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Thema des Tages
'Nero-Befehl'
... vom 19. März 1945
Der Name bürgerte sich später in Anlehnung an den römischen Kaiser Nero
ein, auf dessen Betreiben hin im Jahr 64 Rom in Brand gesteckt worden
sein soll.
Man geht häufig davon aus, dass der militärische Nutzen dieses Befehls
nur vorgeschoben wurde, weil Adolf Hitler zur Ansicht gekommen war, das
deutsche Volk habe sein Lebensrecht verwirkt, da es gegen das „Ostvolk“
verloren habe und deswegen nun abtreten müsse.
Im Wortlaut des Befehls
wird jedoch behauptet, man wolle den Alliierten (trotz der
aussichtslosen militärischen Lage) die Nutzung von Infrastruktur
unmöglich machen.
„Der Kampf um die Existenz unseres Volkes zwingt auch innerhalb des
Reichsgebietes zur Ausnutzung aller Mittel, die die Kampfkraft
unseres Feindes schwächen und sein weiteres Vordringen behindern.
Alle Möglichkeiten, der Schlagkraft des Feindes unmittelbar oder
mittelbar den nachhaltigsten Schaden zuzufügen müssen ausgenutzt
werden. Es ist ein Irrtum zu glauben, nicht zerstörte oder nur
kurzfristig gelähmte Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und
Versorgungsanlagen bei der Rückgewinnung verlorener Gebiete für
eigene Zwecke wieder in Betrieb nehmen zu können. Der Feind wird bei
seinem Rückzug uns nur eine verbrannte Erde zurücklassen und jede
Rücksichtnahme auf die Bevölkerung fallen lassen.
Ich befehle daher:
1) Alle militärischen, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und
Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die
sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort
oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.
2) Verantwortlich für die Durchführung dieser Zerstörung sind die
militärischen Kommandobehörden für alle militärischen Objekte
einschl[ießlich] der Verkehrs- und Nachrichtenanlagen, die Gauleiter
und Reichsverteidigungskommissare für alle Industrie- und
Versorgungsanlagen sowie sonstige Sachwerte; den Gauleitern und
Reichsverteidigungskommissaren ist bei der Durchführung ihrer
Aufgabe durch die Truppe die notwendige Hilfe zu leisten.
3) Dieser Befehl ist schnellstens allen Truppenführern
bekanntzugeben, entgegenstehende Weisungen sind ungültig.“
Quelle:
Dokumente zur Deutschen Geschichte
VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1977, S. 109
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Zur gleichen Zeit stellt sich die Lage in Berlin so dar, dass
die Brände der Luftangriffe aus den letzten Nächten noch nicht
gelöscht werden konnten. Im Wedding und in Niederschönhausen
sind durch Teppichabwürfe der Amerikaner schwerste Verwüstungen
entstanden.
Es werden 60.000 Obdachlose gezählt, der Verkehr in der
Reichshauptstadt ist zum Erliegen gekommen, da die elektrische
Versorgung durch Ausfall der Umschaltwerke nicht mehr
funktioniert.
Die Brücke in Remagen ist vor zwei Tagen eingestürzt, hatte eine
Menge amerikanischer Soldaten in den Tod gerissen, die mit
Ausbesserungsarbeiten beschäftigt waren.
Schwere Straßenkämpfe in Koblenz, 'der Feind' bewegt sich auf
Bingen und Mainz zu.
Die Saarfront bricht zusammen, damit stehen die Saarkohlegruben
mit ihrer Förderung nicht mehr zu Verfügung.
In Ratibor und bei Grottkau gelangen den Sowjets große
Einbrüche, woraus sich die Gefahr der Kesselbildung ergibt.
Um Stettin und in Ostpreußen sind den Russen Durchbrüche
gelungen.
Kolberg musste nun aufgegeben werden. Auf keinen Fall darf die
Tatsache im Bericht des OKW erwähnt werden, wenn man gerade mit
dem Harlan-Film 'Kolberg' versuchte, die Moral zu heben.
Beim britischen Mosquito-Angriff fliegen die Maschinen am Abend
über das noch immer brennende Berlin.
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Um 'Missverständnisse' zu
vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer
von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf
verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes
oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte
auch Überspitztes und Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt
nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.
Dieter Hansing
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