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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

27.10.2015

'Rusalka' in Hannover

   

 
 
War es doch sicherlich ganz im Sinne der ehemaligen externen Lehrbeauftragten der HMTMH, in Personalunion mit ehemaliger Präsidentin des RW-Vereins International und Ehrenvorsitzenden des RW-Vereins Hannover, dass hier wieder einmal eine 'modische Inszenierung' eines musikalischen Werkes gezeigt wurde.

Es ist für das allgemeine Publikum äußerst bedauerlich, dass die Nds. Staatoper dem agierenden Regisseur - woher kommt eigentlich das eingeschobene 'W' im Namen, das gab's doch früher nicht - offensichtlich kein Text-Heft der 'Rusalka' zur Verfügung stellen konnte.
So inszenierte er munter drauflos und stellte auf die Bühne, was ihm so einfiel.
Bei den Endproben bemerkte er dann auch nicht, dass alles, was da ablief, nichts mit dem zu tun hatte, was der Text auf der Übertitelungsanlage vorgab.

Leider versäumte auch Herr Dr. Klügl - als Theaterdirektor für die Oper zuständig - einzugreifen und diese Übertitel abzuschalten, denn so wurde auch dem Publikum klar, dass der Regisseur am Stück - hier 'Übergang von der Märchenoper zum symbolistischen Musikdrama' hin oder her - vorbei tätig war.

Dadurch wurde alles noch deutlicher, dass die Inszenierung - es stand zwar ein handwerklich hervorragendes Bühnenbild zur Verfügung, das im ersten und letzten Teil des Stückes einen Leichenschauraum mit mehreren herumrollbaren Leichentragen und einer mitten auf der Bühne positionierten Wendeltreppe mit sie ummantelnden vertikalen Stäben sah - aber den Text des Werkes nicht umsetzte.

Neben der Treppe ein Gebäude, das wie ein Eingang zu einer U-Bahn-Station mit aufgesetzter voll funktionsfähiger Uhr - wie am Kröpke - aussah.

An dem Zeitmesser ließ sich klar ablesen, dass die Szene an den Mond um 12 Uhr 15 spielte, um 12 Uhr 20 der Auftritt der Hexe folgte, um 12 Uhr 25 war Rusalka klar, auf was sie sich einließ.
12 Uhr 30 kam der Prinz, 12 Uhr 40 waren sich die beiden soweit einig, 12 Uhr 45 konnte nur noch von einer Eheschließung ausgegangen werden, als um 12 Uhr 47 plötzlich Rusalka das Gewehr des eben noch die weiße Hirschkuh jagenden Prinzen gegen ihn erhob, was der mit der unausgesprochenen Warnung: 'Schieß nicht, ich bin der Tauber' abwenden konnte.

Für den Auftritt im zweiten Teil muss - nach Vorgabe der Hexe - die Sängerin ihre Stimme verlieren und - falls die ganze Sache nicht klappt - der Geliebte sterben.

In eben dieser zweiten Abteilung sah man einen - auch wieder von den Werkstätten hervorragend ausgeführten - umgitterten Treppenausgang.

Jemand tritt von rechts mit einem riesigen Geweih am Kopf auf (hat der sich aus Falstaff oder den 'Lustigen Weibern von Windsor' verirrt?).
Eine Magd schabt Rüben oder sind es Heringe (?) - man bereitet eine Festivität vor, die sich dann auch in großem Chorauftritt zeigt.

 

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Da es Rusalka ja auf Anordnung der Hexe die Stimme verschlug, ist die Sache dann leider nicht so geworden wie die Sopranistin es sich vorstellte.
Es mischt plötzlich eine schwarz gewandete Dame mit, die sich an den Prinzen ranschmeißt und die Wassernixe verdrängt. Diese sieht ihre Felle davon schwimmen und will in ihren Teich, sprich das Leichenschauhaus, zurück.

Es gelingt durch Umbau auf offener Szene, denn das Bühnenpodium fährt rauf und runter und schon ist man wieder im Leichenkeller

Nun hat sie aber die Sache ohne die Hexe entschieden, die das Ende des Prinzen verlangt, damit Rusalka sich wieder frei im Wasser tummeln kann.

Der Prinz erscheint, aber Rusalka traut sich nicht, mit dem Messer auf ihn einzustechen, so küsst Rusalka ihn und das reicht schon, dass sich der Tenor von sich aus entschließt, auf einer Leichentrage rechts am Bühnenportal zu sterben.

Die Wassernixe Rusalka sitzt auf einem Stuhl in gebührendem Abstand vom dann toten Prinzen und wartet darauf, dass endlich vor diesem obskuren Gemache in einem völlig - auf diese Oper bezogen - inakzeptablen Bühnenbild, der Vorhang fällt. 

 

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Quintessenz:

Der Einführungsvortrag des Chefdramaturgen führt nur zu Irritationen.
Ersten kann man die Menge der Worte, ohne die Szene gesehen zu haben, nicht umsetzen.
Zweites werden Hinweise auf das Inszenierungskonzept gegeben - wie die Geschichte des Golem oder den Entdecker der Syphilis -, die dann nicht erkennbar werden.

Wer die Vorstellung so - in ihrer Verfälschung des Werkes zu Lasten des Steuerzahlers - und nur mit Lektüre des heimischen Opernführers vorbereitet, besucht, erlebt sein blaues Wunder.

Nichts stimmt mit dem übertitelten Text überein. Die Sänger hantieren da auf der Bühne in einer Szenerie, die im ersten und letzen Teil vielleicht die U-Bahn-Station am Kröpke nach einem Unfall der U-Bahn, mit abstellten Opfern zeigt, aber nicht die Oper, deren Text Dvorak vertonte.

So stellt sich die Frage, ist das Irreführung und damit eine Straftat?
 

 

 

DH

   
 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.

Dieter Hansing