen? […] unter Aufnahme auch der schwersten
persönlichen Belastungen […]“
„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk sei des Kampfes müde.
[…] Seid ihr bereit […] diesen Kampf […] fortzusetzen, bis der Sieg
in unseren Händen ist?“
„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat keine Lust mehr,
sich der überhand nehmenden Kriegsarbeit […] zu unterziehen. […]
Seid ihr […] entschlossen […] das Letzte für den Sieg herzugeben?“
„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk wehrt sich gegen die
totalen Kriegsmaßnahmen der Regierung. Es will nicht den totalen
Krieg, sagen die Engländer, sondern die Kapitulation. Ich frage
euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig,
totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst
vorstellen können?“
„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat sein Vertrauen zum
Führer verloren. […] Vertraut ihr dem Führer?“
„Seid Ihr von nun an bereit, Eure ganze Kraft einzusetzen […], die
Menschen und Waffen zur Verfügung zu stellen […], um den
Bolschewismus zu besiegen?“
„Gelobt ihr mit heiligem Eid der Front, dass die Heimat mit starker,
unerschütterlicher Moral hinter der Front steht und ihr alles geben
wird, was sie zum Siege nötig hat?“
„Wollt ihr, […] dass die Frau [...] überall da, wo es nur möglich
ist, einspringt, um Männer für die Front frei zu machen?“
„Billigt ihr […] die radikalsten Maßnahmen gegen einen kleinen Kreis
von Drückebergern und Schiebern […]? Seid ihr damit einverstanden,
dass, wer sich am Kriege vergeht, den Kopf verliert?“
„Wollt ihr, dass […] gerade im Kriege gleiche Rechte und gleiche
Pflichten vorherrschen […]?“
Besonders das frenetisch zustimmende Geschrei als Antwort auf die
Frage nach dem totalen Krieg ist als prägendes Bild in die
Geschichte eingegangen.
Am Tag der Sportpalastrede legten Hans und Sophie Scholl in der
Münchner Universität das sechste Flugblatt der Weißen Rose aus, das
mit einem Körner-Zitat aus einem patriotischen Lied der
Befreiungskriege endete:
„Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen
rauchen!“
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll
bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes
oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz,
in Anspruch.
Dieter Hansing
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