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heerrufer.de\Archiv 2002-2003

***
 

Und hier können Sie nun lesen,
ob es uns gefallen hat !

   

Inhaltsverzeichnis

Der unaufhaltsame Aufstieg des Alois Seidlmeier
Der Parsberger-Jedermannn
Dabei gewesen: Alica Keys
Im Theater
"Der Tölpel ist gefährlich"
"Immer an der Wand lang"
'Richard, Richard über alles'
"Meine Tochter hat recht getan"
'Banditen in Regensburg'
"Wir sind eine muntere Gesellschaft ..."
"..neue Katastrophen..."
Die Präsidentinnen
'Die Hölle, das Idyll'

".... der das Weinen nicht gelernt."
Der Spielplan 2004 - 2005

"Für Geld tu' ich gar manches"
BRITNEY bei TOP OF THE POPS

"Ha, des Jammers Maß ist voll"
"Da ekelte mich der holde Sang"
"... und treiben mit Entsetzen Scherz"
Allmächt' na, su a G'werch !
"Una voce poco fa"
Kultur ist Hefe im Teig
Scharfe Kritik am geplanten Kulturabbau bei ARD und ZDF
Orchestermusiker oft durch Lautstärke geschädigt
Anklage gegen 'Dorfrichter Adam'
Verbotene Liebe
Zu Roß! Daß ich dich rette!

Ioan Holender bleibt Direktor der Wiener Staatsoper bis 2010
Luk Perceval wird Hausregisseur an Berliner Schaubühne
Staatstheater Nürnberg startet mit drei Premieren 
"[...] der eine schläft, der andre wacht [...]"
La Traviata an der Niedersächsischen Staatsoper Hannover
Debatte über ein NS-Drama in Erlangen
Verliert die Deutsche Staatsoper unter den Linden Barenboim

"Ich kenne Eure Macht .... Ihr kennt die meine nicht"
     
     

Der unaufhaltsame Aufstieg des Alois Seidlmeier

25.07.04

     
Ist er das, der neue Generalmusikdirektor am Theater Regensburg ?

Von wegen ein alter Kracher - nein, er ist ganz jung - 35 erst und er dirigierte schon 'La Traviata', 'Das schlaue Füchslein', 'Der Graf von Luxemburg',  'Der Liebestrank', 'Madame Butterfly' und die Galakonzerte zum 175jährigen Jubiläum des Coburger Theaters.
Mit 10 Jahren wurde Alois Seidlmeier Sängerknabe bei den Regensburger Domspatzen. Durch eine umfangreiche Ausbildung u. a. in Klavier, Gesang, Posaune und Orgel wurde er hier gefördert, wobei der in Landsberg am Lech Geborene seinen ersten Klavierunterricht schon im Alter von 5 Jahren erhielt.
Nach einem Kirchenmusikstudium in Regensburg wechselte er an die Hochschule für Musik Würzburg und studierte dort Gesang und Dirigieren.
1997 begann er in Würzburg als Ballettrepetitor, dann war er 1998 Ballett- und Solorepetitor auch in Würzburg, 1999 dann dort Solorepetitor - der Mann kann also Klavier spielen, kann mit Sängern atmen, kennt die Klippen der Partien, ein richtiger deutscher Kapellmeister also.
2000 war er bereits Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung in Würzburg, 2001 dort 1. Kapellmeister. Seit 2002 1. Kapellmeister in Coburg. Seit 2003 ist er Musikalischer Oberleiter in Coburg.

Damit hat Alois Seidlmeier ja wohl die Regensburger Weihen:
Er ist gebürtiger Bayer, war Regensburger Domspatz und studierte an der Regensburger Kirchenmusikschule.
Das dürfte doch wohl auch alles dem Oberbürgermeister gefallen und
diese Vita einer Ernennung zum GMD nicht im Wege stehen.
Wenn er jetzt noch am 24.09.04 den 'Fidelio', die erste Produktion der Spielzeit 2004/2005 in Regensburg gut meistert, dann kann er diese Partitur guten Gewissens am 29.10.04 in Coburg nachdirigieren.

Ob es ihm aber gelingt, der Stadt Regensburg Geld für die Verstärkung des Orchesters 'aus den Rippen zu leiern', bleibt abzuwarten.
Immerhin ist an der finanziellen Unterversorgung des Regensburger Orchesters GMD Guido-Johannes Rumstadt nach eigenem Bekunden gescheitert.
Alois Seidlmeier wird aber erstmal GMD in Regensburg werden wollen und zunächst einigen Abstrichen zustimmen, er ist ja doch auch schon wieder auf dem Sprung. Ein paar Jahre Erfahrung sammeln hier in der Stadt und dann wird der unaufhaltsame Aufstieg des Alois Seidlmeier anderswo weitergehen. Spätestes in fünf Jahren muss er wieder gewechselt haben.
(dh)
     
   
     
   

Burgspiele Parsberg
23.7.04

Der Parsberger Jedermann

   
     

In der Oberpfalz lebt ein Mann, ganz erfolgreich, auch in Geldgeschäften, ein Bänker wohl. Freinderln hat er manche und a Gpusi aus der Stod. Das hält ihn auf Trab und so geht alles auf die Dauer über seine physischen Verhältnisse. Es kommt wie es kommen muss, durch die Buhlschaft nur Bewegung in einer bestimmten Richtung, zu gutes Essen und Trinken - Herzinfarkt ist das Ergebnis.
S’Mutterl kommt und mahnt den Woilden, an die Ewigkeit zu denken, aber der schlägt alle Warnungen in den Wind, feiert. Dann geht’s halt nimmer weiter und kein Irdischer begleitet ihn auf dem letzten Weg.

Das Stück bekommt durch das Parsberger Gemeide-Ensemble eine besondere Note, denn die Bewohner begleiten mit ihrer eigenen Oberpfälzer Sprache den Jeder-Mann bei seinem Leben und Sterben.
Es ist wie im richtigen Leben, nicht irgendein Fest-Spiel mit angereisten Stars, sondern der Zuschauer sieht eine Darstellung einer alltäglichen Möglichkeit, die sich überall abspielt.

Wozu Staffage mit fürstlichen Statisten, wozu Namen, die nichts bringen, wozu Ellen Schwiers, wozu Senta Berger, wozu Veronica Ferres – ist eine Schüdel als Buhlschaft am Haus. Und was wird die ohne Premierensorge und dräuenden Regen im Laufe der Vorstellungen für ein Superweib noch werden.


 

Wie sie da gleich - durch die geschickte Dramaturgie – an den Anfang gestellt, prall im Liegestuhl sich räkelt, Journale liest, Sekt schlürft. Dann beim stückgerechten Auftritt: sie ist der Vamp par excellence.
Kein Jedermann, der nicht auf die reinfällt. Beine von unten bis nach
oben ins Uferlose
. Busen, was ist der von der Christine Neubauer schon.
Und wie sie abgeht: der Schrei. Manch Sopran wäre froh, er könnte den
als hohes 'h' verkaufen.
Die Frau gehört auf die Bühne. Es ist jedem Intendanten – an erster Stelle - Ernö Weil in Regensburg - nur anzuraten, Angelika Schüdel zumindest als Gast zu verpflichten.
'Der nackte Wahnsinn' – die Belinda, 'Out of Order' - die Krankenschwester oder die Frau des Ministers oder in Feydeau–Stücken – sie käme glänzend zur Geltung. Und sie zöge die Bevölkerung ins Regensburger Theater.

Und sonst ist 'die Schüdel' auf 'Reportage' für den BR, lebt von den über
die GEZ eingesammelten Gebühren und in Podiumsdiskussionen schlägt sie liebend gern eine Bresche für 'Die Präsidentinnen' von Werner Schwab.

Mathias Ferstl, der betuchte Jedermann aus der Gemeinde. Ein smarter Typ – wie sie heute so sind – schon mit 30 an der Börse, begleitet von seinem guten Gesell Roland Lehner. Anrührend der Schuldknecht Hans Lang, mit seiner Frau Jutta und den Kindern Lily und Robin Dobner, der seinen Kredit nicht zurückzahlen kann, der arme Nachbar Franz Sellner, dem die kleine Münze nicht reicht, Hausvogt Michael Palmer, der Koch Günter Pflüger, der so gerne Reste von vorhergehenden Malzeiten verwerten würde, der dicke Vetter Karl-Ernst Dobner, der dünne Vetter Alfred Weigl, der Mammon Mathias Zajgier – von der Regie gleich an den Anfang der Vorstellung mit auf die Bühne gebracht und ohne den oft sehr prätentiösen Auftritt mit Schatztruhe, auch kein teigig mopserter Glatzkopf, sondern ein glattes Zigrettenbürscherl.
Und dann: selbstgefällig der Teufel Hans Wiesmüller (einem Fleisch-Klops-Ketten-Betreiber (sieben Mal in Regensburg), der sich so häufig im
Regional Fernsehen bei Werbespots selbst inszeniert, dass er in der Bevölkerung schon den Spitznamen 'Staatsschauspieler' trägt) nicht unähnlich sehend.

Sanft, Jedermanns Mutter Anni Pöller, die guten Werke Tanja Walter und der Glaube Susanne Freitag - als allegorische Figuren nicht wie in alter Art erst spät aufs Stichwort auftretend, sondern von vornherein durch die Regie in den Ablauf eingebunden.

Alle im Ensemble im Spiel völlig selbstverständlich und natürlich, auch
ohne falsches Pathos und ohne laienhaftes Gehake und Gestottere. Mal  verspricht sich einer, aber welcher Parsberger plappert nicht mal Ungereimtes.

Routiniert durch 'seine tägliche Arbeit' der Tod Manfred Janikulla. Hart und unerbittlich, in der Sprache markant, kraftvoll, beeindruckend auch nach 10 Jahren, da er die Rolle verkörperte. Das schwarze Gewand, der Zylinder – der Totengräber aller, immer und überall.

Als Regisseur gelingt Janikulla durch Toneinspielungen eine spannende und mit Bildeinblendungen von Ackermann, Esser, 9/11, Bagdad im Kugelhagel eine sehr heutige Darstellung des alten Hofmannsthal-Stückes, konsequente und logische Personenführung, ohne aufzusetzen und nicht den Fehler vieler jetziger Regisseure machend, sich selbst zu inszenieren und nicht dem Stück zu dienen.

Eine solche Pleite wie mit der Rössl-Inszenierung in Regensburg wäre ihm sicher nicht passiert. Warum holt Ernö Weil nicht Manfred Janikulla
als Regisseur an das Theater Regensburg
? Hier wäre der durch sein Wissen und Können ein Zugpferd für das Ensemble – erinnert sei an die quälende Arbeit und das unbefriedigende Ergebnis der 'Schweig Bub' – Produktion. 
Und darüber hinaus bringt er – als einer der ihren - die Bevölkerung ins Theater.

Aber das wird - wie im Falle Angelika Schüdel - wohl wegen Snobismus nicht realisiert. Es könnte ja einer mehr Erfolg haben als so mancher hergelaufene Regisseur, dem der Intendant oder der Oberspielleiter was versprochen haben.

Jedermann in Parsberg. Ein spannender Abend mit Blitz und Donner am nachtschwarzen Himmel. Ein paar Tropfen fielen, aber der befürchtete Platzregen blieb aus.

Eine sehenswerte und ehrliche Produktion der Bevölkerung von Parsberg.
(dh)

www.burgspiele-parsberg.de
 
     
   
     
Dabei gewesen:    
    Museumsplatz BONN
02. 07. 2004
ALICIA KEYS    
     

Einen gelungenen und teilweise überraschenden Auftritt im Rahmen ihrer EuropaTournee bot die "Princess of New York" zum zweiten Mal innerhalb kürzerer Zeit ihren deutschen Fans und schlug das Tagebuch ("Diary") zu ihrer gleichnamigen CD auf Auf die Open-Air-Bühne kam sie mit dem obligatorischen Hut, ihrem tief in das Gesicht gezogenen Markenzeichen, auf die Bühne und sang "My Diary". Nachdem Alicia (sprich: Alyschah) etwa eineinhalb Stunden auf sich warten lies. Eben so, wie es sich (leider) für eine heutige Pop-Größe gehört!
Die 6000 Besucher aller Altersgruppen - ein jeder bezahlte den absolut stolzen Eintrittspreis von € 45,70 (!) - entdeckten ganz neue Varianten der New Yorkerin. die bisher durch ihre Bescheidenheit und natürlich ihre künstlerische Ader auffiel.
Als sie 2001/2002 die Popszene eroberte, ja zum Musik-Olymp aufstieg, und in Sachen Awards (5 Grammys, World Music Award) kräftig abräumte, war sie etwas Besonderes: Eine damals 20jährige, die bereits mit 14 Jahren eigene Titel komponierte und sogar am Piano selbst vorträgt. Wann hatte es das schon einmal gegeben? Und ihre Vielseitigkeit besticht. Sie gibt sich als Pianistin, als Dirigentin von Beethovens Neunter (!) als Hommage an das Bonner Publikum und nicht zuletzt als Conferenciere Also eine echte Ausnahmekünstlerin. Und man nimmt ihr alle diese Rollen ab!
Schön, wie Alicia das Publikum mit einbezog. Dafür hat sie ein Händchen, ohne dabei übertrieben und aufgezogen zu wirken. Zum Beispiel, als sie dem Publikum das Lied "If I ain't got you" widmet. Ihre einnehmende Natürlichkeit blitzt förmlich aus ihren Augen, wenn sie sich dem Publikum zuwendet. Und wer kann ihrem coolen, manchmal subtil-anrüchigen und doch zugleich offenem Charme widerstehen?
Ja, der Blues hat es ihr angetan. Viele Songs kommen so rüber, dass man meinte, sie führt eine Jam Session auf und improvisiert von Augenblick zu Augenblick. Auch eine Reggae-Einlage gab sie zum Besten ("Need some spirituality!"). Natürlich durfte ihr erster Welterfolg "Fallin"' nicht fehlen.
Der Höhepunkt war mit Sicherheit ihre Performance auf (!) dem Piano."We need some red lights" sagt sie und klettert galant auf das schwarze Instrument, um sich, dort angelangt, auf den Rücken zu legen. Alicia singt mit ihrer tiefen, angenehmen Stimme: "Slow it down, take it easy, take your time. Slow it down, baby.
Don't rush tonight!" - Und dann... spielt sie das Piano von oben liegend, auf dem Ellenbogen abgestützt, so dass es einem doch einigermaßen die Sprache verschlug!.
Unter dem Beifall aller gab sie "You don't know my name" als Zugabe. Also diejenige Live-Version des Musikvideos, in dem sie eine Imbiss-Bedienung spielt und später mit einem Besucher per Handy anbandelt. Hier kommt die Freude zum Vorschein, die sie erlebt, als sie die nun imaginäre Situation auf der Bühne nachspielt. Es wird offensichtlich, dass ein Konzert mit ihr in erster Linie nur Spaß machen soll, wie sie einmal selbst beteuerte.
Manchmal fehlten jedoch einige lockere Songs, um in dem melancholischbluesträchtigen Konzert deutlichere Akzente zu setzen. Es gab Phasen, da "schaltete" man ab und wartete darauf, dass auf der Bühne endlich wieder etwas passiert.
Nach dem "offiziellen" Teil tobte aber das Publikum so sehr, dass sich die Künstlerin erneut auf die Bühne begab und allen klar machte, dass sie. die selbstbewusste Alicia, noch etwas zu sagen hatte. In der Zugabe "That World" besang die die Hoffnung. dass unsere Welt einmal frei von Zwängen und Schranken aller Art sein sollte ("We don't need no troubles!"). Als Fazit bleibt: Wenn Alicia ihr Talent und ihre so angenehm zurückhaltende Prominenz weiter pflegt. wird man neugierig bleiben auf das, was sie uns in der Zukunft auf ihre ganz spezielle Art und Weise noch so alles mitzuteilen hat. Und vor allem wie. "' OH

     
   
     

Im Theater

 

Theater Regensburg
30.06.04

     

Da saßen Herrschaften – zwei Damen und ein Herr - wohl gewandet in
der Proszeniumsloge links. Aufrecht sitzend und konzentriert folgten Sie dem Brecht’schen Spiel 'Im Dickicht der Städte'.
Auf der rechten Seite in der rechten Prozeniumsloge lümmelten die Chefdramaturgin Friederike Bernau und der Oberspielleiter Schauspiel Michael Bleiziffer. Die Arme auf der Brüstung ausgebreitet, den Kopf auf
die Arme gelegt. Gelegentlich sah man aus dem Parkett das jeansbehoste Knie des Oberspielleiters sich über die Brüstung erheben. Ein deutliches Zeichen der 'Führungsriege' vom Theater Regensburg. In 'bester' Erinnerung ist ja das Auftreten der Friederike Bernau bei der konzertanten Hugenottenaufführung, die dem scheidenden GMD Guido Johannes Rumstadt die Möglichkeit zum Üben gab, um das Stück dann in Frankfurt wohl präpariert nachzudirigieren.
Schon am 29.6.04 waren Darsteller vom Theater Erlangen im 'Macbeth'
den Regensburger Theaterbesuchern vorgestellt worden.
War Denis Larisch am 29.6.04 u.a. 'Banquo', war er heute 'George Garga'; wie auch gestern Winni Wittkopp u.a. Duncan und heute 'John Garga' war.
Gestern 'Macbeth' als sehenswertes Puppenspiel und heute 'Im Dickicht der Städte' als 'normales Schauspiel'. Beide wie die anderen DarstellerInnen intensiv und damit überzeugend in der Gestaltung ihrer Rollen. Der Einheitsraum der 'Dickicht-Bühne', die wechselnden Szenen nur durch positionierte Stühle abgegrenzt. Brecht mit nichts. Allerdings verschleißt sich der Raum im Laufe eines 111-minütigen Abends, während beim 'Macbeth' die Puppenbühne den Blick auf das Wichtige lenkt und dadurch die Aufmerksamkeit nicht zerfließt.
Die beiden 'Führungskräfte' Friederike Bernau und Michael Bleiziffer mussten ja wohl oder übel feststellen, dass vom Theater Erlangen zu den Theatertagen an der Donau Inszenierungen entsandt wurden, die vom Regensburger Theater zur Zeit so nicht geboten werden können. (dh)
 

     
   
     

Pietro Mascagni
Cavalleria Rusticana

Ruggiero Leoncavallo
Der Bajazzo

 

Theater Regensburg
13.06.04

     

"Der Tölpel ist gefährlich"

   
     

Wahres Leben, Verismo, wollte das Publikum am Ende des 19. Jahrhundes auf der Bühne sehen. Die Schnörkel der Opera seria, der Opera buffa Donizettis, Rossinis, Bellinis aus dem Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts waren abgespielt. Auch die große Oper à la Meyerbeer, Berlioz und auch das Mystische, Dunkle, Um-Erlösung-Ringende in den Musikdramen Richard Wagners war gerade den Italienern zu viel. Verdi
war ihr Komponist, aber auch er mit seiner Welt der Helden Othello, Manrico, Alfredo, Riccardo war nicht mehr jedermanns Geschmack.

Ruggiero Leoncavallo und Pietro Mascagni stießen so in eine Lücke, gemäß den Worten im Prolog zum Bajazzo "Heut schöpfet der Dichter kühn aus dem wirklichen Leben schaurige Wahrheit". Beide setzten auf das Leben der Straße, die schonungslose, wahrheitsgetreue Darstellung der Wirklichkeit und um das Exemplarische deutlich zu machen, wählten sie - wie später auch Puccini in ’Der Mantel’ - möglichst krasse Fälle.
Der junge Bauer, der die Tänzerin vom Zirkus liebt und mitsamt dem
jungen Lover vom eifersüchtigen alternden Ehemann umgebracht wird
oder der aus dem Militärdienst zurückgekehrte junge Soldat, der nach der jungen Frau des Fuhrunternehmers giert, aber ein Verhältnis mit einer jungen Bäuerin hatte, was nicht ohne Folgen blieb.

Der Erfolg der Cavalleria 1890 in Rom führte zu einer Welle von Nachahmungen. Die Darstellung von Liebe, Verführung, Rache, Mord und Totschlag, eingeflochtene Ständchen und symphonische Zwischenspiele mit einer Spielzeit von 1,5 Stunden brachte 1893 einen Wettbewerb auch in Deutschland unter der Schirmherrschaft von Ernst August von
Sachsen-Coburg zustande. Sieger waren der Komponist Josef Forster mit seiner ’Rose von Pontevedra’ und der zweitplazierte Paul Umlauft mit
seiner ’Evanthia’ – beide in Gera 1893 uraufgeführt.

Angespornt von Pietro Mascagnis Erfolg bei dem 1890 vom Verleger Sonzogno veranstalteten Wettbewerb schrieb Ruggiero Leoncavallo
seinen ’Bajazzo’, im Gegensatz zur Cavalleria, die als Einakter gefordert war, als zweiteiliges Stück. Auch hier ein Intermezzo, auch hier ein Gesangsstück eingebettet in das Vorspiel. Auch der Bajazzo wird zum Welterfolg.

Beide Komponisten litten unter diesen Erfolgen, sie konnten daran mit
ihren übrigen Werken nicht anknüpfen. Leoncavallo schrieb im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. eine Oper zur Ehre des Hauses Hohenzollern: 'Der Roland von Berlin'. "Das schöne Werk konnte sich leider nicht in unserem Spielplan behaupten" schrieb die Berliner Hofoper nach der Uraufführung 1904 an den Komponisten.

Während die Cavalleria als durchgängige Oper in einem Ambiente der sizilianischen Landschaft bleibt, fügte Leoncavallo in seinem Bajazzo in einem Allerweltsschauplatz das Spiel der Gaukler auf der Bühne als Commedia dell’arte ein wobei das Rollenschema bei der Cavalleria
mit der gängigen Regel übereinstimmt, wie sie George Bernhard Shaw in einem Bonmot ausdrückte: "Tenor will mit Sopran ins Bett, Bariton hindert sie daran." Im Gegensatz hierzu ist im Bajazzo der Tenor die tragische Partie, umgeben von zwei Baritonen als Liebhaber, der abgewiesene Charakter-oder Italienische-Bariton Tonio und der melancholisch, lyrische Bariton Silvio.

Der rituelle Zweikampf zwischen Alfio und Turridu ist in der Cavalleria die Gegenüberstellung von Recht der Ehe Alfio / Lola und Unrecht in der Tat des Ehebruchs Turriddu /Lola bzw. des Verführung von Santuzza durch Turiddu. Dieser fällt im Zweikampf mit Alfio wegen seiner nach christlicher Überzeugung begangener Untaten, nicht jedoch weil - wie in Giovanni Carmelo Verga’s Novelle von 1890 vorgegeben - Alfio im Sand ins Gesicht wirft und den Blicklosen aus purer Rachsucht dann absticht.

Die christlichen Züge sind nur scheinbar, denn der Text dokumentiert heidnische Züge. Schon in der Siciliana wird deutlich, dass Turiddu nicht nach dem "ird’schen Jammertal" auf das Himmelreich mit seinen angeblichen Vorzügen hofft, sondern sich mit dem: "wer dir vom Mund Küsse darf nippen, trägt nach dem Paradiese kein Verlangen" ganz dem Jetzt hin gibt. Und wie Sigmund auf Walhall verzichten will, sähe er dort nicht Sieglinde, bevorzugt Turiddu mit dem "ohne Zaudern eilt’ ich zur Hölle, fänd’ ich im Paradies nicht dein holdes Antlitz." die leibliche, irdische Lust und schlägt aus ein "Mein Heil ruht in Maria."

Auch der Chor geht anlässlich des Osterfestes ganz irdisch auf den Blütenzauber des beginnenden Frühlings und nicht auf die Geschichte der Kreuzigung und Auferstehung von Jesus ein.

Santuzza hat nach christlicher Vorstellung gesündigt, sich Turiddu, in der Überzeugung eigener und Turiddus Liebe ohne den Segen der kirchlichen Eheschließung hingegeben zu haben. Die Folgen dieser Handlung sind offensichtlich und ausgestoßen aus der Dorfgemeinschaft nimmt auch sie Rache, indem sie Alfio die Untreue seiner Frau Lola aufdeckt. Sie wie
auch Alfio handeln nicht nach kirchlichem Gebot, da sie sich zudem der Sünde der Rache schuldig machen.

Der Bajazzo hat eine d’Albert’s Tiefland ähnelnde Geschichte als Grundidee. Ein Macho, schon mittleren Alters, nimmt eine Frau aus ihrem sozialen Elend bei sich auf, er, der dann schneller Alternde, an seine Ruhe denkende, hat in Nedda das lebensfrohe und liebebedürftige junge Ding
an seiner Seite. Sie besingt das freie Leben der Vögel, in Silvio findet sie ein heimliches Glück. Er gibt ihr, was sie sucht, aber sie sei auch verantwortlich für die Liebe, die er zur ihr empfindet. Auch hier ein Macho, der unschuldig ist, die Frau ist verantwortlich. Dann wird die Bühne zur Realität. Der Tod kommt für Nedda und ihren Liebhaber durch die Hand Canios.

Beide Stücke ’Die sizilianische Bauernehre’ und ‘Der Bajazzo’ können
durch die Grundlinie der Handlungen mit Liebe, Eifersucht, Neid und
Rache in einer Verbindung gesehen werden. ’Blutige Ostern’ nannte Dietrich Hilsdorf seine grandiose Inszenierung der beiden Opern 1993
im Staatstheater Wiesbaden. Die Handlung aus der Cavalleria wird im Bajazzo fortgesetzt, hier sind Santuzza und Alfio unter den Zuschauern des Dramas auf der Komödiantenbühne im Bajazzo. So wie Hilsdorf einen Faden von der Cavalleria in den Bajazzo spann, schrieb schon Edmund von Freyhold eine Weiterführung der Story, in der dann nicht nur Santuzza, sondern auch Lola ein Kind von Turriddu hat, was wiederum katastrophale Verwicklungen hervorbringt.

Auch Regisseurin Tatjana Gürbaca versucht in Regensburg ähnliches. Über das Bühnenbild von Ingrid Erb wird optisch der gleiche Raum hergestellt. Eine Schräge, unterirdische Keller überdeckend, aus denen über Schächte und zu öffnende Roste Teile des Chores steigen. Was dort unten zu suchen ist, bleibt der Definition des Zuschauers überlassen. Sind es alte Luftschutzkeller in denen Champignons angepflanzt werden oder gar die Vorboten der Gefangenen-Auftritte der Fidelio-Inszenierung in der nächsten Spielzeit? Niemand kann es sagen. Diese Cavalleria-Bajazzo-Bühnenbild-Schräge ist seitlich und rückwärts mit sängerunfreundlichem Stoff ausgehängt. Die Regisseurin hat allerdings Erbarmen und holt die Darsteller in den meisten Gängen vor das Portal auf die Vorbühne, so dass dieses Hindernis nicht unnötig angesungen werden muss, sondern frisch, fromm, fröhlich, frei in den Zuschauerraum hinein die Töne abgesondert werden können.
Auf den Aushängen tut sich auch sonst nichts. Eine kümmerliche, gemalte
Wolke schwebt in beiden Stücken an der Szenerie, ein leichter Wolkenfetzen im Bereich des unteren Hintergrundes lässt auf
Fraktostratus schließen. Reste einer durchgegangenen Frontalzone. Aber mit dem Licht in diesem schrägen Raum wird versucht, Kunst zu machen. Für den Zuschauer bleibt ungeklärt, warum es mal hell, mal dunkel wird. Sollen seelischen Stimmungen dargestellt werden?  Niemand kann es sagen.

Die Verbindung der beiden Ein-Akter wird über die Pause hinweg durch
ein Paar von Santuzza ausgezogene Stiefel versinnbildlicht. Die stehen vorne an der Rampe. Aber nicht nur die schwarzgewandeten chorischen Feldarbeiter in der Cavalleria haben Stiefel an, nein, auch die Schauspieltruppe von Canio. Die allerdings zu hellen Anzügen, die gerade wegen staubiger Bühnen für chemische Reinigungen so vorteilhaft sind,
da die Kostüme jeden dritten Tag gesäubert werden müssen. Warum nun auch die Komödianten in Gummi-Stiefeln agieren, niemand kann es sagen.

Vom Bühnenbild, vom Licht lassen sich kaum Aufschlüsse über das Regiekonzept der beiden Damen ableiten. Aber das ist nicht alles. Der Beginn der Cavalleria ist schon sehr frappant. Der Vorhang geht auf, Turiddu hebt zur Siciliana aus dem Rang an, da verkündet die Übertitelungsanlage der Theaterfreunde Regensburg e.V. eine Waschmittelreklame. Es ist von einem milchweißem Hemd die Rede, was den Zuschauer verwirrt, denn eigentlich hatte er ein "O Lola rosengleich blühn deine Wagen" erwartet. Irritiert darüber kann der Versierte es
kaum fassen, dass, kaum beendet Turiddu seine Siciliana, der Vorhang
sich wieder schließt.
Ist la Commedia schon finita?

Nein, jetzt geht es richtig los, der Gazevorhang hebt sich und der Chor schreitet gemessenen Tai-Chi-Schrittes unter dem Absingen von "Duftig erglänzen Orangen" zu einer rechts zu ahnenden Kirche. Warum nun die Damen und Herren des Chores bei der Prozession ein derartiges
asiatisches Schattenboxen aufführen. Niemand kann es sagen. Soll damit angedeutet werden, dass die Truppe sich in einem Schema befindet?
Ein solches gibt es auch in der katholischen Kirche Italiens, dafür
braucht man keine derartigen Übungen.

Auftritt Santuzza, die nun als unverehelichte Schwangere ihre Probleme mit den Chorkollegen hat. Hier choreographiert die Regisseurin die Bewegungen so, dass Santuzza mal weggestoßen, mal von der Masse geradezu liebevoll weitergereicht wird. Sie geht zu Mama Lucia, will aber nicht in deren Haus, was nun bei dem Bühnenbild nur links in der Gasse erahnt werden kann. Alfio, der typische Macho im Kreis seiner Mit-
Mannen, ist konfrontiert mit der Ahnung, einen Gegenspieler zu haben. Nachdem der Chor sich willfährig auf den Bühnenboden zum "Lasst uns preisen den Herrn" gelegt hat, kommt der Widersacher, der Gaudibursch Turiddu und man kann nicht sagen, dass er das "Höre Santuzza reize mich nicht, denn ich bin nicht dein Sklave" irgendwie bösartig anlegt.
Hier macht auch Santuzza nicht sonderlich handgreiflich deutlich, dass
sie Turiddu halten will, sie versucht es halt wie eine typische Lyrische, indem sie sich auf die Bühne legt, die Beine breit macht und einen Coitus mit ihm während des 5. Auftrittes, Nr. 6 Duett auf offener Bühne
versucht. Auch fuchtelt sie dann mit einem Messer, denn es folgt das "Töte mich, ich will es dir danken." Dazu kommt es, wie bekannt, nicht, denn nun betritt die kesse Lola die Szene. Die girrt um Turiddu, aber sonderlich ist der auch an ihr nicht interessiert. Jedenfalls bemüht sich Lola erheblich, aber Turiddu’s Testosteron-Spiegel scheint - vielleicht durch die anstrengenden Proben und die nebenbei laufenden
Vorstellungen – (wie soll Intendant Ernö Weil gesagt haben: 'Ich kann
mein Ensemble nur ausbeuten oder kündigen') abgesenkt. Lola geht Hüften schwenkend ab und Santuzza bekommt Gelegenheit ihr "Nein, nein
Turiddu, du darfst mich nicht treulos verlassen" an der Rampe zu singen. Warum sie hierzu die Stiefel auszieht, niemand kann es sagen. Alfio, der geht von links über die Bühne und sieht Santuzza rechts von sich angeblich nicht, Santuzza, die mit dem Blick ins Publikum plötzlich – mit ihrem "Ah, euch hat Gott hergesendet" dem Text folgt, ohne sich umzublicken, ruft im Publikum die Frage hervor: Was soll das? Auch dass Alfio im Duett mit Santuzza vor ihr an der Rampe kniet, ist von nichts abzuleiten.

Aber da kommt der Chor aus der Kirche auf dem Weg nach Hause und der kleine Trottel Turiddu erhält die Gelegenheit, sein "Ihr Freunde kommt und trinkt - Schäumt der süße Wein im Becher" direkt ins Publikum zu singen. Was scheren ihn die hinten stehenden Chorherren, die es ja eigentlich angeht. Lola tanzt derweilen auf einem Flaschenkasten herum, in dem Wein herein getragen wurde. Warum jetzt wieder ein Lichtwechsel stattfindet. Niemand kann es sagen.
Turiddu behauptet dann gegenüber Mama Lucia, "Mutter der Rote war
allzu feurig, drum muss ich hinaus ins Freie", für das die Übertitelungsanlage irgendetwas vorgibt, wie, er, Turiddu, habe zu viel getrunken. Man merkt ihm aber nichts an. Die Regisseurin hat wohl nichts angewiesen oder der Tenor Turiddu hat’s vergessen. Er beißt Alfio ins Ohr, der Chor umkreist die Beiden. Plötzlich taucht Turiddu aus der Menge mit blutigem Hemd auf, fällt vornüber und eine Chordame ruft von hinten, dass Turiddu tot sei. 

Der Abend schreitet nach der Pause fort, in der gleichen Szenerie beginnt Bajazzo. Tonio monologisiert an der Rampe, da kommen die Komödianten und bereiten ihre Vorstellung vor. Kinder – immer gut für jede Art von Inszenierung auf einer Bühne – toben freudig herum, weil Schauspieler ankommen. Nedda improvisiert mit den Kindern, Canio halb angezogen, der umschnallbare Bauch baumelt vor dem Körper, bereitet mit seinem "Ein herrliches Schauspiel bereiten wir heut’ Abend um neun" den Chor auf die Vorstellung vor. Er legt den Bauch ab, dann kuschelt sich Nedda an diesen – merkwürdig, warum tut sie das. Niemand kann es sagen.

Dass Silvio die geliebte Nedda mit seinem "auf nächste Nacht denn" um Mitternacht abholen will, heißt doch nicht, dass es jetzt und sofort in dieser Szene, in der nur über den Plan gesprochen wird, plötzlich völlig dunkel wird und dann auch noch über einem Sternenhimmel auf dem hinteren Aushang das ach so beliebte "O sink hernieder Nacht der Liebe" assoziiert wird. Gleich drauf, im grellen Verfolgerlicht, tauchen Canio und Tonio mit "Ah – die Buhlen gefangen" auf. Dann ist plötzlich wieder der gesamte Bühnenraum einheitlich hell. Warum? Niemand kann es sagen. Weitere Beispiele ließen sich aufführen, wo mit einem Licht-An-und-Ausknipsen wohl irgendwelche Effekte erzielt werden sollen.

Ein Bruch in der Dramaturgie entsteht beim Aufbau der Bühne für die Colombinen-Szene. Die Regisseurin lässt einen Hänger mit Vorhang herunter, hinter dem Beppo sein Lied an Nedda/Colobine singt und ein
paar kümmerliche Seifenblasen fliegen lässt. Die gesamten Beleuchtungshänger fahren herunter und sollen so das Theater auf dem Theater dokumentieren. Dass dies überhaupt nicht zur Cavalleria-Szenerie passt, scheint der Regisseurin offensichtlich nicht aufgefallen zu sein. Mit dieser Lösung hätte sie für den ersten Teil ebenfalls eine Theaterszene: Tenor gegen Bariton, Sopran mit Bariton gegen Tenor oder ähnlich dem Vorspiel Ariadne schaffen müssen. Nur dann hätte die Szenerie Cavalleria nicht mehr gepasst. So aber hängt die Colombinen-Szene in der Luft.
Viel nachvollziehbare Aktionen gibt es hier überraschenderweise nicht.
Was das permanente Bewegen der Finger bei Nedda soll, niemand kann es sagen.
Der Chor steht im Zuschauerraum, der für den Auftritt erleuchtet wird – wie originell. Und dass Tonio den Silvio am Ende von der Bühne drängt –
ist nicht verständlich. Will er diesen vor Canio schützen. Warum, er ist doch der eindeutige Widersacher.

Offensichtlich war das Publikum mit diesen häufig sich stellenden Fragen überfordert. Als die Schwarzen herauskamen, buhte das Volk gewaltig.

Von den Sängern wurde allein durch die nur schwer nachvollziehbare Choreographie Erhebliches abverlangt und die Partien an sich, singen sich nicht mal so eben.
Herausragend Adam Kruzel in der Doppelrolle Alfio / Tonio. Regensburg kann sich glücklich schätzen, diesen singenden Darsteller zur Verfügung zu haben. Die große, in allen Lagen sicher geführte Stimme, das wunderbare Timbre, das überzeugende Spiel – wo findet man einen solchen Bariton.
Neben ihm der Bariton-Kollege Jin-Ho Yoo als Silvio. Über den Posa kam er vom Papageno. Die Stimme ist gewachsen, nur stellt sich die Frage, wo ist die Grenze. Der Sänger steht in voller jugendlicher Kraft - und er setzt sie auch ein - auf der Bühne. Wann muss er reduzieren, um die Zukunft nicht zu gefährden. Dass auch die italienische Sprache Konsonanten hat, sollte ihm nicht entgehen. Der Text wird deutlich durch ein monotones Mulmen überdeckt, was dann ermüdend auf das Publikum wirkt.

Neben den beiden der mittleren Stimmlage, die beiden ersten Tenöre des Abends.
Michael Suttner mit der ihm eigenen Technik, die ihm hoffentlich nicht zu bald Probleme bereiten wird. Er spielt einen etwas dusseligen Turiddu mit einem strahlenden Lachen, gehört damit eher in die Operette nach Mörbisch oder Baden bei Wien oder an die Staatsoperette nach Dresden. Das dramatische Fach – ein Florestan – oder der gewesene Don Carlos sind eigentlich nicht so das Rechte für ihn, mit dem er überzeugen könnte.

Canio ist Juuso Hemminki – das Sorgenkind am Regensburger Theater. Fände er nur jemanden, der ihm das Singen beibrächte. So gelingt es ihm nur mit Druck den Orchestergraben zu übertönen, nimmt er den weg,
klingt die Stimme bröselig und vibriert heftig. Er ist im Spiel nicht gerade leichtfüßig, was beim Canio auch nicht unbedingt angebracht ist, aber er tut sich schwer, überzeugend zu wirken. Natürlich wird das Spiel auch durch die eigene Sorge – komme ich über die Runden – beeinflusst. Und was wird beim Florestan? "Schon zag’ ich und schwanke."

Der Beppo von Victor Schiering, buffonesk wie es sein soll, seine hoch liegende Stimme ist in der mittleren bis tiefen Lage eingeschränkt.

Dass Nedda sich wegen der ewigen Sorgen um die Stimme ihres Mannes Canio dem sauberen, gesunden Silvio zuwendet, ist nicht mehr als verständlich. Mi-Soon Jang schon als Mimi und Zauberflöten-Königin zu hören, klingt angenehm in den Piano- und Mezzoforte-Passagen. Die ganz hohe Lage ist im Forte kehlig und die Töne haben durch die weit aufgerissene Mundöffnung nicht die nötige Führung.

Überzeugend im Spiel und auch sängerisch Elvira Soukop als Lola und Teresa Sobotka-Anastasowa als Mama Lucia. Beide stimmig, die eine die kesse junge Frau, die andere mit ihrer satten dunklen Mittellage, die typische Mutter.
Neben den beiden Damen die Santuzza von Gail Sullivan. Sie spielt
gekonnt die gequälte junge, nicht so attraktive, Frau, die sich an den jungen Turiddu klammern will. Die Stimme ausladend, dem Verismo entsprechend. Santuzzas mittlere Lage bereitet Gail Sullivan keine Probleme – wie wird das aber bei der Fidelio-Leonore, die eigentlich von der Fiordiligi kommen sollte. Da wird sie sich schlank einstellen müssen,
um bei der hohen Lage beim "Farbenbogen" oder bei "sie wird’s erreichen" oder bei der "Gattenliebe" oder bei der "namenlosen Freude" und in den Ensembles mit dem "Retterin des Gatten sein" nicht einzubrechen.

Auch wenn der Chor zu wenig Einführungen hatte und noch in den Endproben mit Spickzetteln herum lief, setzt er sich doch routiniert und trotz der asiatischen Meditations-, Konzentrations- und Entspannungsübungen und der dadurch sich ergebenden optischen Gleichschaltungen der Gruppe in Szene.

Georgios Vranos dirigiert das Regensburger Orchester mit seinem eigenen mediterranen großen Atem. Dass es gelegentlich zwischen Bühne und ihm auch Unstimmigkeiten gab, ging irgendwie unter. Die Wahrnehmung der Lautstärke ist sehr vom jeweiligen Sitzplatz abhängig.

Das Publikum gnädig bis freudig bewegt bei den Sängern, ungnädig
mit Ingrid Erb wegen ihrer trostlosen Bühne und Tatjana Gürbaca wegen der Ungereimtheiten bei der Personenführung. (dh)
 

     
   
     
     
 
 
 

Antonio Bibalo
nach Strindberg
'Fräulein Julie'

   
   

Bayerische Theaterakademie
12.06.04

"Immer an der Wand lang"

   
     

Die kompositorische Bearbeitung von Strindbergs Schauspiel, 1890  uraufgeführt - fest steht, dieses benötigt keine Musik von Herrn Bibalo - fand 1975 und 1984 in zwei Versionen den Weg auf einzelne Bühnen. So nun auf die der Theaterakademie in München.
Hier durfte Dina Keller, Studentin in der Klasse von Cornel Franz, Antonio Bibalos Oper ’Fräulein Julie’ inszenieren.

Dass eine Studentin keine perfekte Leistung abliefern kann, ist verständlich. Es fehlt bei allem Einfallsreichtum die Erfahrung oder das überragende Talent, aus diesem Manko heraus, quasi unbedarft ein stimmiges Konzept für szenische Abläufe zu entwickeln. Problematisch wirkt sich die fehlende Menschenkenntnis dann allerdings bei der Personenführung aus.

So auch hier in MUC. Frau Keller quält die Sänger mit aufgesetzten Choreographien – drei Schritte vor, ein halber zur Seite, ein Rumpfbeuge nach links, der dramatische Arm nach vorne ausgestreckt, das linke
Lid um die Hälfte des Augapfels gesenkt - versäumt aber – wohl weil sie die Durchdringung der Charaktere nicht erfasst – das Spiel der handelnden Personen. Die hampeln aneinander vorbei, finden weder zu sich, noch zu dem/der anderen. Die Problematik im gesellschaftlichen Gefälle von ’Fräulein Julie’ der Grafentochter zu Jean dem Diener und zur Kristin der Wirtschafterin wird nicht deutlich. Dass die Regisseurin ’Fräulein Julie’ einen das Spiel hindernden Kokon wie den einer schlüpfenden Raupe umhängt, dokumentiert zwar die hormonellen Umstände einer Pubertierenden, macht aber im Spiel nicht deutlich wie sehr sich die Grafentochter dem Butler zugeneigt fühlt. Jean – hier ein absolut unerotisches Zigarettenbürscherl – hat nicht im Entferntesten die Ausstrahlung, eine junge, aus gutem Hause stammende Jungfrau auf den Gedanken bringen zu können, sich nun ausgerechnet ihm hingeben zu wollen. Von Knistern keine Spur. Und der will nach oben, ein Hotel in der Schweiz aufmachen - zum Lachen.

Dass Kristin angeblich etwas mit Jean hat, bleibt völlig ausgeblendet. Die kocht unbeteiligt Nudeln, spült oder kramt sonst wie in ihrer Küche rum. Von Eifersucht oder Angst vor dem Verlust des Geliebten an das höhere Fräulein, oder sonstige Einflussnahmen - nichts zu bemerken.

Die von der Regisseurin angewiesenen Choreographien lassen zwar ein Zusammenspiel ahnen, allerdings wird die Spannung zwischen den Figuren vermisst. Oder konnten die Darsteller nicht miteinander ? Dann allerdings fehlt hier Professionalität, einen solchen Zustand mit Hilfe der Regisseurin zu überwinden. So werden nur Bewegungsabläufe vorgegeben, aneinander vorbei rum gerannt, Türen des Wandschrankes geöffnet und geschlossen, Requisiten rausgeholt, wieder reingestellt oder auf den Boden geworfen, wo sie dann bei jedem Schritt im Wege sind.

Leerer Aktionismus pur. Die Beziehung, besser Beziehungslosigkeit der Akteure zu und untereinander interessiert die Regie nicht, wichtiger scheint ein Hantieren, die Schaffung von ’Bildern’.

Zweifellos ist die Regisseurin durch die Vertonung des Strindberg’schen Schauspiels gezwungen, die Bibalo’schen leeren Orchesterphrasen zu überbrücken. Irgendetwas muss ja auf der Bühne passieren. Immerhin
lässt sie die nicht unmittelbar am Spiel Teilnehmenden am Rande mitagieren, beweist damit, das ihr etwas einfällt, diese Darsteller sichtbar und teilweise sinnvoll zu beschäftigen. So wird von Kristin eine Wäscheleine gespannt, wahllos trockene Wäsche aufgehängt, oder es werden die Betonwände der Reaktorhalle mit Kreide von den Tonlosen beschriftet, meist aber schleichen diese in Drehchoreographien „immer an der Wand lang“.
In den Passagen, da ’Fräulein Julie’ nicht durch ’action’ abgelenkt ist und bei sich sein kann, füllt sie auch die Rolle, während ’Kristin’ immer nur die handfeste Hauhaltshilfe spielt. Der müsste es doch gelingen, das Mantschkerl Jean bei sich zu halten. Unerklärlich das.

Zum Unverständnis für die Handlung trägt auch die Artikulation der Sänger bei, Texte gehen im Überhall des Raumes verloren, so dass – wer das Stück nicht kennt – kaum Zugang finden kann.

Es muss der Eindruck entstehen, dass die Aufsicht durch die Semesterleiter fehlte. Erstens ist es nicht nachvollziehbar, dass ein solches Stück für eine Semesterarbeit ausgewählt wird, wenn die Rollen nicht mit entsprechenden Stimmen zu besetzen sind und zweitens ist
kaum anzunehmen, dass eine solche Regiearbeit unter Dr. Peter Kertz jemals abgeliefert worden wäre.

Hinzu kommt, dass auch an der Aufnahme von Sängern zum Studium gezweifelt werden muss. Was soll aus diesem Nicht-Sänger des Jean werden. Was er zeigt, reicht nicht einmal für eine Chorstelle an einem Provinztheater. Da ist nicht die Spur von Substanz, die eine Entwicklung erahnen ließe und ein „ich höre da was“ wie es oft von einer Dozentin einer renommierten Hochschule bei einer Aufnahmeprüfung dargelegt wurde, reicht nicht für eine Sängerlaufbahn bei der internationalen Konkurrenz. Wer also hat bei der Aufnahmeprüfung diesen jungen Mann
auf die falsche berufliche Bahn gelockt ? Hier reicht nicht einmal der Tenorbonus als Argumentationshilfe für die Aufnahme an eine staatliche Hochschule.

Wer bedenkt, dass für diese Produktion sechs Wochen probiert, ein aufwändiges Bühnenbild mit Sandaufschüttungen, Bauten, technischen Einrichtungen geschaffen wurde und dies alles in nur zwei Vorstellungen zur Schau gestellt wird, muss sich fragen, was geschieht da an den Hochschulen und Akademien in Deutschland.

Sind oft unqualifizierte, aber dafür hübsche, smarte Studenten/Innen nur dazu da, die Klassen der beamteten Dozenten – meist ältere Damen und Herren, die oft selbst niemals auf einer Bühne gestanden haben - zu   füllen ? Wie soll da ein adäquater szenischer Unterricht erfolgen ? Und was und wohin dann mit den von diesen 'Fachkräften' ausgebildeten darstellerischen Schwachmatikussen, bleiben die sängerischen Qualitäten einmal ganz beiseite ?

     
   
     

Internationaler
Richard-Wagner-Kongress

 

Augsburg 21. - 23.5.04

     

'Richard, Richard
über alles
'

   
     
Eine Fülle von Informationen und Events bot der Kongress zum ewig aktuellen Thema 'Richard Wagner'.

Die Referenten
Prof. Eva Märtson
Prof. Dr. Dieter Bochmeyer
Dr. Martha Schad
Dr. Ulrike Kienzle
Sabine Sonntag
Prof. Dr. Udo Bermbach

 

Eingefügt in Vorträge und Seminare als heimliche Uraufführung
angekündigt der erste eines mehrteiligen Musicals mit dem auch so merkwürdig dem Betrachter vorkommenden Titel 'Der Herr des Rings'. Beim ersten Teil 'Des Königs Meistersinger' behandelt, der Kommentar der Zuhörer während der Vorstellung: "Augen zu und durch."
Mag Herr Hummel auch in Insiderkreisen noch so bekannt sein und durch sein Ludwig II-Musical 'Die Sehnsucht nach dem Paradies' eine gewisse Popularität erfahren haben, so scheint es doch bedenklich, wenn ein Musical aus kaufmännischen Gründen abgesetzt wird. Die Aufführungen
im extra erbauten Theater in Füssen fielen unglücklicherweise in die Zeit nach dem 11.9.01. Die Zuschauer aus Japan und Amerika blieben aus
und die Bewohner der näheren und weiteren Umgebung hatten nach einmaligem Anschauen wohl genug. Wäre die Musik von 'Die Sehnsucht nach dem Paradies' so außerordentlich gut gewesen, hätte die Performance nicht mit diesem optischen Aufwand präsentiert werden müssen und wäre wohl auch nicht in der Versenkung verschwunden.
Bei den vorgestellten Szenen aus dem 'Herr des Rings' mit Nietzsche, Bakunin, Ludwig, hörte man großen Meister wie Bruckner, Orff im Hintergrund, während Wagner ganz vordergründig aufgespielt wurde.
Die Kompositionen Hummels erinnerten an die typischen Musiken wie die anderer Dirigenten. Diese hatten Musiken im Kopf, schrieben sie auf und siehe da, auch sie mussten feststellen: es gab alles schon und besser.
Die Mitwirkenden aus dem ehemaligen Ludwig-Musical-Ensemble zeigten ihre große Individualität, weil die Musical-Ton-Verstärkung fehlte.
Hartmut Schröder meinte, ein hoher Tenor zu sein und Richard Wagner in  der richtigen Form darstellen zu können. Heraus kam eine Karikatur.
Knallhart im ganzen Auftreten mit großer Stimme, überzeugt von sich: Dorit Bohrenfeldt als Minna und Wilhelmine. Der als schön anzusehende Andreas Agler als König war noch der einzige, dem eine gewisse Stimmkultur zugesprochen werden kann.
 

Simon Bohrenfeld

 

    Dorit
Bohrenfeld

Reizend das Kind Simon Bohrenfeld, wenn es die alte Weise 'Maikäfer flieg' voller Inbrunst, erfüllt von der Aufgabe, brennend vor Lust auf der Bühne zu stehen, vortrug. Geradezu grandios die musikalische Begleiterin am Flügel: Irma Issakadze.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist dieser Musik und diesem Stück - auch noch in drei Teilen - kaum Erfolg vorauszusagen.

Ganz anders 'Der Ring an einem Abend' im kleinen Theater im Abraxas in  Augsburg am Abend vorher.
Eine Truppe bestehend aus einem Handpuppenspieler, einem Sprecher und einer Sängerin, die von Hagen über Erda bis Brünnhilde alles sang, führte das Publikum durch die an sich schwere Kost des Wagner'schen Rings. Sie beglückten das Publikum mit einem Feuerwerk akustischer und optischer Einfälle. Witz, Ironie und Belehrung, alles war zur Freude des Publikums aufgeboten. In keinem Fall wurde das Werk desavouiert oder der wagnerbegeisterte Zuhörer verletzt.
Beschwingt verließen die Zuschauer die Vorstellung. Wurde hier doch vor Augen und Ohren geführt, wie man mit wenigen Mitteln zaubern und Theater in der richtigen Weise, ohne Pomp und große Umstände, darbieten kann.

Trotz aller Warnungen und Empfehlungen wurde seitens Richard Wagner Verband International auf die Vorstellung des Tannhäuser im Theater Augsburg nicht verzichtet. Allerdings trat Dr. Ulrich Peters, der Intendant, vor den Vorhang und bat um Toleranz der Wagnerianer für diese Produktion. Trotz dieser Beschwörung war das Resultat die Ablehnung dieses Machwerks durch die Wissenden, wenn sich auch die offensichtlich Harmlosen, Einfältigen im Publikum von der Darstellung des Tannhäuser durch Gerhard Siegel überrumpeln ließen.
Bemerkte dieser nach dem Ersten Akt, dass er mit seiner Art zu singen,
seinem gequetschten Knödel, nicht ankam, trug er im zweiten darstellerisch dick auf - hopste wie ein Dilldopp mit seinem Brierkrügl
herum - und vor allem im dritten Akt übertrieb er derart, dass es nur als "die Sau rauslassen" bezeichnet werden konnte. Frei nach dem Motto:
"Euch werd' ich's zeigen, wenn ihr mich nicht gut finden wollt!"
So war der dritte Akt hart an der Grenze zum Komischen und so hätte
der Tannhäuser durch Gerhard Siegel zur Klamotte werden können. Sein Rumgerutsche auf dem Boden mit viel zu heftigen, schnellen Bewegungen, in der Kutte sah er aus wie Rumpelstilzchen, als dass ihm das Gequälte nach der Enttäuschung in Rom hätte abgenommen werden können. Das Hineinplumpsen in das umgefallene Zahnrad, die Nachahmung eines fistelnden 90-jährigen Papstes wie mit der Stimme des Altoum in Turandot, das Kopfwackeln eines Irren -  er wäre darstellerisch wie stimmlich - ein guter Blödsinniger im Boris. Aber es gelang ihm, was er geplant hatte, er führte das Publikum am Nasenring vor und zwang es so zu seinem persönlichen Erfolg. Als die Simplen im Publikum "Bravo" riefen, sagte er
zu sich bestätigend - wie Heinz Rühmann im Köpenick-Film - "Na, also!" Dass dies alles sehr an den Buffo Leopold im Rössl oder den Gogolori oder auch den Mime erinnerte, focht Gerhard Siegel nicht an. Er hatte erreicht, was er wollte: Erfolg.
Neben ihm der andere Buffo, Stefan Sevenich, als Biterolf. Er wirft sich
auf die Sitzgruppe, rauft mit Tannhäuser, gibt mit seiner wattigen Stimme einen wilden Prahler. Von Hass auf Stefan Sevenich unsererseits kann keine Rede sein, wie er mit seinem Link auf unsere Webseite behauptete. Es ist wie und was er ist, ein Bass-Buffo, der mit seiner Spielastik das Publikum in seinen Bann zieht. Eben wie der Tenorbuffo Gerhard Siegel.
Szenisch konnte nochmals verinnerlicht werden, wie Vuokko Kekäkälinen, die Venus nach ihrer Ermordung entsorgt wird. Wie ein Sack hängt sie über der Schulter. Wie auch bei ihrer Herodias schon beschrieben. Sie schleppt als Venus stimmlich einen schweren Koffer, das Problem mit der Höhe ist offenkundig. Wie schon am 11.12.03 sei nochmals gesagt: sie kann froh sein, dass die Ur-Dresdener Fassung gespielt wird und ihr der Wiederauftritt mit dem "Willkommen ungetreuer Mann" im dritten Akt erspart bleibt.

Beachtenswert, wie sich Sally du Randt in den Augsburger Jahren entwickelt hat. Nun, nach mehreren Vorstellungen hier in diesem Hause liegt ihr die Elisabeth offensichtlich gut - die Rolle lässt sich auch wie Butter singen, trotzdem hörte man kürzlich in Zürich von der Kollegin
ein 'h' am Ende der Arie, das mehr als geschrieen, denn gesungen angesehen werden musste.
Sally du Randt überzeugt jetzt im Spiel und auch stimmlich. Die Töne
groß und rund, ihr hoher Sopran kommt gut und publikumswirksam zur Geltung.

Guido Jentjens als Landgraf wurde schon am 10.12.03 beschrieben. Erfreulich Rolf Romei als Walther. Riccardo Lombardi mit seinem samtenen Wolfram, etwas mehr Kern hätte man sich gewünscht, die Dopplungen der Endsilben - die amerikanische Unart, schon bei Richard Brunner am 10.12.03 bemängelt, auffallend deutlich.

Die Orchesterleitung durch Rudolf Piehlmayer zeigte Differenzen mit den Sängern bei der Wahl der Tempi. Der Beginn, von der Ouvertüre - diese übrigens unapplaudiert - bis in die erste Szene hinein, könnte delikater dargeboten werden.

Fazit: Eine überraschend positive Erfahrung mit Sally du Randt, eine andere mit Gerhard Siegel, zu sehen, wie man als darstellender Sänger,
das große Publikum zwingen kann.

     
 

 
     

Richard Strauss
Salome

 

Theater Augsburg
19.05.04

     

"Meine Tochter
hat recht getan
"

   
     
Zur Uraufführung der Salome am 9.12.1905 in Dresden meldete sich
Cosima Wagner aus Bayreuth mit den strengen Worten: „Nichtiger Unfug, vermählt mit Unzucht!" –
Dabei hatte es zuvor nicht nur einen ausführlichen freundschaftlichen Schriftverkehr zwischen Richard Strauss und der Witwe Richard Wagners gegeben. War vieles bis fast zur Jahrhundertwende einvernehmlich zwischen beiden geschehen, immerhin war Richard Strauss in die Bayreuther Festspiele 1889 und 1891 fest eingebunden wie er auch 1894 den 'Tannhäuser' in Bayreuth dirigierte, führte die Schaffung eigener Werke für das Musiktheater zur Entfremdung mit Richard Wagners Lebensgefährtin, die mit den ersten Opern 'Guntram' und 'Feuersnot' begann. Mit Entwicklung des eigenen Opernstils – schon angedeutet in
den frühen symphonischen Werken – hatte Richard Strauss den Weg Richard Wagners nachfolgend verlassen und wie er sich selber ausdrückte, Richard Wagner umgangen.
Richard Strauss sah Gertrud Eysoldt, die 1903 in Berlin die Titelrolle in Wilde’s Drama spielte und entschied spontan, aus dem Schauspiel eine Oper zu machen. Er selber kürzte den Text der Übersetzung - und legte nicht die zum gleichen Zeitpunkt erschienenen Übersetzungen von Pavia oder Teschenberg seiner Tondichtung zugrunde - zusammen auf die ihm für die Vertonung wesentlich erscheinenden Text-Passagen. Dabei ging zwangsläufig neben Beiläufigem auch literarisch Hochwertiges aus der Originalfassung verloren. Die Kunst Oscar Wildes bestand vor allen im Schaffen einer zwingenden Farbigkeit der Atmosphäre, die er mit Worten herzustellen verstand. Richard Strauss überhöhte die Sprache durch seine Tonschöpfung, so dass Fehlendes im Text durch die Musik überwunden und die Aussagekraft im Ganzen noch gesteigert wurde.
Die Wirkung des deutschen Textes ist und bleibt abhängig von der poetischen Übertragung durch Hedwig Lachmann. Sie, die im 19. Jahrhundert eine der wenigen Möglichkeiten der Entfaltung für eine Frau nutze, in dem sie nach einer Ausbildung als Sprachlehrerin nach England ging, als Erzieherin arbeitete und so den unmittelbaren Kontakt zur Literatur Englands erhielt. Sie übersetzte Werke von Edgar Allen Poe und eben auch Oscar Wilde.
Der Vergleich der vertonten Text-Fassung mit dem Original von Oscar Wilde, zeigt auf, was von Richard Strauss nicht übernommen wurde.
Aber die damals noch sehr von Prüderie bestimmte machtvolle Zensur hätte im einiges wohl kaum durchgehen lassen, während das "Und die Griechen sind Heiden. Sie sind nicht einmal beschnitten" unbeanstandet blieb und "Die Juden. Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion.
[...] Ich finde es lächerlich über solche Dinge zu streiten" am Beginn des 20. Jahrhunderts in das Zeitbild in Bezug auf das Ansehen derer passte und – wohl weil es sich um Weltliteratur handelt – heute noch Bestandteil des gesungenen und auch gesprochenen Textes ist. Auch das „Da
drinnen sitzen Juden aus Jerusalem, die einander über ihre närrischen Gebräuche in Stücke reißen." hat noch nie jemals jemand beanstandet. Auch die Szene der fünf Juden mit den Ausführungen, ob der Messias
nun gekommen oder nicht gekommen ist mit dem: "Seit dem Propheten
hat niemand Gott geseh’n" und das "Der Messias ist nicht gekommen", blieben und sind unangefochten Bestandteil des Werkes.
Für den Schluss der Oper wurde von der Zensur in Berlin das Erscheinen des Sterns von Bethlehem vorgegeben, der die Ankunft der drei Weisen aus dem Morgenland versinnbildlichen und so das blutige Ende der
Tochter der Herodias abmildern sollte. Und in Wien war es trotz des kraftvollen Einsatzes von Gustav Mahler nicht möglich, die österreichische Erstaufführung der Dresdener Uraufführung unmittelbar folgen zu lassen. Aber Breslau durfte 1907 die Salome in Wien als Gastspiel geben, die Hofoper nahm sich des Werkes erst 1918 an.

Nach wie vor stellt die Besetzung der Titelrolle für die meisten Theater
das Problem überhaupt dar. Die Instrumentierung erfordert einen hochdramatischen Sopran, der so gertenschlank sein sollte, dass er das Kindweib Salome glaubwürdig darstellen kann. Bei der Uraufführung in Dresden soll Richard Strauss daher gemeint haben: „Die Wittich ist steif und matronenhaft, und sie hat sich einen tüchtigen Bauch hergemästet. Die Stimme ist eins A, alles
andere ist Bauch." So kam er nicht zu der gewünschten 16-Jährigen mit der Isoldenstimme, was bis heute nicht erreichbar ist, immerhin ist der Orchesterpart für 105 Musiker
geschrieben.
1930 hat Richard Strauss nach Kurt A. Roesler Retuschen an der Instrumentierung der Komposition vorgenommen, die auch einem
leichterem Sopran das Singen der Rolle ermöglichen sollten.
Auch empfahl Richard Strauss später, seine Komposition 'das Scherzo
mit tödlichem Ausgang' wie Elfenmusik mit leichter Hand zu dirigieren.
In den 40er Jahren sorgte Ljuba Welitsch für Aufsehen mit ihrer Rollengestaltung und dem ihr typischen schnellen Vibrato, einem Flirren
der Stimme, das seine Entsprechung in der Instrumentierung fand und dokumentiert ist in einer Aufnahme unter Lovro von Matacic von 1944,
mit dem von Erotik erfüllte „Ah, ich habe deinen Mund geküsst,
Jochanaan ..."
Ob nun Astrid Varnay, Inge Borkh, Birgit Nilsson, Leonie Rysanek,
Hildegard Behrens oder jetzt Inga Nielsen, die Anfang der 70er Jahre als Adele in Wien und jetzt als Salome an der Lindenoper Erfolg hatte –
kommt dem Idealbild der jungen orientalischen Frau, die durch ihre
trotzige Unbedarftheit Mitleid erregen muss und nicht einer reifen Nymphomanin gleichgestellt werden darf – wenn auch nicht Salome als unbedingte Kindfrau – entgegen, verfügt sie über die Kraft und Ausdauer für diese in ihrer exponierten Lage schwierigen Partie. Richard Strauss
ging es ganz deutlich um das Kolorit in seiner Komposition, das Kolorit,
das er in 'Judenopern' vermisste.

In Augsburg unter der Intendanz von Dr. Ulrich Peters stellt die Bühne
von Christian Floeren kein Wüstenfort dar, sondern eine glatte Umzäumung aus Stahlstäben fast an den äußersten Bühnenrändern mit Schiebtüren auf die gesamte Höhe. Über die Stahlrahmen gehängt, leichte Stoffbahnen – wohl Georgette - an den Seiten und hinten. Das Orchester zeichnet deutlich den Wind, den der Tenor fühlt, an den Abhängen nicht eine Spur von Luftbewegung. Zwei Sessel, eine Couch aus Leder – ganz heutig. In der Mitte des Bühnenbodens eine hell erleuchtete Fläche. Es scheint sich um eine Penthaus-Wohnung in einer Bananenrepublik des vorderen Ostens mit zweifelhaften Geldgeschäften zu handeln.
Nun galt es für die Regie, diesen Raum zu füllen.
Zum Beginn treten auf, dann stehen rum, von Christian Floeren eingekleidete schwarz Uniformierte wie man sie von privaten Sicherheitsdiensten in Kaufhäusern kennt. Narraboth, der Oberaufseher,
da in gleicher Uniformierung, ist besorgt um Salome, was sich weder im Spiel als durch die Worte aber kaum bemerkbar macht, auch da der Text von Zurab Zurabishvili kaum verständlich gesungen wird - die an sich schön timbrierte und gut geführte Stimme zeigt bereits einen beginnenden Schaukler auf - bleibt dem Zuschauer nur zu fragen: „was will der Mensch?" Erregt redet der Page der Herodias auf Narraboth ein, in einer Körpernähe, die eine gewisse Vermutung bestätigt, dass der Page den Narraboth will und sauer ist. Der typische Konflikt, wenn einer plötzlich sein 'coming in' erlebt und meint, Hetero zu sein.
Bei Kathrin Koch als jenem Pagen zeigt sich auch bereits ein deutliches
unkontrollierbares Auf und Ab in der Tongebung, wenn er/sie die Mondscheibe eine Projektion, eines Bildes, das wohl von der ESA aus Darmstadt freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde, besingt.

Da auch die Bemerkung des ersten Soldaten wegen eines Geheuls im Palast kaum zur Erregung von Aufmerksamkeit beiträgt – von Geheulähnlichem hinter der Szene nämlich keine Spur – beginnt der an Astronomie interessierte Zuschauer zwischenzeitlich, die Mondkrater auf dem ESA-Bild zu zählen. Dass Narraboth Salome immerfort ansieht, was
den Unwillen des Pagen hervorruft, kann vom Publikum kaum zur Kenntnis genommen werden, da die Orchesterwogen, den Stimmen im Allgemeinen und der des Pagen im Besonderen das Leben erschweren und die Textverständlichkeit herabmindern.
Jochanaan scheint aus den unterirdischen Klüften sich per Megaphon bemerkbar zu machen, er jedenfalls kommt mit seinem "Nach mir wird
einer kommen" und allem nachfolgendem aus der Versenkung Gesungenem, von der Phonzahl ganz passabel über die Rampe. Aber auch die Szenen
auf der später hochgefahrenen Versenkung zeigen, dass Riccardo
Lombardi
der Rolle stimmlich gewachsen ist. Kraftvoll, voluminös sein klangvoller Bariton, wobei der Zuhörer wegen der exponierten Lage der Partie kaum die Möglichkeit hat, dem Text zu folgen. Er verfügt neben seinem in Augsburg gesungenen sanftmütigen Wolfram der für den Jochanaan geforderten dramatischen Stimmkonstitution. Völlig unmöglich, dass dies von einem jungen Bariton gesungen werden kann, womit
Richard Strauss – wie bei der Rolle der Salome – seine Vorstellung gemäß dem Text: "Nein, Prinzessin, er ist ganz jung" nicht realisieren konnte.
Die Rolle des Jochanaan fordert von Riccardo Lombardi neben erotischer Männlichkeit, eine überzeugende Darstellung der pathologischen Schübe, unter denen er seine Prophetien äußert. Eindeutigkeit in der geraden Linie seiner Botschaft, da er Liebe, Verständnis, Opferbereitschaft, also die typische christlichen Tugenden predigt und Herodias wegen ihres zügellosen Lebenswandels und des Quasi-Inzest, den Schwager geehelicht zu haben, verdammt. Und das kommt nun nicht überzeugend. Riccardo Lombardi steht von der Regie verlassen, unbeteiligt herum oder liegt am Boden. Er macht den Eindruck eines gemütlichen Kollegen, der einen Charakterbariton im Halse hat.
Beispielhaft für das Ausfüllen der Rolle sei hier allein Josef Metternich genannt, bei dessen ersten Tönen schon jeder – ob Mann oder Frau –
eine Gänsehaut bekamen. Heute kann das Bryn Terfel.

Das Gespräch Soldat / Cappadocier geht ebenfalls weitgehend unter. Da der Zuschauer dem Text nicht mitkommt, freut sich besonders der Unbedarfte, dass zur Ablenkung plötzlich eine elegant gewandete Dame auf hohen Stöckelschuhen, so Mitte vierzig, von links auf die Bühne
kommt und die ledernen Sitzgelegenheiten auf der Bühne ausprobiert.
Es ist Salome. Sie wolle nicht drin bleiben, meint sie, weil die Luft draußen besser sei. Auch findet sie den Anblick des Mondes viel interessanter, als sich mit ihrer Mutter und dem Stiefvater für die närrischen Gebräuche der Juden zu interessieren oder unter der plumpen Sprache der Römer als Besatzer, wie die plumpe Sprache der heutigen Besatzer, östlicher von Jerusalem, mehr als notwendig zu leiden.
Neben der riesigen Amplitude der Partie der Salome vom hohen ’h’ bis zum tiefen ’ges’  besteht bei dieser Rolle eine weitere Schwierigkeit, nämlich
die der Textwiedergabe, vor allem dann, wenn Sopranistinnen, der deutschen Sprache nicht so mächtig, die Partie übernehmen.
Leider ergibt  sich dann für das Publikum kaum die Möglichkeit, Salome zu folgen, zumal dann, wenn Regisseure das Werk optisch auf den Kopf stellen, um sich selbst zu verwirklichen.
Augsburg hat seine Allzweckkraft Sally du Randt als Salome im Einsatz – sie singt dort Tannhäuser-Elisabeth, die 'Herzogin von Chikago', jetzt Salome und wird doch nicht etwa auch noch als Annie am Augsburger Roten Tor in diesem Sommer das: "Ich schieß mit der Knarre, dem Pfarrer die Zigarre aus dem Mund" oder "Alles was Du kannst, das kann ich viel besser", das Giulietta Simionato und Ettore Bastianini so wunderbar als Gäste beim Prinzen Orlowsyki unter Karajan zu Gehör brachten, von sich geben. Wer weiß, wenn Not an der Frau ist, steht sie bereit?
Hat sie doch schon Konstanze neben Chrysothemis gesungen und en passant noch als Hänsel-und-Gretel-Hexe die Kinder erschreckt und Erwachsene mit der Gestaltung gerade dieser Rolle überzeugt. Und was wird in diesem Bezug erst bei der Lady Macbeth sein?
Sally du Randt’s Augsburger Salome ist insofern etwas Außergewöhnliches, als sie stimmlich etwas vorführt, was Gundula Janowitz in guten Tagen gelang. Sie zaubert Piani, Crescendi – die, berühren diese nicht gerade
die ganz hohe Lage unter Druck, denn dann wird der Ton hart – schlicht und einfach bemerkenswert sind. Hier kann sie bestricken und Rudolf Pielmayer lässt ihr Zeit, er nimmt das Orchester zurück und lässt sie drucklos feine Silberfäden spinnen. Die mittlere und tiefe Lage der Partie liegen ihr weniger, hier klingt alles eher wie eine Sprechstimme ohne Volumen und ohne Farbe.
Darstellerisch nimmt man ihr die Kindfrau in einem ersten Aufwallen von Hormonen nicht ab. Und was soll diese elegante Dame der Upper Class mit diesem Abgefetzten aus der Wüste, von dem nichts, aber auch gar nichts ausgeht. Von Fanatismus der Verkündigung der christlichen Heilslehre,
von animalischer Erotik Jochanaans keine Spur.
Dass Salome da Mühe hat, dem Publikum plausibel zu machen: ’den will
ich, den muss ich unbedingt haben’, ist verständlich. "Sie quält sich ab,
sie kommt in Schwitz" und so könnte das Stück hier bereits zu Ende sein, denn jetzt dürfte Salome sich denken: ’in Wirklichkeit will ich den ja nicht mal zu Hause als Bild an der Wand hängen haben.’ "Allein, was tut’s."
Die Verliebtheit in den Wüstenpropheten, Ihre Versuche der Verführung kann Sally du Randt nicht glaubhaft machen. Ihr "Ich will ihn näher beseh’n", wenn sie neben ihm steht, dokumentiert auch, wie sie von der Regie allein gelassen wird. Bei: "Ist er so schön wie du", fragt der Zuschauer, was hat Salome nur für einen Geschmack, wenn sie den nun schön findet. Aber angeblich macht Liebe ja blind.
Dann legt sie sich rücklings auf den Boden, in der Hoffnung, Jochanaan würde nun über sie herfallen. Nichts ist! So steht sie auf und zupft sich ganz profan ihr Kleid "im Angesicht alles Volkes" zurecht, das auf der Rückseite zwischen den oberen Abschnitt der Beine geraten ist.
Ihr körperliches Ringen um Jochanaan sieht aus – da er beidseitig an langen Banden gefesselt ist – wie Tauziehen und wenn der angebetete Jochanaan wieder in der Versenkung verschwindet, versucht Salome
das Hinunterfahren zu verhindern, aber "meine starken Arme können den Stein von der Stelle nicht mehr bewegen". Salome schmollt dann, sitzt zwar dekorativ, aber wenig zur Belebung der Szene beitragend, in einem der beiden Ledersessel oder lümmelt auf der Couch.
Trotz alle dem oben gesagten: In jedem Fall aber hat in stimmlicher Hinsicht wie auch darstellerisch bei Sally du Randt eine Entwicklung stattgefunden. Ihre Tatjana, 'Braut-Marie', Konstanze, die drei Damen im ’Hoffmann’ auch Elisabeth im Tannhäuser in Regensburg – alle litten unter Statik, mit der Sally du Randt diese Figuren umsetzte und in der hohen Lage bei Forte-Stellen neigte die Tongebung zur Schärfe.
Der große Raum im Theater Augsburg, der zunehmende Erfolg bei der Gestaltung der Rollen, brachte Sicherheit und offensichtlich hat die Sängerin ein gutes Verhältnis zum GMD. Das trägt, verbessert auch
die Stimmung. Und ein glücklicher Vogel singt einfach schöner.

Herodes in einer weißen Gala-Operettenuniform stürzt auf die Bühne mit Herodias, 'seinem vertrauten Weibe', diese mit einem Federbusch auf dem Kopf – wie ein Zirkuspferd, ansonsten elegant, lang mit geschlitztem Rock und großem Umhang gewandet. Eine 'Klimt-Frau' in dieser Robe, also Kostüme hier: Zeit der vorigen Jahrhundertwende.
Dass Herodes vom ersten Auftritt an scharf auf Salome sein soll, kommt nicht rüber. Auch hier, wie bei Salome/Jochanaan, von Erotik nichts zu bemerken. Das Spiel zwischen dem Tetrarchen und Salome macht eher
den Eindruck, als wolle er die Dame überreden, mit ihm eine Partie
'Mensch ärgere dich nicht' zu spielen.
Tadeusz Galczuk als Herodes - meist und bedauerlicherweise auch der Aegisth in der Elektra - die Rolle für den älteren Tenor, nun auch für
René Kollo, Wolfgang Schmidt und Siegfried Jerusalem – unvergessen
Horst Hiestermann – hier ein wohl ehemaliger Operettenbuffo scharwenzelt, tänzelt herum, das soll ein gefährlicher Mörder sein? Die Stimme intakt, kernig, wenn auch für das große Haus und das dicke Orchester etwas wenig durchschlagkräftig und beim Text weiß man
nicht, ob da nicht irgendwas hingemurmelt wird, was aber mit Oscar Wilde nicht viel zu tun hat.
Keine gute Meinung hatte Richard Strauss von den hohen Männerstimmen. Alle Tenorpartien in seinen Opern werden charakterisiert durch
eine mehr oder weniger ausgeprägte hysterische Aufgeregtheit. Ob Aegisth, oder Matteo, oder Bacchus, oder der italienische Tenor,
oder eben Herodes. Unterstrichen wird diese Exaltation durch den Text, zunächst die Vergesslichkeit des Herodes darstellend und aber auch die anfänglichen Beschwörungen, Salome möge für ihn tanzen mit den Versprechen, ihr alles zu geben, was sie von ihm verlange, dann sein Bedrängen, Salome möge von ihrem Plan abrücken, mit Penetranz den
Kopf des Jochanaan zu erhalten. Die so genannte 'Juwelenarie des Herodes' lässt einen Schmuckladen mit schönsten Steinen und Geschmeiden an den Zuschauern vorüberziehen. Die Vergleiche der Perlen 'wie Monde an silberne Strahlen gekettet'; 'wie Monde, die in einem goldenen Netz' gefangen wurden, 'Topase wie Augen der Tiger' oder 'die der Waldtaube', oder 'wie Katzenaugen'; 'Opale, die funkeln mit einem Feuer, kalt wie Eis' wecken Gelüste jeder Frau. Salomes nicht. Als Prinzessin von Judäa und als Tochter der Herodias will sie den, der ihre Mutter befetzt und sich ihr verweigert. Dass sich beim Tanz der Salome durch Sally du Randt etwas bei Herodes bewegen könnte, ist nicht zu glauben. Die eleganten aber un-sexy Bewegungen dieser Salome machen die Gier nach diesem Weib nicht glaubhaft. Und dass Salome aber aus eigenem sexuellen Antrieb auf Jochanaan 'fliegt', ist nicht plausibel dargestellt. Dies liegt natürlich auch an der damenhaften Eleganz der Salome durch Sally du Randt. Und wenn sie sich am Ende den Busen mit Blut des Jochanaan beschmiert, ist dies noch kein Grund, dies und alles andere als schlechte Schauspielerei zu brandmarken und sie durch Kehlkopfschnitt abzuschlachten.

Das "Ich achte nicht auf die Stimme meiner Mutter. Zu meiner eigenen Lust will ich dem Kopf des Jochanaan in einer Silberschüssel haben." der Salome steht im Gegensatz zu den Vorgaben nach Mathäus und Markus, die als Anstifterin für den Mord an Johannes die Herodias ausweisen. Aus niedrigen Rachegründen wünscht sie die Köpfung des Mannes der Gott geseh’n hat.
Herodias, hier vorgeführt von Vuokko Kekäläinen, fiel bereits als Darstellerin der Tannhäuser-Venus durch ihre Un-Begabung für die deutsche Sprache auf, die nun einmal für die Übersetzung des
Wilde’schen Textes durch Hedwig Lachmann so notwendig ist, damit
der Abonnent und der Kartenfreikäufer der Handlung folgen kann, wenn
er die Ausgaben für ein Fürstner-Textheft scheute.
Wie im Tannhäuser gelang es Vuokko Kekäläinen durch Textunverständlichkeit Verwirrung zu stiften, offensichtlich kapierten
auch die Kollegen auf der Bühne nicht, was sie sang, so dass die Interpretation der Werkes durch die Kollegen wie auch vom Publikum
nur schwer, wenn nicht gar nicht, nachvollzogen werden konnte.
Dabei bietet doch gerade die Mezzosopranpartie der Herodias so viele Textstellen, die eine völlig realistische Einstellung dieser Frau dokumentieren wie sie z.B. auf des Tenors Aussage: "Es ist kalt hier. Es weht ein Wind. Weht nicht ein Wind?" – mit anderen Worten, "Es zieht" – der bodenständige Mezzo antwortet: "Es weht kein Wind." Oder wenn Herodes über den Mond lamentiert, der aussehe wie ein Weib, das nach Buhlen sucht, antwortet Herodias gemäß der Regieanweisung "trocken": "Nein, der Mond ist wie der Mond, das ist alles." Auf die Aussage des Herodes im Originaltext von Oscar Wilde: "Kann sein, er ist trunken von dem Weine Gottes" – worauf die zweifelnde und nüchterne Herodias antwortet: "Was ist das für ein Wein, der Wein Gottes? Auf was für Weinbergen ist er gewachsen ? In welcher Kelter findet man ihn?"
Hier ergibt sich eine gewisse Parallelität mit der Szene im zweiten Akt Lohengrin, wenn Ortrud wegen seiner Niederlage im Gottesgericht Telramund verspottet.
Nicht passend wäre, sänge Herodes im Falle von Vuokko Kekäläinen die ganze Wilde’sche Originalphrase mit "Was kreischst du denn immer? Du kreischst wie ein Raubvogel. Du musst nicht so kreischen. Deine Stimme peinigt mich." Damit täte man ihr unrecht, sie dunkelt die Stimme nämlich so ab, dass es nun zu einem Kreischen wahrlich gar nicht kommen kann. Allerdings mit dem Erfolg, dass sie den schwer gemachten Koffer nicht in die Höhe bekommt und sie die 'b' nur mühsam erreicht. Das "Ich will nicht haben, dass sie tanzt" klang dann auch bedenklich. Von der Regie wird
die Herodias nicht sehr herausgestellt. Meist steht sie herum wie eine beleidigte Gouvernante. Auch den Tabledance der Salome interessiert sie, seitlich am Portal stehend, nur peripher.
Nach der Hinrichtung Jochanaans nimmt Herodias allerdings deutlicher Anteil am Bühnengeschehen, es bestätigt sich, dass Salome ihre Mutter
rächen will, ob der unflätigen Reden des Propheten, worüber die Mutter sich verständlicherweise freut: "Meine Tochter hat recht daran getan." Das wird offensichtlich, wenn Salome mit ihren blutverschmierten Händen die der Mutter berührt und sie so an der Rache unmittelbar teilhaben lässt. Auch wie Salome sich an Herodias anlehnt, den Kopf auf deren Schulter legt, dokumentiert ein herzliches Verhältnis zwischen den beiden Damen.
Die große Judenszene, die Szene mit den Nazarenern, Soldaten und Cappadocier gleichen einem allgemeinen Volksgemurmel. Hier rächt sich, wenn in Stücken, die von der deutschen Sprache abhängig sind, Sänger an der Rampe stehen, die besorgt sind um die Tragfähigkeit ihrer
Stimmen und dabei Text Text seinlassen. Die Herren Peter Bernhard, Wolfgang Theis, Reinhold Zott, Gerhard Werlitz, Dimitri Ivashchenko, Markus Hauser, Szymon Kubiak, André Wölker haben ihre Mühe und das Publikum mit ihnen.

Im Ganzen aber hängt die Regie und die Führung der Einzelpersonen von Pavel Fieber, dem ehemaligen Intendanten von Ulm – er machte den Ulmern zu viel Musical und Operette – der nachfolgende Bernd Wilms war den Ulmern zu intellektuell und der weitere Nachfolger, Ansgar Haag, ist
den Ulmern als Ulmer Kind als Intendant gerade recht - sehr in der Luft, wird kaum konkret. Dass z.B. die Juden so plötzlich auf die Bühne stürzen, statt die Szene permanent aus dem Hintergrund kritisch zu beobachten, deutet auf die Maxime hin: ’nur niemand auf der Szene, als unbedingt nötig. Was soll ich mit dem oder der ohne Text anfangen.’
Pavel Fiebers Salome-Regie erschöpft sich so in Belanglosigkeiten, Arrangements, "du kommst von links und geht’s in der Mitte ab."

Generalmusikdirektor Rudolf Pielmayer zelebriert sein Dirigat, er suhlt
sich im Klang seines Orchesters. Er ist einer der Dirigenten, der offensichtlich Musik mag. (Es gibt auch andere.)
Das Stück kann ihm offensichtlich nicht lang genug dauern, auf dass er Feinheiten der Partitur - Spielzeit von mehr als 100 Minuten dokumentiert dies - herausstellen kann. Dass durch das Nicht-Tempo Spannung
verloren geht, ist verständlich.
Auffallend im ersten Rang wie wenig sich die Orchesterstimmen mischen. Sehr deutlich fallen einige Instrumente heraus und verhindern so einen Gesamtklang. Die Kehrseite ist, dass der aufmerksame Zuhörer sich an einem schönen, geschlossenen Bläsersatz erfreuen kann.

Das Publikum dankt durch besonders heftige Akklamation der Sally du Randt und dokumentiert: Alles in Allem ein gelungener Augsburger Theaterabend.

Empfohlene Lektüre:
Melanie Unseld: "Man töte dieses Weib!"
Weiblichkeit und Tod in der Musik der Jahrhundertwende;
Metzler-Verlag Stuttgart-Weimar, 2001

     
   
     

Jacques Offenbach
Les Brigands



 
07.05.04
 

'Banditen in Regensburg'

  Theater Regensburg
Intendant Ernö Weil
     

"[...] Dies führte mich auch auf Ausflüge nach jener Gegend hin,
während ich des jungen Weißheimers Talent als Orchesterdirigent durch die Aufführung von Offenbachs ‚Orpheus’, bis wohin er einzig in einer untergeordneten Stellung am Theater zu Mainz gelangt war,
kennenlernte. Ich war wahrhaft entsetzt, durch die Teilnahme an dem jungen Mann mich bis zur Assistenz einer solchen Scheußlichkeit herabgebracht zu sehen, und konnte lange Zeit nicht anders, als Weißheimer meinen Mißmut hierüber auffällig nachzutragen.[...]"

Dass Richard Wagner auf Jacques Offenbach nicht gut zu sprechen war, zeigt nicht nur dieses Zitat aus 'Mein Leben'. Auch später nahm er Kritisches auf. Der Text zu 'Eine Kapitulation' sollte eigentlich im Stil Offenbachs von Hans Richter vertont werden. Als ein Berliner Theater
die Posse mit Musik - in Anspielung auf den Sieg über die Franzosen im Jahr 1872 geschrieben - ablehnte, zog Richard Wagner das Stück zurück und veröffentlichte es 1873 in Band 9 seiner 'Gesammelten Schriften und Dichtungen'.
Hier in diesem 'Lustspiel in antiker Manier' lässt Richard Wagner ein
Mitglied der Regierung – Jules Ferry- ausrufen:

"[...] Erkennt ihr ihn den Wundermann, den Orpheus aus der Unterwelt, den ehrwürdigen Rattenfänger von Hameln? [...]"

Und er lässt den Chor antworten:

Krak! Krak! Krakerakrak!
Das ist der Jack von Offenback!
Da draußen im Fort nicht mehr kanonirt,
dass man nichts von der Melodie verliert! –
Oh, wie süß und angenehm,
und dabei für die Füße so recht bequem!
Krak! Krak! Krakerakrak!
O herrlicher Jack von Offenback!

Er, der sich mit Parsifal eine eigene rituelle Handlung im 'Weihfestspiel' schuf – der sonst nur den Mythos, das hehre Rittertum, die hohe Liebe, die Erlösung des Mannes durch das Weib im Sinne hatte und zur Basis seiner Werke machte - spottete der Menschen, die, wie er, 1849 mit der Revolution eine Veränderung wollten.
Mit Gift und Galle fiel er über sein damaliges Heute "Die Franzosen sind
die Fäulnis der Renaissance" her, eiferte aber seinen Zeitgenossen
Halévy und Meilhac, den Autoren der Opéra bouffe, vertont von
Jacques Offenbach, nach.
Denn gerade Offenbach hob in seinen Werken die Kritik an den damaligen aktuellen Verhältnissen auf die Bühne. Die Zustände in Paris mit Schiebungen, Korruption, Untreue, Vorteilsnahme durch Beamte, Geschäftsleute und Vertreter der Politik waren in der Schusslinie und wären auch heute als Zielscheibe gerade recht, hätten wir jetzt für musikalisches Kabarett einen Jacques Offenbach – die Verlage kämen
nicht mehr nach, mit dem Druck musikalischer Werke "wie aus dem richtigen Leben". Banditen in Deutschland, in Bayern. Gar in Regensburg?

Wie schwer es ist, 'mit leichter Hand und leichtem Sinn' Operette und
dann auch noch französische Opéra-bouffe in Szene zu setzen, zeigte
sich hier und heute wieder überaus deutlich. Der Literat unter den Regisseuren und Intendanten,  Wolfgang Quetes - wieso entstand da ein zeitliches Loch zwischen der Intendanz Kaiserslautern und der in Münster? - präsentierte seine Inszenierung und seinen neuen Text, wobei er es mit beidem - auch der Claque - schwer machte, vor dem dritten Akt das Entree zum Stück zu finden. So sehr sich auch alle mühten, schwerfällige Anschlüsse, temposchwache Dialoge und auch ein Dirigat mit wenig Esprit, waren dem großen Erfolg im Weg.

Ein stattliches Ensemble - ist nicht mal die Rede davon gewesen, es würden in Regensburg in keinem Fall mehr Solisten aus der Zeit von Frau List engagiert(?), aber wer kommt schon an einem schönen
mallorquinischen Tenorbuffo vorbei - war aufgeboten, die Story in den verschiedenen Rollen mit Verkleidungen zu vermitteln.
Der Chor war in Einzelfiguren aufgelöst, war dadurch leichter zu führen
und stellte sich nicht nur als Masse dar. Ob nun Ruth Müller,
Hyuna Cho-Schroeder, Myriam Chávez oder die soloerprobte Christiana Knaus-Waldmann oder Elena Lemke, Olga Berchten, Gertrud Judenmann und daneben die Herren Jong-Il Park, Harald Mück, Gabriel Mondragón
und Daniel Jaquet – Individuen, die durch die Darstellung der einzelnen Typen, Würze in den Ablauf brachten. Die unterschiedlichen Muttersprachen der Räuberdarsteller dokumentierten in den Dialogen deutlich das Multi-Kulti-Ensemble am Regensburger Theater.
Bei den Solisten fielen die Damen auf: der ausdrucksstarke Mezzo Elvira Soukop als Prinzessin von Granada – eine 'Carmen' dürfte ihr sehr liegen – daneben – die zweite tiefe Damenstimme Carmela Calvano Forte als der Page Adolphe von Valladolid – auf dem Regensburger Besetzungszettel plump mit Adolf eingedeutscht. Eigentlich in der Urfassung mit einem Tenor besetzt.
Wie immer quirlig, überzeugend im Spiel, entzückend anzusehen: Ilona Vöckel zwitschert die Fiorella. Ingeborg Hallstein war ihre Lehrerin – hm? – liegt’s nun an der Schülerin oder an der Lehrerin oder gar schon an deren Mutter?
Der kräftige Bauernbub Fragoletto – eigentlich eine Sopranhosenrolle –
von Georg Schießl, der zierlich-schöne Juan Carlos Falcon als Herzog – könnte der nur ein Rigoletto-Herzog sein – und Jóhann Smarí Saevarsson mit seinem Barbavano oder der Bramarbasso von Michael Doumas – der nun wirklich einfach komisch in seiner Art. Juuso Hemminki litt als Graf
von Cassis.
Falsacappa - Michael Suttner. Den kann man ja nun in fast jeder Rolle
auf die Bretter stellen – eine nicht so häufig zu findende
Bühnen-Persönlichkeit. Ob Musical, Oper oder Schauspiel – Suttner kann alles. Da dürfte sich ja bald das größere Haus vor den Toren Regensburgs anschließen.
Und doch, gerade für die singenden Herren wäre die Praxiseröffnung eines guten, erfahrenen, preisgünstigen Gesangslehrers oder einer Lehrerin in Regensburg zu wünschen. Da ist bei manchem manches polierensnotwendig.
Christian Pätzold füllte mit dem Vortrag seiner Vita als Räuber, Bankier, Versicherungsmakler und was sonst die Bevölkerung heutzutage schröpft die Umbaupause zum dritten Akt. Die Aktualität wurde so wie schon zu Offenbachs Zeiten eingebracht, wenn es hier auch im Zwischenakt war. Das Bemühen die Kritik  auch in das Stück direkt zu übertragen,
erschöpfte sich in der Forderung nach Dividende und der in der GDBA -
wie sinnig – organisierten Räuberbande.
Herausragend der Komödiant Oliver Severin, der als Kabinettskurier und dann als Finanzminister Antonio die Register seines Könnens zog und beim Publikum absahnte.

Regisseur Wolfgang Quetes bemühte sich um Belebung der Bühne, was
trotz allem öfter leider zu Löchern führte, wenn nun unbedingt der Abgang des Einen und der Auftritt der Anderen getrennt werden sollten. Ehe
der/die Andere dann auf der Szene präsent ist, entsteht ein Loch. Leichtfüßiger müssten diese Anschlüsse funktionieren. Und etwas zu
häufig wurde der Pulverblitz bei den fotografischen Aufnahmen gemolken; zündelt Andrea Mink so gerne?

Das Bühnenbild von Manfred Kaderk, praktisch in seiner Holzverschalung mit den beiden Baumstümpfen im ersten Akt – läst sich leicht für 'Walküre' erster Akt verwenden – der Bretterbude der Wirtsleute Pipo, Pipetta und Pipa – hier die universell einsetzbare Rosemarie Beisert – und im letzten Akt mit den Ornamenten an den Pfeilern im angedeuteten Palast.

Die Kostüme der Räuber wild, verkommen, dreckig – wie sie halt so aussehen sollen – die Räuberinnen / Bäuerinnen eigentlich viel zu adrett.
Hübsch-elegant die Adjustierung der spanischen Hofgesellschaft.

Selbst unter Berücksichtigung der musikalischen Raffinesse dieses
Werkes aus 1869, steht es hinter einem 'Blaubart' zurück, auch wenn dieser - wie Anfang der 90er in Regensburg geschehen - durch Peter Nüesch als König Bobèche überzogen wurde und es Berthold Gronwald schwer hatte, als Barbebleu mitzuhalten. Und ist Walter Felsenstein in Erinnerung, bleibt der Mut auf der Strecke. So stand Wolfgang Quetes's 'Blaubart' in Nürnberg - auch vor 10 Jahren - auch im Schatten dieses großen Regie-Zauberers.

Dem Theater Regensburg ist zu wünschen, dass sich 'Die Banditen' einspielen und die Vorstellungen dadurch Tempo gewinnen. Allerdings liegt die Verantwortung hier auch bei der musikalischen Leitung. Ist die letzte Textsilbe verklungen, darf es bis zum Auftakt nicht so lange dauern.
Aber das weiß Maria Fitzgerald und macht alles sicher bald aus eigener Initiative eben auch musikantisch besser.
Dann klappt's auch mit dem Publikum. Und schon vom ersten Akt an.

     
   
     

Carlo Goldoni

Trilogie der Sommerfrische
 



 
24.04.04
 

"Wir sind eine muntere Gesellschaft ..."

  Theater Regensburg
Intendant Ernö Weil
     

Carlo Goldoni, Reformator des Sprechtheaters im 18. Jahrhundert wirkte auch auf die Oper. Die Entwicklung der opera buffa war vorgegeben
durch Goldonis Komödie des Stehgreiftheaters, der Commedia dell’arte – bereits im 16. Jahrhundert in Italien bekannt - zeigte sie sich später
hauptsächlich beim Schauspiel in Frankreich, später auch im übrigen Europa.
Gab es in den Anfängen lediglich Handlungsmuster mit den wichtigsten Wendepunkten des Stückes als Rahmen für das Spiel und die
Schauspieler, kam später die Übernahme von Rollen-Typen und
zusätzlich solche aus der jeweiligen lokalen Szene hinzu. Dabei wurde
die höfische Gesellschaft stark kritisiert, während die bürgerliche meist
mit harmlosem Spott bedacht wurde.

Die Trilogie der Sommerfrische nimmt gute drei Stunden Spielzeit in
Anspruch, zu lang, wenn es sich 'nur' um die Darstellung des Textes in einer gegenüber dem Original fremden Sprache handelt. Das Stück bekommt dann einen belehrenden Charakter, ätzt dadurch und seine Länge.
Das in der Originalsprache durch seine plappernden Secco-Rezitative spritzige Commedia-dell'arte-Spiel hat somit seine Mühe mit der
deutschen Sprache und so ist es recht, dass Giacinta sich am Ende mit allem Respekt an die wendet, "... die uns mit so viel Geduld bis hierher
gefolgt sind ...".
Es dauert, bis der Faden vom Publikum aufgenommen werden kann.

Das Bühnenbild von Maroine Dib - karg, schmucklos und durch den
Catwalk mittendrin auch noch unpraktisch – macht es den Darstellern schwer. Der nüchterne Zitzelsberger-Velodrom-Stahlbau und das nur
zum Teil gefüllte Theater können kaum den Eindruck von Sommerfrische
in Italien vermitteln.
Ein paar Statisten oder Bühnentechniker mit Nebenschauplätzen wie Umbauten auf offener Szene, überlappende Auftritte und Abgänge hätte Regisseur Peter Lüdi vorsehen sollen, um dem Spiel in diesem Feydeau
des 18. Jahrhunderts auf die Sprünge zu helfen; die langen Gänge,
selbst wenn sie in Eilmärschen durchmessen werden, ziehen das Stück, ermöglichen auf der anderen Seite aber, die schönen Beine der Damen
zu bewundern.
Selten so schmucke Kostüme verbargen hier kaum etwas und Silvia
Schuh, Ulrike Lodwig, Anja Carolin Pohl und Bettina Schönenberg
wussten sie und sich als Giacinta, Vittoria, Brigida und Rosina zu präsentieren. Doris Dubiel, Silvia van Spronsen und Renate Hünlich als Sabina, Costanza und Bernadino stützen sich auf ihre Bühnenerfahrung und ihr Talent, konnten auf 'nackte Beene' verzichten.

Bei den Herren fiel Hubert Schedlbauer als ’Doppeldiener’ auf, da er es verstand, in der kleinen Szene mit Brigida den Atem stocken und einen Hauch von Atmosphäre entstehen zu lassen.
Wackere Textbeherrscher: Valentin Stroh, Arthur Werner, Christian Ballhaus als Tognino, Guglielmo und Filippo. Michael Haake schrullte als Ferdinando durch das Stück und Michael Heuberger’s Fulgenzio
erinnerte stark an den Spielmacher Don Alfonso in 'Cosi' oder den Haushofmeister in 'Ariadne'.
Peter Papakostidis als Leonardo, der Rolle entsprechend und so wie man ihn aus seinen Anfängen in Regensburg kennt.

Das Publikum dankte kurz und schmerzlos. Armes Ensemble und armes Publikum, wenn das zeitlich ausufernde Stück in der Woche abends gegeben wird.
So etwas kann man nachmittags beginnend open air mit
zwischenliegenden großen Pausen machen, oder im kleinen Haus am Bismarckplatz mit sinnvollen Strichen.

     
   
     

Dale Wasserman/
Mitch Leigh

Der Mann von La Mancha



 
19.04.04
 

"... neue Katastrophen .."

  Theater Regensburg
Intendant Ernö Weil

- sie blieben aus. Nach dem 'Rössl' wurde ein neuer Reinfall erwartet, von dem sich bis heute viele in Regensburg nur schwer erholen. Und dieses Musical fordert mehr als nur Arrangements. Der Wechsel vom 'Ritter von der traurigen Gestalt' zum Dichter Cervantes bietet dem Hauptdarsteller vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.
Lutz Ulrich Flöth als Gast nutzte sie und war in den von der Verwirrung belasteten Stellen glaubwürdig und dadurch anrührend. Ansonsten in der Darstellung sehr heutig - wenig der Steuereintreiber, Soldat oder Dichter des Spaniens im 15. Jahrhundert.
Victor Schiering - das Tenorbüffchen - als Sancho Pansa. Aber wie soll am Theater Regensburg die Rolle adäquat besetzt werden, wenn Michael Doumas - der seriöse Bass - schon  mit Herzog und Carrasco im Einsatz ist. Man kann die Leitung des Theaters Regensburg nicht genug loben und preisen, dass sie den SängernInnen und SchauspielerInnen - so häufig die Möglichkeit gibt, fachübergreifend tätig zu sein. Bei Michael Doumas - dem Verwandlungsdarsteller - führt das dann dazu, dass er mit des Basses Urgewalt ausgestattet herumsteht, beide Hände vor sich haltend, die Fingerspitzen aneinanderdrückend somit wohl Akupressur betreibend.
Elvira Soukop - der Hosenmezzo, aber auch Carmen, hier als kesse Aldonza / Dulcinea - so eine Art 'Kate' mit satter Kopfstimme und, wenn nötig, brutal in die Brust gehend - wie die späte Baltsa.
Heinz Müller als Padre darf singen und das in höchsten Tönen.
Christiana Knaus-Waldmann, routiniert durch die vielen Rollen, die sie auf der Regensburger Bühne gestaltet hat, als Antonia.
Ruth Müller, die keifende Gastwirtsgattin und Rosemarie Beisert, die Mehrfachwaffe des Theaters Regensburg, als Haushälterin. Dass und wie sie mit Knödeln und Braten resolut umgehen kann, ist gut vorstellbar.
Regisseur Michael Blumenthal stellt die Handlung in ein strenges Outfit aus Stahlstäben mit (gelegentlich hängenbleibendem Fallreep) ein spanisches Gefängnis zur Zeit der Inquisition darstellend. Die übrigen Räume: z.B. freie Landschaft mit Windmühlen muss man sich denken, oder die Kneipe wird mit Requisiten und Tischplatten angedeutet. Dass in diesem Gefängnis unter der Geißel der katholischen Kirche Damen und Herren als Räuber und Mörder gemeinsam sitzen, ist allerdings kaum nachvollziehbar. Da der Herrenchor am Theater Regensburg zu klein ist, mussten die Damen halt mit auf die Bühne, sie saßen wie die Chor-Herren meist herum und langweilten sich.
Das Publikum braucht einige Zeit, um sich zurechtzufinden, genießt dann aber nach der 'Rössl-Pleite' und applaudiert heftig und lang anhaltend am Ende der Vorstellung.

 

 
     

Werner Schwab

  07.04.04
 

Die Präsidentinnen

  Theater Regensburg
Intendant Ernö Weil
     

Werner Schwab ist tot. Frechheit und Suff ermöglichen manchem Autor, seine Stücke zu verkaufen. Bringt er's einmal an den Mann, plappern's and're Dramaturgen nach. Jedes Theater giert nach Neuem – gleich, was es ist.
Immerhin brauchte das Theater Regensburg 14 Jahre, bis es auf
'Die Präsidentinnen' kam. Dadurch wird das Stück auch nicht zum Klassiker. Mag sein, dass es zu der Zeit um 1990 noch etwas anderes bedeutete – aber über wie viele Stücke ist die Zeit dahingegangen oder sie sind – anders gesagt - durch das Sieb der Zeit gefallen.
Hier quergeln drei alte Plunzen über den Finger im Loch im Hintern oder wie die Scheiße dort herauskommt und was man alles in einem doch mindestens 100er WC-Fallrohr finden kann.
Merkwürdig, dass alle Closchüsseln in Graz keinen Schwanenhals als Siphon haben, in dem Wasser steht, das ein Aufsteigen von Kanalgeruch verhindert. Wie das Mariele sonst bis zu dem Achselhaaren sich durchärmeln will, um Bierflaschen und Konservendosen rauszuholen – wie diese da überhaupt reingekommen sind – bleibt schleierhaft und ist für Jeden – auch ohne Sanitär-Vorbildung - nicht nachvollziehbar. In Graz ist das
alles möglich. Zumindest aber bei Werner Schwab.
Ein Stück aus der Steiermark - bei pausenlosem Durchlauf benötigt es unbedingt einen gewaltigen Strich, denn so ermüdet das sich im Kreis drehende Geplapper nach kurzer Zeit. Nichts aus der ehemaligen Ostmark schlägt einem entgegen, wenn eine der drei Schwestern – die Erna von Gesine Berkholz - eher eine Regine Hildebrand aus einem Berliner Vorort wie Königswusterhausen oder Strausberg darstellt und die Grete von Simone Haering wie Hanne Wieder klingt, diese hier allerdings spitzmäulig, säuselnd, text-unverständlich.
Das Mariedl von Bettina Schönenberg – auch hier durch Neutralität nichts vom Land der Fritatensuppen. Ohne den 'alpenländlerischen' Sound aber geht die Brutalität verloren. Breit müsste der Text kommen, raunzig, nöhlig, ekelerregend, zum Kotzen.
Alle drei Damen aber schnurren - bis auf die o.a. Ausnahme Berlin-Köpenick -  in fast perfektem Hannöversch routiniert den Wust der Worte herunter, ohne nebenbei das psychologische Elend der Figuren glaubhaft machen zu können.
Es war nun die Dernière und unklar bleibt, weil die Premiere nicht besucht, wie sich die Inszenierung durch die Wiederaufnahme entwickelte oder diese nur liegen blieb.

Der Eindruck des Stückes und seiner Inszenierung nach der letzten Vorstellung:
"Entscheidend ist, was hinten rauskommt."
Hier war es gequirlte Scheiße.

     
 

 
     
    26.03.04
Scherz, Satire
und tiefere Bedeutung

'Die Hölle, das Idyll'

 
Theater Regensburg
Intendant Ernö Weil
 

Das groteskes Musik-Märchen hatte endlich Premiere, geplant schon in der letzten Spielzeit List, nach vielen andern Häusern hat es auch Regensburg gestemmt. Und gar nicht schlecht! Von Langeweile keine Spur, turbulent, leicht, beschwingt und arg obszön. Der Teufel, auf der Erd' weil in der Höll' grad Hausputz ist, flieht gerne in die Spießigkeit zurück, die Welt ist noch viel schlimmer. Das Regie- und Ausstattungsteam, sofern katholisch, hat mit Exkommunikation zu rechnen, ob derber Possereien, die so Herr Grabbe nicht zu formulieren wagte. Die Sangesleistungen, zu würd'gen sind sie allesamt.
Elvira Soukop, Ilkonka Vöckel, Jin-Ho Yoo, Adam Kruzel, Johann Smari Seavarsson, Brent L. Damkier, gut allesamt, für Herrn Dumas erscheint die Partie etwas zu tief (!), Markus Georg Herzog gibt die köstliche Parodie eines Poeten. Die 4 vom 'running gag' (Leitgeb, Calvano Forte, Schiering Tosi-Socolov) sahnen ab, der Counter-Teufel Frank Valentin füllt Bühne und Zuschauerrund mit Präsenz und Stimme, wenn auch die Voice-Effekte an den Randplätzen nur rudimentär vernehmlich sind.
Kleinigkeiten zu mäkeln am Libretto:
Warum Oberkirchenrat und nicht Generalintendent? Versteht man auch im Süden! Die Welt ist gut, der Mensch ist schlecht. Dutroux, Madrid 11. März 2004, Agenda 2010... Die Höll' ist besser als die Welt!
Detlefs Glanerts Partitur ist intelligent, raffiniert instrumentiert, fern jeder Aleatorik und auch dem, der Zeitgenössischem abhold, gefahrlos zuzumuten. Die Studienleitung (Maria Fitzgerald) hat erneut auf Textverständlichkeit gepocht, lästige Übertitelung wird so vermieden, wer's ganz genau wissen will kann im Foyer für EUR 3,50 das Textbuch käuflich erwerben.
Zuletzt ein Lob dem hundertjährigen Orchester: Kein Kiecksen, sauber, klar und hörbar voller Spiellust.
Der Oper und der Inszenierung, Ensemble und dem Thema sind viele
aufmerksame Zuschauer zu wünsche
n.
 

   
     
    4.2.04
Theater Regensburg
Intendant Ernö Weil

"Mein Kampf"
 

"... der das Weinen nicht gelernt."

     

"Als die Mutter starb, hatte das Schicksal in einer Hinsicht bereits seine Entscheidung getroffen. In deren letzten Leidensmonaten war ich nach Wien gefahren, um die Aufnahmeprüfung in der Akademie zu machen. Ausgerüstet mit einem dicken Pack von Zeichnungen, hatte ich mich damals auf den Weg gemacht, überzeugt, die Prüfung spielend leicht bestehen zu können".

So schreibt Hitler in 'Mein Kampf'.
1910 kommt er nach Wien, erhält Unterkunft in einen Männerwohnheim. Nachdem er von der Aufnahmekommission der Kunstakademie abgelehnt wurde, verdichtet sich bei ihm die Auffassung, alles habe sich gegen ihn verschworen.
Seine Kontrahenten sind zunächst einmal die Juden. Die Stimmung in Österreich war gegen sie, Hitler schwamm auf dieser Welle mit und das war der Kardinalfehler.
Hitler nutzte nicht die Möglichkeiten, die ihm das Weltjudentum mit seiner geistigen Potenz, seiner finanziellen Unabhängigkeit hätte bieten können. Er legte sich mit der katholischen Kirche an - war Pius XII. Hitlers Papst ? - und die dritte Weltmacht - jedenfalls heute - die 'Bruderschaften' bekämpfte er. Dabbeljuh Busch ist durch die Einbindung dieser Instanzen der mächtigste Mann der Welt. Hitler hätte es sein können und es hätte keinen Holocaust gegeben, kein Abwandern der geistigen Elite aus Deutschland, wohl auch kein Problem in Palästina.
Hitler ließ sich auch von Richard Wagner beeinflussen. Dieser  stänkerte antisemitisch in seinem  Machwerk "Das Judentum in der Musik". Mendelssohn, Meyerbeer waren gemeint. Hitler liebte Rienzi und Lohengrin und war so Richard Wagner sehr nahe.

Aber es hätte George Taboris 'Mein Kampf' nicht gegeben.
Nun nimmt sich auch das Regensburger Theater des deutschen Textes von Ursula Grützmacher-Tabori nach George Taboris Stück an.
Aus dessen Möglichkeiten zu schöpfen, gelingt Hubert Schedlbauer als Herzl. Gerade im Leisen überzeugt er in seiner Mitmenschlichkeit, Gläubigkeit, Sanftheit und steht im Kontrast zur penetrant aufgesetzten Trotteligkeit in der Darstellung des Hitler durch Peter Papakostidis. Eine Dämlichkeit, die der Text überhaupt nicht hergibt.
Warum lässt Regisseur Zametzer dem Darsteller keine Möglichkeit, im Laufe des Abends eine Entwicklung zu durchlaufen. Dieser Depp Adolf wurde zu dem Hitler ? Nicht nachvollziehbar.
Bettina Schönenberg darf ihren schönen Body als Gretchen zeigen, darf aber dann eine Veränderung zum neuen Mitglied im BDM durchmachen. Neben ihr Frau Tod von Doris Dubiel, die im feschen Dirndl vom Obersalzberg kommend später die Endlösung der Judenfrage herbeiführen wird. Dafür braucht sie nach Tabori Adolf Hitler.
Nur so wie der am Theater Regensburg angelegt ist, sollte sich die Dame auf ihre eigenen Todesreize verlassen.
Peter Heeg als vermeintlicher Gott raunt Stichworte, Arthur Werner darf sich vielfach verwandeln.

Die Bühne von Jochen Diederichs, ein intimes Nachtasyl, durch Einrichtung und Requisiten Herrn Zametzer Gestaltungsmöglichkeiten die Menge bietend.
Und dieser nutzt sie, bis hin zur Kissenschlacht, dass die Federn fliegen. Kostüme von Uschi Haug, stückgemäß.
Eine gelungene Produktion, wäre eben nicht die übertriebene Rollengestaltung des Hitler, die von Peter Papakostidis zwar konsequent durchgehalten wird, nur kann dem Zuschauer, eingedenk der Gräueltaten, das Blut eben nicht in den Adern gefrieren. Für Papakostidis eine vertane Chance.
Oder sollte er Adolf Hitler so als eine Art 'Charlys Tante' dem Publikum präsentieren ?
 

   
     
    Theater Regensburg
Der Spielplan 2004 - 2005
     

Da ist er,
der Spielplan für 2004 - 2005

In groben Zügen jedenfalls.

Fidelio
Nathan der Weise
Eine Nacht in Venedig
Räuber Hotzenplotz
Der Raub der Sabinerinnen
My girl and me
Hotel zu den zwei Welten
Carmen
Das Tagebuch der Anne Frank
Mefistofele
Norma
Peer Gynt
Kabaret
Der Liebestrank

Wird er beleuchtet, stellt sich die Frage: wer macht was ?
Wer ist Leonore (vielleicht Sullivan), wer Florestan (vielleicht doch nicht etwa Suttner?) Damkier - Jaquino, Vöckel - Marzelline, Saevarsson - Rocco, Pizarro - Kruzel?

 



Und bei Carmen? Die Titelrolle Frau Soukop? Escamillo - Kruzel. Und sicherlich Herr Suttner als José, Leitgeb als Micaela.

Besonders interessant ist der Fall Norma. Pollione - wieder Suttner? Flavius ??? Und wer singt 'Casta Diva'?

Liebestrank-Nemorino wieder Suttner und Adina? Wohl Mi-Soon Jang.

Schaun mer mal, dann wern mer schon sehn.
Aber ganz abgesehen davon, erst 1995 war 'Raub', 'Nacht in Venedig' war 1993, 'Nathan' um 1990 herum, Liebestrank war erst 1994.

Etwas schnell kommen die Wiederholungen.
Der Vorteil:
man kann vergleichen, was war wann besser.

     
   
     
    Così fan tutte
     
    Theater Trier 24.01.04
     

"Für Geld tu' ich gar manches"

     

Es gibt nur leichte Retuschen von Dr. Brenner an Lorenzo da Pontes 'Così fan tutte ossia la scuola degli amanti', das von Eduard Devrient, Librettist von Heinrich Marschners 'Hans Heiling', Anfang des 19. Jahrhunderts übersetzt wurde.
Diese hebt das "[...] è l'oro il mio giulebbe [...]" nicht auf und lässt Despina diese für alle Zeiten und alle Erdteile gültigen Worte sagen:
"Für Geld tu' ich gar manches".
Wer tut nicht was für Geld ? Und mancher eben tut manches für Geld.
So ist auch Despina schon der Meinung, dass es keinen Grund gebe, "[...] zu verzweifeln, zu rasen, weil ein Liebhaber fortging! Sah man je solche Torheit! Für den einen Verlorenen nimmt man zwei.[...]".
Ist es nicht heute auch noch so, denn "[...]
Kommt ein schlanker Bursch gegangen, blond von Locken oder braun, hell von Aug' und rot von Wangen. Ei! Nach dem kann man wohl schau'n [...]" ist es aus mit der Treue.
Heut mehr noch als früher. Die Hemmschwellen liegen tiefer und es wird schnell darüber hinweggegangen, auch wenn der Neue nicht so riecht wie der Andere. Die Hormone wallen. Mann ist Mann - und drauf kommt es an. Ob 'Unter uns', 'Gute Zeiten, schlechte Zeiten', 'Marienhof', 'Verbotene Liebe'. Jeden Abend gaukeln die TV-Sender uns 'das wahre Leben' vor. Und dann machen es (fast) alle nach. Und machen es die Männer anders ?
Verlust alles Wichtigen, Ehre, Moral, Aufrichtigkeit, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit. "[...] Dahin was mir wert war und teuer [...]"
Und dass Lorenzo da Ponte così fan tutte vorgibt und nicht tutti, schließt die Männer aus und nur die Frauen sind an allem Schuld, sind untreu und irgendwie und letztlich unfähig zu Allem. Das Einzige was ihnen zu tun bleibt, ist die Erlösung des Mannes durch Liebe. Richard Wagner lässt grüßen.

Wenn schon zur Zeit der Entstehung des dramma giocoso - und erst recht heute - wird auch die doch ziemlich unglaubwürdige Story, dass zwei junge Frauen, eben noch in den Armen ihrer Liebhaber, 15 Minuten später diese nicht mehr erkennen, nur weil sie sich einen Rauschebart umgehängt haben. Die Putzfrau plötzlich als Arzt oder als Notar erscheint und niemand den Schwindel aufdeckt. Und zum Schluss des Stückes haben sich neue Paare gefunden, eigentlich diejenigen, die zusammen passen.
Haarsträubend die ganze Sache. Die Exaltation der Damen, sich wegen der Abreise der Liebsten in den Tod stürzen zu wollen "[...] Wo ist ein Degen? [...]" oder "[...] Ist kein Gift hier zur Hand? [...]"
Hier liegt noch immer das Problem jeder Così-Inszenierung. Und es kann auch kaum im 18. Jahrhundert anders gewesen sein, denn es machten sich schon damals eine Heerschar von Dichtern und Denkern über das Stück her, wollten die Musik Mozarts retten und wenigstens etwas Sinnvolles der ganzen Geschichte geben. Vergebens, das Stück ernst genommen, konnten sie es nur verschlimmbessern. Arien von Dorabella, Guglielmo, Ferrando wurden gestrichen, Dorabella sang die Felsenarie. Erst 1897 stellte Hermann Levi für die Bayerische Hofoper die alte Form Mozarts Komischer Oper in eigener Übersetzung wieder her. Am Cembalo saß Richard Strauss.
Mozart hätte eine andere Musik geschrieben, wenn er nicht selber in diesem Stück den Spaß, die Parodie, den Maskenjux mit einem zugekniffenen Auge des Verständnisses für das Bühnengeschehen erkannt hätte.
Die Damen wissen, wer die beiden Verkleideten sind und nach der Maxime 'Übertreibung macht anschaulich' muss das Ganze in die Nähe der Klamotte, zur Freude der Sängerdarsteller und des Publikums, gerückt werden. Die Musik wird dadurch nicht angetastet oder gar beschädigt.
Am Theater Trier griff - auf Einladung des Intendanten Heinz Lukas-Kindermann - der Intendant vom Theater Regensburg, Ernö Weil, nach dem Werk. Und es wird wohl so sein, wie doch so oft praktiziert: "Gib'ste mir was, geb' ich dir was!" Danach ist es wohl nur eine Frage der Zeit, dass Herr Kindermann - der Gute hat leider oft die Art, noch nach der General-Probe die Choreographie zu ändern - in Regensburg inszenieren darf. Oder eilen gar Herr Etzel-Ragusa oder K.D. Köhler für eine Regie in die Domstadt an der Donau. "Weißt du, wie das wird?"
Ob aber diese Herren unter den momentanen Regensburger Gegebenheiten tatsächlich kommen, um "für Geld tu' ich gar manches" hier zu inszenieren, ist äußerst fraglich.
Das Theater Regensburg hat ein solches Ensemble nicht, es herrscht auch eine zu bedrückte, krampfige Stimmung, um diese komische Mozart-Oper adäquat geben zu können. Und Trier ist ein C- und Regensburg ist ein B-Haus. Die Wertung bezieht sich zwar auf das Orchester, aber immerhin. Und darüber hinaus, entweder hat das Theater Trier mehr Geld für die Bühne oder der Intendant Heinz Lukas-Kindermann mit seinem GMD haben mehr Ahnung von Sängerstimmen.
In Regensburg werden seriöse der Sänger der Oper in der Operette verheizt, ohne dass Stimmung aufkäme. Es sei nur an 'Vogelhändler' und 'Rössl' erinnert.
In Trier steht ein feines, junges, souveränes Stadttheater-Ensemble auf der Bühne, das mit viel Agilität, Spielfreude, sinnvollen Aktionen und Schöngesang das Publikum überzeugt.
Lass mal eine Stimme vielleicht und gelegentlich etwas kehlig klingen, oder einer der Rolle stimmlich schon entwachsen sein, es bleibt eine Freude zuzuhören und zu schauen. Vor allem die Weibersleut - g'waschne Madeln, schlank, rank, lebendig, sicher und trotz des Schlankseins mit rundem vollen Klang in allen Lagen, ohne zu drücken, ohne unnötig aufzugähnen, ohne künstlich abzudunkeln: Annette Johansson als Fiordiligi, Eva-Maria Günschmann als Dorabella und Evelyn Czesla als Despina. Bei den Herren ist Don Alfonso von Lázló Lukács hervorzuheben, der Mann sieht gut aus, kann sich bewegen und auch noch singen. Er gibt keinen überhirnten Philosophen, sondern einen Schlawiner erster Güte. Daneben - äußerst erfreulich, Thomas Kießling als Ferrando, kraftvoll die Töne abstemmend und Andreas Scheel - der schön singende lyrische Bariton als Guglielmo.

Das doch einen langen Abend füllende Werk spielt sich in einem Einheitsbühnenbild von Dieter Stegmann ab, Bäume, Wände oder nur Requisiten auf die Szene gebracht, die neue örtliche Situation andeutend. Dass Ernö Weil wieder die Statisten und Bühnenarbeiter bei Umbauten 'in action' zeigt, warum nicht. Es belebt die Szene, aber die Musik hat 'tacet' und diese langen Pausen stören doch. Besonders liebt wohl Ernö Weil die Beleuchter. Mal dürfen sie das Licht mal an, mal aus, mal hell, mal weniger hell machen. Der Zuschauer fragt: Warum ? Im Stück ist's doch allerweil Tag. Oder sollen das Wolken sein, die der Sonne den Schein nehmen ? Oder ist es Kunst ?
Die Kostüme so um 1910 von Ulla Röhrs-Stegmann, die Damen ungeschnürt - ist auch nicht notwendig - Don Alfonso dunkel elegant mit Panamahut, die beiden Soldaten sehen in ihren weißen Uniformen aus wie Linkerton im Doppelpack oder aus 'Viktoria und ihr Husar' entsprungen. Es kleidet die Herren aber vorzüglich.
Der Mummenschanz, die Verkleidung natürlich wie immer ein Schmarren. Wenn schon, dann müssten die beiden viel mehr zugehängt werden, um einigermaßen unkenntlich zu sein und die Damen wissen eh, wen sie vor sich haben. Je umständlicher der Maskenball, desto deutlicher die Wirkung.
Der Chor hilft den Statisten - es wurden zehn gezählt - Tische, Bänke, Geschirr, Leuchter so alles Mögliche und Unmögliche herein und wieder hinauszutragen. Ein Kind durfte die Queus des Billard-Spiels abtransportieren - dabei gehört es um diese Zeit doch längst ins Bett. Aber wer sah jemals 10 Statisten in Così ?
"Heut' hast du's erlebt!"
Die musikalische Leitung von Andreas Hennig führte zeitweilig zu Tempi, denen die Damen und Herren wegen des Geplappers in deutscher Sprache nur schwer entsprechen konnten. 

Und sei's gesagt: es ist unsinnig, wenn kleine und mittlere Häuser einen völlig falschen Ehrgeiz entwickeln und meinen, alle Stücke in der Originalsprache aufführen zu müssen. Komödien sind fürs Publikum in verständlicher Form darzubieten, damit kann man die Leute ins Haus holen. Aber wahrscheinlich kommt jetzt die Ausrede: es gibt niemanden, der dies und jenes in Deutsch drauf hat. Das Theater Trier kann 'Così' in Deutsch bringen. Warum zur Freude des Publikums nicht auch das Theater Regensburg den 'Liebestrank' oder 'Barbier' in Deutsch ?
Ein Publikumserfolg durch ein Sängerensemble wie er jedem Theater dieser Größenordnung nur zu wünschen ist, war diese 'Così' in Trier. Ernö Weil hatte es leicht, mit all diesen 'Mosellanern' Theater zu spielen. Auch war er wohl selber lösgelöst von seinem Intendantendasein in Regensburg.
Eines wäre auf jeden Fall völlig fehl am Platze:
Den 'Weltverbesserer' von Thomas Bernhard zu zitieren:
"Nie wieder Trier."

     
   
    21.01.04
Köln
BRITNEY BEI
TOP OF THE POPS
   
     

Zu einem kurzfristig angesetzten Special hatte sich Britney Spears angesagt. Nachdem sie am Abend zuvor von London nach Köln kam, hieß es heute bei RTL in Hürth: "Vorhang auf für die Pop-Queen."
Nach über drei Jahren Konzertpause in Deutschland ging es Spears darum, ihre anstehende Konzerttour " The Onyx Hotel Tour" zu promoten. Trotz der weltweiten Schlagzeilen über ihre Trennung von Justin Timberlake, ihren exzessiven Lifestyle und einer Neujahrs-Blitzhochzeit in Las Vegas mit Scheidung nach 48 Stunden kann sie sich ihrer Popularität dennoch sicher sein.
Das erste Konzert in der Frankfurter Festhalle am 14.5.04 war nach wenigen Tagen Vorverkauf bereits fast ausverkauft, trotz der fast doppelt so hohen Preise wie vor drei Jahren.

In Hürth konnte man vor einem ca. hundertköpfigen Publikum die Aufzeichnung der TOP-OF-THE-POPS-Sendung miterleben, die am 7. Februar auf RTL ausgestrahlt wird.

Gastgeber Ole Tillmann moderierte die Sendung in gewohnter Manier locker, trotz des besonderen Gastes, für den eigens die Absperrungen vor der Bühne vergrößert wurden. Dennoch hatte man auch drei Meter von ihr entfernt den optimalen Abstand, um von der tänzerischen Magie der Sängerin eingenommen zu werden. Die Clubatmosphäre gab dem Ereignis eine zusätzliche Note.
Britney performte gleich zweimal " Toxic" als Deutschland-Premiere. Dieses Lied ist die nächste Auskopplung ihres Albums "In the Zone". Dazu den Song "Boom Boom" sowie das pianoschwere und fast gehauchte, dafür aber sehr galant und hingebungsvoll gesungene "Everytime", das von ihr mitproduziert wurde.

Britney ließ das relativaufwendig gestaltete und für den Laien wegen der unüberschaubaren Reihenfolge der Kameratakes nicht nachzuvollziehende Aufzeichnungsprogramm geduldig über sich ergehen und gab ihren typischen Humor zum Besten.
Die Interviewsequenz beschränkte sich leider nur auf wenige Minuten, wovon vorher ausgewählte Fragen aus dem Publikum gestellt wurden.

Nach knapp 2 Stunden war alles vorbei. Britney ließ noch einen Trailer für das Special aufnehmen ("Hey, I'm Britney Spears! I'm in Cologne and you can see me on TOP OF THE POPS on RTL!"), warf einen Handkuss in die noch immer staunend-gefesselte Menge und stellte fest: " I'll see you guys on tour!"

Die Tourdaten sind.
Freitag, 14.05. 2004 Frankfurt - Samstag, 15.05.2004 Hamburg - Sonntag, 16.05.2004 Berlin - Dienstag, 25.05.2004 München - Mittwoch, 26.05.2004 Riesa - Freitag, 28.05.2004 Oberhausen

Preise: Stehplätze zu ca. € 42; Sitzplätze 1. Rang ca. € 55; Sitzplätze 2. Rang ca. € 45.

     
   
   

 

Die Zauberflöte   Theater Regensburg
20.12.03
"Ha, des Jammers Maß
ist voll"
   
     

"[...] Hier ist es, wo das Weib selbst über das natürliche Gattungsgesetz erhoben wird, welchem es andererseits nach der Annahme selbst der weisesten Gesetzgeber so stark unterworfen blieb, daß z.B. der Buddha es mit der Möglichkeit der Heiligwerdung ausgeschlossen gehalten wissen wollte. Es ist ein schöner Zug der Legende, welcher auch den Siegreich-Vollendeten zur Aufnahme des Weibes sich bestimmen läßt. Gleichwohl geht der Prozeß der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe - Tragik. [...]"

Wird dieses Zitat Richard Wagners, der in seinem Tannhäuser das sinnliche Weib, die  Hure 'Venus' der 'heiligen' Elisabeth gegenübergestellt hat, an den Anfang der Überlegungen zur Zauberflöte gesetzt, steht dies mit der Frage der Frauenfeindlichkeit in diesem Werk in Verbindung.

Ob nun Ludwig Giesecke oder Emanuel Schikaneder das Libretto zur Vertonung verfassten - beiden übernahmen soweit die gültigen Regeln, dass eine Frau nicht selbstständig denken und handeln könne und solle oder gar dürfe. Beide waren Mitglieder von Freimaurerlogen - Schikaneder wurde übrigens unehrenhaft aus der Regensburger Loge während seines Aufenthaltes in der Stadt entlassen - deren patriarchalische Bünde die Frauen von Entscheidungen ausschlossen. Die Freimaurer, als kirchen- und staatsfeindlich eingestuft, wurden in Verbindung mit den revolutionären Bestrebungen - 1789 von Frankreich ausgehend - gebracht und in Österreich 1795 verboten.

Ziele einer Aufklärung im humanistischen Sinne, Nutzung des Verstandes, Veränderung der Welt durch: Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit der Menschen, bezog aber auch 'die Frau' ein, als in der Zauberflöte eben auch Pamina zu höheren Zielen "ist würdig und wird eingeweiht" gelangt.
Gegenübergestellt ihr die Papagena, die nach dem Prinzip: dem Essen, Trinken, Vögel(n) zufrieden ist und mit ihrem Genossen "[...] wieder eine Papagena, wieder einen Papageno, Papageno, Papagena [...]"  in die Welt setzt, denn es ist das Höchste der Gefühle, wenn viele Papageno, Papagena ... der Eltern Segen werden sein. [...]".
Bei so viel planloser Überbevölkerung ist die Aussage "ein Weib tut wenig, plaudert viel" oder "bewahret euch vor Weibertücken" angebracht, denn "ein Mann muss ihre Herzen leiten, denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten". Also das Prinzip, dass der Frau Kinder, Küche, Kirche oblag, zweifelsohne ein Zeichen der Zeit bis weit hinein ins 20. Jahrhundert.
Erst mit deren Aufbegehren in den späten 60ern des vorigen Jahrhundert z.B. mit dem Motto: "Mein Bauch gehört mir" entstand eine Welle der Frauenbefreiung, die bis bis heute ihre Dynamik nicht verloren hat, so dass die Emanzipation der Frau immer noch "[...] unter ekstatischen Zuckungen vor sich [...]" geht .

Aus der Welt der Freimaurer in die Oper übernommen die Drei: die drei Knaben, die drei Pforten des Tempels - die Wahrheit, Schönheit und Stärke symbolisierend - die in drei Teile zerstückelte Schlange, die in den drei Damen weiterlebt, die Unwissenheit, die Hässlichkeit und die Schwäche darstellend.

Didier von Orlowsky - der kampf- und operettenerfahrene Regisseur - übernimmt nichts von diesen Vorgaben, reiht sich aber weitgehend auch nicht in den Reigen von Neu-Deutern ein und vermeidet so, dem Regensburger Theaterpublikum eine ungeheuer neue Sicht auf das meistaufgeführte Werk der Opernliteratur zu geben. Aber es sei vorangestellt: Jede Langeweile wird - besonders durch aktionsreiche sinnvolle Personenführung - vermieden. Pathos, sonst durch die Geharnischten, Priester und Sprecher hervorgerufen, entfällt. Gerade letztere sind wie Heutige, Normale in den Gang der Handlung eingebunden. Der eine kommt mit Aktentasche von einer Besprechung, der andere dirigiert den Chor - sicher ein Probengag, der dann beibehalten wird. Nicht alles ist stimmig und verhindert dem Publikum oft den Zugang zum Stück. Ungereimtheiten zum Beispiel: Dass Tamino schon mit einem Ringelwurm um den Hals auftritt und behauptet: "Schon nahet sie sich" oder die Damen singen "Bis ich dich wiederseh" (was soll wichtigtuerisch dieser offene Strich) platt an der Rampe ins Publikum, Papageno mit Koffer - schon wieder mal - Kronleuchter oder Leuchtgirlande rauf und runter. "In diesen heil'gen Hallen" - vom Bühnenbild her scheint es sich eher um eine Scheune oder Ruine mit billigen Lattentoren zu handeln.
Wenn das der Weisheitstempel von Andreas Wilkens, dem Bühnenbildner, sein soll, dann scheint es aber mit der Weisheit dieser Herren Eingeweihten nicht weit her zu sein. Gammel und Frust und Geldmangel sind da wohl an der Tagesordnung. Eine untergehende Gewerkschaft ist vergleichbar. Der Chor im Einheits-Schwarz-Weiß-Look erinnert an Parteitage oder größere Meetings und der Chairman an einen Fraktionsvorsitzenden, der auch einen roten Schal umhat. Die drei Damen sehen aus wie Revuegirls in ihren Paillettenkleidern, die Königin wie beim 'Besuch der alten Dame', grauhaarig mit Pelzmantel, Pamina in einem unvorteilhaften - wohl Georgette- Kleidchen, Papageno im Ringelhemd mit Tirolerhut - die Kostüme von Imke Sturm ohne jede Hochstimmung. Die Geharnischten fallen etwas heraus, der eine hat den linken, der andere den rechten Handschuh an, sitzen mit ihren Brustpanzern auf dem Boden an der Rampe vor dem Schleiervorhang - schleierhaft, warum.
Und doch, gemessen, was sonst so an großen Häusern szenisch getrieben wird, läuft hier noch alles in überschaubaren Bahnen ab.
Hokuspokus und Firlefanz wären auch in Regensburg ohne weiteres möglich. Es wird weitgehend darauf verzichtet.

Ein Problem ist das multikulturelle Ensemble bei einem Dialogstück wie der Zauberflöte. Interessant das Tonfallgewirr bedingt durch: Asiaten, Angelsachsen, Pole, Finne, Isländer, da fallen die Österreicherinnen angenehm auf. Leider ist es aber nicht nur der Akzent, der die Sprachverständlichkeit erschwert, es ist teilweise kaum zu verstehen, was Jóhann Smári Saevarsson als Sarastro von sich gibt. Hinzu kommt, dass ihm auch die satte Tiefe für die Rolle des Sarastro fehlt. Bei einem 30-Jährigen kann sich die Stimme auch noch nicht so gesetzt haben, dass er problemlos diese Hürde meistern könnte. Für die Königin der Nacht von Mi Soon Jang gilt: Text kaum verständlich und die hier nun extreme Höhe, wacklig. Trotzdem noch erstaunlich wie sie nach der Mimi mit den Stakkati fertig wird. Sie nehme sich in Bezug auf den Text aber ein Beispiel am Papageno von Jin Ho Yoo, der die deutschen Worte ganz gut hinbekommt. Stimmlich ist er wohl durch den Posa gewachsen. Obwohl hier gerade Bedenken angemeldet wurden, sitzt alles gut und sicher, ohne übermäßig knödelig zu wirken und ohne zu wackeln. Warum er nun - betont durch das Bärtchen - immerfort die Mundwinkel runterziehen muss, kann nicht nachvollzogen werden. So schlimm ist alles um ihn herum ja nun auch wieder nicht.
Die drei Damen - Gail Sullivan als erste Dame - hat so ihre Probleme in die Gänge zu kommen, womit das Singen gemeint ist. Ja, ja - die Lyrischen. Die erste Dame ist schwer zu besetzen, denn die muss musikalisch auch noch schnell sein. Elvira Soukop, der straffe Mezzo, übertreibt als zweite Dame schon etwas - sie meint noch in 'Non(n)sense' hängen geblieben zu sein und Carmela Calvano Forte - wes Nam' und Art sie ist, bleibt ungeklärt - als die dritte Dame, stört nicht. Sie scheint aber über einen ganz satten Alt zu verfügen.
Adam Kruzel, der hocherfahrne Sänger, mit der gereiften, edlen Stimme als Sprecher und 1. Priester - kauzig in der Darstellung und schon ein Kabinettstück auch von der Ausführung der Vorgaben durch den Regisseur. Juuso Hemminki als 2. Priester und Geharnischter, mit seiner nicht unproblematischen Technik. Daneben noch Michael Doumas als 2. Geharnischter, nicht weiter auffallend. Viktor Schiering als Mohrchen Monostatos, mal kein schwerer alternder Tenor, sondern jung und unverbraucht.
Sehr präsent die 'drei Knaben'. Die beiden Mädchen Stephanie Neppl und Keren (was ist das nun wieder für ein Vorname) Trüger und als erster Knabe Martin Sturm. Alle sicher und keck im Spiel als stünden sie schon jahrelang auf der Bühne. Gemessen an den Domspatzenknaben seinerzeit in der Köpplinger-Inszenierung, ein echter Gewinn. Als Füllsel sind Lederboys engagiert, mal als verzauberte Tiere, mal als Sklaven - halt so Typen für alle Fälle.
Die Chor optisch eine einheitlich schwarze Masse, kraftvoll als homogener Klangkörper - die Damen mussten sich schon etwas anstrengen gegen die Menge der Herren. Alle dezent und doch beeindruckend im Spiel als Sarastros Parteigenossen.
Brent L. (auch so'ne Abkürzung, wie Dabbelju) Damkier als Tamino - doch eher ein Pedrillo. Und trotzdem, die Stimme, wenn er sicher abstützt, wird dann für seine Verhältnisse doch ganz kraftvoll der Rolle gerecht. Die Bindung zwischen Mittellage und Höhe könnte besser sein, um einen Gleichklang in der Tongebung zu gewährleisten. Darstellerisch ein gebremster Buffo, aber akzeptabel als Prinz. Herauszuheben ist die Pamina von Katharina E. (whatever it means) Leitgeb. Schon bei ihren ersten Auftreten fiel sie auf. Die Pamina liegt ihr, wenn darstellerisch auch etwas junggemachte, leichtfüßige Rösslwirtin dabei ist. Sie singt kultiviert, die Töne gelingen bei hellen Vokalen wie bei "Wir leben durch die Lieb allein" etwas breit. Sonst ist sie sängerisch der Lichtblick in dieser Produktion.
Klappern gehört eigentlich zum Handwerk, aber zwischen Bühne und Orchestergraben sollte Einigkeit herrschen. Mehr sei hierzu nicht gesagt. Der GMD geht, was wird er wollen? Wer kommt? Naht noch einer aus Pforzheim?
Ceterum censeo: Gemessen z.B. an dem problematischen Tannhäuser in Augsburg, 'Die Zauberflöte' in Regensburg ansehenswert.

     
   
     
   

Tannhäuser in der Augsburger Fassung
11.12.03

"Da ekelte mich
der holde Sang"
   
     

"[...] Über die Aufführung des Tannhäuser
Eine nicht geringe Anzahl von Theatern geht mit dem Vorhaben um, in nächster Zeit meinen 'Tannhäuser' zur Aufführung zu bringen.[...]"
(Richard Wagner - Eine Mitteilung an die Dirigenten und Darsteller dieser Oper in Sämtliche Schriften und Dichtungen, Ausgabe 1871)

Wie der Fliegende Holländer, so auch 'Der Sängerkrieg auf Wartburg' zeigt die Gegenüberstellung zweier Welten, der normalen, menschlichen und der phantastischen, übermenschlichen. Im Holländer: Senta und der Holländer, im Tannhäuser: Elisabeth und Venus oder Lohengrin und Elsa, dessen Schema Richard Wagner schon bei Marschner und dessen Hans Heiling und Vampyr, Webers Freischütz und Hoffmanns Undine kennen gelernt hatte.

"[...] Die Figur des Tannhäuser könnte man einen Bruder im Geiste des Fliegenden Holländers nennen. Nicht nur weil der Stoff ebenfalls, jedenfalls teilweise, auf Heinrich Heine zurückgeht, sondern auch, weil beide daran leiden, nicht sterben zu können. Ansonsten herrscht eine christlich-romantische Gefühlswelt vor, und es ist merkwürdig zu sehen, dass Nietzsche nicht erkannt hat, wie weit Tannhäuser den Geist von Parsifal vorweggenommen hat. In seinem berühmten Essay schreibt Charles Baudelaire, Tannhäuser stelle den Kampf der zwei Prinzipien dar, die das menschliche Herz zu ihrem Hauptschlachtfeld erwählt haben, »d.h. des Fleisches mit dem Geiste, der Hölle mit dem Himmel, Satans mit Gott«.
Musik und Text zu Tannhäuser sind in Wahrheit eine Bearbeitung in Permanenz. Nach der Veränderung des Schlusses noch in Dresden schrieb Wagner für die - katastrophale - Pariser Aufführung 1861 vor allem einige Venusberg-Passagen neu und wenige Wochen vor seinem Tode sagte er 1883, er sei der Welt noch den Tannhäuser schuldig.
»Das Drama von dem ins Mittelalter zurückversetzten jungdeutschen Künstler, der auszog, in der >exilierten< Sinnenwelt der Antike die Emanzipation des Fleisches zu lernen, verwandelt sich am Ende ... in eine romantische Entsagungs- und Erlösungsoper.« [...]" (Dieter Borchmeyer)


Richard Wagners Ausnahmegestalten: Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, die Gefahr laufen in der Isolation des Überirdischen zu versinken, hoffen und bauen auf die Erlösung durch die Menschlichkeit in irdischen Frauenfiguren: Senta, Elisabeth und Elsa.
Auch im Tristan und im Ring des Nibelungen wird der Gedanke an Opferung durch Isolde, Brünnhilde und besonders durch Kundry im Parsifal deutlich.

Charles Baudelaire analysiert es in seinem Bericht über die in Paris 1861 stattgefundene skandalbelastete Aufführung 1861 in Paris so: "[...] Tannhäuser stellt den Kampf der zwei Prinzipien dar, die das menschliche Herz zu ihrem Hauptschlachtfeld erwählt haben, d.h. des Fleisches mit dem Geiste, der Hölle mit dem Himmel, Satans mit Gott [...]" (Ulrich Schreiber)

Schon fast parallel zum Rienzi, der Hofoper Dresden auf Vermittlung Meyerbeers zur Uraufführung angeboten und auch angenommen, dem Holländer, der am 20. November 1841 fertig wurde, beschäftigte sich Richard Wagner 1841 mit dem Konzept 'Die Sarazenin' "[...] doch konnte ich mich nie genügend dafür erwärmen, um ernstlich an seine Ausführung zu denken; wogegen nun ein anderer Stoff mich auf das allerinbrünstigste einnahm. Diesen hatte mir ein zufällig mir in die Hand geratenes Volksbuch vom 'Venusberg' eingegeben. [...]"
Die verschiedensten Quellen sondierte Richard Wagner, er kannte die Fassung von Ludwig Tieck: 'Der getreue Eckart und der Tannenhäuser' und von E.T.A. Hoffmann, 'Der Kampf der Sänger' doch "[...] keineswegs hätte ich dieser vollständig ausgebildeten Erzählung den Stoff zu einer dramatischen Arbeit zu entnehmen mich verleitet fühlen können. [...]"
Entscheidend für die Entwicklung des Tannhäuser, aber auch für des Lohengrin ist das Nachforschen über die "[...] echte Gestalt dieser anziehenden Sage [...]" "[...] Da brachte mir Lehrs ein Jahresheft der Königsberger Deutschen Gesellschaft, in welchem Lucas den 'Wartburgkrieg' kritisch näher behandelte.[...]"
Bereits das erwähnte Volksbuch, was "[...] ein großen Übergewicht bei mir gab, wer daß Tannhäuser' hier, wenn auch nur durch flüchtige Beziehung, mit dem 'Sängerkrieg auf Wartburg in Verbindung gesetzt war. [...]"

So war das mittelhochdeutsche Epos vom Sängerkrieg ausschlaggebend, denn hier wird die Figur des Heinrich von Ofterdingen mit der des Tannhäuser gleichgesetzt.
Dramaturgisch interessant ist bei Richard Wagner die Hinzufügung von zwei Frauenfiguren, der Heiligen Elisabeth als der Nichte des Landgrafen von Thüringen, die neben der Figur der Venus in die Handlung eingreift. Dabei wird dem typischen Rollengefüge Recht getan: hell: Sopran / Tenor, dunkel: Mezzo / Bariton wie ja auch im Lohengrin mit hell: Lohengrin / Elsa und dunkel Ortrud / Telramund übernommen.

Bei der Rückfahrt von Paris nach Leipzig ab dem 7. April 1842 - der Rienzi war für Dresden angenommen und der Holländer für Berlin vorgesehen - führt Minna und Richard Wagner der Weg an der Wartburg vorbei. "[...] Der Anblick des Bergschlosses, welches sich, wenn man von Fulda herkommt, längere zeit bereits sehr vorteilhaft darstellt, regte mich ungemein warm an. Einen seitab von ihr gelegenen ferneren Bergrücken stempelte ich sogleich zum 'Hörselberg' und konstruierte mir so, in dem Tal dahinfahrend, die Szene zum dritten Akt meines 'Tannhäuser', wie ich sie seitdem als Bild in mir festhielt. [...]"

Bereits im Sommerurlaub am 28. Juni 1842 konzipiert Richard Wagner den ersten Prosaentwurf, der am 8. Juli 1842 in Teplitz beendet wird und dem ein zweiter Entwurf am 8. Juli 1842 folgt.
"[...] In der Stadtkirche von Aussig ließ ich mir die Madonna von Carlo Dolci zeigen: das bild hat mich außerordentlich entzückt, u. hätte es Tannhäuser gesehen, so könnte ich mir vollends ganz erklären, wie es kam, daß er sich von Venus zu Maria wandte, ohne dabei zu sehr von Frömmigkeit hingerissen zu sein. Jedenfalls steht nun die heilige Elisabeth bei mir fest. [...]" teilt er am 10. September 1842 seinem Freund und Pariser Elendsgenossen Ernst Bendedikt Kietz mit.
Die nachfolgende Zeit ist mit der Uraufführung des Rienzi am 20. Oktober 1842 und der Uraufführung des 'Holländer' am 2. Januar 1843 in Dresden ausgefüllt. Erst im Sommerurlaub des nächsten Jahres beginnt RW mit der Komposition, aber erst zwischen dem November 1843 und dem 17. Januar 1844 kommt es zum Kompositionsentwurf des 1. Aktes. Zwischen dem 7. September und dem 15. Oktober 1844 entstehen der Entwurf zum 2. Akt, zwischen dem 19. und 29. Dezember 1844 der 3. Akt. Die Ouvertüre wird bis zum 11. Januar 1845 konzipiert, die Komposition am 13. April 1845 beendet. Bereits im Sommer 1845 beschäftigt sich Richard Wagner in Marienbad mit dem Lohengrin - die Prosafassung entstand - neben der für die Meistersinger - in der Zeit vom 3. Juli bis zum 9. August 1845, auch mit dem Parsifal. Am 19. Oktober 1845 wurde der Tannhäuser in Dresden uraufgeführt, wobei wie schon beim Holländer das Publikum dem neuen in Text und Musik nicht unbedingt folgen wollte. Doch fand der Tannhäuser in der folgenden Zeit eher noch Aufnahme als der vorhergehende Holländer.

"[...] Von den besonderen Schwierigkeiten, welche der Darstellung gerade dieses Werkes entgegenstanden, gewann zuerst Frau Schröder-Devrient einen Begriff, und zwar wurden sie ihrem Gefühle und ihrer Einsicht so deutlich, daß sie hierüber sich zu meinem Unbehagen und meiner Beschämung mir mitzuteilen wußte.[...]"

"[...] Von dem nur allzu skizzenhaften Ausfall dieser Partie überzeugte ich mich später so bestimmt, daß [...]" nach den ersten Aufführungen Richard Wagner bis zum Sommer 1847 den Schluss änderte, indem er nach dem Gebet der Elisabeth und deren Tod, die Venus noch einmal auftreten lässt und so nach der Romerzählung des Tannhäuser mit der 14. Aufführung des Werkes am 1. August 1847 mit der so genannten Dresdener Fassung einen dramatischen Akzent setzt.

"[...] Die Sorge der großen Künstlerin hatte, indem sie sich auf die Leistungen der eigentlichen Hauptrollen bezog, aber auch noch einen besonderen persönlichen Grund: sie wußte nämlich selbst nicht, was mit der Partie der Venus anzufangen, welche sie, trotz ihres sehr geringen Umfanges, dennoch gerade der Schwierigkeit und Bedeutung der ideellen Aufgabe wegen und um zum Gelingen des Ganzen beizutragen, übernommen hatte.[...]"
"[...] Mit einem verzweiflungsvollen Lächeln äußerte sie sich einmal über die Schwierigkeit, die Venus darzustellen, welche einfach nur aus der einen Unmöglichkeit entspringe, sie im richtigen Kostüm zu geben: - Um Gottes willen, was soll ich denn als Venus anziehen? Mit einem bloßen Gürtel geht es doch nicht! Nun wird eine Redouten-Puppe daraus; Sie werden Ihre Freude haben!«[...]"

Augsburg hatte Vuokko Kekäläinen als Venus zur Verfügung. Eine resche Dame mit hochgewölbten Busenkronen in einer roten Triumpf-krönt-die-Figur-Korsage, die strammen Wadeln vorteilhaft zur Geltung kommen lassend. Eigentlich versteht keiner, warum Tannhäuser diese Dame gleich im ersten Akt verlässt. Es mag sein, dass der Grund in ihrer Textunverständlichkeit liegt. Wieder mal eine, bei der sich wie schon bei vielen anderen die Beteiligung an der Firma Reclam dokumentiert. "Und die Texte an der Kasse". Es mag natürlich auch daran liegen, dass er nicht erkennen kann, was für eine Gesangstechnik seine Frau Venus anwendet. Es wird gemutmaßt, sie habe bei Berit Lindholm studiert, die sang auch so guttural. Es gibt ein Lebewesen, dass sich ebenso anhört - der Hinweis, auf welches es sich handelt, bleibt ausgespart - es könnte außer Frau Kekäläinen noch jemand auf die Idee kommen, es nachzuahmen. Schließlich erwürgt der Augsburger Tannhäuser die Venus im ersten Akt, vielleicht aus Rache wegen der von ihr produzierten Töne. So genießt Tannhäuser es verständlicherweise geradezu - der Schluss der romantischen Oper sei vorweggenommen - dass in der in Augsburg unter Verwendung der Urfassung gespielten Version - also Tannhäuser in der Augsburger Fassung - in der  von 1845 die Venus mit ihrem "Willkommen, ungetreuer Mann" nicht mehr auftritt. Aber es sei auch im Hinblick auf Frau Kekäläinen und sicher auch in ihrem Namen der Leitung des Theater Augsburg gedankt, dass eben in der Urfassung des Tannhäuser diese sehr schwer zu singende Passage der Venus in ihrer hohen Lage nach zweistündiger Gesangspause unterbleibt. Jedenfalls freut sich Tannhäuser nach seiner Romerzählung so unbändig, dass Frau Venus nicht mehr leibhaftig auftritt, denn er lacht unter der Regie von Herr Trees permanent, bis sich der Vorhang schließt.

Nach dem Rienzi, dem Erik im Holländer ist der Tannhäuser die dritte große Partie für einen Heldentenor im Gestaltungsbereich Richard Wagners, die sich fortsetzt mit dem Stolzing, dem Sigmund, Tristan und Parsifal. Alles Rollen der Extreme, somit auch Stimmlage des schweren, kraftvollen Tenors.
Vom "Dir töne Lob, dein Lieben sei gepriesen" gegenüber der Venus über "Ha, jetzt erkenne ich sie wieder" beim Gedanken an Elisabeth im 1. Akt bis zum inbrünstigem "Nach Rom" am Ende des 2. Aktes und gedemütigtem "Ich hörte Harfenschlag" wieder zurück zum "Im Venusberg drangen wir ein" - immer Extase. Heldentenöre der Welt interpretierten die in jeder Hinsicht außergewöhnliche Figur dieser großen romantischen Oper in drei Akten. Nur einige seien genannt:
Leo Slezak, Lauritz Melchior, Max Lorenz, Günther Treptow, Ramon Vinay, Rudolf Lustig, Karl Liebl, Ludwig Suthaus, Set Swanholm, Hans Hopf, Wolfgang Windgassen, Hermin Esser, Hans Beirer, René Kollo und auch Placido Domingo.

Mit Bezug auf den Kollegen Josef Tischatscheck, der nach dem Rienzi wieder einmal eine Titelrolle der Werke Richard Wagners übernehmen sollte, äußerte sich Wilhelmine Schröder-Devrient besorgt "[...] und frug mich, wo ich denn den Kopf hätte zu glauben, daß ein so kindischer Mensch wie Tichatschek die Akzente für diesen Tannhäuser finden könnte.[...]"
"[...] Leider war aber in dieser wie in keiner Weise für die Lösung der Aufgabe des Tannhäuser zu sorgen, da mein rüstiger Freund Tichatschek durch jeden Versuch einer Belehrung nur irregemacht werden konnte. So mußte ich mich denn ganz allein auf die Energie der Stimme und des diesem Sänger besonders eigenen scharfen Sprachtones verlassen.[...]"

Und auch beim Tannhäuser, der in seinem Bestehen vor Publikum hauptsächlich von der Besetzung der Titelrolle abhängt. Augsburg hatte Richard Brunner als Tannhäuser verpflichtet. Gerhard Siegel war für A eingesetzt, jetzt nun die B-Besetzung. Und wie so häufig, vielleicht ist B auch die Bessere.

Richard Brunner - stark im Spiel des durch Venus und später durch Elisabeth und die ganze Inszenierung Irritierten - mit "wohin soll ich mich wenden" ist es mit "am besten ab" hier nicht getan. Wie oben beschrieben, erwürgt er die Venus im 1. Akt und lässt sie einfach auf der Bühne liegen. Nun käme eigentlich die vorgesehene Verwandlung in das liebliche Wartburgtal, aber nichts verwandelt sich, das Stück spielt weiter im Venus-Puff. Das Kanapee der Venus bleibt, die imaginäre Harfe auch, aber es erscheint eine kesse Motte, die Herr Trees meint als Madonna einbauen und auftreten lassen zu müssen. In Wirklichkeit handelt es sich um den Hirten namens Petra van der Mieden, der die Sache mit Frau Holda - etwas kehlig - à capella zur Sprache bringt. Wie das Taumännchen in 'Hänsel und Gretel' streut diese Schaf- oder Ziegenhüter-Madonna irgendwas herum und Tannhäuser offensichtlich in die Augen, denn er erkennt - der Zuschauer nicht - die Jagdgesellschaft um den Landgrafen. Für den Besucher stehen nämlich so viele Leute auf der Bühne und hinten - tonlos - in einem Rahmen, dass keiner weiß, wer, wer ist. Begnadet ist Herr Trees, dem das alles einfällt. Verwirrung stiften, ist auch eine Methode der Regie. Herr Brunner singt als Tannhäuser nun auch, was interessant zu beobachten ist, denn mal sitzt der Ton kraftvoll sehr schön vorn und erlaubt ihm eine fast perfekte Sprache, dann aber rutschen die Töne in den Hals und so klingen sie dann auch. Weniger erfreut ist der Zuhörer, dass Herr Brunner gegen den Originaltext in Form der "Geschwätzigkeit des sächsischen Meisters" (Zitat Günter Roth) an die Wort-Enden noch Silben wie ‘haben-ne’ oder ‘lieben-ne’ anhängt - wohl nach Vorgabe der italienischen Gesangslehrer in Amerika - was eben über den Originaltext hinausgeht und gar nicht im Kartenpreis enthalten ist. Hier zeigt sich eine zusätzliche Einnahmenquelle für das Theater Augsburg, denn: mehr Text, mehr Money.

"[...] Neben ihm trat die Gestalt der Elisabeth einzig als wirklich sympathisch hervor. Die jugendliche Erscheinung meiner Nichte, die schlanke hohe Gestalt, der entschieden deutsche Stempel ihrer Physiognomie, die damals noch unvergleichlich schöne Stimme, der oft kindlich rührende Ausdruck halfen ihr, bei gut geleiteter Verwertung ihres unverkennbaren theatralischen, wenn auch nicht dramatischen Talentes die Herzen des Publikums entscheidend zu gewinnen. Sie wurde durch diese Leistung schnell berühmt; und noch in späteren Jahren wurde mir, sobald von einer Aufführung des 'Tannhäuser' mir gemeldet wurde, in welcher sie mitgewirkt, stets berichtet, daß der Erfolg desselben fast einzig nur ihr zu verdanken gewesen wäre. Wunderlicherweise hörte im bei solchen Gelegenheiten fast immer nur ihr mannigfaltiges und höchst einnehmendes Spiel beim Empfang der Gäste auf der Wartburg rühmen; ich erkannte darin den andauernden Erfolg unglaublicher Bemühungen, welche ich und mein hierin sehr erfahrener Bruder uns in betreff dieses Spieles gegeben hatten. Leider ist aber für alle Zeiten es unmöglich geblieben, ihr den richtigen Vortrag des Gebetes im 3. Akte beizubringen.[...]"

Das Theater Augsburg hat Sally du Randt für die Elisabeth engagiert. Die Partie sang sie bereits in einer Produktion in Regensburg, neben Barbara Schneider-Hofstetter als Venus, die sie jetzt in Bayreuth singt.
Sally du Randt gelang es in ihrer Regensburger Zeit von der Konstanze bis zur Chrysothemis über die Tatjana, Marie, Saffi bis zur Hexe in Hänsel und Gretel, die drei Hoffmann-Damen fast alles zu singen, was für einen Sopran so geschrieben ist. Dabei gelang es ihr besonders intensiv, fachübergreifend - gegen alle Vorgaben im Kloiber - zu wirken.
Hier ist sie nun wieder einmal als 'Lisbeth' - und gerade diese Rolle scheint ihr mehr und mehr auf den Leib geschrieben. Das schmale G'sichterl - man erinnert sich an die 17-jährige Johanna Wagner, die am 19.10.1845 die Rolle sang - der gertenschlanke, mädchenhafte Körper, wo sollen notgedrungen die Resonanzräume liegen, es bleibt nur der hintere obere Gaumen im Übergang in die Nase. Die Töne bleiben schlank und klingen im mezzoforte, gerade bei Diminuendi, wunderbar ausgeglichen. Natürlich ist bei Forte schnell der Engpass im wahrsten Sinne des Wortes erreicht. Da Frau du Randt durch die begnadete Regie von Herr Trees immer wieder etwas, durch Gänge oder Handlungen wie mit ausgebreiteten Armen Herumgehen, zu tun hat - sie ist zum Beispiel, optisch sehr vorteilhaft, im zweiten Akt ans Rad geschnallt - da kann sie nun wirklich nicht agieren - entfällt das früher häufig beobachtete zinnsoldatenhaftige Strammstehen mit den Händen an der Hosennaht weg. Sehr schön so auch ihre vom Regisseur verfügte Drapage auf dem Laufrad im dritten Akt. Sie liegt da, wankt dann, als Wolfram mit seiner Frage - Geh'n wir zu dir oder geh'n wir zu mir- mit bedächtigem Kopfschütteln in die Schranken verwiesen wurde, torkelnd ab. Warum sie torkelt, weiß keiner so recht und es steht - als Gebrauchsanweisung für diese Inszenierung - auch nicht im Programmheft.

"[...] Ich hatte den noch jungen Baritonisten Mitterwurzer - einen sonderbar verschlossenen, unumgänglichen Menschen - in einigen seiner Rollen mit Aufmerksamkeit beobachtet und bei seiner weichen, anmutigen Stimme die schöne Fähigkeit, den innern Ton der Seele erbeben zu machen, wahrgenommen. [...] Ihm hatte ich den Wolfram anvertraut und hatte allen Grund, bisher mit seinem Eifer und dem guten Erfolge seines Studiums zufrieden zu sein. [...]"
[...] Der Eindruck dieses Gesanges, für dessen richtige Wiedergabe der ganze Mensch in Haltung, Blick und Miene sich vollkommen umgewandelt und neu geschaffen hatte, wurde in sehr merkwürdiger Weise auch zum Ausgangspunkt des endlich erzielten Verständnisses meines ganzen Werkes von seiten des Publikums; wie überhaupt die ganze Rolle des Wolfram, welche Mitterwurzer, durch die Lösung dieser einen Aufgabe zum vollen Künstler umgeschaffen, durchweg gleichmäßig schön und ergreifend durchführte, zum eigentlichen Rettungsanker für mein durch den ungenügenden Erfolg der ersten Aufführung höchst bedrohtes Werk wurde.[...]"

Es ist immer wieder erstaunlich, wie gerade Baritone den Intentionen der Librettisten und Komponisten am ehesten zu folgen in der Lage sind. Riccardo Lombardi ist nicht nur ein gleichmäßig in allen Lagen schön singender Interpret der Rolle des Wolfram, sondern steht als Spielmacher dem Regisseur unaufdringlich und damit überzeugend zur Seite. Allerdings gelingt es auch ihm nicht, dem Publikum die Frage zu beantworten: Warum agiert Wolfram so, der doch von der Anlage der Rolle eher der zurückhaltende Minnesänger ist ?

Die anderen Sänger des Krieges versammeln sich zu munterem Spiel um den Landgrafen von Guido Jentjens - ein Bassist mit ausgeformter Mittellage und Tiefe, wobei allerdings die Höhe gestemmt klingt und damit wieder stark an das Phänomen des Rufens herankommt.

Es ergab sich während der geführten Interviews mit den Besuchern der Vorstellung der Hinweis, dass einige Entschärfungen gegenüber den A-Premiere vorgenommen wurden. Am deutlichsten zeigt sich dies in der Krankmeldung von Stefan Sevenich, der sich damit natürlich auch unserer Beurteilung entzog. Er hatte nämlich gemäß Regieanweisung die von Tannhäuser gemordete Venus sich wie ein Sack über die Schulter zu legen und zum Kanapee zu tragen. Offensichtlich hat er sich an der Venus von Frau Kekäläinen verhoben. Schade, wir hätten gerne gehört, wie er sich so zum Biterolf weiterentwickelt hat. Herbert F. Adami sprang für Stefan Sevenich ein und entledigte sich der Aufgabe mit leicht tremolierendem Bass.

Sehr aufmerksam hörte man Zurab Zurabishvili als Walter zu. Ein kerniger Tenor-Klang, gut sitzende Stimme, schön phrasierend, eindrucksvoll in der Darstellung. Da gibt es kein Reden und auch kein Gebrumm.

Die beiden anderen, Wolfgang Theis als Heinrich der Schreiber und Dimitri Ivashenko als Reinmar von Zweter störten musikalisch in den Ensembles nicht. Leider war für den Zuhörer wie auch für den Zuschauer nicht deutlich auszumachen, wer nun der wohl sehschwache Sänger war, der immer wieder, trotz Geleitmannschaft, mit anderen zusammenrumpelte. Auch hier wieder komödiantische Züge, wo man sie wegen der Tragik des Themas gar nicht erwartet und wo wieder so schön deutlich wird, was Herrn Trees so alles eingefallen ist. Hübsch auch der Hüftknick, den die vier Edelknaben bei ihrem ‘Wolfram von Eschenbach - geschmissen’ ausführen. Leider fehlt der choreographische Gleichklang, jede schwingt irgendwie anders. Oder soll dieser Individualismus sein ?
Außergewöhnlich auch diese grandiose Idee, so eine Art 'Mutter Jöttesje' als stumme Jule im ersten und dritten Akt auftreten zu lassen. Dies erleichtert das Verständnis ungemein, denn weiß man nun, wie Statisten sinnvoll eingesetzt werden können. Mit Elan wimmeln dann auch so ein paar pferdebeschwanzte Statisten-Jünglinge wichtigtuerisch um den Landgrafen herum, die diesem z.B. aus einer mit Trockeneis bestückten Kiste mit bewegter Miene ein mit kleinen Glühbirnen bewehrtes Brandeisen reichen, das dieser dann Tannhäuser - Gott wie sinnig - ohne dass Brandgeruch aufsteigt, auf die Brust drückt.

Leider ist es dem Zuschauer nicht möglich, alle diese Einfälle des Regisseurs während einer Vorstellung zu erfassen. Es müsste jede Vorstellung besucht werden, was sicherlich Herrn Dr. Peters freuen würde, denn viele Plätze waren bei der B-Premiere gleich von Anfang an frei und das Haus leerte sich in den Pausen. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Herrschaften nur die Regie von Herrn Trees flohen und zu anderen Produktionen wiederkommen, oder ob das Abonnenten sind, die dauerhaft wegbleiben so wie in Hannover die von Herrn Puhlmann verscheuchten. Aber vielleicht will auch Herr Dr. Peters die alten Abonnenten loswerden, so wie Herr Puhlmann. Dem wird das ja nun gewürdigt und er kann sein Spiel in STR fortsetzen. Aber die Schwaben haben ja lange genug Herrn Zehelein ertragen, die werden auch Herrn Puhlmann verkraften. Vielleicht strebt Herr Dr. Peters eine ähnliche Karriere an.

Chor und Extrachor leisten Außerordentliches, kraftvoll wird in Kostümen die Partie vorgetragen als wäre man in Ascot. Aufgebrezelt durch eleganteste Kostüme z.B. bei der Landgrafen-Party - verständlich dass die Damen und Herren sich wohl fühlen in dieser Optik und dann auch entsprechend engagiert mimen. Die übrigen Kostüme von Wolfgang Buchner sind schwer zu definieren und passen so zu seinem unerklärlichen Bühnenbild. Kostüme und Bauten passen vielleicht zusammen, nur nicht zum Stück. Richard Wagner wollte doch wie im Lohengrin sein ideales Mittelalter darstellen. Hier die Minnesänger mit "Dir hohe Liebe töne, begeisternd mein Gesang" im Gegensatz zum ordinären Sex der Venus. Und wenn Herr Trees meint, alles aus dieser Zeit um 1300 in eine imaginäre versetzen zu müssen, warum schafft er sich nicht ein eigenes Werk auf das seine Einfälle passen.

Eigentlich alles wirkt irgendwie unübersichtlich und damit unverständlich. Ein Stabilbaukasten mit Einfällen, die irgendwie zu irgendwas zusammengebaut werden - und dass ja nicht ein Staberl übrig bleibt.

Wieso fährt - dies nur beispielhaft - im 3. Akt plötzlich die mittlere Bühne runter. Bedurfte das Podest dringend der Bewegung, weil er sonst fest rostet? Und warum müssen die doch so schönen Pfeiler aus dem 2. Akt so derangiert im 3. aussehen? Und warum wird hier so eine Gardine vorgezogen, die den Blick auf die Weite der Augsburger Bühne versperrt? Wo bleibt die Verwandlung im ersten Akt, auf die und wie sie gemacht wird, jeder doch so gespannt wartet? Und was sind das für Frösche, die um den Tannhäuser im lieblichen Tal rumkriechen? Und was ist das für ein Fummel, den Elisabeth bei ihrem Auftritt zur Hallenarie anhat? Und warum wird sie beim Sängerwettstreit aufs Rad geflochten? Fragen über Fragen, die an den Regisseur und Bühnenbildner gestellt werden müssen - leider "[...] ohn Antwort ist der Ruf verhallt.[...]"

Ist auch nicht weiter schlimm, es ist nach Herz, Chundela, Konwitschny, Mielitz, Neuenfels sowieso alles schon da gewesen. So ist Herr Trees nur ein Epigone. Denn wie er redet wie er spuckt, hat er's der Berghaus abgeguckt. Und im nächsten Jahr wird Chaot Schlingensief den Parsifal z’sammrichten, ist doch schon alles Wurscht, in fünfzig Jahren spricht eh kein Mensch mehr drüber.

Fraglich ist nur, wie dieses Trees/Buchner-Konglomerat dem Richard-Wagner-Verband anlässlich seines internationalen Kongresses im Mai nächsten Jahres verkauft werden soll, wenn der Augsburger Vorstand meint, zu dieser Inszenierung nur lachen zu müssen, wenn z.B. der Herr Generalmusikdirektor aufhört, zu dirigieren, damit man einen Knall auf der Bühne hört. Von der Lautstärke her scheint Rudolf  Pielmayer sowieso fürs Parkett den Takt zu schlagen, im zweiten und dritten Rang - es gab ja so viele freie Plätze, dass man sich mal dahin mal dorthin setzen konnte - klang das Orchester, nennen wir es laut und deutlich. Differenziert und beseelt wurde nicht musiziert. Um hier besser urteilen zu können, müssten mehrere Vorstellungen besucht werden.

Aber ausgesprochen ärgerlich - und deswegen reagiert auch das Publikum ablehnend - ist die Geheimnistuerei der Leitung des Hauses. Bei einer solche Fülle von Eindrücken - sinnvoll oder nicht - sind Einführungen zwingend.
Erstens: wegen des ungewohnten musikalischen Inhalts,
"Unter Verwendung der Urfassung": Was soll denn das heißen?
Tannhäuser in der Augsburger Fassung ist doch wohl nichts anderes als Anmaßung.
Zweitens: wegen der Flut optischer Eindrücke, die in ihrem Zusammenspiel erklärt werden müssen. Man tut einem so einfallsreichen Regisseur keinen Gefallen, wenn man das Publikum im Unklaren lässt, warum er die Szene so und nicht anders in diesem und keinem anderen Bühnenbild anlegt.
Die Einführung von Herrn Prof. Dr. Janota ist zwar nett am Text von Richard Wagner entlang aufgebaut, hatte aber mit der Inszenierung nichts zu tun. Und das Programmheft beinhaltet außer Allgemeinplätzen nichts, was Klarheit über diese Augsburger Produktion schafft. Aber vielleicht hat auch Jörg Schmidt als Dramaturg nicht verstanden, was Herr Trees und Herr Buchner eigentlich wollten. Die beiden haben sich sicherlich darauf rausgeredet, dass Tannhäuser das alles nur träumt.
Ach was! Ist doch alles schon da gewesen.

Ceterum censeo: Nicht jedes Theater sollte jede Inszenierungsmode mitmachen, um nicht in Zeiten knapper Kassen das Publikum zu vertreiben.

(Kursiv dargestellte Textpassagen sind - wenn nicht anders angegeben -
Richard Wagner 'Mein Leben' entnommen.
)

     
   
     
    'Ich'
Uraufführung
Theater Regensburg 05.12.03
     

"... und treiben mit Entsetzen Scherz"

     


Ein hochrangiger Ethikrat beschäftigt sich mit der Frage der Gen-technik - weg mit den alten Skrupeln - und ob die EU mit Geldern, die auch aus Deutschland zur Verfügung stehen, diese Forschung unterstützen darf, obwohl hierzulande Bedenken bestehen.
Darf also der Autor Rainer Lewandowski die Problematik in dieser leichten Form abhandeln, nur um ein weiteres Stück seit seiner Zeit 'als Dramaturg noch in Hannover' auf die Bühne zu bringen und um unbedingt aktuell zu sein?

Lässt man das Thema beiseite, so zeigt Volkmar Kamm eine leicht-füßige Inszenierung in den leicht beweglichen Bauten von Tina Kitzing, die das Tempo noch erhöhen, in denen aber auch 'Meine Schwester und ich' gespielt werden könnte. Mit Barcodes auf ge-stapelten Schuhschachteln.
Ständig wird von den Darstellern aufgebaut, umgebaut, abgebaut, damit assoziiert: neues Leben schaffen, verwerfen, vernichten und wieder neues kreieren.
Die abrupten Lichtwechsel von Klaus Herbert Welz intensivieren zudem den Eindruck eines hastigen Ablaufs.

Alle Darsteller, Peter Heeg als Professor; Peter Papakostidis als Doktorand und geklonter Sohn; Arthur Werner, der Assistent und Silvia Schuh, die junge Wissenschaftlerin können dieser Vorgabe "... steigernde Wirkung durch Beschleunigung des Tempos ..." kaum entrinnen, um dem Stück mehr Tiefe durch ruhige Passagen zu geben. Bei Frau Schuh zeigt sich außerdem deutlich, wie eine Geschwindigkeitsüberdrehung der Sprache zu Wortausfällen bis zur Unverständlichkeit des Textes führt.

Außerdem ist es kaum vorstellbar, dass es in einem wissenschaftli-chen Institut derartig turbulent zugeht. Die flott in Szene gesetz-ten zum Teil flapsigen Dialoge des Stückes werden der Sache, über die die Welt streitet, nicht gerecht. Und der Autor selber gibt vor: "Ich bewundere sie, wie sie bei einem so heiklen Thema, so locker scherzen können."
Hätte mehr Ernsthaftigkeit geherrscht, wäre auch diese Art von 'lieto fine' deutlicher zur Geltung gekommen.
So bleibt nur:
"Das Ganze war halt eine Farce und 
weiter nichts."

     
   
     
    Schweig, Bub!
Theater Regensburg 28.11.03
     
Allmächt' na, su a G'werch !    
     

So oder so ähnlich klingt's wohl im Frankenland - dabei gibt es doch fränkisch Sprachkundige vor Ort, die im Sinne und zur Förderung der künstlerischen Entwicklung des Theaters Regensburg Hilfestellung hätten leisten können, wenigstens den Dialekt richtig einzustudieren.
So aber kam ein Kauderwelsch zustande, das teilweise auch noch so lustlos runtergenuschelt wurde, dass der noch so aufmerksame Zuschauer, klammheimlich nach der Übertitelungsanlage rief.

Michael Heuberger und auch dem übrigen Ensemble sah man es jedenfalls noch beim Schlussbeifall an, dass es selbst denen nicht gefallen hat. Was muss bei diesem Strindberg-Verschnitt das Ensemble gelitten haben.

 

Warum wurde nicht Peter Nüesch als Regisseur geholt, dann hätte es Klamotte total gegeben und die Produktion wäre wirklich zur Komödie des Jahres geworden. So hangelte sich der Regisseur Klaus Tews mit riesigen Textpausen durch das Stück.
Der Erfolg: Eine zähe Tragödie.
Man darf einem offensichtlich völlig humorlosen Regisseur nicht eine Komödie anvertrauen, es kommt immer irgendein Krampf dabei heraus.
Die Bauten von Dorin Kroll reißen trotz Drehbühne und schnellem Szenenwechsel die Produktion nicht aus der 'Atemlosigkeit'. Die Kostüme von Bianca Schmid-Hedwig stimmig, denn dem Bürger vom Bauch abgeguckt.
Ansonsten, wieder eine vertane Chance im Theater Regensburg.
"Der Rest ist Schweigen."

     
   
     
    Der Barbier von Sevilla
Bayerische Staatsoper 27.11.03

 

   
"Una voce poco fa"    
     

Als am 20.02.1816 Rossinis 'Barbier von Sevilla' in Rom zunächst durchfiel - wohl weil die Anhänger des Altmeisters Giovanni Paisiellos dessen Barbier schützen wollten – jedoch am nächsten Abend mit begeistertem Beifall aufgenommen wurde - war Richard Wagner gerade drei Jahre alt.
Als er sich 1860 zu seiner von der Fürstin Metternich betriebenen Aufführung des Tannhäuser in Paris aufhielt, besuchte er auch Gioacchino Rossini und berichtet in 'Mein Leben':

  "[...] welchem ein Witzereißer für die Journale ein bonmot untergeschoben hatte, wonach er seinem Freunde Caraffa, als dieser sich für meine Musik erklärte, bei einem Dinner den Fisch ohne Sauce serviert und dies damit erklärt haben sollte, daß ja sein Freund auch die Musik ohne Melodie liebe. Hingegen protestiert nun Rossini in einem öffentlichen Schreiben sehr förmlich und ernsthaft, erklärte das ihm unterlegte bonmot für eine mauvaise blague und bezeugte zugleich, daß er derartige Scherze sich nie eines Mannes erlauben würde, den er darin begriffen sehe, das Gebiet der Kunst zu erweitern.. Nachdem ich hiervon Kenntnis erhalten, zögerte ich keinen Augenblick, Rossini meinen Besuch zu machen, und ward von ihm in der Weise freundlich empfangen, wie ich dies später in einem meinen Erinnerungen an Rossini gewidmeten Aufsatze beschrieben habe. [...]"

Rossini aus der Tradition des Kunstgesangs, des Belcanto, der Opera seria kommend, setzte sich also mit dem Neuerer, dem komponierenden Textdichter Richard Wagner auseinander. In seinen 1870 herausgegebenen Sämtlichen Schriften und Dichtungen geht Richard Wagner noch einmal auf den großen italienischen Tonkünstler Rossini ein, als er auf eine "[...] Bemer-kung zu einer angeblichen Äuße-rung Rossini's [...]", die Ferdi-nand Hiller abgegeben haben soll, einen Kommentar schrieb.

              "[...] Herr Hiller berichtet uns, Rossini habe ihm auf die Frage, ob er wohl glaube, daß Poesie und Musik je zu gleicher Zeit gleiches Interesse erregen können, geantwortet: "wenn der Zauber der Töne den Hörer wirklich erfasst hat, wird das Wort gewiß immer den Kürzeren ziehen. Wenn aber die Musik nicht packt (?), was soll sie? Sie ist dann unnöthig, wenn sie nicht überflüssig oder gar störend wird."
Wir verwundern uns nicht über diese Antwort Rossini's, sondern darüber, daß er auf jene Frage eine Antwort gab, auf die sich Herr Hiller sehr leicht ganz dasselbe hätte sagen können. Sollte es dagegen Herrn Hiller daran gelegen sein, über Probleme Aufschluß zu erhalten, über die er selbst noch mit sich im Unklaren ist, so rathen wir ihm, Rossini das nächste mal zu fragen, woher er sich wohl erkläre, dass Mozart's Musik zu "Cosi fan Tutte" nicht im entferntesten die Wirkung mache als die zum "Figaro" oder "Don Juan". Oder um ein näheres Beispiel zu wählen – warum "Der Advocat" vorm Jahr in Köln durchfiel, trotzdem er – Herr Hiller – selbst die Musik dazu gemacht hatte. [...]"

Die Spanne zwischen Rossinis musikalischem Stil, dem Gesang der Kastraten, dann der Über-nahme der Rollen durch Frauen, als der Code Napoléon die Kastrierung von Jungen verbot und dem von Richard Wagner könnte größer nicht sein. Als Rossini 1829 seine Kompositions-tätigkeit reduzierte bzw. fast einstellte und in den ihm noch verbleibenden 40 Jahren außer dem Stabat Mater und der Petite Messe Solennelle keine Note mehr schrieb, könnte sehr früh die dramaturgischen und musika-lischen Veränderungen gespürt haben, die sich, gerade von Deutschland kommend, auswirk-ten.
Sein 'Barbier' ist nur eine der vielen zu seiner Zeit häufig ge-spielten Werke aus seiner Feder, die sich über die Jahrzehnte auf den Bühnen der Welt hat halten können, obwohl seine Opern z.B. seine letzte, 'Wilhelm Tell', immer wieder an der hohen Tessitura des Arnoldo und der fehlenden Besetzung für diese Tenorpartie scheiterte.
Immerhin sang auch zum Entsetzen von Rossini 1837 Gilbert-Louis Duprez als Arnoldo  das erste 'do di petto' also das 'hohe C' mit Bruststimme. Bis da-hin hatten sich die Tenöre des Falsett bedient.
So geht es jetzt auch schon bei der Besetzung des Grafen Almaviva selbst an der Bayeri-schen Staatsoper. Nicht dass Reinaldo Macias die Töne nicht träfe, aber es fehlt an Körperre-sonanz bei der Stimmgebung. So klingt sein Tenor eng und stel-lenweise sogar gequetscht,

 

wenn es über die reine Mittellage hinausgeht, hier nur als Beispiel beim "Ubbriaco? ... Ma perqué?". Die Canzone der 6. Szene dann sehr schön phrasiert, da in relativ bequemer Lage. Die Koloraturen aus der lockeren Stimmführung heraus, perfekt gesetzt. Das Spiel des Grafen beim Buhlen um Rosina nach der Beaumarchais'schen Vorlage wirkt besonders beim Auftritt "He, ihr vom Hause" als trunkener Soldat stark buffonesk. Es dokumentiert sein eigentliches Fach. Aber, was soll's, auch in MUC kann nicht jeden Abend Juan Diego Florez den Almaviva singen.

Ähnlich der Stimme des Grafen fehlt bei Bruno Pratricò als Doktor Bartolo das Volumen, das mit der Partie assoziiert wird. Der Bass klingt ungewöhnlich hell timbriert und fast flach, sehr das Fach des Bass-Buffo betonend. In seiner Darstellung des Bartolo ist alles schrullig, trottelig, nichts gefährliches, immerhin ist er der Intellektuelle des 18. und 19. Jahrhunderts, der Patriarch, der hier an das Geld des reichen Mündels Rosina durch Heirat will. Nach den Regeln dieser Zeit hat Rosina keine Rechte ohne Mann. Dass sie die Möglichkeiten der Verbindung mit dem Grafen Almaviva zu nutzen versucht, ist mehr als verständlich – allerdings ahnt sie nicht, in welche Schwierigkeiten sie in der Fortsetzung der Story in der 'Hochzeit des Figaro' kommen wird.
Im Gegensatz zu Bruno Praticò verfügt Paata Burchuladze über das bassige Volumen in jeder Lage der Partie. Die Stimme klingt unangestrengt – trotz z.B. des häufigen Zacharias – kraftvoll füllt er - zum Jubels des Publikums - das Haus.
Auch wenn der Figaro das Faktotum der schönen Welt von Martin Gantner überzeugend gespielt und kernig auch in den hohen lagen gesungen wird, fehlt auch hier wieder das eigentlich von vielen Vorbildern erwartete Volumen in der Stim-me.
Und die eigentlich schönere Stimme als die des Bartolo und auch des Figaro hat Christian Rieger in der kleinen Rolle des Fiorillo.
Anne Peelkorne schafft sich niesend mit weichem Mezzo durch die ungeliebte Partie der Berta und hatte einen berechtigten Erfolg mit ihrer Arie. Neben ihr in den Wurzen-Rollen Altmeister Ferry Gruber, Francesco Petrozzi und Wiwo Leeb.
Dann Liliana Nikiteanu. Ein entzückendes rumänisches Püppchen, das mit einer Natürlichkeit die kesse, trotzige und ihr damals noch nicht zustehende Rechte einfordernde junge Frau, ohne dass es aufgesetzt wirkt, spielt.
Wie dunkle Südseeperlen kullern hier die Koloraturen der Rosina auf den Seidenteppich, den ihr Harry Bicket mit dem Bayerischen Staatsorchester bereitet. Das samtene und runde Timbre vermag sie aus der Brust über alle Register zu führen, so dass die Partie stimmlich wie aus ei-nem Guss geformt ist.
Bicket nimmt das Orchester zeitweilig ganz stark zurück, um Frau Nikiteanu alle Möglichkeiten der Ausformung der Läufe und Sprünge der Partie bis ins zar-teste Pianissimo und ins volle Forte zu geben. Beispielhaft wie Harmonie zwischen Solist und Dirigent sich bei der Gestaltung einer Rolle auswirken kann, wenn er auch das Tempo gele-gentlich wie z.B. bei Figaros "Pronto prontissimo" oder im Duett Figaro / Graf bei dessen "Su, vediam di quel metallo" zu deutlich anzieht.
Das Bayerische Staatsorchester in bester Spiellaune bis in die zartesten Figuren der Partitur, aber auch kräftig auftrumpfend, wenn es die Dynamik der Partitur erfordert.
Claus von Wildemann am Cem-balo mit einfallsreichem Accom-pagnement, gerade wenn es gilt, Gänge auf der Bühne musi-kalisch zu füllen.
Der Chor sehr präsent, sehr präzise gleich bei der Introduc-tion "Piano, pianissimo", oder dem "Mille grazie" am Ende der ersten Szene, aber auch in den sehr schnellen Passagen wie dem Finale 1. Akt.
Die Bauten von Carlo Tommasi wie man sich ein Haus in Anda-lusien vorstellt: Drehbühne, das Äußere des Hauses und rumge-dreht das Innere. Praktisch, gut zu bespielen.
Und darin die Personenführung des Großmeisters Ferruccio Soleri. Es stimmt, was er vorgibt und lässt doch noch jedem Dar-steller die Möglichkeit zur
Entfaltung.
Ein musikalisch aufschlussrei-cher, weitgehend genussvoller Abend, wenn auch nicht alle Stimmen den Vorstellungen einer Aufführung in der Bayerischen Staatsoper entsprachen, wo immerhin Hermann Prey als Barbier und Fritz Wunderlich als Almaviva Massstäbe setzten.

     
   
     
Finnischer Opernsänger
starb mit seinem Sohn bei Autounfall
   
     

Der finnische Opernsänger Peter Lindroos (59) und sein eineinhalb Jahre alte Sohn sind am Montag bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Seine Frau, die Opernsängerin Gabriela Gaál, und seine vierjährige Tochter wurden bei dem Zusammenstoß mit einem Schwerlaster in der Nähe

  der südschwedischen Stadt Malmö schwer verletzt, berichteten skandinavische Zeitungen. Die in Schweden geborene Gaál liege auch zwei Tage nach dem Unfall weiter in tiefem Koma, teilte die Sibelius-Akademie in Helsinki mit, an der Lindroos ebenso wie in Malmö unterrichtete.  
     
   
     
Leiter der Staatsoper Hannover löst Zehelein ab    
     

Der Leiter der Staatsoper Hannover, Albrecht Puhlmann, soll nach Informationen der «Südwest Presse» den Stuttgarter Opernintendanten Klaus Zehelein ablösen. Der 48-Jährige soll demnach im Herbst 2006 Zehelein (63) nachfolgen, der nach 13 Jahren Tätigkeit in  

  Stuttgart als Präsident an die Bayerische Theaterakademie in München geht. Der Verwal-tungsrat der Württembergischen Staatstheater wolle die Wahl am kommenden Montag offiziell vornehmen, heißt es in der Ulmer Zeitung.
     
   
     
    Rau:
Kultur ist Hefe im Teig
Bundespräsident
Johannes Rau hat vor einer " um sich greifenden Kulturfeindlichkeit" in Deutschland gewarnt.
   
     

Kultur müsse eine Pflichtaufgabe für den Staat sein und dürfe nicht nur zu den freiwilligen Leistungen gehören, sagte Rau in Berlin auf dem Kongress "Bündnis für Theater". "Die Finanzierung von Theater und Oper ist eine öffentliche Aufgabe, und das muss so bleiben", betonte er. "Nur wenn die Kultur und die für sie Verantwortlichen auf einer Stufe mit anderen wichtigen Aufgaben stehen, rücken sie da hin, wo sie

  hingehören, in die erste Reihe."  Kultur sei "nicht die Sahne auf dem Kuchen, sondern die Hefe im Teig". Gleichzeitig rief er die Theater zu mehr Mut auf, um der Finanzkrise zu begegnen. Dazu gehöre die Frage, warum im Sommer alle Bühnen gleichzeitig Urlaub machten und so Touristen ignorierten. Tarifverträge müssten modernisiert werden. " Theater ist schon lange keine Insel der Seligen mehr", sagte Rau.
     
   
     
     
     
Scharfe Kritik am geplanten Kulturabbau bei ARD und ZDF    
     

Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Professor Klaus Zehelein, hat die Absicht mehrerer Ministerpräsidenten, das Kulturangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erheblich einzuschränken, scharf kritisiert. „Eine Reduzierung des Kulturangebotes von ARD und ZDF verstößt gegen den auf Information und Kultur ausgerichteten Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender“, kommentierte Zehelein die nun bekannt gewordenen Pläne der Ministerpräsidenten. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sollen die Kulturprogramme 3sat und arte fusioniert und der ZDF-Theaterkanal eingestellt werden. Beabsichtigt ist außerdem, die Anzahl der ARD-Orchester zu reduzieren.  
Aus Sicht des Bühnenvereins sind diese Pläne völlig unverständlich. Man habe in den letzten Jahren die Kultur in den Hauptprogrammen mit der Begründung stark beschnitten, dafür gäbe es die auf Kultur spezialisierten Spartenprogramme und digitalen Kanäle.

  Nun wolle man die Gebührenerhöhung dazu nutzen, genau diese Programme abzubauen. „Das ist der Ausverkauf der Kultur im Fernsehen. Die Kultur ist einer der entscheidenden Bereiche, mit denen sich ARD und ZDF von den privaten Anstalten positiv unterscheiden.  
Gerade die Kultur rechtfertigt also die Gebührenfinanzierung. Wenn man zudem das bildungspolitische Desaster bedenkt, das die Pisa-Studie der Bundesrepublik Deutschland bescheinigt, kann man die Ministerpräsidenten nur auffordern, von solchen Plänen weiterer Fernseh-Verflachung möglichst schnell Abstand zu nehmen“, betonte Zehelein in seiner Stellungnahme.  
Offenkundig hätten einige Ministerpräsidenten völlig vergessen, was Kunst und Kultur im Fernsehen für die Bildung junger Zuschauer bedeuten. Zehelein fordert alle Zuschauer und alle Kultureinrichtungen auf, sich dem kulturpolitischen Kahlschlag bei ARD und ZDF massiv entgegenzustellen.
     
   
     
     
     
Orchestermusiker
oft durch Lautstärke geschädigt
   
     

Orchestermusiker gefährden bei der Arbeit oft ihr Gehör. Wagner-Opern zum Beispiel könnten eine Lautstärke von bis zu 110 Dezibel erreichen und seien damit mehr als doppelt so laut wie ein vorbeifahrender Lastwagen, be-richtet die «Ärzte Zeitung».  
Abhilfe solle eine neue EU-Richtlinie zum Lärmschutz schaffen, die bis 2008 in deutsches Recht umgesetzt werden müsse, heißt es unter Berufung auf die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits-medizin in Dortmund. Dann darf die durchschnittliche Belastung über einen bestimmten Zeitraum nur 87 Dezibel betragen.   

 

Es sei jedoch schwierig, die Musiker vor dem Klangvolumen ihrer Instrumente zu schützen, heißt es weiter. So weigerten sich vor allem Bläser, einen Gehörschutz zu tragen - Oboen und Klarinetten klingen dann für den Musiker oft nicht mehr sauber. Unklar ist den Angaben zufolge noch, inwieweit die Lärmschutzmaßnahmen auch zu Umbauten in Opernhäusern und Konzertsälen führen müssen. Die EU-Richtlinie 2003/10/EG gilt für den Lärmschutz in allen Berufen und ist im Amtsblatt L 042 vom 15. Februar 2003, Seite 38 bis 44, zu finden, das im Internet veröffentlicht ist.

     
   
     
Anklage gegen 'Dorfrichter Adam'    
     

Generalbundesanwalt Kay Nehm hat Anklage gegen den Dorfrichter Adam aus dem Theaterstück «Der zerbrochene Krug» erhoben. Am 5. Dezember wird dem Protagonisten der Komödie von Heinrich von Kleist am Bundesgerichtshof der Prozess gemacht. Das Badische Staatstheater Karlsruhe stellt die Schauspieler für die Theaterfiguren. Der BGH liefert mit Nehm und dem Vorsitzenden Richter Eike Ullmann das Justizpersonal. Die Verteidigung übernimmt der Rechtsanwalt Hermann Heil.  
«Wir fangen da an, wo das Stück "Der zerbrochne Krug" aufhört». «Die Schauspieler

 

werden sich in ihren Rollen vor einem ordentlichen Gericht mit echtem Richter, Staatsan-walt und Verteidiger nach heuti-gen Rechtsnormen rechtfertigen und verhalten müssen.»
Ihnen werde dafür viel Impro-visationskunst abverlangt. Richter Adam hat einiges auf dem Kerbholz. Möglich ist eine Verurteilung unter anderem wegen Amtsmissbrauchs, Korruption, sexueller Nötigung und Erpressung. Zahlreiche Figuren aus dem Personenarsenal des Lust-spiels werden als Zeugen befragt, darunter der Gerichtsrat Walter, der Gerichtsschreiber Licht und die Verlobten Ruprecht und Eve.

     
   
     
     
     
    La Traviata
B-Premiere
Staatsoper Hannover
Verbotene Liebe    
     

Was reizte Giuseppe Verdi an der Beschäftigung mit dem Stoff der Kameliendame? War es die Amoure eines jungendlichen Bürgers mit einer Kokotte oder gar die Projektion seiner Beziehung mit der Strepponi, die immerhin drei Kinder illegitim von drei verschiedenen Männern hatte, den Nachwuchs Fremden zur Pflege gab und erst später, als die Verbindung zu Verdi nach Jahren legalisiert wurde, wieder Kontakt zu ihren Kindern aufnahm. Oder wollte er aus der Nutte ein weibliches Wesen mit menschlichen Zügen machen, das an der Prüderie der Gesellschaft zerbricht?
Und gibt es für dieses Werk die perfekte überzeugende Inszenierung oder musikalische Ausformung und konsequente Linien in der Personenführung oder ist alles nur eine Frage der Eigenwilligkeit? Der Lohengrin in Hamburg von Peter Konwitschny – eine Schülerbalgerei im Klas-senzimmer mit Ortrud das Har-monium spielend – in der Schlus-sszene (mangels Zeit ?) in eine Standardinszenierung zurückfal-lend. Die Walküre in Stuttgart mit der Bettenbauenden Brünnhilde. Was ist richtig, was kann dem Zuschauer angeboten werden als stimmig, was ist Firlefanz was ist einfach Quatsch ?
Letzteres gilt jedenfalls nicht für die Calixto Bieto Inszenierung der Traviata in Hannover.
Es wird die Geschichte so einer Art Rosemarie Nitribit – einer Edel-Nutte erzählt, die weiß was sie will, wenn sie auch zeitweise vom Gefühl von der Sehnsucht nach Bürgerlichkeit übermannt wird.
Bieto beschönigt nicht, setzt die Violetta ins heutige Leben der Callgirls – hier in einem Edelpuff als Einheitsbild mit weißen Ledermöbeln und Edelstahlbauten im Maisonettestil von Ariane Isabell Unfried und Rifael Ajdarpasic und in einer modisch-heutigen etwas überzogenen Kostümierung von Anna Eiermann.
Kettenvorhänge teilen die Szene in den Bar-Bereich oder im Obergeschoss die Lustinsel vom übrigen Raum ab. Großflächige Sex-Projektionen transportieren die Stimmung und animieren entsprechend.
Ina Kanchewa in schwarzer Triumpf-Korsage mit Strapsen – ein Püppchen, fast zu schmäch-tig für diese Rolle der Violetta Valérie mit blonder Nitribit-Perücke hebt sich sogleich auch mit ihrer Rollengestaltung vom Umfeld ab. Allerdings erschreckt ihr Auftritt zunächst, denn die Stimme flackert, hat keinen Halt auf dem Airflow und damit auch nicht die notwendige Durch-schlagskraft. So stellt sich zu-nächst die Frage: wie soll das gehen? Aber schon beim „Ich will es, ich gebe der Freude mich hin“ hat die Stimme Kontur und sitzt bis zum Schluss unter hohem Gaumen mit leicht vorstehendem Oberkiefer perfekt in allen Registern auch die extreme Höhe ist abgedeckt. Interessant, dass Frau Kantchewa in der Bohème sich der Mimi zugewandt hat und nicht die Mussetta übernimmt. Es ist nachvollziehbar, denn auch hier als Traviata kommen die Ko-loraturen etwas massig und nicht so filigran, wie sonst früher von Edda Moser oder der Te Kanawa gewohnt. So passt die Anlage der Koloraturen aber in den Gesamtsound, mit dem Ina Kanchewa die Rolle stimmlich gestaltet. Besonders auffallend ist ihr Mut zu geführten Piani und Pianissimi. Die Kurse bei
Mont-serrat  Caballe können hierfür der Grund sein. Gerade die Caballe war eine Meisterin fein ge-zwirbelter Töne. Es macht star-ken Eindruck wie Frau Kanschewa dieses Können in die musikalische Gestaltung der Rolle übernimmt. Auch fast tonlos dargebotene Textpassagen unterstreichen die Durchfor-mung der Rolle mit den Frau Kanschewa zur Verfügung ste-henden stimmlichen Möglich-keiten. Absolut überzeugend die Ausformung der Figur in Bewegungen, Gesten, Körperhal-tung.
In diesem Rahmen laufen die Einfälle des Regisseurs nach seinem Storyboard ab, das er sich aus dem Stück schafft. Die Flora als weitere Amüsierdame verschmilzt mit der Annina zu einer Figur, der Managerin der Violetta oder auch gesagt, zur Zuhälterin. Sie ist immer präsent, beobachtet die Szene, zieht ihre Schlüsse, greift ins Geschehen ein und sackt ein – das Geld, das zunächst mal in einer Schatulle unter einem Sessel gestored wird. Leandra Overmann füllt diese Rolle großformatig mit mächtigem Mezzo. Wie sich die Höhenlage ihrer Stimme darstellt,

 

kann aus der Flora und dem einen Schlusston der eigentlich der Rolle des Alfredo zugehörigen Cabaletta im zweiten Akt nicht unbedingt abgeleitet werden. Die Bühnenpräsenz von Frau Over-mann dokumentiert sich in einem überzeugend natürlichen Spiel, steht dem der Ina Kanschewa nicht nach, sondern die beiden Frauenfiguren ergänzen sich zu einer Einheit, die sich auch aus der rollenbezogenen, beruflichen Tätigkeit der beiden ergibt.
Ebenso nahezu permanent anwesend und als Gegenpol zur Annina Flora ist Vater Germont, im Versuch den Sohn der, seiner Ansicht nach, Halbwelt zu entreißen. Ein distinguierter älterer Herr, mit Geld genug, den Sohn zur Not auch freizukaufen. Andreas Förster wird aber auch handgreiflich, wenn es gilt die Familienehre zu retten, denn wer, auch in der heutigen Zeit, hat gerne eine Nutte als Freundin des Sohnes im unmittelbaren Familienumfeld. Selber nicht zimperlich greift auch er zur Gewalt und damit nach Violetta, was er in der Schlussszene nach Libretto bedauert. Dazu gehört viel gestalterische Überzeugungskraft, aus einem Vergewaltiger einen reuigen Macho zu machen. Andreas Förster ist dieser Macho-Vater. Stimmlich ist in seinem kraftvollen Charakterbariton ein Altersvibrato zu hören, dass er aber im zweiten Teil der Arie 'Hat dein heimatliches Land ...'  in den Griff bekommt und die Stimme wieder perfekt geführt den Edelsound entfalten kann, der die Zuhörer schon seit langem immer wieder berückt.
Neben ihm Wilhelm Hartmann als Alfredo. Ein ehemaliger lyrischer Bariton, der sich in wenigen Jahren zu einem stattlichen Tenor entwickelt hat. Der Pelléas hat ihm sicher geholfen, über die Partie, für einen hohen Bariton konzipiert, den italienischen Tenor zu erarbeiten. Wilhelm Hartmanns  Stimme hat als Basis den baritonalen Klang behalten, der hinzukommende Glanz, bruchlos bis in die hohen Lage geführt und Italianita geben der Stimme das für die Verdi Partien notwendige Kolorit. In der Darstellung des Alfred wird vom Regisseur auf der einen Seite ein kräftig pubertierender Jüngling, auf der anderen Seite eine sich am Vater oder Violetta klammernde Heulsuse vorgege-ben, die sich allerdings  merk-würdigerweise schnell immer wieder fängt. Hier werden durch diese Wechsel Brüche in der Gestaltung der Figur offenkundig, die Frage aufwerfend, was hat der Mann nun für einen Charakter? So ist es aber auch kein Wunder, dass Violetta mit beiden, Vater wie Sohn, am Schluss ’Schlitten fährt’ und sie verdutzt sitzen lässt. Eindrucksvoll die Stimmgewalt und Präzision des Chores. Die Einstudierung durch Johannes Mikkelsen zeigt immer wieder, wie gerade er auf das Wachsein des Chores achtet und so ein Verschleppen von Einsätzen und somit ’Klappern’ in den Auf-führungen vermeidet.
Die Nebenrollen sind durch-geformt, die Regieeinfälle ermög-lichen sinnvolle Aktionen auf der Bühne, die bis auf wenige Ausnahmen, opernhafte Herum-stehklischees vermeiden. Ob ein Counter unbedingt die Rolle des Marquis von Obigny übernehmen muss, oder ein ungehängtes Penismonstrum, mit dem realiter kaum jemand etwas anfangen, geschweige denn eine Frau beglücken kann, die Lage klärt, bleibt offen.
In toto ein schlüssiges Konzept, das seinen Höhepunkt im Schluss des Werkes findet.
Violetta und Flora mimen das Elend der zu behandelnden Schwindsüchtigen vor laufender Kamera, Violetta vertanzt das von der Straße in den Raum dringende Karnevalsgetöse und
mit dem "Gewiss, ich werde leben. o Wonne" erhebt sie sich aus dem Rollstuhl, greift nach dem ihr von Flora hingehaltenen Koffer und reist ab, in ein neues Leben.
Der Abend findet seine Bestätigung in der musikalischen Leitung von Enrique Mazzola. Selten, dass ein Dirigent so einfühlsam auf das Bühnen-geschehen und damit auf die Sänger eingeht, Einsätze gibt, das Orchester zurücknimmt, dass die so eindrucksvollen Pianissimi der Ina Kanchewa gebührend zur Geltung kommen können.
Das Publikum im ausverkauften Haus der Nds. Staatsoper war beglückt.
Mit solch überzeugenden Produk-tionen findet die Bevölkerung auch  zurück ins Theater.
(Dieter Hansing)

     
   
     
     
     
   

'Im weißen Rössl'

   

Theater Regensburg 17.10.03

"Zu Roß !
Daß ich dich rette
!"
   
     

...das gälte besonders auch für das Musiktheater in Regens-burg, um es zu retten.
Wenn dieses Ross nur nicht so lahmte. Wolfgang Dosch, ein ehemaliger Buffo als Regisseur müsste doch wissen wie es geht. Tempo, dem Stück entsprechend und zumal noch als Musical aufgezogen, hatte fast nur der Ablauf der in-szenierten Applausordnung.
Und dennoch: 
'Rösselwirtin' Katharina Leitgeb - als holde Maid, jauchzend kommt sie daher, singt und spielt sich in Operettenseeligkeit.
Nebenbei ist  sie im Theater Regensburg auch noch 'Mimi' oder 'Musetta', die 'Carlos-Elisabeth'. Crossover wird das genannt. Jeder ist jetzt alles. Der seriöse Bass 'Sarastro' und 'Großinquisitor' hüpft dann als 'Sigismund' herum und 'Don Carlos', 'Tamino' und 'Rodolfo' ist auch der 'Leopold' und Mi-chael Suttner singt ihn wie er strahlt. Elvira Soukop, die 'Ottilie' singt schön wie sie ist. Ilona Vöckel als 'Klärchen', Soubrette wie sie sein soll. Christiana Knaus-Waldmann, wieder im Solo, als 'Holdrio-Kathi'. Stefan Rüh, der Piccolo, ein Grasaff wie er im Buche steht. Victor Schiering, mit der merkwürdigen Technik, die auch so klingt, als 'Dr. Siedler'. Derb der 'Jiesecke' von Thomas Beyer "... doch da müssen Sie mal Ahlbeck sehn!"
'Der Kaiser' von Berthold Gronwald - ohne die erwarte-ten Extempores. Die kommen hoffentlich als Würze, wenn der Regisseur abgereist ist. Es fehlt einfach etwas, wenn Herr Gronwald nur im vorgegebenen Text bleibt.
Heinz Müller, ausgeborgt vom Schauspiel, der schüchterne, aber Schmetterlinge mordende 'Dr. Hinzelmann'. 'Sigsimund' ist Brent Damkier, später eben
alternierend mit Michael Doumas, dem 'Sarastro'.
Die Bühne beim Rössl wie auf dem Oktoberfest. Wären nicht Chor und Ballett, diese Schieß-bude belebend.

 

Und ganz außergewöhnlich: Was muss da für eine Stimmung aus dem Graben auf die Bühne kom-men, sieht man Georgios Vranos lachend dirigieren.
Was sagt der Zuschauer zu dieser 'Vielfalt' bei der Besetzung der Rollen?
Theatermacher in Utzbach?
Oder soll des Publikums Leidens-fähigkeit ausgetestet werden?
Den Sängern, die wollen alles ma-chen, schadet es, wenn ein guter Intendant ihnen nicht bremsend gegenübertritt. Aber hier wir noch Vorschub geleistet. Jeder wird für alles verbraucht.
Wenn der Zuschauer Glück und der Sänger Pech hat, wird auch noch der Italienische oder Kavalier-Bariton als Wurzen 'Kaiser Franz Joseph' über die Bühne schlurfen.
Kann das Niveau im Musiktheater Regensburg noch tiefer abgesenkt werden?
Wenn kein Geld da ist, müsste der Spielplan eben eingeschränkt wer-den. Und wenn die Stücke dann gut gemacht sind, strömt auch das Publikum.
Was nutzt es, den Ehrgeiz zu ha-ben, große Oper und klassische Operette machen zu wollen, wenn die Partien aus eigenem Ensemble  nicht mehr fachgerecht besetzt werden können. Stückverträge sind die Konsequenz.
Hier ist wirklich die Stadt gefor-dert. Ein Haus, nur mal so mit mi- nimalen Mitteln bespielt, schadet ihr selbst schon kurzfristig.
In der Vor-Ernö-Weil-Zeit ging mit eigenen Kräften z.B. 'Othello', 'Peter Grimes', 'Hoffmann', ging 'Onegin', ging sogar 'Tannhäuser' mit einem Gast, 'Tiefland' dann mit zwei Gästen - das musste schon nicht sein. Und was sollten die 'Hugenotten' - nochmal, weil der GMD sie in FRA nachdirigieren durfte? Oder 'Loreley' - Kulturauftrag hin - Kulturauftrag her.
Das 'Rössl' muss im Velodrom gespielt werden, weil man von al-len Sitzen etwas sehen kann, im renovierten Theater am Bismarck-platz können laut Intendant nur 450 Besucher am Spiel teilhaben. Bei offiziell 538 Plätzen !!!
(Dieter Hansing)

     
   
     
     
     
Staatstheater Nürnberg startet mit drei Premieren 

Gleich mit drei Premieren hat am Wochenende das bisherige Theater Nürnberg seine neue Staatstheater-Ära begründet. Den Abschluss des Premieren- ereignis bildete am Sonntag die Oper «Don Giovanni». Das Schauspiel war bereits an den beiden Vortagen mit Bertolt Brechts «Mutter Courage und ihre Kinder» in der Inszenierung von Georg Schmiedleitner sowie dem Klamauk-Stück «Shake-speares sämtliche Werke - leicht gekürzt» in die Saison gestartet.
Der scheidende bayerische Kunstminister Hans Zehetmair (CSU) hatte das Drei-Spartenhaus Ende September in den Rang eines Staatstheaters erhoben. Bayern will sich bis zum Jahr 2008 zur Hälfte an der Finanzierung der Bühne beteiligen; bisher liegt der Anteil bei 28 Prozent. Nürnberg hat damit das erste Staatstheater in Bayern außerhalb der Landeshaupt-stadt München.
Die von der Dresdner Oper übernommene «Don Giovanni»-Inszenierung wurde vom Premieren-Publikum mit lang anhaltendem Beifall gefeiert. Willy Deckers rundum stimmige Inszenierung des Dramas um den «heldenhaften Schurken» Don Giovanni riss die Zuschauer immer wieder zu Szenen-Applaus hin. Vor der Kulisse einer überdimensionalen Seite aus Don Giovannis Notiz-Buch mit Aufzeichnungen seiner Frauen-Eroberungen begeisterte vor allem die künstlerische Leistung von Jouni Kokora in der Rolle von Don Giovannis Diener «Leporello».
Ursprünglich hatte Schauspiel-direktor Klaus Kusenberg den «Don Giovanni» selbst inszenie-ren wollen, war daran aber gescheitert. Die Probetage hätten nicht gereicht, hatte das Staatstheater damals den Abbruch begründet. Statt der Premiere bekam das Nürnberger Opern-Publikum daraufhin nur eine halbszenische Aufführung geboten. Schließlich entschloss sich die Theaterleitung dazu, Deckers Dresdner Inszenierung zu übernehmen.
Seit 18. Oktober wird im Schauspielhaus als deutsch-sprachige Erstaufführung «Das Mädchen auf dem Sofa» des norwegischen Dramatikers Jon Fosse gespielt. Die erste «echte» Opernpremiere der ersten Staatstheater-Saison ist «Jenufa» von Leos Janácek am 25. Oktober.

 

 

Das Ballett schließlich zeigt am 8. November unter dem Titel «Zooming 2» neue Choreografin der Nürnberger Ballettdirektorin Daniela Kurz.


Luc Percefal
wird Hausregisseur
an Berliner Schaubühne

Der belgische Theaterregisseur Luk Perceval («Schlachten!») wird neuer Hausregisseur der Berliner Schaubühne.
Perceval komme nach dem Ende seines Vertrages mit dem Ensem-ble «Het Toneelhuis» in Antwerpen im August 2005 nach Berlin, teilte die Schaubühne mit.
Im deutschsprachigen Raum wurde der 1957 in Lommel geborene Regisseur vor allem durch seine Inszenierung «Schlachten!» nach den Königsdramen von Shakes-peare bekannt. Die zwölfstündige Produktion war 2000 zur «Insze-nierung des Jahres» gewählt wor-den.  
Percevals Theater sei «politisch in seiner unverbesserlichen Hoffnung auf die Katharsis des Zuschauers», erklärte die Schaubühne. «Seine Regiearbeiten stehen für ein zeitgenössisches Theater, das nicht selten Kritik und Publikum gleichermaßen polarisiert.» Nach «Schlachten!» inszenierte Perceval unter anderem Tschechows «Der Kirschgarten» in Hannover, Jon Fosses «Traum im Herbst» an den Münchner Kammerspielen und «Das kalte Kind» von Marius von Mayenburg an der Schaubühne.  

Ioan Holender bleibt Direktor der Wiener Staatsoper bis 2010

Der Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan Holender, soll bis 2010 im Amt bleiben. «Holender hat die Wiener Staatsoper auf hohem künstlerischen Niveau ins 21. Jahrhundert geführt», erklärte Kunststaatssekretär Franz Morak. «Es ist also nur logisch, dass Ioan Holender diese in Österreich und international anerkannte Arbeit für die Staatsoper und ihre Künstlerinnen und Künstler fortsetzt».
Die frühzeitig vorgenommene Verlängerung des bestehenden Vertrages über 2007 hinaus solle dem Haus Planungssicherheit garantieren.  
Der Staatsopern-Direktor leitet das Haus seit 1992 wirtschaftlich erfolgreich und hat auch die Entlassung der ehemals in Bundesverwaltung stehenden Bühne in die Selbstständigkeit finanziell positiv bewältigt. Seine künstlerischen Entscheidungen bringen den 68-jährigen Direktor jedoch häufig in die Schusslinie der Medien. So wird ihm beispielsweise vorgeworfen, ein «Opernmuseum» zu verwalten.  

     
   
     
     
     
    Hamlet
Theater Regensburg 10.10.03
     
"[...] der eine schläft,
der andre wacht [...]"

(Hamlet, 3. Akt, 2. Szene)
   
     


Wer die 'Stimmlage' in der Oper Regensburg "... so ganz im Allgemeinen ... " kennt, müsste mit Bleiziffers Schauspiel sympathisieren. Sein 'Galileo' gelungen, die 'Lysistrata' ging an seinem Können vorbei und Hamlet ?
"...du bist mein Weib, und zuvor warst du das Weib meines Bruders."
Den Text leitet Oscar Wilde für seine 'Salome' aus dem Evangelium des Markus, Kapitel 6, Vers 18 mit "Es ist dir nicht erlaubt, deines Bruders Frau zu haben" ab.
Regisseur Michael Bleiziffer leitet nichts ab, denn wie er im Einführungsgespräch am 21.9., betonte, habe er Hamlet noch nie auf der Bühne gesehen.
War das Koketterie oder wollte er verdeutlichen, dass seine Sicht auf das Stück und die handelnden Personen neu, unbelastet sein werde ?
Für ihn sei nach Faust II der Hamlet wie ein Wintermärchen, was zu inszenieren besonders die Phantasie und das Handwerk herausfordere. Er habe sich vorgenommen, dem Publikum eine ganz klare Geschichte zu erzählen. Jetzt habe er im Hamlet ein Stück, das irgendwo anfange und irgendwo aufhöre, bei dem aber die Komplexität und Rätselhaftigkeit des Stoffes sowie die Charakterstudien der Rollen den Darstellern sehr viel seelischen Einsatz abverlangten.
Wie er, haben sich jeder Leser und Zuschauer des Hamlet, seine Gedanken gemacht, "was will uns der Dichter mit dem Stück sagen" und was entnehmen wir heute ihm zu unserem Vor- oder Nachteil.
Immerhin hat einer der großen Shakespeare-Forscher, John Dover Wilson, noch 1935 die überaus interessante Frage gestellt: "What happens in Hamlet".

Von Überschwang bis zur ironischen Kritik spannt sich der Bogen der Eindrücke illustrer Dichter und Denker beim Hamlet. Meint Bräker: [...] Hamlet, du König unter allen Spielen, du Kern aller Werke, das je ein Dichter von der Art machen konnte [...] Zierde aller Bühnen [...]" (Ulrich Bräker / 1735-1798 / Etwas über William Shakespeares Schauspiele, Basel, 1942) so hält dem Benedix entgegen: "[...] Compositionsfehler sind vor allem eine Reihe ungemein überflüssiger Episoden, die auf die eigentliche Handlung nicht den geringsten Einfluß, ja beinahe keinen Zusammenhang mit ihr haben, und die man, wie mir scheint, unbedingt als Fehler bezeichnen muß. [...]" (Roderich Benedix / 1811-1873 / Die Shakesperaeomanie. Zur Abwehr. Stuttgart 1873)

So werden eine Vielzahl von Interpretations- und Inszenierungsmöglichkeiten der eigentlichen Story z.B. im Sinne eines Kriminalstückes zugelassen: Ermordung des Vaters, Übernahme der Witwe des Gemordeten durch den Bruder, Aneignung der Macht und damit des Geldes, Rachegelüste des Sohnes, Zweifel desselben, ob die zugetragenen Informationen über den Mord richtig sind, Kaschierung der eigenen Persönlichkeit, Auflösung der Problematik durch Zufälligkeiten wie Verwechslung der Waffen, Trinken der falschen Person aus einem Giftbecher.

Schwerpunkte lassen sich setzen durch Gestaltung der Figuren und Hervorhebungen im Text.
Bertold Brecht sieht diese in der politischen Färbung. Von Krieg sei die Rede, Norwegen gegen Dänemark, Norwegen gegen Polen und in der Textentsprechung "Etwas ist faul im Staate Dänemark" sieht er die Verrottung des Gemeinwesens und die Herrschenden als moralisch verkommen, da sie durch Taktieren und Verstellung dem Thronräuber dienlich sind.

Der Zuschauer erwartet konsequente psychologische Durchformung der Figuren, speziell der Hauptrollen:

Claudius aktiv, durchtrieben, bemächtigt sich des Throns, vor Mord am Bruder nicht zurückschreckend und nach der Frau des Bruders greifend. Peter Heeg, ein Macher, erreicht für die Rolle das Ziel, spielt den eckigen Herrscher über ein zerrüttetes System, das auf Intrigen aufgebaut ist. Spät erst kommen bei ihm leise Töne - eigentlich erst im Gespräch mit Laertes - die Tücke in der Figur verdeutlichend, die aufkeimende Erkenntnis des Durchschautseins beim Spiel im Spiel ist schwach ausgeprägt und nur ein abrupter Reflex am Ende der Szene. Kaum eine Reaktion beim Zweikampf bis auf ein amüsiertes Lachen vor dem überraschenden Streich gegen ihn selber.

Gertrud, möglicherweise durchdrungen von der Erhaltung ihrer eigenen Macht durch schnelle Verheiratung mit Schwager Claudius, weniger dominante als laute Mutter die Verminderung der Entwicklungsfähigkeit des Sohnes Hamlet aber kaum beeinflussend.
Beim Spiel der Ermordung von Hamlet eins im Spiel auf der Bühne reagiert Ulrike Lodwig kaum irritiert und nicht als eine Mitwisserin oder gar Schuldige. Die Figur ist durch Frau Lodwig eine schwache und leicht beeinflussbare, sie macht schnell das, was man ihr einredet oder von ihr verlangt.
Der einzige Vorwurf, der Figur zu machen, ist die schnelle Wiederverheiratung mit dem Schwager. Das Gespräch mit Hamlet ist durch die Regie verknappt, kaum wird diese Entscheidung der Eheschließung mit dem Mörder des eigenen Mannes als falsch und Hamlets Wunsch, sie möge nicht länger mehr das Bett mit Claudius teilen, deutlich.

Polonius, Oberkämmerer in Claudius Diensten, gestaltet das Spiel auf subversive Weise oder sind es Zufälle und er ist nur ein alternder, schwächelnder Mitläufer ? Christian Ballhaus spielt einen  trottelhaften, überservilen Atlatus, der jede Situation, in die er gerät, meistern möchte.

"[...] In der Rolle des Polonius ist zwar ein herkömmliches Spiel gebräuchlich, aber doch setzt sie die meisten Darsteller in Verlegenheit und es gelingt nur selten, die scheinbaren Widersprüche harmonisch aufzulösen.
"[...] die meisten Darsteller nehmen ihn als einen schlauen alten Mann, dessen Schwäche es ist, klüger zu thun, als er sich in Wahrheit fühlt, und der eben dadurch die Zielscheibe des witzigeren Hamlet wird: oft grenzt sein Betragen an Blödsinn; das recht Verständige, was er sagt, ist mehr wie ein auswendig gelerntes Pensum, als dass es auf dem Gemüthe kommen sollte. [...] Ich sehe im Polonius einen wahren Staatsmann, der klug, politisch, einsichtig, mit Rath bereit, nach Gelegenheit schlau, dem verstorbnen König wichtig war, und dem neuen Herrscher für jetzt unentbehrlich ist. [...]"
"[...] Die Ursache von Hamlet's Wahnsinn ist die Liebe zur Tochter des Ministers, dem Vertrauten des Königs. Der Vater muß doch irgend einmal diese Liebe geduldet, vielleicht gebilligt, wol gar befördert haben; dies ist dem König verschwiegen worden, bis es sich nicht mehr verbergen lässt. [...]"
"[...] Polonius, allzu geschäftig, weil er sich nicht schuldlos weiß und seine Unschuld eben deshalb mit Gewalt darstellen will, schlägt eine Zusammenkunft der Tochter mit dem Prinzen vor, die er und der König dann belauschen wollen. [...]"
"[...] Der Vater fühlt nicht, was Hamlet sagen will, und sieht immer nur den Wahnsinn der Liebe. Es ist weit mit ihm gekommen, sehr weit! sagt er zu sich selbst, - und wahrlich, meiner Jugend brachte mich die Liebe auch in große Drangsale, fast so schlimm wie ihn. [...]"
"[...] Mir hat es immer weh getan, wenn ein Schauspieler die so Worte so sagte, dass sie nur Gelächter erregten. [...]"
"[...] Um es dem Könige nur recht zu machen, um den Prinzen nicht aus den Augen zu lassen, erniedrigt sich der alten Staatsmann immer mehr zum Botenläufer, damit nur kein Zweifel obwalte, zu welcher Partei er gehöre. Er meldet die Schauspieler und lässt sich wieder von Hamlet verspotten. So eilt er, den Prinzen und seine Tochter zusammen zu bringen, so schlägt er vor, dass die Muter nach dem Schauspiele den Sohn scharf befragen soll, indeß er sich in das Gehör der Unterredung stellen will; und so rennt er, überdiensteifrig, verblendet, von einem nicht reinen Gewissen aller Haltung beraubt, auf ähnliche Art, wie Rosenkranz und Güldenstern, in sein Verderben. [...]" (Ludwig Tieck / 1773 - 1853 / Dramaturgische Blätter - Kritische Schriften, Leipzig, 1852)

Laertes durch Arthur Werner, ein kraftvoller Gegenspieler der Titelfigur.  Durch seine Darstellung wird deutlich, wie er trotzdem in seinem Wesen beeinflussbar ist, zunächst durch den Vater vor der Reise nach Frankreich und stark genug, um seinerseits Ratschläge an Ophelia zu geben. Regelrecht ins Hysterische aufgestachelt nach der Ermordung des Vaters durch Hamlet und den Tod der Schwester beeindruckt Herr Werner  in der von Jaques Malan grandios choreographierten Fechtszene durch Exaktheit und einer schwereren Eleganz als der des leichtfüßigeren Hamlet.

Ophelia, an sich eine Rolle im Schema der Sentimentalen, naiv, einfach. Danielle Clamer spielt eine muntere Naive in ihrem Ausgegrenztsein in die Welt der Frauen, kaum in der Lage eigene Gedanken und Entscheidungen aufzubauen, hier abhängig vom Vater und vom Bruder, auf die Erweckung durch den eigenen Mann wartend und blockiert durch ihren Empfindungsreichtum im Denken und damit Hamlets Verhalten nicht verstehend, an sich selber im Selbstmord scheiternd.

Hamlet, Melancholiker, immer wieder Zaudernder, Zögernder, beeinflusst durch die Kraft der Mutter Gertrud. Michael Haake stattet die Figur mit großer Leichtigkeit aus, kann die Unsicherheit, die  Entscheidungsfindung, Wahnsinn vorzugaukeln, um andere zu täuschen und Geheimnisse zu hinterfragen, besonders durch teilweise wenig präzises Sprechen aufzeigen.

"[...] Und da der Geist verschwunden ist, wen sehen wir vor uns stehen? Einen jungen Helden, der nach Rache schnaubt? Einen gebornen Fürsten, der sich glücklich fühlt, gegen den Ursurpator seiner Krone aufgefordert zu werden?
Nein! Staunen und Trübsinn überfällt den Einsamen; er wird bitter gegen die lächelnden Bösewichter, schwört, den Abgeschiedenen nicht zu vergessen, und schließt mit den bedeutenden Seufzer: Die Zeit ist aus dem Gelenke; wehe mit, dass ich geboren ward, sie wieder einzurichten. [...]" (Johann Wolfgang von Goethe / 1749 - 1832 / Wilhelm Meisters Lehrjahre, Leipzig, Festausgabe 1926)

Hamlet "[...] ist ein Geist von hoher Bildung, ein Prinz von königlichen Sitten, mit dem feinsten Sinn für Schicklichkeit begabt, edeln Ehrgeizes empfänglich, der Begeisterung für fremde Vortrefflichkeit, die ihm fehlt, in hohem Grade offen. [...]" (August Wilhelm Schlegel / 1767-1845 / Kritische Schriften und Briefe, Stuttgart, 1967)

Dass in der Zeit der Romantik die Zuschauer vom Werk beeinflusst wurden und nach der Lektüre von Goethes ‚Wilhelm Meister' die Selbstmordrate stieg, bestätigt auch Friedrich Schlegel, als er seinem Bruder mitteilt: "[...] Unter Umständen könnte dieß Gedicht augenblicklichen Selbstmord veranlassen, bei einer Seele von dem zartesten moralischen Gefühl. Ich weiß noch was es auch mich wirkte als ich vor anderthalb Jahren es in der erbärmlichsten Vorstellung sahe. Ich war mehrere Tage außer mir. [...]" (Friedrich Schlegel / 1772 - 1829 / Briefe an seinen Bruder August Wilhelm, Berlin, 1890)

"[...] Hamlet ist ein Feiertagsmensch, ganz unverträglich mit dieser Werkeltagserde. Er verspottet das eitle Treiben der Menschen, und diese tadeln seinen eitlen Müßiggang. Ein Nachtwächter, beobachtet und verkündet er die zeit, wenn andere schlafen und nicht von ihr wissen wollen, und schläft, während andere wachen und geschäftig sind. Wie ein Fichtianer denkt er nichts, als ich bin ich, und tut nichts, als sein Ich setzen. Er lebt in Worten und führt als Historiograph seines Lebens ein Schreibbuch in der Tasche . Ganz Empfindung, verbrennt ihn das Herz, das ihn erwärmen sollte. Er kennt die Menschheit, die Menschen sind ihm fremd. Er ist zu sehr Philosoph, um zu lieben und zu hassen. [...]"
"[...] Hamlet ist ein Todesphilosoph, ein Nachtgelehrter. Sind die Nächte dunkel, steht er unentschlossen, unbeweglich da; sind sie hell, ist es immer nur einen Monduhr, die ihm den -Schatten der Stunde zeigt, er handelt ungelegen und geht irre im trügerischen Lichte. Das Leben ist ihm Grab, die Welt ein Kirchhof. Darum ist der Kirchhof seine Welt, da ist sein Reich, da ist er Herr. Wie liebenswürdig scheint er dort! Überall betrübt, da ist er heiter; überall dunkel, da ist er klar; überall verstört, da ist er ruhig.
(Ludwig Börne / 1786 - 1837 / Sämtliche Schriften, Düsseldorf, 1964)

Die Gestaltung der Charaktereigenschaften der Rollen war und ist geprägt vom jeweiligen Zeitgeist, nimmt man David Garrick hier als Vertreter des 18. Jahrhunderts als Beispiel: er wirft sich bei der Erscheinung des Geistes von Hamlets Vater "[...] plötzlich herum und stürzt in dem selben Augenblicke zwei bis drei Schritte mit zusammenbrechenden Knien zurück, sein Hut fällt auf die Erde, die beiden Arme, hauptsächlich der linke, sind fast ausgestreckt, die hand so hoch als der Kopf, der rechte Arm ist mehr gebogen und die Hand niedriger, die Finger stehen aus einander, und der Mund offen, so bleibt er in einem großen, aber anständigen Schritt, wie erstarrt stehen, unterstützt von seinen Freunden, die mit der Erscheinung bekannter sind, und fürchteten, er würde niederfallen; in seiner Miene ist das Entsetzen so ausgedrückt, dass mich, noch ehe er zu sprechen anfing, ein wiederholtes Grausen anwandelte. (Georg Christoph Lichtenberg, Briefe aus England, London, 1844)

Michael Bleiziffer gestaltet mit seiner Regie eine eigene Sicht auf das Stück. Sinnvolle Striche und eine schlüssige, einfallsreiche Choreographie beschleunigen den Ablauf der Handlung. Die Sprache ist heutig, fast ein wenig zu fetzig, nur den Schauspielern durch Renate Hünlich und Silvia van Spronsen wird ein gewisses Pathos zugestanden.

Ältlich die Idee der Kofferparade - Claudius mit Flight Kit, allerdings holt er kein Route Manual, sondern eine schöne Gewandung für seine Gertrud heraus - der psychisch Unbehausten und lästig das häufige Fauchen des Nebelwerfers als sei Fafner aus seinem Schlaf erwacht und daraufhin 'dämpfig Gedünst staut sich dort auf'.
 
Die Musikeinblendungen schaffen Atmosphäre, wobei die Beantwortung der Frage, warum die Verbalhornung des musikalischen Themas aus der Schubert'schen Unvollendeten mit 'Ida wo kommst du her, wo gehst du hin, wann kommst du wieder' ausgerechnet beim Erscheinen vom Geist von Hamlets Vater präsentiert werden muss, bleibt offen.

Die Bühne von Ingrid Erb und das Licht von Klaus Herbert Welz kommen der Inszenierung mit ihrem Tempo noch zusätzlich entgegen. War Frau Erb mit ihrem Bühnenbild an dem grandiosen Reinfall des 'Oberon' zur Eröffnung des renovierten Hauses am Bismarckplatz beteiligt, so gelingt es ihr hier durch die Nachbildung einer Art von Reichskanzlei oder Gibichungenhalle auf der Drehbühne schnelle Wechsel und interessante Einblicke in die so sich immer wieder neu schaffenden einzelnen Räume. Zwangsläufig resultiert aus den fast schon abrupten optischen Veränderungen eine Atemlosigkeit, die dem Zuschauer ein Besinnen verwehrt, dadurch eine gewisse Langweile aufkommt, da er schnell genug nicht folgen kann. Aber besser so, als die unsäglichen Löcher zwischen den Szenen wie jetzt wieder beim 'Don Carlos' oder früher bei 'Mahagonny'.
Die Kostüme von Frau Erb in ihren Andeutungen zeitlos und für fast jedes Stück gültig.

Der Beifall zur Pause als eine etwas ratlose Reaktion zu werten, am Schluss herzlich, zeigte alle Mitwirkenden wie Michael Heuberger als Horatio, Peter Papakostidis als Rosenkranz, Oliver Severin als Güldenstern, Valentin Stroh und Zbigniew Cieslar auch als Totengräber und alle Statisten, gestaltet bis hin in die geschlossene Applausordnung.

   
     
     
     
     
La Traviata an der Niedersächsischen Staatsoper Hannover    

Der Beifall weitete sich zur fast schon befreiend wirkenden standing ovation, die diesmal sogar das Regieteam einschloss. Nicht ganz ohne Gegenwind, aber diese Mischung am Ende der La Traviata-Premiere nahm den heftig angefeindeten Katalanen Calixto Bieito bei seiner dritten Inszenierung in Hannover als Regisseur ernst - und nicht nur als personifizierten Vorwand für den wütenden Sprung aus dem Anzug bürgerlicher Contenance, weil Intendant Albrecht Puhlmann auch in seinem zweiten Jahr unverdrossen bei seinem Kurs in Richtung ambitionierte Gegenwärtigkeit der Oper bleibt.
Sicher schlagen die Abo-Kündigungen (4800 sind drastisch) und Einnahmeminderungen an der Abendkasse zu Buche, wenn kein Publikumsrenner gelingt (zu dem Bieitos Don Giovanni nach der Anfangsaufregung immerhin wurde), machen die Ein-Sparvorgaben, die sich jetzt für das Staatstheater auf zwei Millionen Euro pro Jahr belaufen, Abstriche etwa bei der Anzahl der Neuproduktionen unumgänglich und den Kampf um die Rückgewinnung des Publikums zur Daueraufgabe.
Aber schon, dass im Ergebnis der gerade überstandenen Verhandlungsrunde die leidigen Tariferhöhungen des öffentlichen Dienstes abgefangen und nicht an das Budget des Staatstheaters weitergereicht werden, ist ein Erfolg, der nicht mehr allgemein üblich ist. Was auch daran liegen mag, dass vergleichbare Häuser - wie die in Frankfurt, Köln oder Stuttgart - fünf bis zehn Millionen Euro mehr zur Verfügung haben. Auf die Dauer werden künstlerische Resultate und Publikumsakzeptanz an diesen Häusern gemessen werden. Aber man sollte nicht vergessen, dass heute erfolgreiche Häuser - das Paradebeispiel ist immer noch Stuttgart - auch einige Jahre für den durchschlagenden Erfolg gebraucht haben.
Diesmal jedenfalls gab es für Albrecht Puhlmann in Hannover einen erste kleine Rendite für Geduld und Konsequenz. Bieito ist mit Verdi und Traviata ganz bei sich und seinen Mitteln. Wer allerdings den vordergründigen Skandal erwartete, wurde enttäuscht. Er holt zwar die Melange von Sex und Geld ziemlich rabiat ins Hier und Heute, doch welches offenherzige Jeder mit Jedem (und Jede mit Jeder) schockiert schon noch, in Zeiten wo Lilo Wanders im Fernsehen Swingerclubs durchtesten lässt. Keine Spur von Tabubruch sondern Spiel mit dem medial existierenden Bildervorrat.
Bieitos drastischer Realismus, der kaum eine mögliche Verlängerung musikalischer Emotion in den körperlich motorischen Exzess auslässt, bietet nicht nur stöckelnde Kerle und strapsbewehrte Weiblichkeit inklusive Quicky zwischendurch und vorgeschnalltem Riesenphallus als Party-Gag, sondern auch große Emotion und große Oper.
Was Bieito hier jenseits aller optischen Opulenz im Ernst versucht, ist eine Verschiebung der moralischen Perspektiven beim Blick auf die Figuren. Bewegt sich das beim verliebten, verzweifelten, aufbegehrenden, dann am Boden zerstörten Alfredo noch im Bereich der Erwartungen, so bleibt vom Vater Germont (Trond Halstein Moe) nichts übrig, als ein Ausbund von eiskalter Doppelmoral mit Smoking und Fliege. Ohne die (ohnehin kaum nachvollziehbare) rehabilitierende Wende ins Moralische des einsichtigen Vaters. Der kommt nur zu Violetta zurück, weil er davon ausgeht, dass es eh bald ein Ende mit ihr hat, und für den Notfall hat er das Scheckheft dabei.
Doch auch Violetta und ihre Freundin und (ziemlich coole) Geschäftspartnerin Flora gehen nicht in der gewohnten, edlen Größe durch. In ihrer luftigen, durchgestylten Großraumsuite mit Privatclub-Ambiente (ein so offener wie praktikabler Einheitsraum von Ariana Isabell Unfried und Rifail Ajdarpasic) ist Sex ihr gemeinsames Geschäft. Und Violetta zählt nach Feierabend die Scheinchen in die Kassette unterm Sessel. Alfredo wird da mit seinem Sexappeal der Unschuld zu einer zeitweise irritierenden Störgröße. Freilich keine, die sie beim erzwungenen Scheitern des Beziehungsexperimentes vernichten könnte. Ihre Lebensplanung lässt, wenn sich's rechnet, sowohl den Ausstieg aus dem eigenen Geschäft als auch den Wiedereinstieg, wenn was schief geht, zu. Selbst eine mehr oder weniger freiwillige Standortverlagerung ist da kein Tabu. Flora jedenfalls hat die Flugtickets nach Rio bereits in der Tasche. Sie kann auch auf die Schecks von Germont senjor mit wegwerfender Geste verzichten.
Wenn dann Violetta und Flora ihre Todes-Krankheit nur für eine Videoaufnahme spielen und das Aufleuchten der Utopie eines anderen Lebens in ihrer Schlussarie zur Wahrheit eines starken Abgangs mit gepackten Koffern und triumphierenden Lachen wird, dann kollidiert das zwar mit der Erwartung eines tragisch schluchzenden Bühnentodes, aber zugleich entflieht die Oper mit der Schubkraft ihrer eigenen Utopie der Gefahr einer falschen Gefühligkeit.
Bieito hat dieser Oper eine neue, wiedererkennbare Wahrheit verpasst. Nach dem ersten Akt fand auch Enrique Mazzola zu einer dramatischen Geste, die gleichwohl sehr sängerfreundlich blieb. Auch wenn Natalia Ushakova erst allmählich einen gewissen Überdruck bändigen und Schärfen in der Höhe glätten konnte. Insbesondere die Rolle der Flora wurde durch Leandra Overmanns nie peinlich wirkende Bühnenpräsenz (und die Übernahme von Alfredos Stretta) deutlich aufgewertet. Will Hartmanns Alfredo bestand nicht nur stimmlich, sondern vor allem mit seiner exzessiv ausgespielten Emotionalität. Man darf wohl getrost davon ausgehen, dass diese Traviata, ohne den drohenden Druck der Publikumsdistanz, auch noch musikalisch reifen wird.

     
   
     
     
     
Debatte über
NS-Drama
in Erlangen
   
     

Nach einer öffentlichen Probe des umstrittenen Theaterstücks «Die Wölfe» aus der Feder des NS-Autors Hans Rehberg schließt Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) eine Absetzung des Stückes weiterhin nicht aus. Vor rund 120 Teilnehmern der Veranstaltung äußerte Balleis Verständnis für die öffentliche Kritik.  
Das Stück isoliert und ohne Kontext in den Spielplan aufzunehmen, sei «sehr gewagt» gewesen, kritisierte Balleis Versäumnisse der Theaterleitung. «Die kritische Distanz des Theaters muss vermittelt werden», forderte das Stadtoberhaupt. Wenn dies nicht gelinge, müsse eine Absetzung erwogen werden. Dies sei jedoch die «ultima ratio».  
Die geplante Aufführung des 1944 in Breslau uraufgeführten Stückes hatte bundesweit Diskussionen ausgelöst. Der Publizist und Holocaust- Überlebende Ralph Giordano hatte in einem Protestschreiben an die Stadt die Inszenierung als einen «Akt der Versöhnung mit den Tätern auf dem Rücken der Opfer» bezeichnet und die Absetzung gefordert.  
Nach der öffentlichen Probe stellten sich Intendantin Sabina Dhein und Regisseur Marc Pommerening der Kritik. Beide räumten ein, sie hätten mit einer öffentlichen Diskussion gerechnet. «Wir haben den Diskurs gewollt, aber nicht auf dieser Ebene», sagte Dhein. «Man hätte», so die Intendantin selbstkritisch, «im Spielplanheft auf die Brisanz des Stückes hinweisen müssen.»  
Regisseur Marc Pommerening, der dem Publikum unterschiedliche Lesarten vorstellte, sprach von einem «zwiespältigen Stück», das aber einmalig sei: «Der Autor ist mittendrin.» Pommerening betonte, es gehe ihm auch darum, zu zeigen, was in dieser Situation mit Sprache passiert. Der Regisseur sprach sich dafür aus, den Text für das Publikum, das eine Aufführung mehrheitlich befürwortete, allgemein zugänglich zu machen.  
Unterdessen verteidigte Erlangens Kulturreferent Dieter Rossmeissl in einem Antwortschreiben an Giordano die Aufführung des Stückes am 23. Oktober. Ohne Annäherung sei eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht möglich. «Dazu ist es aber nötig, auch zu ihren Hinterlassenschaften - seien sie architektonisch, politisch oder literarisch - nicht in sicherer Distanz zu bleiben», schrieb Rossmeissl.  
Nach Angaben des Kulturreferenten habe Giordano in einer weiteren Entgegnung deutlich gemacht, dass er die Argumentation der Stadt und des Theaters respektiere, sie aber weiterhin nicht teile. Am 8. Oktober wird sich der Kulturausschuss des Stadtrates mit der geplanten Aufführung des Stückes befassen.  

 

     
   
     
     
     
Verliert die
Deutsche Staatsoper unter den Linden
Daniel Barenboim ?
   
     
Die am vergangenen Dienstag vom Berliner Senat beschlossene Opernstiftung für eine gemeinsame Verwaltung der drei Hauptstadt-Häuser stößt vor allem bei der Staatsoper Unter den Linden auf Widerstand. Der Vorsitzende des Fördervereins für die Staatsoper, Peter Dussmann, befürchtet einen Weggang von Generalmusikdirektor Daniel Barenboim.
Dieser werde in der Stiftung nicht einmal Rederecht haben. «Weltstars können diese Situation nur als Aufforderung verstehen, doch besser zu gehen», sagte der Mäzen in Berlin. Zuvor hatte auch Staatsopern-Intendant Peter Mussbach die Stiftungspläne heftig kritisiert.
Dussmann drohte, wenn der Senat die Stiftung als Dach für alle drei Opernhäuser wie geplant durchsetze, werde er «keinen Cent» mehr für eine Berliner Oper spenden. In letzter Zeit habe er 1,2 Millionen Euro für die Staatsoper bereitgestellt. Unter einer Stiftung müsste die Lindenoper aber für die Verluste der anderen beiden Häuser aufkommen. Dussmann kritisierte auch die weit reichenden Befugnisse des künftigen Stiftungs-Direktors. Damit würden die Intendanten zu «Oberspielleitern degradiert». Auch der Kultursenator werde in der Stiftung über den Generaldirektor in die Opern hineinregieren können. «Mehr Staatsnähe geht nicht», kritisierte er.
Der Berliner Senat hatte am Dienstag die Opernstiftung beschlossen, um die gegenwärtig bei rund 115 Millionen Euro liegenden Kosten der drei Häuser zu senken. Das Gesetz sieht vor, Staatsoper, Deutsche Oper und Komische Oper bei künstlerischer Eigenständigkeit verwaltungsmäßig und technisch zusammenzufassen. Dazu ist auch ein Generaldirektor vorgesehen. Das Stiftungsgesetz soll am 1. Januar 2004 in Kraft treten.
Staatsopern-Intendant Peter Mussbach befürchtet, dass alle drei Opern durch die geplante Stiftung ihr Profil verlieren könnten und zudem der Politik direkter unterstellt seien. Er warnte vor einem «Schlachtfeld um Kompetenzen und Geld».
     
   
     
     
 
     
    Eröffnungspremiere im
Theater Regensburg
Don Carlos 26.9.03
     
Ich kenne Eure Macht ....
Ihr kennt die meine nicht !
   
     
     

Das Stück hieß Eboli und Posa - der Abend gehörte Carola Guber und Adam Kruzel.
Beide mit Abstand rollendeckend. Carola Guber vom leichten - eben noch 'Rosina' - sich weiter entwickelnden Mezzo - warm strömende Stimme, ohne Drü-cker, ohne zu übergähnen, si-cher die hohe Lage, die Spitzen-töne abgedeckt, perfekter Regi-sterausgleich, im  Spiel überzeu-gend, die verschmähte Liebende.
Und das war Adam Kruzels Abend. Dieses betörend männli-che Timbre, ideal für den italie-nischen Bariton, an Ettore Basti-anini erinnernd, die Stimme satt in allen Lagen - viel hat er den Regensburgern schon geboten, aber das war das highlight. Der hehre Malteserritter, stark in allen Szenen, besonders im Ge-spräch mit Philipp. Das Publikum
lauschte atemlos.
Neben  den Beiden hatte es Jo-hann Smari Saevarsson schwer, einen Herrscher der Welt darzu-stellen. Zu erkennen, dass er stimmlich erfreulich gewach-sen ist - hat er in den Ferien viel russische Bässe gehört? - trotz Jugend schon ganz profunde Tiefe - es fehlt halt noch an szenischer Ausstrahlung für einen König Philipp, in dessen Reich die Sonne nie untergeht. 
Bei Michael Doumas ist die Höhe im Leben des 90-jährigen Großinquisitors offensichtlich verloren gegangen und in das bekannte Rufen der Töne gewechselt, wobei eben diese aus dem Körperklang, der Deckung herausrutschen. Die Mittellage, die Tiefe akzeptabel und so war es auch aufschlussreich, seinen Sarastro beim Begrüßungsskonzert zu vernehmen. Hört die Prinzipalin das nicht? Da  hat der Intendant eine - wie die MZ sie nannte - arrivierte Sängerin an der Seite und der Intendant engagiert den für Regensburg, der ohne ausreichend Stimme auch noch Gesangsunterricht erteilt.
Faszinierend wie bei dramatisch gewordenen Lyrischen sich das Vibrato auf die Kinnlade über-trägt. Bei Gail Sullivan ist das leider auch so zu bemerken.
Aber sie schafft schöne Dimi-nuendi und Crescendi, sehr schön die Romanze Verabschie-dung der Gräfin von Aremberg, gelegentlich zeigt sie als Elisabeth unnötig forte. Doch sie verfügt über ein schönes Timbre, die Töne nicht scharf, schön unterm Hut - für Regensburg ist sie ein Gewinn.
Nicht nachvollziehbar sind als Regieeinfall die Rangeleien auf dem Fußboden, wenn es auch nur eine Spur von amour gibt. Egal wer, runter auf den Boden, ist die Devise des Regisseurs.

  Klar ist jetzt auch, dass der regie-führende Intendant ganz offensichtlich Umbaupausen liebt, schon bei Mahagonny war das zu beobachten. Das Publikum hat Zeit, hier beim Carlos, bei geschlossenem Vorhang, nachzudenken, während die Spannung nachlässt. Die Sänger sind gezwungen, währenddessen sich durch Übungen warm zu halten. Hauptsache, Dorin Kroll kann ihre technisch diffizilen Büh-nenbilder umbauen, wobei sich die Wirkung des Plafonds im Laufe des Abends verschleißt.
Ihre Kostüme zeitlos, ohne großen Bezug zum Stück - die Adjustie-rung des Großinquisitors allerdings macht die Rolle zur Witzfigur - die Reaktion des Publikums war ein-deutig. Warum lässt man ihn auf Koturnen gehen, gerade klein-wüchsige Menschen sind gefähr-lich !
Der Chor unter Direktor Meh-lings Leitung, auffallend vollstim-mig, szenisch allerdings bedenklich z.B. das Fächern im Takt beim Schleierlied und beim Autodafé planloses Wimmeln, mit Hütchen auf dem Kopf, gemäß Ascot: 'wo laufen sie denn', hier Ketzern hinterherschauend.
Zum Sänger der Titelfigur wagt man kaum etwas zu sagen. Er kommt über die Runden, aber es tut weh, wie er sich bei schönem Timbre und guter Bühnenpräsenz plagen muss. Juuso Hemminki hat in den Ferien offensichtlich geübt, aber es reicht nicht und wie soll es weitergehen. Jetzt wartet schon der Rodolfo zusätzlich wieder auf ihn. Bezeichnend wie das Kehlige in der Stimmgebung bei ihm verschwindet, singt er mit Adam Kruzel die Posa-Carlos-Szenen.
Gutes Vorbild erzieht zum Guten.

Auch die kleineren Rollen ohne Ausfälle besetzt: Der Mönch von Mikhail Kuldyaev, die Stimme vom Himmel durch Mi Soon Jang, der Herold von Victor Schiering, Graf Lerma von Brent L. Damkier und Tebaldo von Ilonka Vöckel.

Die neu gewonnene Übertite-lungsanlage - Genickstarre ist auf den teuren Plätzen in den ersten Reihen des Parketts angesagt - schwieg  häufig bei wichtigen Stellen wie z.B. "[...] die Tat der ich euch zieh, ich selber hab sie begangen.[...]"
Nun ja, allein was tut's.

Alles zusammengefasst:
Don Carlos in der 'Regensburger Fassung' - musikalisch aufschlussreich - häufig unsensibel grob und z.B. laut beim Schleierlied durch Guido Johannes Rumstadt - und wenn der Zuschauer sich seinen Teil denkt: 'interessant', was so im Kopf eines Regisseurs in Bezug auf die Szene vor sich geht.

In jedem Fall die Empfehlung: Hingehen, ansehen, anhören - eigene Meinung bilden.
     
   
     
     
     
    21.9.03
Eröffnung der Spielzeit
im Theater Regensburg

 
Begrüßungskonzert    
     

Weiter so!
Und wenn das beherzigt und die Stimmung so über die Spielzeit weitergetragen wird, dann bleibt Applaus nicht aus.
Wir wollen es aber nicht beru-fen.
Das Theater Regensburg bot einen Gang durch durchs Re-pertoire. Musiktheater mit Oper und Operette, Schauspiel, Bal-lett - alle Sparten durften sich zeigen, taten es mit großem Eifer und überzeugten das ausverkaufte Haus.
Erstaunlich, mit welchem Beifall das fast totgesagte Ballett überschüttet wurde.
Gehört doch auch der Tanz zum Kulturauftrag, selbst wenn auch mal 'Bodenturnen' bei einer Inszenierung herauskommt.

  Der GMD "sieht finster drein".
Bei ihm lang die musikalische Lei-tung und beim vom Intendanten Pforzheim-lich hinzuengagierten ersten Kapellmeister, Georgios Vranos. Wenn dessen Strahlen gegenüber dem Publikum so auf der Bühne ankommt, macht im Musiktheater alles doppelt so viel Spaß.
Eine besondere Freude bereitete Ernö Weil dem Publikum durch die für alle überraschende Verpflich-tung von Berthold Gronwald als Kaiser Franz Josef im weißen Rössl. Was soll Berthold Gronwald, dieser Vollbluttheatermann, als Pensionär auf der Bank im Park sitzen. Auf die Bühne mit ihm und auf seine Extempores geachtet !!!
Toi, Toi, Toi - allen auf und hinter der Bühne für 2003/2004.
     
   
     
Theaterfest    
     

"Gäste kamen
und Gäste gingen".

Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Man strömte trotz oder wegen des Wetters zum Theaterfest.
Regensburg giert nach der Eröffnung der neuen Spielzeit. Lang genug war Pause. Die Theatermacher hatten sich schon in der Vorprobenzeit et-
was einfallen lassen, das dem Publikum in der neuen Spielzeit präsentiert werden soll.
Ernö Weil stellte mit Dorin Kroll
sein Konzept für Don Carlos vor, das Stück mit den meisten Verlierern.
Die katholische Kirche obsiegte damals und ist mit ihren Dog-matikern heute noch immer am Werk. Jetzt besteht zumindest die Möglichkeit zum Kirchenaus- tritt.

  Das hätte 1560 zum Verbrennen auf dem Scheiterhaufen geführt.

Bleiziffer, der Begeisterer, er- schien mit einem Teil des Schau- spiel-Ensembles, um den Lau- schern zu bekennen, er habe 'Hamlet' noch nie gesehen. Ja, ja, sind halt a so die Schauspielleut.
Für 2003/04 wurde das Gesamt-ensemble aufgefüllt. Was man jetzt sah und hörte, lässt hoffen, dass es aufwärts geht mit dem Regensburger Theater.

Vielleicht hat Ernö Weil nun nach der ersten Spielzeit Tritt gefasst. Es wäre ihm, der Mannschaft und der Stadt zu wünschen.
Wenn der Herr Intendant nur nicht immer mit so miesepetrigem Gesicht rumliefe. Vielleicht erhei- tert er sich ja mit zunehmenden Erfolgen.
     

 

Text der Theaterdramaturgie
Vorhang auf zur neuen Spielzeit
Mit einem Theaterfest am Sonntag, 21. September, lädt das Theater alle Neugierigen, Theaterfreunde, und solche, die es werden wollen, ins Theater am Bismarckplatz. Bei freiem Eintritt ist umfangreiches Programm für Jung und Alt geboten.

Hereinspaziert heißt es um 11 Uhr - und wer vom Bismarckplatz aus kommt, wird von Bläsern des Philharmonischen Orchesters musikalisch zur neuen Theatersaison begrüßt.

Dann geht es rund: In der Kutschendurchfahrt gibt es ganztags Informationen aller Art und qualifizierte Gesprächspartner. Am Abo-Stand besteht zur persönlichen Beratung die Möglichkeit, Ihren künftigen "Stammplatz" im Theater auszuprobieren. Wer beim Theaterfest abonniert bekommt pro Abo-Platz zwei Eintrittskarten für die Reihe "Lieder um fünf" oder die "Kammerkonzertreihe" gratis dazu!

Um 11.15 Uhr steht im Foyer Neuhaussaal die Matinee zur Eröffnungspremiere "Don Carlos" an - GMD Rumstadt, Intendant
Ernö Weil und Ausstattungsleiterin Dorin Kroll geben Einblicke in die Konzeption des Werkes. Natürlich dürfen musikalische Kostproben nicht fehlen.

Bei der Kinder-Malaktion zum diesjährigen großen Kinderstück "Eine Woche voller Samstage" kann man den ganzen Tag über im Studienleiterzimmer mitmachen.
Um 11.30 Uhr sind hier die Schauspieler Bettina Schönenberg, Ulrike Lodwig und Oliver Severin zu erleben, die  aus dem "Sams" vorlesen werden.

Auf der Bühne zeigt das Ballettensemble von Ricardo Fernando ab
12 Uhr ein Ballett-Training und Ausschnitte aus dem ersten großen Ballettabend der Spielzeit, dem "Nussknacker" von Peter Ilijtsch Tschaikowskij - am Nachmittag haben um 15 Uhr tanz- und bewegungsfreudige Kinder Gelegenheit, selbst bei einem Training mitzumachen, denn das Theater sucht noch "Ballett-Mäuse" im Alter von 8-11 Jahren für die Aufführungen des "Nussknacker".

Immer wieder zieht die Bühnentechnik die Theaterbesucher in Bann. Beim Theaterfest kann man erst mal schauen und staunen, und dann beim Gang auf die Bühne alles ganz genau in Augenschein nehmen. "Technik total" bieten Kollegen von Technik, Ton und Beleuchtung um 13.15 Uhr und um 14 Uhr.

Zu den Highlights eines Theaterfestes gehört immer wieder eine
Kostümversteigerung. Lassen Sie sich von Michael Heuberger zum Kauf der wunderbarsten Kostüme verleiten!

 

Vieles wird auf der Probebühne geboten: Wer schon alle Vorurteile, die er je über Theater gehegt hat, bestätigt sehen möchte, der ist richtig bei Probe-Ausschnitten von "Gretchen 89 ff.", das Variationen von "Faust"-Proben auf die Schippe nimmt. Mit Silvia Schuh und Hubert Schedlbauer um 12 Uhr und um 14.30 Uhr.

Der neuengagierte Theaterpä-dagoge lädt die kleinsten Theaterbesucher (ab 3 Jahren) um 15 und um 16.30 Uhr zum Klang-Workshop zu "Ein  Hut, ein Stock, ein Regenschirm" ein.

"Die Präsidentinnen" machen vor nichts halt, auch nicht vor den
Publikumstoiletten - eine Werner Schwab Lesung um 13.30 Uhr, um 14.30 Uhr und um 15.30 Uhr!

"Gershwin, Porter and Friends" kann man um 14 Uhr im Foyer Neuhaussaal treffen - und die neuengagierte Sängerin Gail Sullivan und Korrepetitor Josef L. Trafton kennenlernen, Dramaturgin Christina Schmidt moderiert.

Michael Bleiziffer und Bühnen- und Kostümbildnerin Ingrid Erb stellen das Hamlet-Konzept um 15 Uhr im Foyer Neuhaussaal vor. Mit dabei alle neuengagierten Schauspieler, sowie Danielle Clamer und Peter Heeg.

Michael Haake, der sich in Regensburg mit dem "Hamlet" vorstellen wird, gibt Abonnenten um 17.15 Uhr darüber hinaus eine ganz ungewöhnliche Gelegenheit auf der Probebühne: Einmal den Hamlet so inszenieren, wie Sie es sich vorstellen - der Hauptdarsteller steht mit gelerntem Text zu Ihrer Verfügung: Sein oder Nicht-Sein!

Rosemarie Beisert verführt mit frechen Berliner Chansons und Christian
Ballhaus lädt wieder ein zu Ihrem ganz persönlichen Gedicht - diesmal in der Fürstenloge des Theaters.

Zum Abschluss des Tagespro-grammes werden auch dieses Jahr "Die Zofen" in der Publikumsgarderobe unplugged aufspielen!
Alle Tagesprogramme sind kostenlos!

Die Theatergastronomie "Dal-bergs" versorgt Sie zu familien-freundlichen Preisen.

Um 20 Uhr (nicht wie teilweise angekündigt 19.30 Uhr) beginnt das
Willkommenskonzert (Einheitspreis 9 Euro)  im Theater am Bismarckplatz -

Kostproben der bevorstehenden Premieren, Schauspiel, Ballett, Musiktheater, der Opernchor und das Philharmonische Orchester unter der Leitung von GMD Rumstadt und dem neuengagier-ten 1. Kapellmeister Georgios Vranos freuen sich auf Sie!

Text der Theaterdramaturgin Friederike Bernau

     
   

 

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Archiv 2002/2003

 

 


 
     

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Wir veröffentlichen unsere Meinung zu Themen, die unser Leben, auch unser Kulturleben, regional und überregional, betreffen.
Wir kommentieren Dinge des Zeitgeschehens, ob es sich um Politik oder Veranstaltungen aller Art handelt.
Wir verstehen unsere Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf nach unserer Meinung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten unsere Texte auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
 
     
 


 
     
   
 
 

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Letzte Aktualisierung: 13. Januar 2013   

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